H. C. Hollister 84 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 84 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Emmet Lyndell entstammt einer wilden und gewalttätigen Sippe, wurde durch den Krieg entwurzelt und genießt den Ruf eines Revolvermarshals. Als er sich entschließt, seinen rauen Job aufzugeben und selbst mit einer Herde auf den großen Trail nach Norden zu gehen, macht er dies in erster Linie wegen seines jüngeren Bruders Pete, den er damit endgültig den Schatten der Vergangenheit entreißen will.
Doch Morton Mallory, der einst mit der Lyndell-Sippe eine blutige Fehde ausgetragen hatte, ist jetzt Besitzer der Fork-Ranch im Green River Basin von Wyoming. Zudem steht die Stirrup-Ranch, die Emmet zu einem günstigen Preis erwirbt, im Ruf einer Rustler-Ranch.
Wieder einmal muss Emmet kämpfen - gegen den Machtanspruch eines skrupellosen Weidepiraten, gegen Vorurteile und gegen die nackte Gewalt einer Bande geheimnisvoller Viehdiebe. Obendrein erlebt Emmet die Enttäuschung, seinen verwegenen Bruder auf der Seite der Gegner zu sehen. Wird Emmet Lyndell dennoch unbeirrbar seinen Weg gehen können?


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Inhalt

Cover

SCHATTENREITER

Vorschau

Impressum

SCHATTENREITER

Emmet Lyndell entstammt einer wilden und gewalttätigen Sippe, wurde durch den Krieg entwurzelt und genießt den Ruf eines Revolvermarshals. Als er sich entschließt, seinen rauen Job aufzugeben und selbst mit einer Herde auf den großen Trail nach Norden zu gehen, macht er dies in erster Linie wegen seines jüngeren Bruders Pete, den er damit endgültig den Schatten der Vergangenheit entreißen will.

Doch Morton Mallory, der einst mit der Lyndell-Sippe eine blutige Fehde ausgetragen hatte, ist jetzt Besitzer der Fork-Ranch im Green River Basin von Wyoming. Zudem steht die Stirrup-Ranch, die Emmet zu einem günstigen Preis erwirbt, im Ruf einer Rustler-Ranch.

Wieder einmal muss Emmet kämpfen – gegen den Machtanspruch eines skrupellosen Weidepiraten, gegen Vorurteile und gegen die nackte Gewalt einer Bande geheimnisvoller Viehdiebe. Obendrein erlebt Emmet die Enttäuschung, seinen verwegenen Bruder auf der Seite der Gegner zu sehen. Wird Emmet Lyndell dennoch unbeirrbar seinen Weg gehen können?

Als der Rappe den Schuss hört und gleichzeitig die Gewichtsverlagerung des Mannes auf seinem Rücken wahrnimmt, erstarrt er zu einer Bildsäule. Emmet Lyndell wendet den Kopf zurück, doch es bedarf seines Winkes nicht. Auf diesen letzten dreißig Meilen eines erbarmungslosen Trails ist die Lyndell-Mannschaft ohnehin von angespannter Wachsamkeit erfüllt. Dass der hartgesichtige Softy Pierce zur Stelle ist, verwundert Emmet Lyndell nicht. Wenn es je in seinem Leben einen Mann gab, auf den er sich blindlings verlassen konnte, dann war es Softy. Aber auch die anderen Männer sind auf dem Posten. Jim Cork, der hagere Texaner mit seinem trübsinnig herabhängenden Robbenbart, schließt sofort zu dem schiefrückigen Willie Finney auf und vergewissert sich mit einem raschen Blick, dass an der anderen Flanke der Herde auch Brian Bentley in seiner ruhigen, bedächtigen Art Stellung bezieht.

Auch der vierspännige Wagen rattert heran, auf dessen Bock der wortkarge Esteban Romero die Leinen führt. Dahinter schließlich folgt die Remuda von etwa zwanzig Pferden, darunter ein halbes Dutzend Rappen, getrieben von Pete Lyndell, Emmets jüngerem Bruder, der ebenfalls einen Rappen reitet.

Die Lyndells haben eine Schwäche für nachtschwarze Pferde. Das ist schon seit fast drei Jahrzehnten so, und es gibt einen Landstrich in New Mexico, weit unten am Rio Grande del Norte, wo manche Leute behaupten, dass solche Rappen immer die Hölle im Sattel trügen. Es war nicht gerade der beste Ruf, den sich die Lyndells im Laufe einer Generation erworben hatten.

Nur eine Sekunde braucht Emmet Lyndell zu der Feststellung, dass bei der Herde alles in Ordnung ist und keine unmittelbare Gefahr droht. Er legt seinem Pferd die Schenkel an. Der Rappe springt sofort an und fällt in einen schwingenden Galopp.

Sekunden später dröhnt hinter der Hügelbarre ein zweiter Schuss. Irgendwo hinter Emmet erklingt das zornige Röhren des Leitbullen der Herde. Es ist höchste Zeit, der Schießerei ein Ende zu bereiten. So paradox es vielleicht auch klingen mag, aber selbst Erschöpfung und Müdigkeit können Rinder in eine derart gereizte Stimmung versetzen, dass eine Stampede losbricht. Das haben sie auf ihrem Trail nach Norden bereits einmal erlebt.

In kurzen, schnellen Sätzen fegt der Rappe den Hang hinauf. Nur kurz pariert Emmet sein Pferd auf der Kuppe, um einen Überblick zu gewinnen. Im selben Augenblick blitzt es am Fuß des Hangs erneut auf, und der Donner eines Schrotschusses rollt über die weite Senke. Wiehernd bäumt sich der Rappe auf. Zugleich spürt Emmet Lyndell einen Schlag an der Stirn. Blut sickert ihm in die Braue und rinnt dann an seiner Schläfe und über die Wange hinab. Doch da schießt der Rappe bereits den Hang abwärts.

Ein Wagen mit einem Doppelgespann steht unten, das sich seitwärts in die Büsche gedrängt und hoffnungslos verkeilt hat. Daneben liegt eine Gestalt auf dem Gesicht und rührt sich nicht. Eine weitere Gestalt auf dem Bock des Wagens, die verzweifelt am Verschluss einer Schrotflinte hantiert, ist eine Frau.

Unmittelbar neben dem Bock des Wagens bringt Emmet sein schnaubendes Pferd zum Stehen und beugt sich weit aus dem Sattel. Er sieht ein dunkelhäutiges, verzerrtes Gesicht mit flammenden Augen. Die Frau holt mit der Flinte zum Schlag aus. Im selben Moment knackt der Verschluss, und der Doppellauf klappt herab. Eine Sekunde später hat Emmet Lyndell die Frau bereits bei den Handgelenken gepackt. Sie sträubt sich wie eine Wildkatze und stößt dabei schrille Laute aus. Es gelingt Emmet dennoch, sie zu bändigen.

»Hören Sie auf! Zum Teufel, machen Sie doch endlich Schluss mit diesem Theater! Was soll das?«, keucht er.

Beim Klang der Stimme erstarrt die Frau unter seinen Händen. Polternd rutscht die aufgeklappte Schrotflinte vom Bock herab. Emmet hat seinen Griff gelockert. Sofort entwindet sich ihm die Frau vollends. »Sante Madre«, sagt sie kehlig. »Wer sind Sie, Señor?«

»Ich bin der Mann, den Sie soeben mit Schrot aus dem Sattel schießen wollten«, gibt Emmet Lyndell mit beißendem Sarkasmus zurück. »Ich fände es hübsch, wenigstens den Grund dafür zu erfahren. – Übrigens, mein Name ist Lyndell.«

»Señor Emmet Lyndell?« Offene Neugier blickt aus den dunklen Augen der Frau. Emmet hat längst erkannt, dass er eine Mexikanerin vor sich hat.

»Sie – Sie kennen meinen Namen?«, fragt Emmet Lyndell verdutzt.

»Ich bin Mrs. Fiona Worden«, gibt die Frau zurück. »Sagt Ihnen das etwas, Emmet?«

»Und dieser Mann da? Ist er vom Wagen geschossen worden?«

Sie zuckt mit den Achseln. »Mr. Babe Worden«, erwidert sie. »Ich weiß noch nicht, was mit ihm ist. Als der Schuss aus den Büschen krachte, fiel er vom Wagen und rührte sich nicht mehr. Ich habe dann die Flinte abgefeuert, und gleich darauf war Hufgetrappel zu hören. Deshalb habe ich auf Sie geschossen, Emmet, als ich oben auf der Kuppe einen Reiter auftauchen sah. – Aber, Sie bluten ja ...«

Emmet Lyndell kann sein Unbehagen nicht länger verheimlichen. »Meinen Sie nicht, dass wir uns um diesen – um Ihren Mann kümmern sollten, Mrs. Worden?«

»Wenn Sie meinen«, gibt sie gleichgültig zurück. »Aber nennen Sie mich um Himmels willen nicht bei diesem Namen. Ich kann ihn nicht ausstehen, denn es ist der Name eines Schwächlings und Trunkenbolds.«

Der Herdenboss bleibt darauf die Antwort schuldig und rutscht aus dem Sattel. Erst die Bemerkung der Frau macht ihm bewusst, welcher Geruch ihm schon die ganze Zeit in die Nase gestiegen war – neben dem Duft eines preiswerten und etwas süßlichen Parfüms, den Fiona Worden verbreitet: der Dunst von billigem Whisky. Er strömt von der Gestalt aus, neben welcher Emmet Lyndell jetzt niederkniet.

»Ist er tot?«, erkundigt sich die Frau kalt.

»Bestimmt nicht«, versetzt Emmet. Er hat Babe Worden auf den Rücken gedreht. »Ich kann nicht einmal eine Verletzung an ihm feststellen. Nur zwei Löcher in seinem Jackenärmel, als ob ihn dort eine Kugel gestreift hätte.«

»Ich habe es mir gedacht«, versetzt die Mexikanerin. »Also wieder einmal sinnlos betrunken. So geht es immer mit ihm. Er trinkt, und man merkt ihm kaum etwas an. Und mit einem Mal fällt er um.«

»Sie meinen, er sei ausgerechnet in dem Moment umgekippt, als auf ihn geschossen wurde?«

Fiona Worden setzt ein verächtliches Lächeln auf. »Er hatte schon immer ein besonderes Talent, allen Ungelegenheiten im richtigen Moment aus dem Wege zu gehen. Warum sonst, glauben Sie, hätte er Ihnen zu diesem Zeitpunkt die Stirrup-Ranch verkauft?«

Auf dem Weg, der in weitem Bogen um den Hügelrücken herumführt, sind Hufgetrappel und das Rattern von Wagenrädern zu hören. Esteban Romero bringt sein Vierergespann zum Stehen. Neben dem Wagen pariert Pete Lyndell seinen Rappen durch. Emmet bedenkt ihn nur mit einem unwilligen Blick.

»Ich weiß«, sagt Pete mit einem verwegenen Lächeln. »Es war wieder einmal gegen deinen ausdrücklichen Befehl, dass ich die Herde verlassen habe.« Zynisch setzt er hinzu: »Aber ich habe mir gleich gedacht, dass du dich in Gefahr befindest, Bruderherz. Allerdings wusste ich nicht, dass diese Gefahr so hübsch ist.«

Schweigend schluckt Emmet Lyndell diese Bemerkung herunter. Die Mexikanerin jedoch schaut mit lockendem Augenaufschlag zu dem jüngeren und für einen Mann außergewöhnlich hübschen Pete Lyndell empor und erwidert mit einem gurrenden Lachen: »Sie sind sehr galant, Señor.«

Pete Lyndell schwingt seinen schwarzen, flachkronigen Stetson. Er ist dunkelhaarig und so schlank und energiegeladen wie eine Stahlrute.

Sein Bruder Emmet wendet sich abermals an die Frau: »Warum hätte mir Ihr Mann ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt die Stirrup-Ranch nicht verkaufen sollen?«

»Sie sind ein Rindermann, Emmet. Sollte Ihnen da entgangen sein, dass sich die Rinderpreise seit einem Jahr in ständiger Aufwärtsentwicklung befinden? Kein Rancher würde jetzt verkaufen.«

»Und warum hat er es getan?«

»Aus Angst.«

»Hatte er dazu nicht auch allen Anlass? Was hier geschehen ist, war ein kaltblütiger Mordversuch.«

»Was haben Sie gedacht, Emmet? Das Green River Basin ist keine Weide für Leute mit Samthandschuhen. Besonders in letzter Zeit geht es hier ziemlich rau zu. Durch den Agenten in Rock Springs ist an die Öffentlichkeit gelangt, dass Babe Worden verkauft hat – ausgerechnet an einen gewissen Emmet Lyndell. Seitdem fühlte er sich nicht einmal auf seiner eigenen Ranch mehr sicher, und deshalb sind wir Ihnen heute Nacht entgegengefahren.«

Emmet nickt und starrt auf den Betrunkenen, der sich lallend zu regen beginnt. »Sie haben keinen Verdacht, wer dieser Buschreiter gewesen sein könnte?«, fragt Emmet knapp.

»Viel schlimmer«, entgegnet die Mexikanerin. »Ich könnte gleich ein halbes Dutzend Verdächtige anführen. Aber was würde ein Verdacht schon nützen? Der prächtige Sheriff Pat O'Reilly würde sich deshalb nicht einmal am Kinn kratzen. Nachdem Babe Worden sich eine mexikanische Frau zugelegt hat, ist er für die anderen nur noch eine Art Squaw man.«

»Wir müssen zur Herde zurück«, knurrt Emmet Lyndell an Stelle einer Antwort. »Laden wir Worden also auf.«

Es kostet einige Mühe, Babe Worden auf die Ladefläche hinaufzubefördern.

Wenig später führt Pete Lyndell die beiden in ihre Stränge verkeilten Gespannpferde wieder auf den Fahrweg zurück, wendet den Wagen und nimmt dann mit aufreizendem Lächeln Aufstellung, um Fiona Worden beim Aufsteigen zu helfen. Die Frau lässt sich diesen Ritterdienst gern gefallen. Ein triumphierendes Lächeln spielt um ihren Mund, als sie die Leinen aufnimmt und anfährt.

»Pete«, sagt Emmet Lyndell schroff, nachdem sich der Wagen einige Längen entfernt hat, »ich wünschte, du würdest dir endlich ein anständiges Mädel suchen und heiraten. Auf diese Weise könnten wir uns sicherlich eine Menge Verdruss ersparen. Wenn du nämlich weiterhin jedem Weiberrock nachläufst ...«

»Du betonst das so merkwürdig«, fällt ihm Pete ins Wort. »Hast du den Eindruck, dass diese Fiona Worden nicht anständig ist?«

»Sie ist verheiratet«, entgegnet Emmet verschlossen.

✰✰✰

Mitternacht ist nicht mehr fern. Mehr als eine Meile legt die Treibherde noch zurück, ehe sie in einem weiten Bachgrund zur Ruhe kommt.

Der Wagen der Wordens ist ein Stück abseits aufgefahren. Hier übernimmt Emmet Lyndell das Ausschirren der beiden Pferde. Von der Ladefläche her klingt das rasselnde Schnarchen Babe Wordens.

Eine Stunde später haben die Männer ihre Hauptmahlzeit eingenommen, und im Camp tritt allmählich Ruhe ein. Emmet Lyndell nutzt dies, um noch einmal bei der Herde nach dem Rechten zu sehen.

Als er zurückkehrt, scheint Babe Worden durch seine Frau über alle Vorgänge unterrichtet zu sein, die in den Zeitraum seiner Gedächtnislücke fallen, und er macht darüber hinaus einen halbwegs nüchternen, verlegenen Eindruck. Emmet Lyndell stellt sich neben den Holländerofen und schenkt Kaffee in Blechtassen. Worden trinkt gierig die dampfende Flüssigkeit.

»Das – das war nicht immer so, Lyndell«, krächzt er stockend. »Mit mir und dem Whisky, meine ich. Aber manchmal fühlt ein Mann sich so hilflos, dass ihm nur noch die Flasche bleibt.«

»Das ist Ihre Sache, Worden«, entgegnet Emmet verschlossen. »Ich erinnere mich nicht, Ihnen irgendwelche Vorwürfe gemacht zu haben.«

»Nein«, versetzt der andere heiser. »Wenigstens haben Sie es nicht ausgesprochen. Aber in meiner Lage wird man empfindlich und lernt, in den Augen eines Mannes zu lesen.«

Der Herdenboss senkt den Blick. »Und wie ist Ihre Lage, Worden?«

»Hoffnungslos«, knurrt der Rancher bitter. »Ich bin fertig, Lyndell. Warum sonst, glauben Sie, hätte ich die Stirrup-Ranch für ein Butterbrot an Sie verkauft?«

»Wahrscheinlich deshalb, weil ich der einzige Narr war, der Ihnen überhaupt noch etwas dafür gab«, gibt Emmet zurück. »Sie dürfen nicht vergessen, Mister, ich habe gekauft, ohne die Ranch je zuvor gesehen zu haben und ohne die Verhältnisse hier am Rande des Green River Basins gekannt zu haben. Ich habe mich ganz einfach an die Versicherung des Agenten in Santa Fe gehalten, dass es sich um ordentliches Weideland handele. Also konnte ich mir bei diesem Preis auch ausrechnen, dass die Sache einen Haken haben muss. Wo schwimmt hier das Haar in der Suppe, Worden?«

Langsam lässt sich der Rancher auf eine Kiste sinken.

»Sie meinen, dass ich Sie betrogen haben könnte, Lyndell?«

»Ich meine gar nichts – ich warte ab.«

»Vielleicht – nein, bestimmt habe ich es von Anfang an falsch gemacht und wohl auch keine sehr glückliche Hand gehabt«, räumt er widerwillig ein. Zornesröte schießt ihm ins Gesicht, als er das geringschätzige Lächeln seiner Frau sieht. »Vor sieben Jahren habe ich hier angefangen«, fährt er zögernd fort. »Mit viel Optimismus und wenig Mitteln. Zunächst ließ sich alles ganz gut an. Bis einer meiner Nachbarn von einem verdammten Weidepiraten ausgekauft wurde. Nachdem Mallory dann erst einmal auf dieser Weide Fuß gefasst hatte, ging es auch mit den anderen Nachbarn sehr rasch ...«

»Wer?«, flüstert Emmet Lyndell heiser.

»Morton Mallory«, sagt der Rancher. »Er ist der Weidepirat, von dem ich soeben sprach. Er hat zuerst Brewster mit Hilfe eines schmutzigen Tricks ausgekauft und dann im Laufe der nächsten anderthalb Jahre auch die Ranches von Tucker und Hardman an sich gebracht.«

»Morton Mallory«, wiederholt Emmet Lyndell gepresst, und dabei taucht vor seinem geistigen Auge das Bild eines stämmigen, hartgesichtigen Mannes auf, eines Mannes, dessen unersättlicher Machtgier er unten in New Mexico entgegengetreten war, den er geschlagen und sich ihn damit zu einem unversöhnlichen Feind gemacht hatte. Denn damals – mehr als drei Jahre liegt es wohl schon zurück – war Emmett Lyndell seiner bedrängten Sippe zu Hilfe gekommen. Vor ihm, dem harten Ex-Marshal mit einem legendären Namen, hatte Morton Mallory das Feld räumen und von der Weide am Rio Grande del Norte verschwinden müssen, obgleich er nicht davor zurückschreckte, alte Geschichten aus der texanischen Zeit der Lyndell-Sippe wieder hervorzukramen und als Waffe zu verwenden.

Die Lyndells waren ursprünglich in Texas ansässig gewesen und hatten dort nach der Kapitulation von Appomattox weiterhin einen heftigen Privatkrieg gegen die Yankee-Besatzung geführt, zusammen mit Geächteten, Entwurzelten und Desperados von jenseits der Grenze. So waren aus einer gefürchteten Sippe die »Schattenreiter« geworden. Zwei von ihnen wurden getötet, drei andere fielen der Staatenkavallerie in die Hände und wurden in Fort Worth gehängt.

Emmet Lyndell hatte an diesen Kämpfen keinen Anteil gehabt. Er befand sich zu dieser Zeit als gefangener Offizier der Konföderierten in einem Internierungslager in Virginia. Er war einer der letzten gewesen, die man Jahre nach Kriegsende entließ.

Er war dann mit einer Treibherde nach Norden gegangen, wo er in Wichita Falls den Marshalstern nahm. Ein Mann hatte ihn auf diesem Trail begleitet: Softy Pierce.

Dieser schmalgesichtige Bursche mit der sanften Stimme war gewissermaßen sein Schatten geworden und war ihm in den nächsten Jahren überallhin gefolgt – von Wichita Falls nach Jacksonville, weiter nach Ponca City am Chisholm Trail und in die turbulenten Rinderstädte von Kansas, nach Medicine Lodge, Syracuse und Garden City. Überall hatte Emmet Lyndell seine Zeichen hinterlassen, und überall war seinem Ruf als Städtebändiger und harter Revolvermarshal ein Stück hinzugewachsen. Wenn er diese wilden Jahre überlebt hatte, dann war das nicht zuletzt auch Softy Pierce zu verdanken, der ihm in jeder gefährlichen Situation den Rücken deckte.

Softy selbst hatte kaum persönlichen Ehrgeiz entwickelt. Ihm genügte es, dass mit dem Ruhm »seines« Marshals auch sein eigenes Gehalt von Mal zu Mal wuchs und ihm – von den Kämpfen abgesehen – ein bequemes Leben und obendrein noch beachtliche Ersparnisse ermöglichte.

Dann waren die Ereignisse eingetreten, die Emmet Lyndell noch einmal an die Seite seiner Sippe zwangen. Sie bestand nur noch aus Old Dave, Emmets Großvater, der mittlerweile das Alter eines Methusalems erreicht hatte, ohne deswegen in seinem Starrsinn nachzulassen, aus Morgan Lyndell, Emmets Onkel, und aus Pete Lyndell, Emmets Bruder, der einige Jahre zuvor noch zu jung gewesen war, um an den Kämpfen einer streitsüchtigen Sippe teilzunehmen, inzwischen mit achtzehn Jahren jedoch als erwachsener Mann galt.

Ihnen allen war die Einsicht nicht erspart geblieben, dass es nach all den vorausgegangenen Ereignissen für einen Lyndell in Texas keinen Frieden mehr gab. Sie waren also mit dem Rest der Habe nach Westen gezogen und hatten sich in New Mexico niedergelassen, jenseits des Pecos River, der die traditionelle Grenze von Gesetz und Ordnung bildete. Vor Verfolgung waren sie dort sicher, nicht aber vor Anfeindungen anderer Art. Und eine dieser Anfeindungen verkörperte ein Weidepirat namens Morton Mallory.

Es war die eigene Vergangenheit, der die Lyndells nicht mehr entgehen konnten. Zwar war es Emmet gelungen, Morton Mallory zu schlagen und zurechtzustutzen, als er jedoch kurz darauf einen neuen Job in Abilene, Kansas, übernahm, hatte er bereits geahnt, dass die giftige Saat dieses Weidepiraten trotzdem aufgehen würde. Allerdings dauerte es noch zwei Jahre. Old Dave war eines natürlichen Todes gestorben. Sein Tod hatte noch einmal allen aufgespeicherten Hass und alle Feindseligkeit zum Aufflackern gebracht.

Drei Tage nach dem Begräbnis war Morgan Lyndell bei Nacht in den Rücken geschossen worden. All sein Starrsinn, seine bullige Kraft und sein gefürchteter Jähzorn waren von einem kleinen Stückchen Blei ausgelöscht worden. Das war nun wirklich das Ende. Die Aasgeier versammelten sich bereits, als Emmet Lyndell am Rio Bravo eintraf.

Pete fand in Las Cruces, einem staubigen Mexikanernest, am Spieltisch einer Cantina – den Tequila. Ihm gegenüber saß ein schleimiger Kartenhai, der Emmet grinsend die Schuldscheine vorwies.