Kein Ausweg (Ein Nora Price FBI-Thriller – Band 6) - Kate Bold - E-Book

Kein Ausweg (Ein Nora Price FBI-Thriller – Band 6) E-Book

Kate Bold

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

FBI-Agentin Nora Price wird noch immer von den Erinnerungen an ihre Kindheit verfolgt, als sie und ihre Schwester von einem berüchtigten Serienmörder entführt wurden – und nur sie entkommen konnte. Jetzt befindet sie sich in einem verdrehten Katz-und-Maus-Spiel mit einem Mörder, und ihre eigene ungelöste Vergangenheit könnte der Schlüssel sein, um ihn zu stoppen ... "Ein fesselndes Buch ... Wenn Sie anfangen zu lesen, stellen Sie sicher, dass Sie am nächsten Tag nicht früh raus müssen!"– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ KEIN AUSWEG ist der sechste Band einer neuen Reihe der Krimi- und Thriller-Bestsellerautorin Kate Bold, deren Bestseller "NOT ME" (als kostenloser Download erhältlich) über 1.500 Fünf-Sterne-Bewertungen erhalten hat. Die NORA-PRICE-Reihe ist ein fesselnder Krimi mit einer brillanten, aber gequälten FBI-Agentin. Gespickt mit atemloser Action, Spannung, unerwarteten Wendungen und Enthüllungen, wird Sie das atemberaubende Tempo bis spät in die Nacht weiterlesen lassen. Fans von Rachel Caine, Teresa Driscoll und Robert Dugoni werden begeistert sein. Weitere Bände der Reihe sind bereits erhältlich. "Ein echter Pageturner. Die Charaktere und ihre Beziehungen sind toll. Ich war sofort mitten in der Geschichte und konnte einfach nicht aufhören zu lesen. Ich freue mich schon auf mehr von Kate Bold."– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ "Kate hat bei diesem Buch ganze Arbeit geleistet. Ich war vom ersten Kapitel an gefesselt!"– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ "Dieses Buch hat mir wirklich gut gefallen. Die Charaktere waren glaubwürdig, und die Bösewichte erinnern an das, was wir täglich in den Nachrichten sehen ... Ich freue mich schon auf den zweiten Band."– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ein wirklich gutes Buch. Die Hauptfiguren waren echt, fehlerhaft und menschlich. Die Geschichte hatte ein flottes Tempo und verlor sich nicht in unnötigen Details. Hat mir sehr gut gefallen."– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ "Alexa Chase ist eigensinnig, ungeduldig, aber vor allem mutig. Sie gibt niemals, ich wiederhole, niemals auf, bis die Bösewichte dort sind, wo sie hingehören. Klare fünf Sterne!"– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ "Fesselnder und spannender Serienkillerkrimi mit einer Prise Makabrem ... Sehr gut gemacht."– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ "WOW, was für eine großartige Lektüre! Ein teuflischer Mörder! Ich habe dieses Buch wirklich verschlungen. Ich freue mich darauf, auch andere Bücher dieser Autorin zu lesen."– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ "Schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Die Handlung ist hervorragend und es gibt genau die richtige Menge an Spannung. Mir hat das Buch wirklich gefallen."– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐ "Sehr gut geschrieben und absolut lesenswert. Ich kann es kaum erwarten, den zweiten Band zu lesen!"– Leserrezension zu "The Killing Game"⭐⭐⭐⭐⭐

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 250

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



KEIN AUSWEG

EIN NORA PRICE FBI-THRILLER – BAND 6

Kate Bold

Kate Bold ist eine Bestsellerautorin, die für ihre zahlreichen Thriller-Reihen bekannt ist. Zu ihrem umfangreichen Werk gehören:

- Die ALEXA CHASE SUSPENSE THRILLER-Reihe (6 Bücher, in Arbeit)

- Die ASHLEY HOPE SUSPENSE THRILLER-Reihe (6 Bücher, in Arbeit)

- Die CAMILLE GRACE FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe (8 Bücher, in Arbeit)

- Die HARLEY COLE FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe (11+ Bücher)

- Die KAYLIE BROOKS PSYCHOLOGICAL SUSPENSE THRILLER-Reihe (5+ Bücher)

- Die EVE HOPE FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe (7+ Bücher)

- Die DYLAN FIRST FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe (5+ Bücher, fortlaufend)

- Die LAUREN LAMB FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe (5+ Bücher, fortlaufend)

- Die KELSEY HAWK SUSPENSE THRILLER-Reihe (9+ Bücher, fortlaufend)

- Die NORA PRICE SUSPENSE THRILLER-Reihe (5+ Bücher, fortlaufend)

- Die NINA VEIL FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe (5+ Bücher, fortlaufend)

- Die BARREN PINES PSYCHOLOGICAL SUSPENSE-Reihe (5+ Bücher, fortlaufend)

- Die ADDISON SHINE SUSPENSE THRILLER-Reihe (7+ Bücher, fortlaufend)

Als leidenschaftliche Leserin und lebenslange Liebhaberin des Krimi- und Thriller-Genres freut sich Kate über Ihre Nachricht. Besuchen Sie www.kateboldauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.

Copyright © 2024 Kate Bold. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung der Autorin in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verbreitet oder übertragen werden, es sei denn, dies ist im Rahmen des US-amerikanischen Copyright Act von 1976 ausdrücklich gestattet. Dieses E-Book ist ausschließlich für den persönlichen Gebrauch lizenziert und darf nicht weiterverkauft oder an Dritte weitergegeben werden. Sollten Sie dieses Buch mit jemandem teilen wollen, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Falls Sie dieses Buch lesen, ohne es gekauft zu haben oder wenn es nicht für Ihren alleinigen Gebrauch erworben wurde, geben Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihr eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit der Autorin respektieren.

Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder Produkte der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.

Umschlagbild: Copyright Ivan Popovych, verwendet unter Lizenz von Shutterstock.com.

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

PROLOG

Das kann doch nicht wahr sein.

Emily Walters stand in der Dunkelheit, ihr Herz raste, während sie auf die Puzzleteile vor sich starrte. Ihre schlanken, schmutzverkrusteten Gliedmaßen zitterten wie die knochigen Äste über ihr.

Der Gegenstand auf dem wackligen Tisch, nur von einer flackernden Laterne beleuchtet, schien sie zu verspotten.

Es hätte harmlos sein sollen. Nichts weiter als ein Kinderspiel. Natürlich größer als für Kinderhände gedacht, die Teile zu sperrig für kleine Finger. Ein Schiebepuzzle. In der Grundschule hatte sie unzählige davon gelöst.

Sie musste nur jeden überdimensionalen Block verschieben, bis das Bild erschien, und alles wäre in Ordnung.

Doch dieser Gedanke bot ihr jetzt wenig Trost. Tief in ihrem Inneren spürte sie, dass nichts jemals wieder in Ordnung sein würde.

Ein eisiger Wind pfiff durch die Bäume, ließ die Blätter rascheln und die Flammen zwischen den Stämmen tanzen. Tränen brannten auf ihrem von der Kälte wund gepeitschten Gesicht. „Ich verstehe das nicht. Du willst, dass ich ...”

„Löse es.” Die Stimme donnerte, fast unmenschlich, und ließ sie zusammenzucken.

Mit zittriger Stimme wandte sie sich an die Stimme in der Dunkelheit. „Ihr lasst mich gehen, wenn ich das tue?”

Die körperlose Stimme hallte aus den Bäumen. „Gewiss. Versprochen ist versprochen. Wenn du das Rätsel löst, hast du dem Tod ein Schnippchen geschlagen.”

Tod.

Glaubte dieser Mann, er sei der personifizierte Tod? Hier, um einzufordern, was ihm rechtmäßig zustand? Soweit Emily wusste, war er ein Freund. Kein verblendeter Irrer. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.

„Du sagtest, du würdest mir helfen, die Schmerzen zu lindern. D-das tut nicht-”

„Ich versichere dir. Das wird es.”

Wenn jemand das konnte, dann er. Dieser Gedanke war ihr zum ersten Mal gekommen, als sie in seinem alten Pickup saß und wartete. Worauf, das wusste sie nicht. Es war mittlerweile dunkel, und ihr Kopf dröhnte, aber sie hatte kommen müssen. Das Angebot war zu verlockend gewesen. Und sie hatte sich einmal geschworen, alles zu tun, um die Vergangenheit zu ändern. Um die Dämonen auszutreiben, die in letzter Zeit ihr ständiger Begleiter geworden waren, jede Sekunde eines jeden Tages. Jetzt war es so weit. Sie wusste, dass sie zu spät zur Arbeit kommen würde, aber sie hatte keine andere Wahl. Es waren nur fünf Kilometer bis zum Blackburn Beacon, aber sie setzte sich nie mehr hinters Steuer. Nicht mehr seit ...

„Der Timer ist auf 60 Sekunden eingestellt”, unterbrach die Männerstimme ihre Gedanken. Sie klang kalt, distanziert, als gehöre sie nicht zu einem Menschen, sondern zu einem Computer. „Es beginnt jetzt.”

Sie zuckte zusammen, als plötzlich das hohle, blecherne Ticken einer Uhr ertönte und sie völlig aus der Fassung brachte. Ein Countdown. Wofür, das wusste sie nicht.

Nichts Gutes. So viel stand fest.

Es sei denn, ich kann das Rätsel lösen.

Emily zwang sich zur Konzentration und studierte das Puzzle vor ihr. Nur sechs Teile. Ganz einfach. Und sie war geistesgegenwärtig, gut in Rätseln. Das hatten ihr schon immer alle gesagt. Ihre Leser lobten ihre aufschlussreichen Kolumnen, ihr Talent, das Publikum in den Bann zu ziehen. Ihre beste Freundin Mara vom Turnen hatte immer gesagt, sie solle ihre Kolumnen beim Boston Herald einreichen und sich um eine Veröffentlichung bemühen. Sie besaß eine Intelligenz, eine Auffassungsgabe, die nur wenige Menschen hatten.

Außerdem war es ziemlich simpel. Das würde ein Kinderspiel sein.

Kein Problem, Mara. Oder? dachte sie bei sich, als sie tief durchatmete.

Tick  ... tick  ... tick. Sie blendete das Geräusch aus und machte sich an die Arbeit.

Ihre Hände umklammerten das grob behauene Holz und bewegten die Klötze in dem geschlossenen Rahmen, schoben die Teile an ihren Platz und manövrierten sie nach oben, unten und zur Seite, bis jedes Teil an seinen Platz fiel.

Du wirst mich gehen lassen, dachte sie bei sich, und ihr Selbstvertrauen wuchs. Ich bin eine Kämpferin. Das hat man mir gesagt. Und ich werde das hier überstehen.

Doch gerade als die Teile begannen, ein Bild zu ergeben, schnürte sich ihre Kehle zu. Wahnsinnige hielten sich nicht an Regeln. Für sie gab es keine.

Und das, was sich auf dem Puzzle zusammensetzte, ließ ihr den Atem stocken und ihr Herz in die Hose rutschen, Stück für Stück. Jedes Teil für sich war harmlos, doch zusammengefügt zeigten sie Elemente der traumatischsten dreißig Sekunden ihres Lebens, die sich vor ihr ausbreiteten. Bäume. Scheinwerfer, die die Dunkelheit durchschnitten. Eine kurvenreiche Straße.

Erinnerungen, die sie so verzweifelt zu verdrängen versucht hatte.

Tick  ... tick  ... tick  ...

„Gut gemacht. Sehr gut gemacht”, sagte der Wahnsinnige. „Du bist fast frei.”

Für einen Moment kostete sie diese Freiheit aus. Sie stellte sich vor, wie sie nach Hause zurückkehrte und den Schmutz und die Verzweiflung dieser Tortur von ihrem Körper wusch.

Sie hielt inne, die Hand auf einem Puzzleteil. Ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen. Sie erstarrte, wich dann zurück, und Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie die erschreckende Montage vor sich sah. Sie erinnerte sich an die dunkle, regennasse Nacht, in der sie durch die Finsternis gerannt war, sich endlos im Kreis gedreht hatte, ohne zu wissen, wo oben und unten war. Der Anblick ihres Gesichts, kalt und blutüberströmt. Mara.

Emily musste nur noch ein letztes Teil an seinen Platz legen, und sie hätte gewonnen.

Und doch konnte sie es nicht. Es ging einfach nicht. Sie zog ihre Hände von dem Puzzle zurück und ließ sie an ihre Seiten fallen, ihre klamme Haut berührte den kalten, ausgefransten Stoff ihrer Jeansshorts.

„Ich kann nicht ...”, keuchte sie und suchte in der Dunkelheit, ihre Augen flehten um Erlösung.

Die Glocke ertönte und signalisierte das Ende der Zeit, ihr Klang hallte durch den Wald.

„Wie schade”, sagte die Stimme in der Dunkelheit, und sie spürte, wie sie näher kam. Sie schien überall und nirgends zugleich zu sein. Sie gehörte nicht mehr zu der Person, die sie zu kennen glaubte. Jetzt schien sie von etwas zu kommen, das größer war als jeder einzelne Mensch. Aber eines wusste sie mit Sicherheit. Es fühlte sich wie das Ende an. „Und du warst so nah dran. Aber ich kenne einen Weg, dein Leiden für immer zu beenden.”

Sie nickte verzweifelt. „J-ja. Bitte. Ich tue alles, das habe ich dir doch gesagt. Deswegen bin ich doch hier.”

Das Letzte, was sie spürte, war heißer Atem an ihrem Hals, Druck auf ihrer Kehle und ihr warmes Blut, das ihr Hemd durchtränkte. Dann verblasste alles. Während sie zu Boden sank, erinnerte sie sich daran, wie viel Glück sie einst gehabt zu haben glaubte.

KAPITEL EINS

„Ich habe mich schon gefragt, ob du jemals den Weg nach Hause finden würdest.”

Nora Price stand im Waschraum des Blackburner Polizeireviers und starrte ihr Spiegelbild an, während diese Worte in ihrem Kopf widerhallten.

Ihr Gesicht war deutlich faltiger als noch vor einer Woche.

Kein Wunder. Es war eine der erschütterndsten Erfahrungen ihres Lebens gewesen.

Sie holte tief Luft, bespritzte ihr Gesicht mit Wasser und strich sich mit den feuchten Händen die braunen Haare aus der Stirn. Sie band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und betrachtete ihre fahle Haut und die Augenringe - jedes Detail erzählte die Geschichte ihres Kampfes. Für einen ungeübten Beobachter sah sie vielleicht einfach nur müde und überarbeitet aus. Aber bei genauerem Hinsehen - und das tat sie unweigerlich - fragte sie sich, ob sie genau so aussah, wie sie nie sein wollte.

Ein Opfer.

Ein Jahrzehnt lang hatte sie einen unsichtbaren Feind im Schatten gefürchtet. Jetzt hatte ihre Angst ein Gesicht bekommen. Und jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie ihn. Langes, weißblondes Haar, ausgewaschene Jeans, ein gerötetes Gesicht, eine Hakennase und wulstige, eng zusammenstehende Augen. Barfuß kauerte er in der Ecke des Kellers, die langen Gliedmaßen unter sich zusammengerollt wie eine zum Angriff bereite Kobra.

„Agent Price?”, ertönte eine Stimme an der Tür.

Sie blinzelte das Wasser von ihren langen Wimpern und sah im Spiegel das besorgte Gesicht von Detective Marks. „Ja?”

„Wir sind so weit.”

Sie riss ein paar Papierhandtücher aus dem Spender und tupfte ihr Gesicht trocken. In der Hoffnung, dass ihre Stimme nicht zu schwach klang, sagte sie: “Ich komme gleich.”

Sobald sich die Tür schloss, stützte sich Nora auf den Rand des Waschbeckens, spürte das kühle Porzellan unter ihren Händen und atmete tief ein und aus. Du schaffst das.

Sie hatten Kent Hopkins eine Woche lang in Gewahrsam gehalten. Eine Woche, in der der Mann auf Kosten der Steuerzahler gelebt und behördliche Ressourcen verschwendet hatte. Und das war alles, was er getan hatte. Er hatte junge Mädchen entführt, sie und ihre Familien terrorisiert, Menschen durch die Hölle gehen lassen  ... und was hatte er zu seiner Verteidigung zu sagen?

Nichts.

Nun ja, fast nichts. Das Einzige, was er gesagt hatte, war zu Nora selbst: “Ich habe mich schon gefragt, ob du jemals den Weg nach Hause finden würdest.”

Danach: Schweigen.

Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Nora hatte die letzte Woche in Aufruhr verbracht und geduldig gewartet. Doch gestern Abend hatte sie eine Entscheidung getroffen. Schluss mit den Samthandschuhen. Koste es, was es wolle, sie würde diesen Mistkerl zum Reden bringen.

Sie drehte sich um und trat in den Hauptflur des Reviers hinaus. Sofort richteten sich alle Blicke auf sie. Sie alle kannten ihre Geschichte, wussten, was sie durchgemacht hatte. Sie und ihre Schwester waren eine Schlagzeile gewesen. Es gab niemanden in Blackburn, der nicht von ihrer eigenen Entführung vor über einem Jahrzehnt gehört hatte. Der einzige Unterschied zwischen ihr und ihrer Schwester war, dass Sophia immer noch in den Zeitungen auftauchte, da sie nie gefunden worden war. Jedes Jahr am Jahrestag ihres Verschwindens veröffentlichte der Blackburn Beacon eine Anzeige mit dem Titel “Haben Sie diese Person gesehen?”. Jedes Jahr gab es ein paar Hinweise, von denen die meisten im Sande verliefen.

Aber wenn es jemanden gab, der das Geheimnis um Sophias Verschwinden ein für alle Mal lüften konnte, dann war es Kent Hopkins.

Davon war Nora überzeugt. Als sie ihn im Keller einer alten Kirche erwischt hatten, wo er drei verängstigte junge Mädchen festhielt, kam ihr die Umgebung und er selbst nur allzu vertraut vor. Seine Stimme. Sein Verhalten. Die Art, wie er sie verspottet hatte. Es hatte eine Flut neuer Erinnerungen ausgelöst, Erinnerungen, die sie nicht ganz einordnen konnte.

Sie hatte jedoch das Gefühl, dass alles klar werden würde, wenn sie nur mit ihm sprechen könnte. Nur er wusste, was mit Sophia geschehen war, und konnte ihr und ihrer gequälten Familie endlich etwas Frieden bringen.

Aber sie wusste auch, dass er den Frieden verabscheute. Kent Hopkins lebte dafür, Chaos zu stiften, Familien auseinanderzureißen und alles zu zerstören, was er berührte.

Detective Marks wartete am Ende des Flurs neben einem Verhörraum auf sie. Marks war jung, blond und hübsch, tat aber ihr Bestes, um das in einem schlecht sitzenden, schmucklosen Hosenanzug und mit Pferdeschwanz zu verbergen. Ein Mädchen ganz nach Noras Geschmack. „Hat Waldrup mit ihm gesprochen?”

„Kommissar Waldrup ist im Urlaub. Er kommt erst nächste Woche wieder.”

Ja, natürlich. Kriminalhauptkommissar Waldrup war der leitende Ermittler gewesen, als Nora und Sophia vor über einem Jahrzehnt entführt wurden, und selbst damals war er schon nicht mehr der Jüngste. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er in den Ruhestand ginge. Sie konnte es ihm nicht verübeln, dass er es am Ende seiner Karriere ruhiger angehen ließ und auf einer Welle des Erfolgs in den Sonnenuntergang segelte. „In Ordnung. Erzählen Sie mir mehr. Was haben Sie über ihn herausgefunden?”

Der Detektiv leierte die Einzelheiten in monotonem Tonfall herunter. All das kannte Nora bereits. Sie hatte sich praktisch jedes Detail eingeprägt, weil sie tiefer in seinen Wahnsinn eindringen und ihn vollständig begreifen wollte. Doch es gab nicht viel über Kent Hopkins zu wissen. Und noch weniger zu verstehen. Er wurde in Boston in wohlhabende Verhältnisse hineingeboren und besuchte einige der exklusivsten Privatschulen. Dort war er ein Musterschüler gewesen, aber einer seiner Lehrer hatte sich beklagt: “Obwohl er zweifellos intelligent ist, zeigt er eine erschreckende Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten, die ihm eines Tages zum Verhängnis werden könnte. Kent Hopkins glaubt einfach nicht, dass er jemals im Unrecht sein könnte.” Nach seinem Schulabschluss verschwand er jedoch nahezu vollständig von der Bildfläche. Er tauchte hin und wieder mit Gelegenheitsjobs auf, um dann für Jahre unterzutauchen. Der selbsternannte Menschenfeind pflegte keinerlei Kontakt zur Familie, zu Freunden oder sonst jemandem. Offenbar blieb er obdachlos, zog umher und schlug nirgendwo Wurzeln.

Mit anderen Worten, er war wie viele verbitterte, desillusionierte Männer da draußen, aber keiner von ihnen hatte sich deswegen zu solch grausamen Taten hinreißen lassen. Nichts aus Hopkins' Vergangenheit half ihr zu verstehen, was einen Mann dazu bringen könnte, junge Mädchen zu entführen und zu terrorisieren.

Als Marks geendet hatte, nickte Nora. „Aber wir haben keine handfesten Beweise, die uns helfen, ihn mit anderen Verbrechen in der Gegend in Verbindung zu bringen, mit anderen Entführungen?” Insbesondere mit meiner?

Marks schüttelte den Kopf. „Es gibt offensichtlich einige, die seine Handschrift tragen”, sagte der Detektiv behutsam und ließ das Offensichtliche unausgesprochen - dass Noras eigenes Verbrechen ganz und gar sein Werk zu sein schien. „Aber das liegt Jahre zurück, und wir haben keine konkreten Beweise. Was die Frage aufwirft - wenn er dafür verantwortlich ist, warum diese lange Pause? Wo war er in der Zwischenzeit? Wir haben keine Aufzeichnungen darüber, dass er in den letzten zehn Jahren überhaupt in der Stadt gesehen wurde. Und dann taucht er einfach so aus dem Nichts auf?”

Nora nickte. Sie hatte dasselbe gedacht. „Ich werde ihn fragen, was er vorhat.”

Marks schnaubte. „Viel Glück dabei. Er hat zu niemandem ein Sterbenswörtchen gesagt. Wir haben ihn befragt, und er hat komplett dichtgemacht. Wir hatten gehofft, dass er nur darauf gewartet hat, mit Ihnen zu sprechen.”

Nora war sich da nicht so sicher. Der Mann wollte sie verspotten, das war alles. Er lebte dafür, die Leute zur Weißglut zu treiben. Sie machte sich keine Illusionen darüber, dass sie für ihn etwas Besonderes wäre, seine ebenbürtige Gegenspielerin, der Sherlock zu seinem Moriarty, nur weil sie seine kranke Masche überlebt hatte.

„Hier entlang”, sagte Marks und klopfte an die massive Metalltür.

Irgendwie schaffte Nora es, ein Lächeln aufzusetzen und das Kinn zu heben, als sie den Raum betrat. Sie zwang sich zu einer Zuversicht, die sie trotz all ihrer Vorbereitung nicht verspürte.

Kent Hopkins saß in dem Metallstuhl und wirkte viel zu entspannt. Er hätte genauso gut beim Nachmittagstee sitzen können. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, und sein langer Körper war so gebeugt, dass sie seine Füße in den von der Polizei ausgegebenen Latschen unter dem Metalltisch sehen konnte. Er breitete sich aus, als gehöre ihm das Polizeirevier samt allem, was darin war. Sein weißblondes Haar war oben schütter, aber lang genug, dass es ihm über die Schultern fiel, und zwischen seinen Augen und auf seiner langen, knochigen Nase war eine deutliche Schorfbildung zu sehen. Wenn er lächelte, entblößte er Zahnlücken und grünliche Zähne.

Sie erinnerte sich jetzt an ihn. An die Art, wie er in der Stille des feuchten Kellers atmete. Ein nasales, pfeifendes Geräusch, lauter als das gleichmäßige Pochen ihres Herzschlags. Wie er sich über sie beugte, so dass die Spitzen seines fettigen Haares ihre Gesichter kitzelten, und sie wie Insekten unter einem Mikroskop anstarrte. Wie sein Atem nach Zwiebeln und Zigaretten roch. Die Erinnerung ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen, aber sie unterdrückte ihn.

„Mr. Hopkins”, sagte sie, und ihre Stimme brach ein wenig, als seine Augen sich auf sie richteten. Belustigung tanzte in ihnen, aber er sagte nichts.

Nora hatte sich dieses Treffen unzählige Male ausgemalt. Sie wusste, er würde darauf aus sein, sie aus der Fassung zu bringen. Um zu demonstrieren, dass er ihr Leben zerstört hatte. Um zu zeigen, dass sie jeden Tag an seine Taten dachte.

Natürlich kam all das der Wahrheit erschreckend nahe. Doch sie beschloss, ihm diese Genugtuung nicht zu gönnen, ganz gleich, was er sagen oder tun würde. Stattdessen würde sie so tun, als kenne sie weder ihn noch seine Verbrechen.

Um das durchzuziehen, musste sie jeden Instinkt in sich unterdrücken. Der Drang, ihre Finger um seinen Hals zu legen und ihm ins Gesicht zu schreien, wie sehr sie ihn hasste, war übermächtig. Am liebsten hätte sie das Leben aus seinem Körper gepresst, so wie er ihrer Familie jegliche Lebensfreude geraubt hatte. Sie wollte ihn zwingen, ihr zu verraten, was mit Sophia geschehen war.

Stattdessen zog sie in aller Seelenruhe einen Stuhl heran und setzte sich. „Ich bin Nora Price vom FBI. Ich hätte ein paar Fragen an Sie, wenn es Ihnen recht ist.”

Er starrte sie mit demselben amüsierten Blick an, beinahe so, als hätte sie kein Wort gesagt.

„Ist das in Ordnung?”, fuhr sie fort und legte ihren Notizblock auf den Tisch vor sich. Sie zwang sich, seinem Blick standzuhalten. Er saß regungslos da, einer Statue gleich.

Was für ein Spiel trieb er da? Immer, immer, immer ein Spiel. Sie weigerte sich, darauf einzugehen.

Unbeeindruckt zeigte sie auf ihr Ohr. „Du kannst mich hören, oder?”

Keine Reaktion.

„Du kannst doch sprechen, nicht wahr?”

Daraufhin zuckte er leicht zurück. Und dann, ohne Vorwarnung, sammelte er etwas in seinem Hals und spuckte ihr einen ekelhaften Schleimklumpen direkt ins Gesicht.

Es lief ihr in die Nase und tropfte in ihren zusammengepressten Mund. Es schmeckte und roch so widerlich wie er selbst. Seine offenkundige Missachtung jeglicher Autorität würde ihm eines Tages zum Verhängnis werden.

Sie spürte, wie sich ihr Gesicht verzog, und versuchte, die Fassung zu bewahren, als Marks ihr zu Hilfe eilte. „Verdammt, Hopkins”, knurrte Marks, und ein paar Beamte traten vor, packten den Gefangenen und zerrten ihn auf die Beine.

Die Gedanken rasten durch Noras Kopf, so sehr sie auch versuchte, sie zu unterdrücken: Opfer. Er sieht in dir nichts als ein Opfer. Jemanden, den er beherrschen und zerstören kann.

Marks reichte ihr ein Taschentuch. „Es tut mir leid, ich habe so etwas befürchtet. Er hat sich niemandem gegenüber kooperativ gezeigt. Ich dachte, dass er vielleicht mit Ihnen reden würde, weil ...”

„Moment, warten Sie”, sagte sie und wischte sich das Gesicht ab, während sie beobachtete, wie sie den Gefangenen wegbrachten. Sie konnte nicht zulassen, dass es so endete, dass sie sich seinetwegen so gedemütigt fühlte. Sie hatte sich geschworen, ihn nicht noch einmal unter ihre Haut kriechen zu lassen, und doch spürte sie jetzt, wie er genau das versuchte. „Ich will trotzdem versuchen, zu ...”

In diesem Moment vibrierte ihr Handy. Eine Nachricht von ihrem Partner, Jason Snyder. Hier. Wo bist du?

Sie blickte gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, wie Kent Hopkins ihr zuzwinkerte, bevor er in den Korridor gezerrt wurde.

Diese kleine Geste jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie richtete sich auf und atmete tief durch. „Na gut. Ich werde ohnehin bei einem neuen Fall gebraucht. Ich komme später wieder, um das hier zu Ende zu bringen. Er muss etwas wissen, und ich werde herausfinden, was.”

Als sie zur Tür ging, schluckte sie und versuchte vergeblich, ihre Gedanken von Kent Hopkins abzulenken und sich auf den neuen Fall zu konzentrieren. Ein ermordetes Mädchen, anscheinend. Ein weiterer Beweis dafür, wie verdorben diese Welt war. Und Fälle, in denen junge Frauen involviert waren, riefen ihr stets das Trauma ihrer eigenen Entführung ins Gedächtnis. Früher, mit nicht mehr als ein paar vagen Erinnerungsfetzen, war es ihr gelungen, die Teile ihres Lebens zusammenzuhalten, die Akademie abzuschließen, zu einer der erfolgreichsten Agentinnen ihrer Einheit aufzusteigen und sogar eine kleine Beziehung zu einem netten und liebevollen Mann aufzubauen.

Doch jetzt, mit Kent Hopkins in ihrer Nähe, hatte der Teufel ein Gesicht bekommen. Und nachdem sie es aus nächster Nähe gesehen hatte, konnte sie nicht umhin, sich zu fragen, ob die Jagd nach einem weiteren sadistischen Verbrecher sie völlig aus der Bahn werfen würde.

KAPITEL ZWEI

Nachdem Nora hastig ihre Bluse abgetupft hatte, verließ sie die Toilette und bahnte sich ihren Weg durch das geschäftige Treiben auf dem Polizeirevier von Blackburn, Massachusetts. Sie ignorierte die Blicke der Beamten, die darauf warteten, dass sie wegen ihrer Begegnung mit Kent Hopkins zusammenbrach. Wenn sie das erwarteten, konnten sie lange warten.

In der Eingangshalle erblickte sie Jason Snyder, der sich über den Tresen lehnte und mit einer der Empfangsdamen flirtete. Zumindest ließ das alberne Grinsen auf seinem Gesicht und die Art, wie er die Katzenbilder auf ihrem Bildschirm bewunderte, darauf schließen.

Sein Gesichtsausdruck wurde ernst, als er sie bemerkte. „Agent”, sagte er und suchte in ihren Augen nach einer Antwort.

„Agent”, erwiderte sie knapp, da sie offensichtlich nicht über das Thema sprechen wollte, das er anzuschneiden gedachte.

Er schenkte der Empfangsdame ein Lächeln. „Wir sehen uns später.” Dann folgte er Nora zur Tür hinaus, dicht auf ihren Fersen. „Wie ist es gelaufen? Hat er dir etwas verraten?”

Sie seufzte. Er würde nicht lockerlassen. Und warum sollte er auch? Kent Hopkins hatte einen unauslöschlichen Eindruck bei ihr hinterlassen, der sie in jeder Hinsicht beeinflusste, vor allem in ihrer Arbeit, was wiederum Auswirkungen auf ihren Partner hatte. An Jasons Stelle würde sie das auch wissen wollen.

„Nein”, sagte sie resigniert und drehte sich im hellen Morgenlicht zu ihm um. „Und ...”

„Was ist das?”, fragte er und deutete auf ihre Brust. Sie blickte nach unten und entdeckte den riesigen nassen Fleck auf ihrem Kragen.

Das war typisch. Wenn es um Nora ging, schien Kent Hopkins überall seine Spuren zu hinterlassen.

Sie wischte halbherzig daran, ohne Erfolg. „Vergiss es. Was ist der neue Fall?”

„Eine Leiche in der Nähe des Staudamms in Stever's Mill Woods.”

Sie wiederholte die Worte in Gedanken, während sie ihr Handy hervorzog und einen Blick darauf warf. Sie hatte ein halbes Dutzend Nachrichten von Dane. Ihr Freund Dane war ein Prachtkerl, ein Mann mit eigenen Traumata, der sie wie kein anderer verstand. Als er erfahren hatte, dass sie den Mann interviewen wollte, von dem sie fast sicher war, dass er sie und Sophia entführt hatte, war er natürlich auch besorgt gewesen. Das waren alle gewesen. Ihre Eltern würden wahrscheinlich auch heute Morgen anrufen, begierig auf jeden Informationsfetzen.

Doch sie hatte keine Zeit, ihm zu antworten. Und es gab ohnehin nichts Neues zu berichten. Außerdem hatte sie im Moment andere Dinge im Kopf. Sie steckte das Telefon weg und fragte: “Warum kommt mir dieser Ort bekannt vor?”

„Es ist ein Staatspark. Ziemlich beliebtes Ausflugsziel. Tolle Aussicht vom Stausee. Ideal für Picknicks und so.”

Das half nicht weiter. Sie war nicht gerade der Picknick-Typ. „Gehst du oft dorthin?”

„Ab und zu.”

Sie hob eine Augenbraue. Jason war eher der Typ für Baseball und Bier, nicht gerade ein hoffnungsloser Romantiker. „Zum Picknicken?”

„Zum Laufen. Es gibt einen fünf Kilometer langen Weg um den Stausee.”

War das der Grund, warum sie den Ort kannte? Nein, das glaubte sie nicht. Sie liebte es zu laufen, aber durch die Wälder zu streifen war nie ihre Lieblingsbeschäftigung gewesen, nicht seit der Entführer sie und ihre ältere Schwester Sophia verschleppt hatte, als sie noch ein Teenager war. Jetzt trainierte sie nur noch im Fitnessstudio - manchmal lief sie, aber meistens ließ sie ihren Frust an einem Sandsack aus.

Wie auch immer, die Verbindung zu Stever's Mill Woods würde ihr später einfallen. Das tat es immer, sobald sie sich voll darauf konzentrieren konnte. Noch nie war sie so froh über eine Ablenkung gewesen, die sie von Kent Hopkins ablenkte. Als Snyder an diesem Morgen angerufen hatte, gerade als sie das Revier betreten wollte, hätte das fast ausgereicht, um sie umdrehen zu lassen und Kent Hopkins ganz zu vergessen. So sehr sie sich auch Antworten wünschte, der Gedanke, ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, ließ sie bis ins Mark erschaudern. Alles, um es auf einen anderen Tag zu verschieben. Aber dann hatte sich, wie immer, Sophias Stimme eingemischt. Du musst das tun, Nora. Für mich.

Sie würde es tun. Später. Sie würde zurückkommen, trotz des Stresses, den die Interaktion ihr bereiten würde. Und sie würde Kent Hopkins die Antworten entlocken, die sie brauchte, auch wenn es sie umbringen würde. Aber im Moment erforderte ein anderer Fall ihre Aufmerksamkeit. „Lass uns fahren.”

Als sie Jasons Limousine erreichte, stand in den Getränkehaltern wie immer Kaffee bereit. Sie nahm ihren Becher und hob den Deckel an, in der Hoffnung, dass der Duft des Kaffees den Geruch von Hopkins und seinem widerlichen Speichel aus ihrer Nase vertreiben würde. Vielleicht bildete sie es sich nur ein, aber obwohl sie ihn mit reichlich rosa Seife aus der Toilette abgewaschen hatte, hatte sie das Gefühl, dass er überall an ihr klebte. Danach würde sie eine ausgiebige, heiße Dusche brauchen.

„Hat der Kerl also wirklich nichts gesagt?”, fragte Jason und schob seine Sonnenbrille nach unten, um sie anzusehen, während er aus der Parklücke fuhr. „Er entführt Mädchen, versteckt sie in einem Keller und schweigt dann einfach darüber?”

„Mr. Hopkins hatte nichts zu sagen”, murmelte sie. „Außer mit seinem Speichel.”

Er drehte sich zu ihr um. „Was?”

„Er hat mich angespuckt. Daher der nasse Fleck auf meiner Bluse.”

„Er hat dich angespuckt? Was für ein Dreckskerl. Meine Güte”, sagte er und schüttelte den Kopf. „Man sollte einfach reingehen und ihn erwürgen. Ich hätte es getan. Ich weiß nicht, wie du dich beherrschen konntest.”

„Es war nicht leicht”, murmelte sie und wischte immer noch über die Stelle auf ihrer Brust, während sie nach der Akte griff. Sie war froh, dass sie Jason nicht viel erklären musste. Seit dem ersten Tag an der Akademie in Quantico vor fünf Jahren waren sie beste Freunde gewesen. Sie sah ihn gerne als ihren großen Bruder von einer anderen Mutter. Er teilte ihre Empörung, ihre Befürchtungen, alles, was mit ihrer tragischen Vergangenheit zu tun hatte. Und er schien sie ohne viele Worte zu verstehen. Manchmal konnten sie sich sogar ohne ein Wort verständigen. „Und was hat es mit diesem neuen Fall auf sich? Eine ermordete Frau, richtig?”

„Ja. Emily Walters. Achtundzwanzig. Reporterin beim Blackburn Beacon. Anscheinend ist sie gestern Nachmittag nicht zur Arbeit erschienen. Ein paar Angler, die zum Staudamm fuhren, fanden ihre Leiche heute Morgen im Wald.”

Sie blätterte in der Akte. „Gibt es Verdächtige?”

„Bis jetzt nicht. Das Gebiet ist bei Ausflüglern und Anglern sehr beliebt, daher gibt es dort eine Menge Müll zu durchsuchen. Natürlich nichts, was ihnen die Arbeit erleichtern würde.” Nora blätterte eine Seite um. Offenbar war das Opfer nicht nur eine Reporterin des Beacon. Sie hatte ihre eigene Kolumne, „Auf der Kehrseite: Geschichten einer ehemaligen Turnerin”.

„Sie war Schriftstellerin”, bemerkte Nora. „Ich frage mich, ob ihre Texte uns einige Hinweise geben können.”

Jason stöhnte. „Ich lese nicht. Das überlasse ich dir.”

Sie schaute ihn an. Sie hatte ihn noch nie mit einem Buch gesehen. „Was machst du, um dich zu entspannen?”

„Die Sox anfeuern, natürlich. Was gibt es sonst noch im Leben?” Er deutete auf die Akte. „Aber da war etwas Interessantes drin.”

„Oh, du hast also doch ein bisschen gelesen?”

Er hielt seine Finger einen Millimeter auseinander. „Ein winziges bisschen. Genau das, was ich wissen musste.”

Sie überflog den ursprünglichen Bericht des Beamten und versuchte, es zu finden. „Der Tisch?”

Er nickte. „Ja. Das Opfer lag davor, ein Stück vom Stausee entfernt. Aber sonst war da nichts. Ich habe mich gefragt, ob es eine Art Altar für Menschenopfer sein könnte.”

„Könnte sein. Es ist allerdings schon eine Weile her, dass es hier in der Gegend Ritualmorde gab”, sagte sie stirnrunzelnd. Sie konnte sich an nichts Aktuelles erinnern - der letzte, über den sie gelesen hatte, war weit vor ihrer Zeit gewesen. „Wie kommst du darauf?”

Er zeigte auf eine andere Stelle in der Akte. „Ihre Kehle wurde durchgeschnitten.”

Die Grausamkeit einer solchen Tat war Nora nicht entgangen. Das war eine besonders brutale Art zu sterben. Egal, wie viele dieser Fälle sie sah, sie schreckte immer noch angewidert zurück, wenn sie von den Details hörte.