H. C. Hollister 88 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 88 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Voller Bitterkeit kehrt Dave Nash der Fork-Ranch und dem Big-Bend-Land den Rücken und reitet über den Rio Bravo nach Süden. Mehr als drei Jahre verbringt er jenseits der heißen Grenze und entwickelt sich bei den Gefechten zwischen den Juaristas und den Kaiserlichen zu einem gefürchteten Guerilla-Kämpfer. Dann aber will es das Schicksal, dass die illegalen Waffenlieferungen des Banditen Zampa Calvarez und des "Generals" Pancho da Silva ausgerechnet aus dem Big-Bend-Land herrühren. Und wer wäre mehr geeignet, diesen Waffenschmuggel zu unterbinden, als der Capitan Dave Nash, der am Rio Bravo beheimatet ist.
Bei seiner Rückkehr ins Big-Bend-Land findet Dave neben einem undurchdringlichen Netz von Intrigen und Gewalttaten eine Fork-Ranch, die am Rande des Ruins steht. Fast scheint es zu spät, als Dave seinen Bruder Patrick aufrüttelt und den Kampf gegen einen unsichtbaren Feind aufnimmt. Kann er die Fassade zum Einsturz bringen, hinter der sich ein skrupelloser, unheimlicher und von tödlichem Hass erfüllter Gegner verbirgt?


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Inhalt

Cover

HEISSE GRENZE

Vorschau

Impressum

HEISSE GRENZE

Voller Bitterkeit kehrt Dave Nash der Fork-Ranch und dem Big-Bend-Land den Rücken und reitet über den Rio Bravo nach Süden. Mehr als drei Jahre verbringt er jenseits der heißen Grenze und entwickelt sich bei den Gefechten zwischen den Juaristas und den Kaiserlichen zu einem gefürchteten Guerilla-Kämpfer. Dann aber will es das Schicksal, dass die illegalen Waffenlieferungen des Banditen Zampa Calvarez und des »Generals« Pancho da Silva ausgerechnet aus dem Big-Bend-Land herrühren. Und wer wäre mehr geeignet, diesen Waffenschmuggel zu unterbinden, als der Capitan Dave Nash, der am Rio Bravo beheimatet ist.

Bei seiner Rückkehr ins Big-Bend-Land findet Dave neben einem undurchdringlichen Netz von Intrigen und Gewalttaten eine Fork-Ranch, die am Rande des Ruins steht. Fast scheint es zu spät, als Dave seinen Bruder Patrick aufrüttelt und den Kampf gegen einen unsichtbaren Feind aufnimmt. Kann er die Fassade zum Einsturz bringen, hinter der sich ein skrupelloser, unheimlicher und von tödlichem Hass erfüllter Gegner verbirgt?

Es ist noch früh am Morgen, und dennoch schlägt Dave Nash die Hitze entgegen, als er aus der Cantina ins Freie tritt und zu seinem fertig gesattelten Rappen hinübergeht.

»Buenos dias, Capitan«, wird er von Paco begrüßt. Irgendwann einmal war Paco ein einfacher Peon gewesen. Jetzt ist er ein Freiheitskämpfer wie all die anderen Männer, die sich hier zum Aufbruch fertigmachen. Juaristas, wie sich die Freiheitskämpfer nach ihrem Führer, dem vertriebenen Präsidenten Benito Juárez, nennen.

Als Dave Nash zu Paco tritt und die Zügel seines Rappen übernimmt, kann er die bedeutungsvolle Grimasse Pacos nicht übersehen. Er tut ihm den Gefallen und fragt:

»Was ist los, Paco? Hast du irgendwo einen gut gefüllten Keller entdeckt?«

Vorwurfsvoll schüttelt der Mexikaner den Kopf. »Capitan, der Coronel hat heute Nacht Nachrichten von unseren Exploradores bekommen. Was es war, wissen wir nicht, aber es heißt, Zampa Calvarez sei mit einer starken Bande in der Nähe.«

Dave Nash hat bereits einen Fuß in den Steigbügel gesetzt und schwingt sich erst in den Sattel, ehe er zwischen den Zähnen einen leisen Pfiff hervorstößt.

»Zampa Calvarez? Dann ist es bestimmt die beste Nachricht, die der Coronel seit langer Zeit erhalten hat. Und wir auch.«

Zampa Calvarez ist ein Guerillaführer und Mordbrenner im Dienste der Fremdherrschaft. Er und seine Bande werden von allen Freiheitskämpfern bitter gehasst.

Ehe Dave noch etwas hinzufügen kann, tritt eine hochgewachsene Gestalt aus der Cantina. Don Giulio de Soto y Jubara ist der Typ eines Weltmannes und eines spanischen Granden. Der Coronel, wie er allgemein genannt wird, gehört zur Kaste der Großgrundbesitzer, und diese Gruppe wiederum hatte sich in schöner Einhelligkeit auf die Seite Maximilians geschlagen, weil sie nur in einem Feudalstaat hoffen konnte, weiterhin ihre Privilegien zu behalten und in patriarchalischer Manier ihre riesigen Haziendas samt den Leibeigenen zu beherrschen. Aber Don Giulio de Soto y Jubara hatte eine Ausnahme gemacht. Man könnte sogar sagen, dass das Fortschreiten der Revolution in den Nordprovinzen Mexikos, in Sonora, Chiricahua und Coahuila, ohne ihn niemals so rasch vonstattengegangen wäre.

Frenetisches Geschrei brandet auf, als der Coronel zu seinem Apfelschimmel geht und aufsitzt. Er ist ein schlanker Mann mit scharfgeschnittenem Gesicht, einer kühnen Adlernase und dunklen Brauen, die in einem seltsamen Gegensatz zu seinem eisgrauen Spitzbart stehen.

Dave Nash kennt die Bedeutung des Blickes, den der Coronel ihm zuwirft, und setzt seinen Rappen mit einer leichten Gewichtsverlagerung in Bewegung. Als Leibwächter des Coronels bekleidet er unter den Rebellen den Rang eines Capitans.

»Hallo, Dave«, begrüßt ihn dieser in fließendem Englisch. »Sind Sie gar nicht neugierig, was der plötzliche Aufbruch zu bedeuten hat?«

Gelassen hält Dave Nash dem forschenden Blick stand und zuckt mit den Schultern.

»Sie haben einen Entschluss gefasst, Don Giulio. Paco weiß allerdings schon mehr.«

Ein Lächeln hellt das ernste Gesicht des Coronels auf.

»Natürlich«, erwidert er mit leiser Ironie, »in der Küche sprechen sich Neuigkeiten immer am schnellsten herum. – Fangen Sie auf, Dave.«

Er zieht einen waschledernen Beutel aus dem Gürtel und wirft ihn seinem Leibwächter zu. Dave Nash schnappt mit jener lässigen Geschmeidigkeit zu, die jeder seiner Bewegungen innewohnt und etwas von der traumhaften Sicherheit seiner Reaktion ahnen lässt.

»Darf ich fragen, was das ...«

»Tausend Dollar oder der Gegenwert in Goldpesos«, unterbricht ihn Don Julio. »Hatten wir es damals nicht so abgemacht?«

»Abgemacht?«, entgegnet Dave Nash. Bis ihm die Erleuchtung kommt. Es liegt lange Zeit zurück, seit er über die Grenze nach Mexiko gekommen und Leibwächter des Coronels geworden war. Damals hatten sie einen Sold vereinbart und darüber hinaus eine Prämie von tausend Dollar am Ende seiner Tätigkeit.

»Aber doch erst, wenn ich meine Aufgabe erfüllt habe.«

Der Coronel nickt mit einem seltsam ernsten Lächeln.

»Das könnte ganz plötzlich der Fall sein, Dave. Und ich möchte vermeiden, dass Sie dann um Ihre verdiente Prämie betrogen werden.«

Er blickt sich um und gibt den Männern, die drüben vor den Stallgebäuden aufsitzen, einen kurzen Wink. Dann treibt er seinen Apfelschimmel vorwärts. Sofort setzt sich Dave Nash an seine Seite.

»Wir reiten gegen Zampa Calvarez, Dave«, erklärt Don Giulio.

»Ist das ein Grund für Todesangst?«

»Das allein noch nicht. Aber die Nachricht, wo wir diesen Desperado stellen können, kam nicht von unseren Kundschaftern, sondern von Pancho da Silva.«

Dave Nash kneift die Augen zusammen und blickt starr über die Ohren seines Rappen nach vorn.

»Und warum greift sich der General Pancho da Silva denn nicht selbst diesen Banditen?«

Der Coronel nickt. »Die gleiche Frage habe ich dem Kurier vorgelegt, Pancho da Silva muss sie sogar erwartet haben, denn er hat dem Mann umgehend die Antwort eingebläut. Angeblich hat er zu große Teile seiner Truppe am Río Conchos eingesetzt. Trotzdem will er sich bemühen, mir wenigstens mit einer berittenen Abteilung zu Hilfe zu kommen. Zampa ist in der Gegend von Santa Rosa aufgetaucht und hat dort eine Hazienda niedergebrannt. Nötigenfalls soll ich ihn mit seiner Bande so lange festhalten, bis da Silva mir Verstärkung bringt. Das hört sich doch alles recht vernünftig an, nicht wahr?«

»Zu vernünftig, wenn Sie mich fragen, Coronel«, gibt Dave Nash schnaubend zurück. »Ich traue diesem General Pancho da Silva nicht über den Weg. Im Grunde genommen ist er ein Bandit, der sich rechtzeitig die Uniform eines Freiheitskämpfers zulegte. Wenn Sie ehrlich sind, dann stimmen Sie mir sogar zu.«

Eine Weile beschäftigt sich Don Giulio damit, seine Zügel zu ordnen. »Vielleicht«, sagt er dann mit abgeklärter Ruhe. »Soweit es mich persönlich trifft, traue ich ihm jede – oder fast jede – Schurkerei zu.«

»Aber Sie glauben, dass er dabei nicht zugleich sechzig andere Männer ...«

»Si, das hoffe ich«, fällt ihm der Coronel ins Wort. »Diese Skrupellosigkeit traue ich nicht einmal Pancho da Silva zu.«

»Wollen wir in den Hügeln nicht lieber mit vorgeschobener Sicherung reiten, Don Giulio?«

»Wenn es Sie beruhigt, Dave; nehmen Sie sich also die Leute, die Sie brauchen.«

»Danke, Coronel.« Dave Nash wendet den Kopf zu der nachfolgenden Kavalkade um, die sich zu einer langen Doppelreihe formiert hat.

Paco Anastasio reitet gleich in der vordersten Reihe und treibt mit bereitwilligem Feixen sein Pferd noch weiter vor.

»Sechs Mann, Paco«, verkündet Dave Nash. »Und zwar solche, deren Gäule im Notfall noch etwas zuzulegen haben.«

Da er sich bei dieser Aufforderung des Spanischen bedient, läuft sie sehr rasch die lange Kette der Reiter entlang.

»Si, Capitan«, schnauft Paco, zieht seinen Schecken herum und reitet zurück. Die Rolle eines Adjutanten scheint sein Selbstbewusstsein zu stärken, denn seine Haltung wirkt stolzgeschwellt, und auch in seiner Stimme kommt dies zum Ausdruck. Dave lenkt seinen Rappen zur Seite, sodass die Kavalkade passieren kann. Kurz darauf bauen sich außer Paco ein halbes Dutzend weiterer abenteuerlicher Gestalten vor ihm auf.

Es hat eine Weile gedauert, bis man in Dave nicht mehr den Gringo und Americano, sondern den Kampfgefährten und später den Capitan sah. Inzwischen aber hat er diese Stellung unangefochten inne, und in den unrasierten Gesichtern der Guerillas zeigt sich der Respekt.

In kurzen Worten teilt Dave Nash ihnen ihre Aufgabe mit. Bei diesen wilden Burschen bedarf es keiner langen Erklärungen. Sie galoppieren davon, je zwei als Flankensicherung an den Seiten der Kolonne, die anderen nach vorn, um vor der Kavalkade einen auseinandergezogenen Schutzschirm zu bilden, der das Gros vor jeder Überraschung sichert. Genau in der Mitte dieser Kette wählt Dave Nash seinen Platz, und Paco bleibt als Befehlsübermittler ständig in seiner Nähe.

Die Schatten sind länger geworden. Im Osten wechselt die Tönung des Himmels zu einem fahlen Türkis. Vor diesem blassen Horizont entdeckt Paco Anastasio zuerst den feinen Rauchschleier.

»Capitan«, macht er Dave Nash aufmerksam.

»Yeah«, erwidert Dave. »Das ist mehr als der Rauch eines Campfeuers. Es muss dort gebrannt haben. Vielleicht ist es eines der Zeichen, die Zampa Calvarez hinterlassen hat.«

Dave treibt den Rappen den flachen Hang hinauf. Oben angelangt, greift er zur Satteltasche, bringt die Messingröhre eines Teleskopfernrohres zum Vorschein und zieht sie auseinander.

»Es ist schon dämmrig dort unten«, murmelt er, als er angestrengt hindurchgeblickt hat. »Anscheinend eine Estancia, der Zampa Calvarez den roten Hahn aufs Dach gesetzt hat. Aber einige Gebäude stehen noch, und wenn ich nicht irre, dann laufen dort noch eine Menge Burschen herum.«

»Zampa und seine Bandoleros?«, fragt Paco begierig und fährt sich mit der Zunge über die Lippen.

»Möglich«, erwidert der Capitan lakonisch. »So deutlich lässt es sich auch durch das Glas nicht erkennen. Wir müssen näher heran. Aber zuvor sollten wir den Coronel unterrichten.«

»Ich?«, murmelt Paco enttäuscht und tippt sich mit dem nicht sehr sauberen Daumen vor die Brust. »Kann nicht Fernando ...«

»No, muchacho«, wehrt Dave Nash lächelnd ab. »Du bist der richtige Mann für die wichtige Meldung. Der Coronel soll möglichst noch die Richtung nach Santa Rosa beibehalten. Denn wenn es sich tatsächlich um Zampa und seine Bande handelt, weiß ich nicht, ob man so kurz vor der Dämmerung noch einen Angriff riskieren sollte. – Hast du verstanden, was du dem Colonel sagen sollst, Mister?«

»Si, Capitan – jedes Wort.«

Dann zieht er seinen Pinto herum und jagt in halsbrecherischem Tempo den Hang hinab. Dave Nash jedoch nickt dem zweiten Reiter zu, und gemeinsam setzen er und Fernando sich in Bewegung.

Am Fuß des gelben Lößhangs beginnt ein raschelndes Maisfeld.

Ein Wink von Dave Nash genügt, damit Fernando auf seinem knochigen Braunen zur Seite ausschert und den Weg verlässt. Zwischen den raschelnden Maisstauden gibt es mehr Deckung, der Gaul verschwindet fast völlig darin. Dave reitet zur anderen Seite.

Gedämpft ruft er seinem schweigsamen Begleiter ein paar Worte zu, als nur noch achtzig Yards sie von der dichtbelaubten Kulisse trennen. Dann wendet er einen jener Tricks an, die in diesem schmutzigen Krieg von unschätzbarem Wert sind. Er richtet sich hoch in den Zügeln empor, als ob er etwas entdeckt hätte, das ihn stutzig macht, reißt das Gewehr an die Schulter und wirft sich im nächsten Moment, ohne geschossen zu haben, nach vorn über den Hals seines Rappen. Ein Späher in den Büschen muss dadurch den Eindruck gewinnen, dass er entdeckt wurde, und dieser Eindruck wird dann noch durch die Tatsache verstärkt, dass drüben Fernando im selben Moment sein Pferd herumreißt, als ob er die Flucht ergreifen wolle. Er befolgt damit eine Anweisung, die er kurz zuvor von Dave Nash erhalten hatte.

Wie sehr jedoch seine Vermutung den Tatsachen entspricht, bemerkt Dave erst, als es bereits zu spät ist. Drei, vier Gewehrschüsse krachen fast gleichzeitig. Fernandos Pferd bäumt sich auf, und der Reiter kippt im selben Atemzug nach vorn und krallt sich mit letzter Kraft in der Mähne fest. Einige Sprünge macht der Gaul noch, dann rutscht Fernando schwerfällig zur Seite und verschwindet vollends zwischen den Maisstauden, während das Tier reiterlos davongaloppiert.

Im Bruchteil einer Sekunde hat sich auch Dave aus dem Sattel geworfen. Ein Querschläger, der mit zornigem Brummen an ihm vorüberschwirrt, ist ihm Warnung genug.

Die graublauen Pulverwölkchen zwischen dem dunklen Laub der Agarita-Büsche geben ihm einen hinreichenden Anhaltspunkt. Er visiert sorgfältig und platziert seine Kugeln in gleicher Höhe, als er rasch dreimal hintereinander schießt. Ein krächzender Schrei dringt herüber und lässt Dave Nash mit grimmiger Befriedigung die Lippen aufeinanderpressen. Dann erst kracht es auch drüben erneut. Dumpf patscht ein Geschoss in den Erdaufwurf und wirbelt eine kleine Staubwolke auf, während ein anderes hörbar an Daves Kopf vorbeizirpt. Das Echo dieser Schüsse ist noch nicht verhallt, als er schon wieder los hetzt. Er darf sich in seiner verhältnismäßig ungeschützten Stellung nicht festnageln lassen.

Dicht vor seinen Füßen fährt eine Kugel in den Boden, als er sich vorwärtsschnellt. Noch sind die Banditen offenbar verdutzt darüber, dass ein einzelner Mann es überhaupt wagt, sie anzugreifen. Dave hetzt in wahnwitzigen Zickzacksprüngen dem schützenden Buschrand entgegen. Dabei hat er eine Richtung eingeschlagen, die ihn zu einer Buschinsel führt, etwa vierzig Yards seitlich von der Stellung der Banditen. Sofort wirft er sich hier in Deckung und kriecht weiter.

Ein Schuss fetzt neben ihm das Laub von einem Zweig. Doch Dave Nash lässt das Feuer unerwidert, da er sich den Zweck dieses auf Verdacht abgefeuerten Schusses ausrechnen kann.

Irgendwo kracht ein dürrer Ast unter dem Gewicht eines Mannes und bestätigt Daves Vermutungen. Er selbst lässt sich dadurch nicht aufhalten. Jede seiner Bewegungen wirkt beherrscht und geschmeidig, wenn er sorgsam jedem Ast ausweicht, sich ein Stück kriechend fortbewegt, um dann geduckt weiterzugleiten. Dann endlich werden vor ihm die Büsche lichter, und durch eine Lücke kann er den weiteren Verlauf des Weges erkennen, der durch Felder und über eine gewellte Weidefläche zu den Gebäuden der Estancia hinüberführt.

Fast eine halbe Meile sind diese Gebäude noch entfernt, aber auch mit dem bloßen Auge ist von hier deutlich auszumachen, dass einige von ihnen ein Raub der Flammen geworden sind. Ein dunkler Rauchschleier hebt sich gegen den fahlen Abendhimmel ab.

Dave Nash wendet sich nach rechts. Wenn er sich nicht restlos verkalkuliert hat, dann muss er sich jetzt bereits mit den Gegnern auf gleicher Höhe befinden.

Ein Schnauben und Stampfen zeigt ihm an, dass hinten am Buschrand die Pferde der Banditen stehen. Dann plötzlich bemerkt er eine Bewegung zwischen den Büschen und sieht eine Gestalt im Poncho etwa zwanzig Schritte entfernt, die eine doppelläufige Schrotflinte in den Händen hält. Erfreulicherweise jedoch ist der Lauf dieser Flinte nicht dorthin gerichtet, wo Dave sich befindet.

»Basta, muchacho, jetzt ist es genug«, sagt der Capitan gedämpft. Mit einem erschrockenen Laut fährt der Mexikaner herum. Wenn Dave gehofft hatte, den Banditen kampflos zur Aufgabe zu bewegen, sieht er sich getäuscht, denn der Doppellauf der Flinte schwenkt auf ihn zu, und der Bursche drückt mir verzerrtem Gesicht ab. Doch der Schrotschuss ist zu überhastet abgefeuert. Nur ein einzelnes Korn trifft Dave Nash an der Stirn. Der Rest der tödlichen Ladung prasselt über ihn hinweg und reißt Laub und kleine Zweige von den Büschen.

Zweimal bellen hart und trocken die Antwort-Schüsse aus Dave Nashs Colt, während er sich nach vorn zu Boden wirft. Lautlos knickt der Bandit ein und kippt zur Seite. Ein heiserer, krächzender Ruf tönt aus dem Hintergrund. Hastige Schritte werden laut, und Männer brechen jetzt rücksichtslos durch die Büsche. Nur schemenhaft kann Dave Nash zwei Gestalten erkennen und schickt ihnen einen raschen Schnappschuss aus seinem Revolver entgegen. Abermals ist daraufhin ein Schrei zu vernehmen, dann werden die Gestalten wieder von den Büschen verschluckt.

Ungefähr an jener Stelle, wo er die Pferde der Banditen vermutet, ertönt ein schriller Zuruf. Sofort schwenkt das Rudel zur Seite. Noch ehe die Pferde zum Stehen gekommen sind, werfen sich die ersten Reiter aus den Sätteln. Da hetzt auch Dave Nash los und bricht rücksichtslos durch die Büsche, um den Fuß der Hügelschulter wenigstens noch zu erreichen, ehe er von allen Seiten eingeschlossen wird. Während er den Kopf nach vorn beugt, seinen verbeulten Stetson festhält und die Äste ihm dennoch ins Gesicht peitschen, flucht er grimmig in sich hinein.

Dreimal dröhnt es hinter ihm auf. Aber er wird von diesen Schüssen nicht behelligt.

Keuchend stolpert der Capitan die letzten Schritte hangaufwärts und lässt sich dann einfach in einen der staubigen Bodenrisse fallen.

Die Schüsse werden nun seltener. Über den Rand seiner Deckung hinweg kann Dave erkennen, dass sich die gelbgrau leuchtende Rauchwolke über der Estancia gegen den Abendhimmel deutlich abhebt, sodass sie auf Meilen im Umkreis sichtbar sein muss.

Da trägt der Wind das Hufgetrappel einer starken Mannschaft herüber. Dabei kann es sich nur um die Juaristas von Don Giulio de Soto handeln. Mit dem Karabiner im Hüftanschlag schnellt sich Dave empor und stürmt die Rinne abwärts. Nur einer der Banditen hat noch die Geistesgegenwart zu feuern, doch sein Schuss geht fehl. Dann sieht Dave bereits das ganze Rudel am Buschrand entlang zu den Pferden rennen, allen voran ein großer, knochiger Mann mit ungelenken Bewegungen, der seiner Kleidung nach ein Amerikaner zu sein scheint.

Daves Karabiner fliegt an die Schulter. Eine Bewegung zu seiner Rechten lässt ihn im letzten Moment herumwirbeln. Nur der Oberkörper eines Mannes ist sichtbar, ein breitrandiger Sombrero über einem verzerrten Gesicht und die gekreuzten Patronengurte über der Brust. Instinktiv lässt Dave sich nach vorn fallen und schießt zweimal mitten in der Bewegung. Ein Revolverschuss donnert ihm entgegen, eine Kugel zerrt an seiner Jacke und streift brennend seinen Oberarm. Als er sich auf dem Boden blitzschnell zur Seite rollt und sofort wieder das Gewehr in Anschlag bringt, ist die Situation jedoch schon wieder bereinigt.

Der Mexikaner ist zurückgesunken, presst beide Hände gegen den Leib und starrt ihn aus geweiteten Augen an. Für die Länge eines Atemzuges behält Dave noch den Finger am Abzug. Dann sieht er, wie der Kopf des Mannes schwer auf die Brust herabsinkt und seine ganze Haltung erschlafft.