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Hinter Cheyenne weitete sich das Land zu einer sonnendurchfluteten Prärie, in der die weißen Abdeckungen der Planwagen mit dem Himmel verschmolzen. Die Familien hatten einander versprochen, dass sie einander nicht im Stich lassen würden, doch an diesem Morgen zweifelte Jack Davison am Wort der anderen Siedler. Er hatte genug Kreuze am Wegrand gesehen.
"Fahr zu!", raunte ihm seine Frau ins Ohr und küsste ihn. Sie hatte das Kind in den Schlaf gewiegt. "Die Cobb-Brüder holen uns sonst."
Sie lachten darüber, obwohl ihnen beiden nicht danach war, und schmiegten sich auf den Kutschbock aneinander. Die Cobb-Brüder hatten zwei Familien massakriert und deren Ausrüstung gestohlen. Sie konnten überall lauern.
Die Prärie war ein flimmerndes Hitzefeld...
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Treibjagd durch Wyoming
Vorschau
Impressum
Treibjagd durch Wyoming
von Marthy J. Cannary
Hinter Cheyenne weitete sich das Land zu einer sonnendurchfluteten Prärie, in der die weißen Abdeckungen der Planwagen mit dem Himmel verschmolzen. Die Familien hatten sich versprochen, dass sie einander nicht im Stich lassen würden, doch an diesem Morgen zweifelte Jack Davison am Wort der anderen Siedler. Er hatte genug Kreuze am Wegrand gesehen.
»Fahr zu!«, raunte ihm seine Frau ins Ohr und küsste ihn. Sie hatte das Kind in den Schlaf gewiegt. »Die Cobb-Brüder holen uns sonst.«
Sie lachten darüber, obwohl ihnen beiden nicht danach war, und schmiegten sich auf dem Kutschbock aneinander. Die Cobb-Brüder hatten zwei Familien massakriert und deren Ausrüstung gestohlen. Sie konnten überall lauern.
Die Prärie war ein flimmerndes Hitzefeld...
Hinauf ins Dakota-Territorium führte der Trail, den die Familien genommen hatten, eine staubige Piste, die von welkem Gras gesäumt war und jede Hoffnung zunichtemachte. Sie waren einander auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, die Larsons, die Bonapartes, die Milroys, die Coopers, die Campinaris und sie, die künftigen Davisons, die derzeit einzig aus Jack und seiner schwangeren Frau Annie bestanden. Sie hatten das tosende Cheyenne hinter sich gelassen, in dem man ihnen Pferde, Proviant, Zaumzeug, Gewehre, Teer, Segeltuch und Achsenfett angeboten hatte, brüllende Marktschreier des Schicksals, die Davison eingeschüchtert hatten mit ihren saftigen Preisen und den Gruselgeschichten aus der Prärie.
Seine Frau war unbeeindruckt geblieben.
Sie hatte mit gleichmütigem Gesicht auf dem Kutschbock gesessen, hatte jene Männer fortgeschickt, denen es bloß ums Geschäft gegangen war, und war mit jenen charmant ins Reden gekommen, die ihnen nichts hatten aufschwatzen wollen. Sie hatte die englischen Pelham-Zügel gekauft, die sie für den Ausritt brauchten, dazu die Victoria-Steigbügel, die ihnen nützlich sein würden, sobald sie die Prärie hinter sich ließen. Sie hatte eineinviertel Dollar für jeden Steigbügel, knapp drei Dollar für die Zügel bezahlt, ein günstiger Preis in Anbetracht ihrer Lage.
Sonst besaßen sie kaum noch Geld.
Sie hatte ein Vermögen für die Union Pacific geopfert, die im Gegenzug den schweren Siedlerwagen auf einen Waggon gehievt und quer durch Kansas und Nebraska gefahren hatte. Sie waren glücklich über den Deal gewesen, den Bonaparte für sie herausgeschlagen hatte, glücklich, obwohl er sie zu Bettlern gemacht hatte. Nun ging es mit den Conestoga-Wagen weiter, den Gespannen mit ihren schmutzigen Segeltuchhauben, die sich vor Davison aufreihten wie eine Perlenkette im Sand.
Fast tausend Meilen lagen noch vor ihnen.
Sie wollten sich auf der Höhe von Casper westwärts halten, die Gebirgsketten der Rocky Mountains überwinden und über Rexburg und Boise hinüber nach Oregon gelangen, in die fruchtbaren Schwemmländer vor der Pazifikküste, von denen sie nur Gutes gehört hatten. Sie würden im ersten Jahr Hirse anbauen, ein schlichtes Gewächs, das nichts außer Sonne und Wasser brauchte, und würden danach Mais und Getreide pflanzen, das ihnen hoffentlich genug einbrachte, dass sie den Winter überstanden. Sie würden es nichts anders als die übrigen Farmerfamilien machen, die ebensolche Pläne wie Jack schmiedeten.
Vorerst jedoch genügten ihnen Bischofsgras und Hornstrauch.
Von Ersterem waren die Wurzeln zu gebrauchen, und das Gras musste sorgfältig vom Schierling unterschieden werden, der ebenso am Wegrand wuchs und kaum genießbar war. Die Frauen des Trecks wetteiferten darin, die üppigsten Vorkommen zu finden; zu spärlich war Proviant vorhanden, als dass man sich diese Gelegenheit entgehen lassen konnte. An manchen Tagen kochten sie Löwenzahnwurzeln anstelle von Kaffee.
Um den Mittag herum brach Unruhe aus.
Die vorderen Wagen hatten Reiter in den Bergen gesehen, vermutlich Weiße, die zu ihren Goldclaims unterwegs waren und sich um den Siedlertreck nicht scherten. Der Treckführer ließ dennoch die Gewehre bereitmachen, eine lästige Pflicht, der Jack nur mit Widerwillen nachkam. Er ließ sich die Munitionsschachteln von Annie reichen und stopfte die Patronen hintereinander ins Magazin des Karabiners. »Wahrscheinlich heißt's gleich, dass sie fort sind!«
Hinter der Wagenplane erschien Annies Lockenschopf, und als Jack seine Frau so betrachtete, ging ihm auf, dass die Vorsehung ihm ein sagenhaftes Glück beschert hatte. Er mochte Annies sommersprossiges Antlitz, das gewitzt und anmutig zugleich sein konnte und um das ihn Paul Mensley beneidet hatte, der sein Freund gewesen war und ebenfalls um Annies Gunst geworben hatte. Sie waren im Streit auseinandergegangen, ein paar Tage vor der Hochzeit, schade eigentlich, die Freundschaft hatte über ein Jahrzehnt bestanden.
An die nächsten beiden Sekunden erinnerte sich Jack sein Leben lang, obwohl er sie nur wie einen Traum erlebte, einen schrecklichen, grausamen Traum, aus dem es kein Entrinnen gab. Die besagten Sekunden brannten sich ihm ins Gedächtnis, als würde sie jemand mit einer Feuernadel in seine Erinnerungen schreiben. Sie begannen mit Annies letztem Blick zu ihm, einem vergnügten Blick mit hochgezogenen Brauen, auf den ein verliebtes Wort hätte folgen müssen.
Das Wort jedoch brachte Annie nicht mehr heraus.
Jacks Frau wurde von einer Gewehrkugel getroffen, die ihre Stirn durchschlug und am Hinterkopf wieder austrat, bevor sich das Geschoss mit einem schmatzenden Geräusch in die Bordwand des Conestoga-Wagens grub. Die Überraschung lähmte Annies Gesicht und ging in den jähen Tod über, den Jack nie wieder aus dem Sinn bekam.
Annie kippte neben ihm vom Kutschbock, als hätte jemand die Stütze einer Leiter weggezogen. Sie fiel mit dem durchschossenen Kopf voran auf das drehende Wagenrad, wurde herumgerissen und schlug auf den staubigen Boden. Das Kleid rutschte über Annies Knöchel, eine Handbreit ihrer Wade war zu sehen, und Jack schrie mit weit aufgerissenem Mund und fasste die Zügel kürzer.
Über den Wagen vor ihm stiegen Wolken aus blauem Pulverdampf auf.
Der Siedlertreck geriet unter starken Beschuss, und Jack hörte die anderen Familien rufen und schreien und sah hinunter zu Annie, die links von ihm im Gras zurückblieb. Die Arme seiner Frau waren abgewinkelt, die Augen standen weit offen, und auch daran erinnerte sich der Farmer noch Jahre später zurück.
✰
Der Mann in Zimmer No. 37 erwachte durch einen schwarzen Käfer, der träge an seiner Wange emporkroch und sich mit seinen zitternden Beinchen in die Barthaare krallte. Das Tier kam langsam voran. Es hatte kräftige, drahtartige Fühler, die es auf und ab bewegte, während es auf dem Weg hinauf zur Schläfe war. Als der Mann das Insekt bemerkte und ergreifen wollte, spannte es die bernsteinfarbenen Flügel auf und surrte davon.
Verdrossen wälzte sich Lassiter zur Seite.
Er hatte miserabel geschlafen, woran der vergangene Abend schuld war, den er mit einer Frau aus Iowa verbracht hatte, die ihn beinahe unter den Tisch getrunken hatte. Sie hatte Catherine oder Katharine geheißen und war mit ihren schwarzen, dichten Haaren und den leuchtenden Augen eine eindrucksvolle Erscheinung gewesen. Der Mann der Brigade Sieben hatte sie den Minenarbeitern im Saloon buchstäblich aus den Händen gerissen.
Der Käfer war ein Nachtfalter und saß über dem Fenster.
Er klebte mit zuckenden Flügeln an der gekalkten Wand, ein schwacher Funken Leben, den ein einziger Hieb mit der flachen Hand auslöschen konnte. Lassiter schwang die Beine aus dem Bett, schwankte durch die Kammer und starrte in den zersprungenen Spiegel, der neben der Tür hing. Er sah einen Mann, der erledigt war, dem man keinen Whiskey gewähren würde, käme er auf die Idee, in diesem Zustand den Saloon zu betreten.
Ein Schwall Wasser half gegen die Müdigkeit.
Das Dienstmädchen hatte Lassiter für die Rasur eine Emailleschale voll warmem Wasser hingestellt, das inzwischen ausgekühlt war, und auf dem Tisch lag eine getrocknete Blume nebst einer Botschaft von Catherine, die ihm geschrieben hatte, dass sie im American abstieg und sich auf seinen Besuch freute. Die Handschrift war zierlich und passte zu der gepflegten Unterhaltung, die Lassiter mit seiner Bekanntschaft geführt hatte, jedenfalls bevor sie wie die Tiere übereinander hergefallen waren.
Die Karte erwies sich als geeignetes Instrument, um den Nachtfalter von der Wand zu holen und aus dem Fenster zu werfen. Der Falter fing sich in der Luft, entfaltete abermals die Flügel und brummte über das Dach des Hotels davon. Unter der Nachricht von Catherine lag das Telegramm aus dem Hauptquartier, das Lassiter am Abend zuvor erhalten hatte. Er nahm es zur Hand, las es und grübelte darüber nach, ob der Auftrag mit Wyoming zu tun hatte.
Sein Mittelsmann hieß Lee Barnes und hatte zu früheren Zeiten eine Frachtgesellschaft besessen, in deren ehemaligem Bureau nach wie sein Schreibtisch stand. Barnes verdiente sich ein paar Dollar als Notar dazu und kannte eine erkleckliche Zahl Leute in der Stadt. Vermutlich war er aus letzterem Grund angeworben worden. Er war ein kleingewachsener Sechzigjähriger, der gutmütig die Tür aufschloss, bevor Lassiter überhaupt zum Klopfen kam.
»Ich kenne das Haus«, sagte Barnes zur Begründung. Er lächelte und sprach in einem tönenden Singsang, der hin und wieder von krächzendem Husten unterbrochen wurde. »Ich kenne jede Ecke von Laramie, jeden Mann, der in der Gegend sein Glück macht, jedes krumme Geschäft. Man könnte in Laramie keinen umtriebigeren Gewährsmann als mich finden. – Setzen Sie sich, Mr. Lassiter!«
Die Stuhlbeine kratzten über die verblichenen Dielen, als die Männer zu beiden Seiten des Schreibtisches Platz nahmen. Der Mittelsmann und sein Gast verwandten keine Zeit auf Belanglosigkeiten und kamen umgehend auf die Mission zu sprechen, die Washington in Lassiters Hände zu legen trachtete. Das Hauptquartier sorgte sich um die brutalen Überfälle auf Siedlertrecks, zu denen es in jüngster Zeit nördlich von Cheyenne gekommen war.
»Zwanzig Tote.« Barnes' Gesicht war eine starre Maske. »Man hat zwanzig Tote auf dem Trail hinauf in die Black Hills gezählt. Sie starben auf ihren Siedlerwagen. Mütter waren darunter... mit ihren Kindern.« Er lehnte sich zurück und schwieg eine Zeitlang. »Ich muss Ihnen nicht sagen, dass die Territorialregierung von Wyoming aufs Äußerste beunruhigt ist.«
»Beunruhigt?«, fragte Lassiter. »Wen vermutet man hinter den Überfällen?«
Von Barnes kam ein langes Seufzen. »Die Männer des Gouverneurs glauben, dass die Sioux dahinterstecken. Sie verdächtigen die Stämme, dass sie sich für 1868 rächen wollen. Die Black Hills sind ihnen vertraglich zugesichert. Der Trail hinauf verläuft über das Land der Sioux.« Er seufzte erneut. »Ich glaube allerdings nicht daran.«
Lassiter hob die Brauen. »Wem geben Sie die Schuld? Nicht den Sioux?«
»Nein, nein.« Barnes hing einem Gedanken nach. »Die Sioux sind mir des Öfteren begegnet. Sie mögen einen schlechten Ruf haben, aber sie sind keine feigen Krieger, die hinterrücks Frauen und ihre Kinder ermorden. Sie greifen keinen Siedlertreck an, der sich auf ihr Land verirrt hat.«
»Banditen?« Lassiter schürzte die Lippen. »Sie könnten es auf die Habseligkeiten der Siedler abgesehen haben. Ein paar Farmer mit ihren Familien sind leichte Beute.«
Von den Überfällen auf die Trecks hatte auch Catherine geredet, als sie am Abend zuvor auf dem Barhocker gesessen und an ihrem Bourbon genippt hatte. Sie hatte die ekelerregenden Einzelheiten geschildert, die aufgeschnittenen Leichname, das Blut im Sand, die verschmierten Kutschwagen. Eine der Frauen war nackt gewesen. Man hatte ihr den Rock über dem Kopf zusammengebunden.
»Sie sollten darin lesen.« Barnes hatte ein braunes Kuvert über den Tisch geschoben. »Ich habe Ihnen alle notwendigen Dokumente hineingelegt. Sie werden zu den Patience Men stoßen, einer Eskorte von bewaffneten Reitern, die der Treckführer angeheuert hat. Die Patience Men genießen einen untadeligen Ruf in Wyoming.« Er kniff ein Auge zusammen und blinzelte Lassiter an. »Ich darf mich darauf verlassen, dass es bei dieser Einschätzung bleibt.«
»Selbstverständlich, Mr. Barnes«, versicherte Lassiter eilig. Er blätterte das Kuvert mit zwei Fingern durch. »Die Männer erfahren nichts darüber, dass ich für die Regierung tätig bin. Ich stelle mich dem Treckführer vor –«
»Mr. Gordon-Bonaparte«, warf Barnes ein und wippte vor Stolz auf seinem Stuhl. »Er ist das Oberhaupt der Familien und führt die Gruppe hinüber nach Oregon. Er hatte eine Stellung in einem Uhrengeschäft in San Francisco. Sie sollten mit ihm anfangen.« Er stand auf und beugte sich über den Tisch. »Ich beschaffe Ihnen, was auch immer Sie benötigen. Die Brigade Sieben misst diesem Fall große Dringlichkeit zu. Sie müssen diesen blutigen Kämpfen in der Prärie ein Ende setzen.«
Sorgfältig packte Lassiter das Kuvert weg, erhob sich und sprach mit Barnes die Einzelheiten der Mission durch. Er vereinbarte das Honorar, verhandelte ein paar Prämien und lud den Mittelsmann zu einem Essen im Hotel ein.
»Nein, bloß nicht!«, rief Barnes und winkte nach der Kellnerin. »Bringen Sie uns frische Verdächtige! Schieben Sie diesem Treiben einen Riegel vor!« Er deutete auf das Kuvert. »Die falschen Wochentage auf den Papieren werden Sie schützen.«
✰
Auf der ausgeklappten Werkbank lagen verschiedene Uhrenmodelle, die in Birmingham und London gefertigt worden waren und andere Federn brauchten als die schweizerischen Exemplare, die John Gordon-Bonaparte am Vortag repariert hatte. Der Uhrmacher tränkte den Lappen an der Aqua-Regia-Flasche, die vor ihm stand, und wischte die Goldgehäuse ab. Er polierte die winzige Krone, die als Marke eingeprägt war, ebenso die gravierte Ziffer, die für achtzehn Karat stand.
Zwischendurch glitt Johns Blick auf die Ebene aus.
Er konnte die Reihe an Siedlerwagen bis zum Ende überblicken, die Kolonne aus schweren Pferde- und Bullengespannen, die sich durch die ausgedörrte Prärie quälte und bis zum Abend Rast machte. Die anderen Männer waren auf die Jagd gegangen, die Frauen besorgten Haushaltsdinge, und er, John, saß vor seinen Uhren und fragte sich, was mit diesem Handwerk in Wyoming anzufangen war.
Vier Familien hatte es getroffen.
Sie hatten ihre Väter und Brüder verloren, die mit ihren Gewehren und zum Schluss mit bloßen Händen gegen die Banditen gekämpft hatten. Sie waren den berittenen Angreifern unterlegen gewesen, waren von Kugeln durchlöchert oder kurzerhand erstochen worden. Sie hatten im Gras gelegen, die Münder offen, die Kleider blutgetränkt, die Hände meist noch um den Gewehrkolben gekrampft.
Einige Frauen waren ebenso tot.
Die Ehefrau von Jack Davison war darunter gewesen, die John gut gekannt hatte, und die Gattinnen von Peter Larson und Ross Milroy, die im selben Alter gewesen waren. Die Witwer saßen nun bedrückt auf ihren Wagen, die vollgestopft waren mit Dingen, die für eine gemeinsame Zukunft in Oregon bestimmt gewesen waren. Sie kümmerten sich um ihre Söhne und Töchter, manche um ihre greisen Mütter und Väter, die sich ihnen angeschlossen hatten, als sie sich auf den Weg in den Westen gemacht hatten.
John hatte geschlafen, als die Angriffe geschahen.
Er hatte auf dem verschnürten Kanapee gelegen, von dem das hintere Drittel seines Wagens ausgefüllt war, und hatte nichts von den krachenden Schüssen und dem Gebrüll mitbekommen. Er schlief seit jeher einen Schlaf der Gerechten, eine traumlose, schwere Ruhe, mit der er gesegnet oder verflucht war, je nachdem, wie man es betrachten wollte.
An jenem Mittag hatte der Schlaf John behütet.
Er war von seiner Tochter Sophie geweckt worden, als draußen in der Prärie schon gespenstische Stille geherrscht hatte. Die Siedlerfrauen hatten im hohen Gras gestanden, die Männer tot oder verwundet in selbigem gelegen. Später in der Dämmerung hatten sie sich hingesetzt, gebetet, und John hatte zusammengekratzt, was er an tröstlichen Passagen aus der Heiligen Schrift kannte. Er hatte die Familien beruhigt und war zu ihnen in die Wagen gestiegen.
Er hatte Kerzen für die Toten entzündet.
Neben der Taschenuhr lag das Zahnrädchen, das herausgesprungen war, als John den Deckel abgenommen hatte. Es maß ein achtel Zoll im Durchmesser, saß auf einer konischen Achse und hatte genügt, dass der Chronograph jede vierte Stunde stehenblieb, sooft man ihn auch aufgezogen hatte. Die Uhr hatte Ross Milroy gehört, für den sie ein kostbares Stück Mechanik gewesen war, das er ebenso wenig verstanden hatte, wie John nun den Tod des Farmers begriff.
»Arbeitest du noch?« Seine Tochter Sophie kam von den Pferden herüber. »Ich wollte mit dir hinauf in die Hügel. Die Patience-Leute haben ihr Lager aufgeschlagen. Sie wollen mit dir sprechen.«
Die Patience Men waren eine Miliz aus Rawlins.
Sie hatten ein Geschäft daraus gemacht, die Siedlertrecks hinüber nach Kalifornien oder Oregon zu eskortieren und die Banditenbanden auf Abstand zu halten, zu denen manche Milizionäre vor Jahren noch selbst gehört hatten. Die Patience Men