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Sein letztes Glas Whisky leerte Sheriff Levi P. Fuller in einem einzigen Zug. Er starrte auf die junge Frau hinunter, die sich in den Laken seines Bettes rekelte, und zählte in Gedanken die Stunden bis zum Sonnenaufgang. Seine Winchester lehnte an der Wand, den Hut hatte er über den Lauf gehängt. "Steh auf!", knurrte Fuller und zog Betsy Rathburn die Decke vom nackten Körper. "Du musst fort, Kleines! Auf der Stelle!" "Um diese Stunde?" Betsy gähnte und machte ein verdrossenes Gesicht. "Ist es wegen Diana? Wirfst du mich ihretwegen raus?" Sie musterte Fuller lauernd. "Ich kratze diesem Weib die Augen aus!" Der Gesetzeshüter überging ihren Einwand. "Verschwinde, Betsy, ich hab genug von dir! Du wirst kein Wort zu Diana sagen." Er knöpfte sein Hemd zu. "Oder willst du ins Gras beißen?"
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Stern ohne Ehre
Vorschau
Impressum
Stern ohne Ehre
von Marthy J. Cannary
Sein letztes Glas Whisky leerte Sheriff Levi P. Fuller in einem einzigen Zug. Er starrte auf die junge Frau hinunter, die sich in den Laken seines Bettes rekelte, und zählte in Gedanken die Stunden bis zum Sonnenaufgang. Seine Winchester lehnte an der Wand, den Hut hatte er über den Lauf gehängt.
»Steh auf!«, knurrte Fuller und zog Betsy Rathburn die Decke vom nackten Körper. »Du musst fort, Kleines! Auf der Stelle!«
»Um diese Stunde?« Betsy gähnte und machte ein verdrossenes Gesicht. »Ist es wegen Diana? Wirfst du mich ihretwegen raus?« Sie musterte Fuller lauernd. »Ich kratze diesem Weib die Augen aus!«
Der Gesetzeshüter überging ihren Einwand. »Verschwinde, Betsy, ich hab genug von dir! Du wirst kein Wort zu Diana sagen.« Er knöpfte sein Hemd zu. »Oder willst du ins Gras beißen?«
An jenem Morgen fasste Betsy Rathburn, Ehefrau des Farmers Gibb Rathburn und angesehene Vorsitzende des Siedlerkomitees, den fatalen Entschluss, ihre Nebenbuhlerin Diana Barris zum Duell zu fordern. Sie hatte von einer derartigen Schießerei zweier Frauen in der Flathead Press gelesen und befunden, dass auch ihr Streit mit Mrs. Barris ein solches Mittel rechtfertigte. Dennoch sagte Betsy ihrem Mann, einem gutmütigen Kürbisfarmer und aufopferungsvollen Vater, kein Wort darüber.
»Mach du den Rest!«, flüsterte Betsy ihrem Dienstmädchen Ann zu und schob ihr den Topf geschnittener Bohnen. »Brate sie Gibb mit Speck und frischem Dillkraut an, wie er's mag! Er soll mir am Abend keine Fragen stellen!« Sie zog die Schürze aus und reichte sie Ann. »Ich muss in die Stadt und einige Erledigungen verrichten.«
Gleichermaßen knapp fiel die Erläuterung aus, die Betsy dem Stallknecht gab, der ihr das Pferd sattelte. Sie machte ihm weis, dass sie mit dem Viehagenten der Manitoba Railway zusammentreffen wollte und es nottat, dass ihr Mann vorerst nichts davon erfuhr. Die Vereinbarungen sollten stillschweigend getroffen werden, um Gibb nicht in dessen Stolz zu kränken.
Um drei Uhr am Nachmittag war Betsy in Whiteriver.
Sie war durch den langgestreckten Holbrook Creek geritten, der zwischen dem Charlotte Peak und dem Scarface Peak verlief und reichen Fichtenwald beherbergte. Vor ein paar Jahren hatten sie im Creek Holz geschlagen und eine Scheune daraus gebaut. Hunderte Hände hatten damals angepackt, und Diana Barris war vor Neid und Missgunst beinahe gestorben.
Doch um Besitz oder gar Vermögen stritten die Frauen nicht.
Sie hatten sich in denselben Mann verliebt, in den attraktiven und hoch angesehenen Sheriff Levi P. Fuller, der erst vor einem Jahr angekommen war. Der Gesetzeshüter besaß jenen rauen Charme, den keiner ihrer Ehemänner zustande brachte. Schon gar nicht der gutherzige Gibb, der von Betsys Schwärmerei so wenig verstand, wie er einer Frau Weihnachtsgeschenke machen konnte. Vor einem Jahr hatte Betsy Gusseisentöpfe bekommen. Das Jahr davor eine Bettpfanne, die von solch schlechter Güte gewesen war, dass die Emaille noch vor dem ersten Gebrauch Risse bekommen hatte.
Bei Dianas Mann Scott sah es kaum besser aus.
Er war ein Aufschneider vor dem Herrn, der hocherhobenen Hauptes durch die Straßen von Whiteriver stolzierte und seine schmuckvollen Colts zur Schau stellte, von denen einer Griffschalen aus Elfenbein und der andere aus Ebenholz hatte.
Den notwendigen Mut, mit diesen Revolvern einen Viehdieb über den Haufen zu schießen oder sich der Kutschdiebe am Big Salmon Lake zu erwehren, brachte Scott dagegen nicht auf. Außerdem war sein Kopf so unförmig und kahl, dass Betsy Scott vor Gibb einmal mit einem Salamander verglichen hatte.
Wer die Farmerfamilien Barris und Rathburn kannte, war also nicht verwundert darüber, dass die Farmerinnen Sheriff Fuller innig verehrten. Die Frauen hatten ihm Lammbraten und gebackene Apfelküchlein vorbeigebracht, ihn auf ihre Farmen eingeladen und ihn sogar mit ihren Ehegatten bekanntgemacht. An einem dieser Abende, als Gibb längst zu Bett gegangen war, hatte Fuller Betsy verführt.
»Nein«, sagte der Deputy und trat vor das Sheriffbüro. »Sheriff Fuller ist nicht in der Stadt. Er ist auf der Barris Farm.«
»Bei Ehepaar Barris?« Die Nachricht erfüllte Betsy mit loderndem Zorn. »Wann kehrt er zurück? Hat er gesagt, was er bei den Barris zu tun hat?«
»Ich weiß nichts darüber, Ma'am«, erwiderte der Deputy, der vor einem Jahr noch selbst Farmer im Little Salmon Creek gewesen war. Er hieß Henry Saxby und war stets bankrott gewesen. »Aber ich richte Mr. Fuller aus, dass Sie in der Stadt gewesen sind.«
»Nicht notwendig«, sagte Betsy rasch und kehrte zu ihrem Pferd zurück. »Ich reite selbst hinauf zur Barris-Farm. Ich muss mit Mrs. Barris sprechen.«
Der Deputy zuckte mit den Schultern, als ihm mit einem Mal Bedenken kamen. Er legte die Stirn in Falten. »Sie machen uns keinen Ärger, Ma'am? Jeder in der Stadt weiß inzwischen, dass Sie und Mrs. Barris ... nun, dass Sie –«
»Verstritten sind?« Betsy lächelte herablassend. »Die Spatzen pfeifen es längst von den Dächern, Deputy Saxby. Ich bin eine erwachsene Frau. Ich weiß mich zu benehmen.« Sie erklomm den Sattel. »Mrs. Barris hat nichts von mir zu befürchten.«
Die .45er-Patrone ihres Revolvers, die sie Diana verpassen wollte, verschwieg Betsy dem Gehilfen des Sheriffs. Sie griff nach den Zügelenden, führte sie in einer Hand zusammen und ritt in lockerem Trab die Mainstreet hinunter. Die wenigen Geschäfte von Whiteriver öffneten meist erst gegen Mittag und führten im Grund nur Waren, die für einen Farmer oder einen Rancher von Nutzen waren.
Ausgewählte Stoffe oder gar ganze Kleider bekam man erst hundertfünfzig Meilen weiter in Helena. Die Lieferungen aus den Schneidereien an der Ostküste bildeten den Grundstock für jede Frau, die so tief im Westen noch etwas auf ihr Äußeres hielt.
Gibb hatte seiner Frau nie etwas vorenthalten.
Bloß ein einziges Mal hatte er über Betsys Käufe geklagt, und dabei war es um eben jenes Kleid gegangen, in dem Betsy später Sheriff Fuller entgegengetreten war. Die Farmersfrau hatte sich schäbig deshalb gefühlt. Sie hatte Gibb am nächsten Tag schuldbewusst im Stall geholfen, bei jener schweren Arbeit, die er mit seinem krummen Rücken nur schwer ertrug.
Diana Barris hingegen hatte ihren Mann deutlich kaltblütiger betrogen.
Sie hatte es verdient, dass man ihr eine Kugel in die Taftröcke brannte.
✰
Der Mann mit dem wallenden grauen Haar und dem üppigen Schnurrbart saß auf einer Bank in der Pennsylvania Avenue, die zu dieser Vormittagsstunde vom üblichen Lärm heranrasender Droschken und Lastfuhrwerke erfüllt war. Die Kuppel des Kapitolgebäudes war ein ferner Umriss im Morgendunst. Ein Ehepaar steuerte auf den grauhaarigen Fremden zu und setzte sich an seine Seite.
»Colonel Saunders?«, fragte Melville Weston Fuller und blickte den Ehemann mit strenger Miene an. »Sie sind meiner Bitte gefolgt, wie ich sehe. Ich hoffe aus tiefem Herzen, dass Ihnen niemand in die Pennsylvania Ave gefolgt ist.«
»Niemand, Sir«, versicherte der Colonel und wies auf die junge Frau neben ihm. »Außer unserer Sekretärin, die Ihr Gesuch aufnehmen wird, Mr. Fuller.« Er reichte Fuller die Hand. »Ich gratuliere Ihnen zur Wahl zum Obersten Bundesrichter. Präsident Cleveland hat Ihnen eine unvergleichliche Ehre zukommen lassen.«
Der Angesprochene lehnte sich zurück und ließ den Blick auf der Pferdebahn ruhen, die gemächlich an ihnen vorbeizog und mit einem guten Dutzend Männer und Frauen besetzt war. Der Kutscher starrte mit dumpfer Miene auf das Zuggespann und hob nach einer Weile die Peitsche.
»Meine Ernennung war keine bloße Ehre«, sagte Fuller mit fester Stimme. »Aber ich gebe zu, dass mein Name für eine Reihe von Leuten in Washington durchaus eine Überraschung war. Der Präsident hat seine Unabhängigkeit bewiesen. Er ist in Washington D.C. nicht auf Klüngel angewiesen.«
Der Colonel nickte und lehnte sich ebenfalls zurück. »Er hat sich für einen Kandidaten entschieden, der unserem Land in bester Weise dienen wird. Die Brigade Sieben ist froh, Ihnen in dieser Lage beistehen zu dürfen.« Er wandte sich Fuller zu. »Ich gehe davon aus, dass Sie aus einem bestimmten Grund um eine Zusammenkunft gebeten haben?«
»Man hat mir ein Treffen empfohlen«, gestand Fuller ein und schwieg für einen Moment. Den Kontakt zu Colonel Saunders, der als einer der höchstrangigen Offiziere in der streng geheimen Brigade Sieben galt, hatte ihm ein Mitarbeiter des Bundesgerichts verschafft. »Ich muss eine familiäre Angelegenheit aus der Welt schaffen, bevor ich mein Amt antrete. Von Ihrer Seite ist ein höchstes diskretes und umsichtiges Vorgehen erforderlich.«
Aus der Pferdebahn sprang ein junger Mann, der an der letzten Trittstufe hängenblieb und mit dem Gleichgewicht kämpfte, bis er es wiedererlangte und unter dem spottenden Gelächter eines Bekannten, der an Bord des Wagens geblieben war, hinüber zum Gehsteig hastete. Die Frau neben Colonel Saunders zückte einen Papierblock und fertigte einige Notizen an.
»Sheriff Levi P. Fuller«, diktierte Fuller und nahm einen tiefen Atemzug. Über diese peinliche Angelegenheit zu sprechen, fiel ihm schwerer, als er vermutet hatte. »Er ist ein Neffe von mir und hat vor einem Jahr einen Posten im östlichen Montana-Territorium erhalten. Ich höre von verschiedener Seite, dass sein Dienst einige Unruhe ausgelöst hat. Er hat sein Büro in Whiteriver.«
Ganz zum Erstaunen Fullers war Saunders vorbereitet. »Uns ist Sheriff Fuller bereits ein Begriff, Sir. Er hat einige fragwürdige Entscheidungen getroffen, die Gesetz und Ordnung in Whiteriver nicht gerade gefördert haben.« Er setzte ab und sah zu seiner Sekretärin, die eifrig mitschrieb. »An erster Stelle muss man sicher seine Schürzenjägerei nennen, die vor einigen Tagen zu einem Duell zwischen zwei Frauen geführt hat.«
»Gütiger Gott«, sagte Fuller und zog die Brauen hoch. »Zwischen zwei Frauen? Was ist vorgefallen? Ging es dabei um meinen Neffen?«
Mit einem Kopfnicken bestätigte der Colonel Fullers Befürchtung. »Er hat diesen verheirateten Frauen, wie man so sagt, den Kopf verdreht. Sie sind aufeinander losgegangen. Eine der Frauen hat, Mrs. Diana Barris, einen Schulterdurchschuss erlitten. Dieser Tage ist sie zur Genesung in Helena, wird bald jedoch nach Whiteriver zurückkehren.«
»Und der Sheriff?«, fragte Fuller und räusperte sich. »Hat er die Schuldige verhaftet?«
Diesmal schüttelte Saunders energisch den Kopf. »Er hat nichts dergleichen getan. Vielmehr hat er die Frau besucht, die dieses Duell angezettelt hat. Er hat der Flathead Press gesagt, dass er kein Gesetz gegen diese Frauen durchsetzen könne, da sie sie sich freiwillig zu einem Duell entschlossen hätten.«
Diese Spitzfindigkeiten klangen in Fullers Ohren ganz nach dem Neffen, den der baldige Oberste Bundesrichter vor einigen Jahren kennengelernt hatte. Sie waren sich am Rande eines Abendempfanges begegnet, den Fuller im Repräsentantenhaus von Illinois gegeben und zu dem er die ganze Familie eingeladen hatte. Der jüngere Levi hatte bis zur Erschöpfung getrunken und war den Frauen nachgestiegen, die seinem Charme erlegen waren. »Ich halte nicht viel von meinem Neffen, Colonel. Ich hoffe, dass Sie einen Weg finden, ihn von seinem Posten zu bekommen. Die Brigade Sieben hat –«
»Mittel und Wege«, unterbrach ihn Saunders kurzerhand. »Sie sollten weder über unsere Methoden spekulieren noch darüber informiert sein. Die Brigade Sieben operiert unter größter Geheimhaltung und unterhält ein Netz von Agenten, die allenfalls in unseren Akten verzeichnet sind.« Er lächelte schmal. »Sie müssen sich um Sheriff Fuller nicht sorgen. Wir schicken einen unserer besten Männer ins Montana-Territorium.«
»Lassiter«, sagte Fuller und nickte. Er erwiderte das Lächeln. »Die Brigade Sieben mag um ihre Geheimhaltung bemüht sein, doch der Ruf manch Ihrer Agenten hat sich bis zum Obersten Gerichtshof herumgesprochen. Ich möchte Sie bitten, dass Sie Lassiter nach Montana entsenden. Er wird mit meinem Neffen umzugehen wissen.«
Die Sekretärin zog einen Strich unter das Verfasste und blickte zu Colonel Saunders. »Ich könnte entsprechende Telegramme verfassen, Sir. Mr. Lassiter hält sich derzeit in Wyoming auf. Er hat es nicht allzu weit bis ins Montana-Territorium.«
Eine Droschke mit zwei schwarz gekleideten Beamten rollte vorüber, die Fuller erkannten und ihm freundlich zunickten. Saunders starrte angestrengt zur anderen Straßenseite und bemühte sich, Fullers Anwesenheit wie bloßen Zufall wirken zu lassen. »Schreiben Sie ein Telegramm, Miss Allison.«
»Ich danke Ihnen.« Fuller erhob sich und strich sich den Gehrock glatt. Er hatte stets eine Menge von der Brigade Sieben gehalten und fühlte sich in seinem Urteil bestätigt. »Ich darf Ihnen sagen, dass ich diese Unterredung äußerst genossen habe, Colonel. Es beruhigt mich, diese Sache in Ihren Händen zu wissen.«
»Die Freude ist ganz meinerseits«, entgegnete Saunders höflich. »Mögen sich Ihre Sorgen bald zerstreuen.«
✰
Die Telegramme aus dem Hauptquartier erreichten Lassiter am Madison River, wo er bei den Lachsfischern Bill Cowles und Nelson Thompson untergekommen war. Zuvor hatte er einen Sträfling hinüber nach Jackson eskortiert, einen mürrischen Bürgerkriegsveteranen, der zwei Marshals getötet hatte. Die Fischer hatten ihn mit Fragen gelöchert, und er hatte den Männern, die er seit Jahren kannte, geduldig Auskunft gegeben.
»Zwei Depeschen!«, erklärte Bill, der einige Jahre älter als Nelson war und sich deshalb als Wortführer der beiden aufspielte. »Hab sie gerade von einem Boten erhalten! Musst ein wichtiger Mann sein, Lassiter! Wer schreibt dir bloß aus der Hauptstadt?«
»Nur ein paar Freunde wie ihr«, log Lassiter und wusste zugleich, dass ihm Cowles und Thompson kein Wort glaubten. Sie hatten sich inzwischen zusammengereimt, dass er für eine Regierungsbehörde arbeitet, waren aber taktvoll genug, ihn nicht nach Einzelheiten zu fragen. »Ich werd' euch verlassen müssen.«
Thompson warf die Angel aus und watete durch das seichte Uferwasser. Er kannte den Madison River wie seine Westentasche und hatte Lassiter die Laichplätze der Fische gezeigt. »Bill wird dich vermissen, Lassiter. Mir wird's auch ein bisschen im Herz ziehen. Aber du rackerst dich für das Wohl der Nation ab.« Er seufzte. »Weshalb soll man dich aufhalten?«
Aus den beiden Kabeldepeschen ging hervor, dass sich in Washington ein hoher Regierungsvertreter für Lassiter eingesetzt hatte. Den Auftrag würde ein Mittelsmann im Montana-Territorium erteilen, ein Kerl namens Preston King, der die Cataract Mill Company in Great Falls besaß. Cowles und Thompson würden eine Zeitlang auf die Gesellschaft Lassiters verzichten müssen.
Fünf Tage dauerte der Ritt hinauf nach Great Falls.
Die schäumenden Wasserfälle des Missouri River, die der Stadt ihren Namen gegeben und fünfhundert Fuß in die Tiefe stürzten, hießen Lassiter und ein Dutzend anderer Reiter willkommen, die den gleichen Weg genommen hatten. Die meisten Männer wollten zum Depot der Great Northern Railway, deren Schienenanschluss erst im Jahr zuvor vollendet worden war.
Das dreistöckige Gebäude der Cataract Mill Co. war ein bulliger Holzturm mit flachem Satteldach, an den sich ein flacherer Wirtschaftstrakt angliederte. Daneben ragten die Pfosten für die Kupferleitungen auf, die sämtliche Mahlanlagen mit den jüngst eröffneten hydroelektrischen Werken verbanden. Der Direktor Preston King war ein zierlicher Mann mit langen Wimpern und platzte beinahe vor Stolz.
»Sie müssen sich die Gewalt des Wasserfalls vorstellen«, sagte King und führte Lassiter durch die Mahlgänge. »Alles zusammengepresst in fingerdicke Kupferadern. Die Hydroelektrik wird die Welt aus den Angeln heben.«
Sie begaben sich in Kings Büro, das im obersten Stockwerk lag und einen weiten Blick auf die Fuhrwerke gestattete, die vor der Mühle entladen worden. Die Farmer der Gegend lieferten Getreide an, ließen es mahlen und kehrten mit staubenden Säcken zu ihren Äckern zurück.
»Sheriff Levi P. Fuller«, sagte King und stöhnte auf. Er hatte aus dem Hauptquartier eine Akte erhalten, die er kaum zwischen zwei Finger bekam. »Das Hauptquartier hat keine Mühen gescheut, um Kenntnisse über diesen Mann zusammenzutragen. Er ist – sagte man mir – eine Schande als Sheriff.« King lächelte und schob Lassiter die Aktenmappe hin. »Ich bin ihm nie begegnet.«
»Sind die Gerüchte wahr?« Lassiter griff nach den Unterlagen und blätterte sie durch. Sie enthielten Informantenberichte, Skizzen, Lithografien und Abschriften verschiedener Depeschen. »Gab es ein Duell zwischen zwei Frauen?«
Unmerklich fuhr King bei dieser Frage zusammen. Es war ihm anzusehen, dass er lieber über die Cataract Mill geschwärmt hätte, statt einen unbedeutenden Sheriff in Whiteriver anzuschwärzen. »Dieses Gerücht ist in der Tat wahr. Eine der Frauen wurde durch eine Kugel schwer verwundet.« Er schüttelte stumm den Kopf. »Die Menschen könnten die Zeit, die ihnen der Herr auf Erden gibt, wahrlich fruchtbarer nutzen.«