H. C. Hollister 9 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 9 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Jerry Phips, ein alter Prospektor mit rauem Kern, und der Satteltramp Hal Cady sind zwei ungleiche Partner.
Mit ihrem Eintreffen in Prescott beginnt eine ununterbrochene Kette wilder Ereignisse. Jerry kann nicht verstehen, dass es die Banditen immer wieder auf ihn abgesehen haben. Doch die größte Überraschung erfährt er mit seinem neuen Partner Hal Cady, dessen Herz ein junges, hübsches Mädchen zu erobern sucht ...

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Inhalt

Cover

Impressum

In Verwegener Rolle

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne/Becker Illustrators

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9595-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

»Es gibt heute eigentlich zu viele Autoren, die angeblich so schreiben, wie der Wilde Westen wirklich war. Wenn man dann näher hinschaut, entdeckt man doch nur zu oft ein verfälschtes Bild, Klischee und Schablone. In jedem meiner Romane versuche ich bis auf den Grund einer historisch echten Darstellung vorzudringen. Der grandiose Stoff zwingt mich einfach dazu.«

H.C. Hollister, Mitte der 1960-er Jahre

In Verwegener Rolle

Jerry Phips, ein alter Prospektor mit rauem Kern, und der Satteltramp Hal Cady sind zwei ungleiche Partner.

Mit ihrem Eintreffen in Prescott beginnt eine ununterbrochene Kette wilder Ereignisse. Jerry kann nicht verstehen, dass es die Banditen immer wieder auf ihn abgesehen haben. Doch die größte Überraschung erfährt er mit seinem neuen Partner Hal Cady, dessen Herz ein junges, hübsches Mädchen zu erobern sucht …

Nein, schön ist sie wirklich nicht. Nur der melancholische Zug in ihren Augen mildert den Eindruck von Gehässigkeit, den ihre gelben vorstehenden Zähne dem Beschauer aufdrängen. Ihr Körperbau ist gedrungen und kräftig.

Und da wendet Lissy, das Maultier, ruckartig den Kopf. Es erwischt gerade noch den äußersten Zipfel von Jerry Phips’ Ärmel, schnappt zu, und der Stoff reißt mit einem knirschenden Laut.

Jerry macht einen Satz zurück und rettet im letzten Augenblick die große runde Feldflasche vor dem Herunterfallen.

»Du hinterhältiges Frauenzimmer! Jetzt hast du mir zum sechsten Mal meinen Jackenärmel zerrissen, und immer wieder falle ich auf deinen scheinheiligen Blick herein. Es ist Schluss! Bei der nächsten Gelegenheit wirst du verkauft.«

Es ist kein Wiehern und auch kein Eselsgeschrei, das urplötzlich aus Lissys Kehle dringt. Dann stapfen Herr und Maultier wieder unter der glühend heißen Sonne durch die karge Landschaft.

Jerry Phips ist ein alter Wüstenläufer. Unbeirrt verfolgt er seinen Weg. Mit hängendem Kopf trottet Lissy hinter ihm her. Er braucht sie nicht einmal an der Leine zu führen. Seine klobigen Stiefel haben breite Sohlen, bestens geeignet für lange Märsche durch Geröll und Sand.

Ein brüchiger Lederriemen hält die Hose an den Hüften. Außerdem dient er Jerry als Halt für seinen großen Peacemaker-Colt. Das Hemd ist vom vielen Waschen zu schmutzig grauer Farbe gebleicht.

Wer aber Jerry Phips für einen alten Mann hält, braucht nur einen Blick auf seine Hände zu werfen, schaufelartige Pranken, rau und rissig. Die Nägel sind abgestoßen von harter Arbeit. Es ist diesen Fäusten anzusehen, dass das Alter ihre Kraft nicht lähmen konnte. Wie seine Hände sind auch Jerry Phips’ Gesichtszüge, knorrig und ungefüge. Unter buschigen hellen Brauen aber sitzt ein Paar scharfer Augen, das List und Verschmitztheit zu gleichen Teilen ausdrückt.

An der Ausrüstung, die Lissy auf ihrem hölzernen Packsattel schleppt, ist zu erkennen, dass Jerry ein Prospektor, ein Goldgräber, ist. Nach Art der Menschen, die viel mit sich allein sind, hat er sich angewöhnt, seine Lissy zum Gesprächspartner zu nehmen. Und wenn man sieht, wie Lissy die Ohren nach vorn stellt, sobald Jerrys Bassstimme zu sprechen beginnt, möchte man fast glauben, dass die Maultierdame ihn versteht.

Stundenlang marschiert Jerry mit dem ruhigen langen Schritt eines Wüstenläufers. Er weiß, dass er an diesem Tag noch eine Wasserstelle erreichen wird. Der Bluewater-Creek führt auch in der heißen Jahreszeit Wasser. Er entspringt weit oben in den Bradshaw-Mountains und strebt dem Gila-River zu. Noch vier bis fünf Meilen, dann müsste Jerry ihn erreichen. Es wird seit langer Zeit der erste Lagerplatz sein, an dem Lissy außer Mesquite und Sagebüschen auch grünes, saftiges Gras vorfinden wird.

Prüfend wirft Jerry einen Blick nach dem Sonnenstand. Yeah, er wird es vor Einbruch der Dunkelheit schaffen. Als seine Augen zu dem Packsattel wandern und dort an einigen prallgefüllten Lederbeuteln hängen bleiben, nehmen seine Züge einen verklärten Ausdruck an. Es ist die Ausbeute sechsmonatiger Arbeit, die Lissy da auf dem Buckel schleppt.

Gold im Wert von fast fünfzigtausend Dollar. Das ist für Jerry Phips genug, um bis an sein Lebensende damit auszukommen. Jerry Phips ist Einzelgänger. Er hat immer gerade so viel verdient, dass er leben und von Zeit zu Zeit seine Ausrüstung erneuern konnte. Er hat den gelben Staub aus dem Flusssand gewaschen und die Nuggets aus dem Boden gegraben. Bis zu Haselnussgröße hat er sie schon gefunden. Seine letzte Fundstelle aber übertraf alles, was er jemals zuvor gesehen hatte.

Jerry Phips greift in die Tasche und holt das Größte heraus. Wie eine Walnuss ist es geformt und schimmert in mattem, schmutzigem Gelb. Bis auf den Grund hat er die Geröllhalde durchwühlt. Schicht um Schicht hat er abgetragen und fortgeschafft. Seine Fingernägel sind dabei zum Teufel gegangen, aber die Lederbeutel haben sich gefüllt. Zehn Beutel sind es, und jeder enthält Gold für fast fünftausend Dollar. Körner von der Größe einer Schrotkugel bis zur Größe seines Prachtstücks, das allein fast ein Pfund wiegt. Jetzt ist die Bonanza leer und ausgebeutet.

Während er durch die Wüste wandert, schweifen seine Gedanken zu den Herrlichkeiten, die ihm der Besitz des Goldes eintragen soll. Und damit kommt sofort die Sorge, wie er seinen Reichtum anlegen soll.

Nach zwei Stunden Marsch spüren seine Füße den ersten Graswuchs. Sie haben den Bluewater-Creek erreicht.

Nur mit Mühe kann Jerry sein Maultier davor zurückhalten, einfach davon zu galoppieren, dem Bachgrund und dem Wasser entgegen.

Lissy muss warten, bis Jerry ihr den Packsattel losgeschnallt und abgenommen hat. Dann galoppiert sie mit steilaufgerichtetem Schwanz an das Wasser.

Der Zufall hat Jerry sofort an einen prächtigen Lagerplatz gebracht. Nur wenige Schritte vom Bach entfernt ist eine Stelle, die durch dichtes Gebüsch vor jeder Einsicht geschützt ist. Für Lissy ist genügend Gras vorhanden und auch ausreichend Holz für ein kleines Feuer. Jerry schiebt die Lederbeutel einzeln unter einen Busch und legt trockenes Reisig davor. Dann geht auch er zum Bach, reißt die Stiefel von den Füßen und watet hinein. Bis zum halben Oberschenkel reicht ihm das Wasser. Er schöpft es mit dem Hut und gießt es sich langsam und genussvoll über den Kopf. Etwas weiter unterhalb tobt Lissy in wilden Bocksprüngen im feuchten Element umher. Beide, Jerry und sein Maultier, genießen den plötzlichen Überfluss an Wasser.

Dann hält er plötzlich inne. Am Rand seines Lagerplatzes ist das Gras zertrampelt. Deutlich zeichnen sich Spuren von Pferdehufen ab. Jerry zieht den Revolver aus dem Hosenbund. Alles an ihm ist plötzlich lauernde Aufmerksamkeit und Anspannung. Er folgt der Spur durch das Gebüsch und steht nach dreißig Yards vor einem ähnlichen Lagerplatz, wie er ihn sich selbst ausgesucht hat. Ein Sattel liegt da, ein Gewehr und ein Waffengurt. Kleidung, Decken und was sonst zu einem Camp unter freiem Himmel gehört. Aber weder Ross noch Reiter sind zu sehen. Die Pferdespuren führen quer über den Lagerplatz zum Bach hinab. Es war ein halbes Dutzend Pferde, und sie sind galoppiert. Jerry erkennt es an den Eindrücken der Hufe, die nach hinten ausgeworfen sind. Wer reitet im Galopp durch ein Gebüsch und über einen kleinen Lagerplatz?

Vorsichtig umkreist der Alte die weitere Umgebung.

Jerry braucht eine halbe Stunde, bis er ganz sicher ist, dass sich niemand in der Nähe aufhält. Dann erst geht er zu seinem Lagerplatz zurück, an dem Lissy inzwischen friedlich grast.

Er schnallt seine Pfanne und Töpfe vom Sattel los, holt Holz heran und macht ein kleines Feuer. Nach einer Weile brutzelt der erste Speckkuchen in der Pfanne. In einem Topf setzt er Bohnen und Speck aufs Feuer.

Jerry legt einige dickere Holzstücke aufs Feuer und gibt dann dem Drang nach, dem er nur mit Mühe so lange widerstanden hat: er schleicht durch das Gebüsch zu dem verlassenen Lagerplatz hinüber.

Als erstes greift er zu dem grauen Stetson, der auf dem Sattel liegt. Er ist nicht mehr ganz neu, aber trotzdem ist ihm anzusehen, dass er sicher einen Cowboy-Monatslohn gekostet hat. Jerry wirft seinen eigenen traurigen Speckdeckel beiseite und setzt ihn sich auf. Er ist etwas zu klein, aber dem Digger macht es nichts·aus.

Jetzt greift er nach den übrigen Kleidungsstücken und hält sie sich vor.

»Hm, könnte passen«, grunzt er befriedigt, obgleich ihn das Gewissen plagt. Schließlich sind es ja Sachen, die einem anderen gehören.

Den Weg zu seinem eigenen Lagerplatz muss er dann zweimal laufen, um alle Sachen hinüberzuschaffen.

»Wenn er überhaupt noch lebt, wird er bis morgen früh sicher hier sein«, brummt er vor sich hin, um seinem Gewissen zuvorzukommen.

Als er im Schein seines kleinen Feuers auch die Jacke und die Hose überzieht, muss er feststellen, dass beides in der Länge zwar reichlich, in der Breite jedoch höllisch knapp ist. Eine Freude erlebt er jedoch noch, als er in einer Innentasche der Jacke eine flache Geldkatze mit zweihundert Dollar vorfindet.

Von diesem Augenblick an betet Jerry, dass der Eigentümer dieser Sachen nicht mehr zurückkommen möge.

☆☆☆

Der neue Tag sieht Jerry Phips wieder unterwegs.

Lissy ist heute ungebärdiger denn je. Immer wieder versucht sie, ihre Last abzuwerfen.

Kurz vor Mittag erreicht er eine Ranch. Zwar hat er auf seinem Weg keine Kuh zu Gesicht bekommen, aber er kann schon von Weitem einen Korral mit Pferden entdecken. Und mehr braucht Jerry Phips nicht.

Er nimmt eine kleine Veränderung an seinem Gepäck vor und versteckt die Lederbeutel mit dem Gold in zwei Packtaschen. Einige kleinere Nuggets steckt er in die Tasche und marschiert dann auf die Ranch los.

Komische Ranch, denkt er, als er einige Zeit auf dem Hof gewartet hat, ohne einen Menschen zu Gesicht bekommen zu haben. Kurz entschlossen zieht er den blauschimmernden Colt des Fremden aus dem Halfter. Wunderbar, wie diese Kanone in der Hand liegt, schießt es ihm durch den Kopf. Dann feuert er einen Schuss in die Luft ab.

Es wird schneller lebendig, als ihm lieb ist. Drei Gesichter tauchen an verschiedenen Fenstern auf. Jeder der drei Männer hält einen Colt auf ihn gerichtet. Jerry schluckt verlegen und steckt das Eisen wieder weg. Die Männer kommen aus dem Haus und blicken ihn finster an.

»Nichts für ungut, Gents«, brummt Jerry, »aber es war die beste Methode, um festzustellen, ob jemand zu Hause ist.«

»Yeah, und auch die beste Methode, um versehentlich eine Unze Blei zwischen die Rippen zu bekommen. Was wollen Sie, Mister?«

Jerry scheint das zwar eine ungewöhnliche Begrüßung auf einer weltabgeschiedenen Ranch zu sein, da doch sonst Gastfreundschaft über alles geht, aber er muss zugeben, dass auch seine Art der Einführung ungewöhnlich war. Deshalb schluckt er seinen Ärger herunter und sagt freundlich:

»Ich möchte einen Gaul und einen Beutel Salz kaufen, wenn es geht, Jungs.« Erklärend deutet er auf den Sattel oben auf Lissys Packen und fügt hinzu: »Mein eigenes Pferd ist an schlechtem Wasser eingegangen.«

Während er die Männer beobachtet, wundert er sich darüber, wie fließend diese Lüge über seine Lippen gekommen ist.

»Können Sie bezahlen?« ist die nächste an ihn gerichtete Frage.

Er greift in die Tasche und holt einige Goldkörner heraus. Als er die habgierigen Blicke der Männer sieht, möchte er sich selbst ohrfeigen. Warum habe ich Esel nicht das Geld des Fremden genommen? fragt er sich. Aber es ist zu spät. Jetzt muss er seine Rolle zu Ende spielen.

»’s ist verdammt wenig, was ich diesmal gefunden habe. Vielleicht kann ich es hier in blanke Dollars eintauschen. Wenn ich dann den Gaul bezahlt habe, bleibt mir gerade so viel, um Proviant und Ausrüstung zu erneuern und wieder loszuziehen.«

Erneut fühlt Jerry die misstrauischen Blicke der Burschen auf sich gerichtet und gibt sich möglichst unbefangen. Da fallen die Blicke der Männer auf seinen Colt. Sie werden merklich freundlicher.

»Okay, Mister! Vielleicht kommen wir ins Geschäft. Sehen Sie sich unsere Pferde an.«

Jerry blinzelt zu dem Sprecher hinüber.

»Wie wäre es, wenn Sie mein Maultier in Zahlung nehmen würden?« Er vermeidet es, bei diesen Worten auf Lissy zu sehen und merkt, dass seine Kehle etwas trocken wird.

»Wir können darüber reden, wenn wir uns über einen Gaul einig geworden sind«, erwidert der Sprecher, ein schwarzhaariger glattrasierter Mann mit bläulichem Schimmer auf den Wangen.

Jerry nickt und zieht Lissy herum. Er kümmert sich nicht um die verwunderten Blicke, sondern nimmt sie mit zum Korral hinüber. Einer der Männer geht wieder ins Haus zurück, ein zweiter und der Schwarzhaarige folgen ihm zum Korral.

Obgleich er in seinem Leben noch nie ein Pferd besessen hat, sondern bestenfalls auf Leihpferden geritten ist, versteht der Digger doch einiges davon und trifft seine Wahl schnell und bestimmt.

»Was wollen Sie für den Brauen da drüben haben?«

»Siebzig Dollar«, kommt es wie aus der Pistole geschossen.

»Das ist nicht Ihr Ernst, Mister«, knurrt Jerry. »Für siebzig Dollar bekomme ich anderswo ein Rennpferd.«

»Sicher«, kontert der andere, »anderswo, aber hier bei uns kosten solche Pferde siebzig Dollar. Wenn es Ihnen nicht passt, können Sie’s ja bleiben lassen.«

»Das ist Erpressung!«, keucht Jerry.

Sein Geschäftspartner bleibt hart. »Siebzig Dollar – oder keinen Gaul.«

Da gibt Jerry nach.

»Die Kurse für Gäule stehen bei Ihnen verdammt hoch. Na, meinetwegen. Aber jetzt reden wir über einen anständigen Preis für meine Lissy.«

Kaltes Grinsen erscheint auf den Gesichtern der Männer.

»Maultiere sind bei uns kaum gefragt. Dafür stehen die Kurse verdammt schlecht. Zehn Dollar für die alte Dame.«

Jerry geht hoch wie eine Pulverladung.

»Ich höre wohl schlecht, was? Nehmen Sie’s mir nicht übel, Mister, aber ich habe wahrhaftig zehn Dollar verstanden.«

Das kalte Grinsen des Schwarzhaarigen wird eisig. »Yeah, ich sagte zehn Dollar.«

»Okay« sagt er schwach und sieht seine letzte Aussicht auf ein gutes Geschäft schwinden, »dann geben Sie mir aber wenigstens noch ein anständiges Zaumzeug für meinen Packsattel.«

»Sollen Sie haben, Oldtimer«, gibt der Schwarzhaarige großzügig zurück. Jerry kneift bitter die Lippen zusammen. Mit dem Gold scheint ihn das Glück verlassen zu haben.

Er ist schließlich froh, als er bei der Abschätzung des Goldgewichts wenigstens halbwegs normal abschneidet.

Dann bindet er Lissy an und will ihr den Packsattel abnehmen, während der Schwarzhaarige für ihn zuvorkommend den Braunen sattelt. Rührung steigt in Jerry hoch. Aller Ärger mit Lissy und alle Vorsätze sind plötzlich vergessen. Vielleicht wandert sie von hier tatsächlich in ein Schlachthaus nach New Mexico.

Was Lissy in diesem Moment so erregte, wird sich kaum jemals feststellen lassen.

Der Lederriemen, mit dem sie angebunden ist, reißt unter dem Ruck ihres Kopfes. Wie eine Wildkatze schnellt sie herum und stürmt mit gefletschten Zähnen und grotesken Bocksprüngen auf den Mann los.

Unmittelbar vor dem Burschen reißt sich Lissy herum. Mit beiden Hinterhufen gleichzeitig feuert sie aus. Im letzten Moment kann der Mann sich zu Boden fallen lassen. Dadurch verfehlt einer der Hufe seinen Kopf nur um Haaresbreite. Sofort ist sie wieder da. Diesmal steigt sie mit der Vorderhand. Mit der Schulter wirft sich Jerry gegen sie. Alle Kraft legt er in diesen Rammstoß. Lissy kippt zur Seite, sieht ihren Herrn und wird im gleichen Augenblick lammfromm.

Damit hat Jerry ihr das Leben gerettet. Der Bursche hatte seine Waffe schon in der Hand, um das Maultier vom Boden her abzuschießen.

Jetzt rappelt er sich hoch.

»Muss ich dazu noch etwas sagen, Mister?«

Jerry schüttelt den Kopf und holt schweigend zehn weitere Dollars aus der Tasche, die er dem anderen in die Hand drückt.

»Yeah, so hatte ich es gemeint«, keucht der Mann. »Das ist kein Maultier – das ist ein Killer. Es ist mir, ehrlich gesagt, lieber, wenn er Sie umbringt.«

Da jetzt kein Tauschobjekt mehr vorhanden ist, muss Jerry noch fünf Dollar für ein Zaumzeug dazulegen. Einen Beutel mit Salz bekommt er dafür gratis.

Als er vom Hof reitet, fletscht Lissy grinsend die Zähne, als wenn sie sagen wollte: Habe ich es also doch geschafft!

☆☆☆

»Hast du schon einmal einen Digger gesehen, der seine Nuggets in der Hosentasche aufbewahrt, Mike?«

Der Angeredete blickt auf und grinst den Sprecher an.

»No, dieser war der erste. Und ich wette hundert Dollar gegen einen Kuhfladen, dass er im Gepäck einen prallen Beutel hat, den er uns nicht zeigen wollte.«

Der Schwarzhaarige nickt bedeutungsvoll.

»So ’n praller Beutel ist was Feines. Er hatte einen Salzbeutel, der eine Ration für mehrere Monate fasste. – Er war leer, Mike. Hat also ’ne Menge Zeit gehabt, seinen Beutel zu füllen.«

»Yeah«, kichert Mike. »Ich möchte zu gern mal ausprobieren, wie mir so ein Beutel stünde. Ich würde dafür sogar einen Ausflug machen.«

Der schwarzhaarige Danny grinst zustimmend.

☆☆☆

Jerry schlägt an diesem Abend früh sein Lager auf. Am Fuß einer Felsengruppe stößt er auf eine kleine Quelle. Da auch Futter für die Tiere und Holz für ein Feuer vorhanden sind, sattelt er ab. Lissy lässt er wieder frei weiden, den Braunen aber hobbelt er an. Da er im Laufe des Nachmittags einen Präriehasen geschossen hat, steht heute eine gewisse Abwechslung auf seinem Küchenplan.

In einer Buschlücke am Fuß der Felswand legt er sein Feuer an. Ein Bratspieß gehört zu seiner Küchenausrüstung. Aus zwei Astgabeln fertigt er eine Haltevorrichtung. Den abgezogenen Hasen reibt er mit Salz ein und lässt ihn dann über dem Feuer schmoren.

Nach einer Stunde ist es soweit. Mit wachsendem Wohlbehagen macht er sich über den Braten her. Er kaut schon eine ganze Weile, als ihn ein Sausen in seinem Rücken hochschnellen lässt. Er hört einen wüsten Schrei, dann bricht der Feuerstrahl eines Schusses aus dem dunklen Gebüsch. Die Kugel fetzt ins Feuer und lässt eine Fontäne glühender Asche aufspritzen.

Jerry ist schon aus dem Lichtkreis des Feuers heraus. Er wirft sich zu Boden. Dann spricht auch sein Revolver ein gewichtiges Wort.

Wieder hört er das eigenartige Sausen und einen dumpfen Fall. Er kann sich die Geräusche nicht erklären. Während er noch zweimal ohne Erfolg auf die Stelle feuert, von der der Schuss abgegeben wurde, sieht er einen dunklen Gegenstand von der Höhe der Felswand herabfallen. Was es auch sein mag, das Wurfgeschoss kracht ins Gebüsch, dass die Fetzen fliegen.

Noch einen Schuss jagt er hinaus, dann bricht etwas durch das Gebüsch. Hastig rennende Schritte sind zu vernehmen. Kurz darauf ist aus der Ferne dumpfes Hufgetrappel zu hören. Es entfernt sich rasch, ebbt ab.

Misstrauisch bleibt Jerry im Schutz der Dunkelheit liegen. Wie ein rotes Auge leuchtet des Feuers Glut.

»Nehmen Sie Ihren Braten aus dem Feuer, bevor er völlig verbrannt ist, Freund«, kommt eine Stimme von oben.

Vergebens starrt Jerry hinauf. Es ist nichts zu erkennen.

»Und sobald ich in den Lichtkreis des Feuers gerate, geben Sie mir eins auf die Nuss, was? Sehe ich so dumm aus?«, brüllt der Digger nun hinauf.

»Dazu brauchte ich nicht erst zu warten, bis Sie ans Feuer gehen«, lacht die dunkle Stimme. »Passen Sie auf, Mann.«

Jerry zuckt zusammen, als dicht vor seiner Nase ein kleiner Stein auf den Boden prallt. Verdammt, hat dieser Kerl Katzenaugen?

Gleich darauf lösen sich oben kleine Lawinen abbröckelnden Gesteins. Eine Gestalt ist jetzt zu erkennen. Sie kommt herabgerutscht, stößt sich ab und federt dicht neben dem Feuer auf den Boden.