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Seit mehr als einem Jahrzehnt ist John Roberts, durchtriebener Pelzhändler und Vertrauter des früheren Präsidenten Johnson, im eisigen Alaska verschollen. Da erhält Roberts Tochter Barbara plötzlich rätselhafte Botschaften, in denen ihr Vater um Hilfe bittet.
Wegen der Telegramme gerät die junge Frau ins Visier der Black Rider - ein Killerkommando, hinter dem eine Verschwörung ehemaliger Senatoren steckt, die im sieben Millionen Dollar schweren Alaska-Verkauf unter Präsident Johnson ein Verbrechen an der amerikanischen Nation sehen. Sie haben jedem Profiteur blutige Vergeltung geschworen. Doch nun bekommen sie es mit Lassiter zu tun, dem besten Mann der Brigade Sieben...
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Rückkehr zum Golgotha Mountain
Vorschau
Impressum
Rückkehr zum Golgotha Mountain
von Marthy J. Cannary
Seit mehr als einem Jahrzehnt ist John Roberts, durchtriebener Pelzhändler und Vertrauter des früheren Präsidenten Johnson, im eisigen Alaska verschollen. Da erhält Roberts Tochter Barbara plötzlich rätselhafte Botschaften, in denen ihr Vater um Hilfe bittet.
Wegen der Telegramme gerät die junge Frau ins Visier der Black Rider – ein Killerkommando, hinter dem eine Verschwörung ehemaliger Senatoren steckt, die im sieben Millionen Dollar schweren Alaska-Verkauf unter Präsident Johnson ein Verbrechen an der amerikanischen Nation sehen. Sie haben jedem Profiteur blutige Vergeltung geschworen. Doch nun bekommen sie es mit Lassiter zu tun, dem besten Mann der Brigade Sieben...
Dicht hing das Wolkenbett an diesem Abend über den Gipfeln der Caracas Mountains, die sich mit ihren zerklüfteten Sandsteinsäulen stolz und erhaben gegen den Himmel stemmten. Die Wüste war eine trockene Einöde, und es kam selten vor, dass sich ein grauer Regenvorhang über die Saguaro-Kakteen schob und über Stunden die Tropfen auf den ausgedörrten Boden trommelten. Es war ein solch seltenes Ereignis, dass Barbara Todd an der Tür stehenblieb und wie gebannt zu den Bergen hinübersah.
Sie ließ den Maisbrei darüber anbrennen.
Aus dem Kupfertopf kräuselte schwarzer Qualm, als Barbara einige Zeit darauf das Malheur bemerkte. Die Maiskörner waren zu einem Brei erstarrt, der zischend Blasen warf, als sie Wasser hineingoss. Aus dem Nebenzimmer kam Barbaras Sohn Caleb gelaufen, ein munterer Junge von elf Jahren, dessen wasserblaue Augen ganz die seines Vaters waren. Er starrte in den Topf, in dem es wild vor sich hin rumorte.
»Geh!«, rief Barbara und wies zur Tür. »Geh und bring mir den Eimer und die alten Lumpen, Cale! Beeil dich! Nun lauf schon!«
Der Junge sprang mit langen Sätzen davon, und unwillkürlich musste Barbara an Calebs erste Schritte denken, an die tollpatschigen Versuche, mit denen er sie hatte beeindrucken wollen, als sie ihn draußen unter dem Pferdegatter hindurchgeschoben hatten. Sie waren an diesem Tag so zufrieden gewesen, Barbara und ihr Mann James, so glücklich, dass sie sich bei den Händen gehalten hatten, während sie Caleb zugesehen hatten.
Mit dem Stahllöffel zog Barbara den Topf vom Feuer.
Sie stellte den Brotlaib auf den Tisch, den sie vor zwei Tagen aus Yuma mitgebracht hatten, und James betrachtete Barbara mit gutmütiger Miene, als sie von ihrem Missgeschick erzählte. Caleb schmückte den Vorfall aus, als sei draußen die Scheune eingestürzt, nicht nur der Mais angebrannt. Sie redeten über die Pferde und das Fohlen der Youngstons, das so wohlgeraten war. Danach über die Grönlandexpedition von Samuel Harkley, von der Barbara im Winston's Weekly gelesen hatte.
Die Telegramme ihres Vaters vergaß Barbara darüber nicht.
Sie hatte es unterlassen, die Abschriften hervorzuholen, die sie vor einigen Tagen aus dem Post Office erhalten hatte. James war dankbar dafür gewesen, dass er die Sache nicht vor Caleb besprechen musste. Er hielt die Telegramme ohnehin für einen boshaften Streich der Youngston-Söhne, die Caleb nicht mochten und daher dessen Mutter aufs Korn nahmen. Er hatte sich keine der Abschriften überhaupt nur angesehen.
»Gräm dich nicht deshalb«, sagte James später am Abend. Er saß am Fenster und schaute nach der aufziehenden Regenwand. »Es ist völlig ausgeschlossen, dass dein Vater dir schreibt, Barb. Er ist seit zehn Jahren tot... Wo soll er sich herumgetrieben haben? Weshalb sollte er jetzt schreiben?«
Aus Alaska war Barbara damals ins Arizona-Territorium gekommen.
Fast ohne einen Dollar in der Tasche war sie eingetroffen. James Todd war der erste Mann gewesen, der ihr in der Mohave-Wüste über den Weg gelaufen war. Er hatte eine kleine Rinderherde besessen, höchstens fünfzig Stück Vieh. Er hatte sich in die Frau mit den merkwürdigen Pelzjacken augenblicklich verliebt und einen Monat darauf um ihre Hand angehalten.
Barbaras Vater musste zu dieser Zeit bereits tot gewesen sein.
Sie hatte ihn auf der Hütte am Golgotha Mountain zurückgelassen, jenen Berg, den er selbst zuerst bestiegen hatte. Er hatte ihn nach der Schädelstätte benannt, jenem biblischen Platz, auf dem Jesus Christus gekreuzigt worden war. Er war auf diesem Berg zu einem Tyrannen geworden, zu einem Wahnsinnigen, zu einem John Roberts, den nur seine Kupfermine gekümmert hatte. Für die Mine hatte er seine Tochter in die eisige Trostlosigkeit Alaskas verschleppt.
»Es könnte die Wahrheit sein«, sagte Barbara und legte den Stoß Telegramme auf ihre Knie. Sie griff nach dem obersten Blatt und sah es sich an. Die Telegraphengesellschaft hatte die Abschrift in Yuma gestempelt. »Man würde doch keinen ganzen Dollar dafür opfern, mich zu ärgern. Nicht die Youngstons... Sie müssen mit jedem Cent rechnen, James.«
»Sie sind garstige Gesellen«, sagte James und wandte sich zu Barbara um. »Sie wollten Caleb eine Tracht Prügel verpassen, weil unsere Pferde schneller laufen als ihre. Ich gehe zu Brad hinüber und rede mit ihm. Er wird die Jungen dazu bringen, die Dummheit zuzugeben.« Er schaute wieder aus dem Fenster. »Das Wasser wird die Wüste zum Blühen bringen. Ich will kaum abwarten, dass es so weit ist.«
Die Telegramme blieben auf Barbaras Knien liegen. Sie redeten eine Stunde lang über das Wetter, das in diesen Tagen aus dem Osten kam. Die Scheune verschwand in finsteren Regenschwaden, und am Glas liefen die Wasserzungen herunter. Ein kühler Luftzug drang unter der Tür hindurch. Er trug den Geruch verbrannter Chilischoten herein.
James setzte sich lächelnd auf das Kanapee in der Ecke. »Leslie kocht drüben im Bunkhouse seinen Bohneneintopf. Er wird sich am Pfeffer die verdammte Zunge verbrennen und prahlen, dass er's ausgehalten hat.«
Sie hatten Leslie Burris in Yuma angeheuert, einen kräftigen Ranchhand aus Texas, der dasselbe Texasdeutsch beherrschte wie Barbaras Vater. James hatte gefallen, dass Leslie zupacken konnte, und Barbara hatte sich an seinen deutschen Schimpfworten nicht satthören können. Die Flüche hatten sie an ihre Mutter erinnert, an jene seligen Tage in der Jugend, als ihr Vater noch bei Sinnen und Alaska ein karger Streifen Gebirge im Norden gewesen war.
Der Regen spülte den Staub von den Scheunenwänden.
Sie saßen bis in die Nacht hinein zusammen, rochen den Chiligestank und lauschten dem Plätschern in den Traufrinnen des Hauses. Sie genossen die Gegenwart des anderen, und als James aufstand, um ins Bett zu gehen, wurde Barbara wehmütig ums Herz. Sie griff nach James' starkem Arm, zog ihn an sich und hielt sich daran fest. James versteinerte, trat wieder ans Fenster und legte die Stirn in Falten.
»Seltsam.« Er wischte mit dem Finger das beschlagene Glas ab. »Mir ist, als hätte ich dort draußen einen gesehen! Drüben an der Scheune!«
»Wahrscheinlich ist's nur Leslie.« Barbara küsste ihren Mann. »Er wird nachsehen, ob die Scheune etwas abbekommt.« Sie zog ihn sanft an der Hand mit sich. »Lass uns zu Bett gehen... Lass uns schlafen gehen.«
Doch James wehrte sich gegen ihren Griff.
✰
Der Fremde mit dem abgestoßenen Bowlerhut lehnte an der Hausecke und behielt das Treiben vor der Riggs Bank im Auge, an der etliche Kutschen mit zurückgeschlagenem Verdeck gehalten hatten. Die Riggs Bank richtete an diesem Morgen einen Empfang der Arlington Fire Insurance aus und wurde von zahllosen Industriellen, Kapitalgebern und Bankbesitzern aufgesucht. Die meisten Herrschaften trafen in der eigenen Kutsche ein, weshalb es zu Gedränge vor dem zweistöckigen Gebäude mit den vergitterten Parterrefenstern kam.
Die Scharen von Fracks und Gehröcken, die sich vor Lassiter über den Gehsteig schoben, lichteten sich erst, als einige Page aus dem Haus geeilt kamen und die eintreffenden Gäste zu einem Nebeneingang baten. Sie beachteten weder den Mann der Brigade Sieben noch den unscheinbaren Herrn mit dem Bowlerhut, der sich in Bewegung setzte, als er Lassiter inmitten der Geschäftsleute erkannte.
»Sie sind eine gute Stunde zu spät«, sagte Perry McRandolph und gab sich mit diesem Schlüsselsatz als Mittelsmann der Brigade Sieben zu erkennen. Er deutete auf die einstige Niederlassung der Freedman's Savings and Trust Company, in die kürzlich das Justizministerium eingezogen war. »Man erwartet uns bereits, Mr. Lassiter. Ich darf Ihnen sagen, dass der Justizminister selbst gekommen ist.«
Unter dem steilen Mansarddach des früheren Bankhauses, das von einer Terrasse mit kunstvoller Brüstung gekrönt wurde, herrschte stickige Hitze. Die Mitarbeiter des Ministeriums hatten die Markisen aufgerollt, als es ihnen am Morgen zu kühl erschienen war, und in der Folge hatte die brütende Vormittagssonne jeden Raum im obersten Stockwerk geflutet. Die Markisen waren zwar wieder geschlossen, doch die Wärme war geblieben und trieb dem Justizminister den Schweiß auf die Wangen.
»Mr. Garland«, verständigte der Sekretär den Minister. »Lassiter und Mr. McRandolph sind gekommen. Die anderen Herren der Brigade Sieben sind bereits auf dem Weg.« Er wartete höflich ab, bis Garland sich zu ihm umgewandt hatte. »Darf ich Ihnen und Ihren Gästen etwas bringen, Sir? Einen Tee oder einen Kaffee?«
»Bourbon«, sagte Garland knapp und schaute zur Tür. »Schaffen Sie uns Bourbon heran, Jack. Ich muss eine ernste Angelegenheit mit diesen Männern besprechen.« Er lächelte verkniffen. »Man wird einen Drink zu schätzen wissen.«
Die letzte Begegnung mit dem Justizminister lag für Lassiter einige Zeit zurück, und der Mann der Brigade Sieben hatte vergessen, dass in Washington D C. andere Gepflogenheiten herrschten als in North Dakota, Montana oder im Texas-Panhandle. Er schritt auf Minister Garland zu und streckte ihm die Hand entgegen.
Pikiert wich Garland zurück und erwiderte den Händedruck nur zögerlich. »Sie mögen ein tapferer und gefragter Agent sein, Mr. Lassiter. Ihnen dürfte jedoch entgangen sein, dass jeder Minister – oder Attorney General, um dem Amt Ehre zu erweisen – die Gäste gemäß ihres Ranges begrüßt. Die Kommandierenden der Brigade Sieben lasse noch auf sich warten. – Oh, da kommt bereits der Bourbon!«
Geräuschlos schob sich der gleiche Sekretär durch die Tür, der zuvor mit Garland gesprochen hatte, und stellte ein Elfenbeintablett mit Gläsern und einer Flasche darauf ab. Er goss jedem Anwesenden einen Bourbon ein, verteilte die Gläser, nickte zuvorkommend und verließ den Raum wieder. McRandolph griff zu und trank und einen Schluck. »Ich bin äußerst erstaunt, Attorney General Garland. Die Brigade Sieben lädt gewöhnlich keinen ihrer Mittelsmänner nach Washington ein. Sie ist ungemein verschwiegen, was ihre Verbindungen angeht.«
»Ich selbst habe darum gebeten«, sagte Garland und nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Ich bat um Ihre Anwesenheit, Mr. McRandolph, und um diejenige von Mr. Lassiter, der mir aus ungezählten Missionen, die er zum Wohle der amerikanischen Nation durchgeführt hat, in Erinnerung geblieben ist.« Er stellte das Glas wieder auf das Tablett. »Berichten Sie mir von Arizona! Berichten Sie mir, was ich sonst höchstens durch das Hauptquartier der Brigade Sieben erfahre!«
Der Mittelsmann setzte zu einer länglichen Schilderung der Feindseligkeiten zwischen den Einheimischenstämmen und gesetzlosen Rindertreibern an, ehe der Sekretär die Runde erneut störte und die kommandierenden Offiziere der Brigade Sieben eintreten ließ.
»Nun sind wir vollzählig!«, sagte Garland und bat an die lange Besprechungstafel. Er setzte sich ans Stirnende des Tisches und faltete für einen Augenblick die Hände, um sich zu sammeln. »Vor einer Woche starben im Arizona-Territorium der Rancher James Todd und sein erst elfjähriger Sohn Caleb. Sie wurden auf ihrer Ranch an der Mohave-Wüste erschossen, während Mrs. Todd im Bett lag und schlief. Sie fand die Leichname ihres Mannes und ihres Sohnes am nächsten Morgen im Schlamm vor dem Haus. Sie waren grässlich zugerichtet.«
»Maricopa?«, warf einer der Offiziere ein. »Wir haben Berichte über einen Maricopa-Stamm, der Ranches im westlichen Arizona-Territorium angreift. Mr. McRandolph...« Er blickte den Mittelsmann an. »Hätten Sie wohl die Güte, uns ins Bild zu setzen?«
»Die Mörder waren keine Maricopa«, sagte McRandolph im Brustton der Überzeugung. Er streifte Lassiter mit einem Seitenblick. »Man will uns glauben machen, dass Maricopa hinter diesem Verbrechen stecken. Es sind Schädel gefunden worden... Ausgetrocknete Schädel der Spanier vermutlich. Dazu ein paar Speere, die jedoch Apachenwerk sind.« Er gab ein leises Stöhnen von sich. »Sie wollen den Verdacht auf die Stämme lenken.«
»Die Mörder nennen sich Black Rider«, sagte Garland und blickte die Männer aus dem Hauptquartier mit erwartungsvoller Miene an. »Sie kennen die Black Rider und wissen, dass wir ihnen schon seit Jahren auf den Fersen sind. Ich möchte Lassiter mit dieser Mission beauftragen. Er soll diesen Mord nutzen, um diesen Leuten eine Falle zu stellen.«
»Black Rider?«, stutzte Lassiter. »Wer sind diese Leute?«
Die Offiziere schauten einander an und kniffen fast zur selben Zeit die Lippen zusammen. Sie wechselten einige Bemerkungen miteinander und gerieten in eine Meinungsverschiedenheit.
»Zum Schluss werde ich's richten müssen«, raunte McRandolph Lassiter zu und lächelte. »Das Hauptquartier und der Attorney General schicken einander seit Wochen Telegramme. Sie haben Informanten angeheuert, die ihnen nichts geliefert -«
»Mr. McRandolph«, richtete sich der ältere Offizier an den Mittelsmann. »Sie bringen Lassiter ins Arizona-Territorium und instruieren ihn über die Black Rider. Er bekommt im Territorium gänzlich freie Hand.« Er setzte eine strenge Miene auf. »Der Erfolg dieser Mission liegt allein in Ihrer Hand.«
Das Lächeln in McRandolphs Gesicht war wie in Stein geschlagen. »Daran hege ich keinen Zweifel, Sir.«
✰
Die Telegramme aus Alaska waren zahlreicher geworden.
Sie trafen mit den ratternden Postkutschen ein, die aus Yuma heraufkamen und in Caracas hielten, wurden im Post Office hinterlegt, mit einem zerknitterten Zettel daran, auf dem der Name von Barbaras totem Mann stand. Sie war noch immer Mrs. James Todd, die Witwe des Ranchers, der seine Weiden zu nah an der Mohave-Wüste hatte und daher von Apachen- oder Komantschen- oder Maricopa-Kriegern getötet worden war. Barbara kannte das Gerede, das im Ramsey-Saloon von Caracas zu hören war, aus den missgünstigen, nach Tabak stinkenden Mäulern der anderen Rancher.
Keiner dieser Männer war bei ihr gewesen.
Beim Begräbnis hatten sie stumm dagestanden und den mageren Worten von Reverend Thomas gelauscht, dem es die Kehle zugeschnürt hatte, als er über Caleb sprechen musste, Barbaras Jungen, dem die Mörder in die Brust geschossen hatten. Nicht einmal die Youngston-Knaben waren zu ihr herübergekommen, und so hatte Barbara die meiste Zeit allein in der Küche des Ranchhauses gesessen und darüber nachgedacht, ob eine Gewehrkugel sie aus ihrem Elend erlösen würde. Wären die Briefe ihres Vaters nicht gewesen, hätte sie längst mit dem Gewehr unter dem Kinn in der Scheune gestanden.
Liebes Kind, hatte er geschrieben, wenn es in deinen Kräften steht, komm nur herauf nach Alaska. Ich muss dich bei mir wissen und benötige deine Hilfe. Schreib mir, sobald du Entschluss gefasst hast. Sitka: Dampfer, Mittwoch & Freitag, elf Uhr.
Die anderen Telegramme waren kürzer gefasst als dieses. Oft bestanden sie nur aus vier oder fünf Worten: Hilf mir, liebes Kind. Brauche dringend deine Hilfe, Kind. Dampfer jeden Mittwoch, Freitag. Einige Wendungen kehrten wieder, andere tauchten nur ein einziges Mal auf, waren jedoch wenig aufschlussreich: Folget den Schädeln. Neun, sieben, fünf, neun.
Müde schob Barbara den Telegrammstapel von sich, stand vom Tisch auf und lief zum Fenster hinüber, durch das sie die Scheune und das angrenzende Bunkhouse sehen konnte. Sie hatte Leslie gebeten, sich für einige Tage ein Quartier in Caracas zu nehmen, und der Cowboy hatte sein Bündel geschnürt, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Er kam jeden Morgen herauf, sah nach dem Vieh und ließ Barbara ansonsten allein, wofür sie ihm dankbar war.
Vor der Scheune hatten James und Cale gelegen.
Sie waren nicht von Stammeskriegern erschossen worden, wusste Barbara, nicht aus dem Hinterhalt und nicht ohne Kampf. Sie hatten sich gegen die Reiter gewehrt, die auf die Ranch gekommen waren; sieben oder acht Schüsse hatten die Nacht erschüttert. Das Magazin von James' Gewehr sei bis auf vier Patronen leer gewesen, hatte Sheriff Rumsey zu Barbara gesagt.
Aber wer glaubte schon einer Witwe?
All ihre Beteuerungen waren unnütz gewesen, hatten nur dazu geführt, dass man Barbaras Behauptungen auf ihren Kummer schob, auf das verzweifelte Bestreben, dem Tod ihres Sohnes und ihres Mannes einen Sinn abzugewinnen, einen Splitter Bedeutung inmitten des Irrsinns. Sie hatten die Witwe reden lassen, über schwarze Reiter, über Fremde, die sich auf der Ranch herumgetrieben hatten, und danach war man in den Saloon geschlurft und hatte auf James angestoßen.
Barbara hob den Kopf.