Lassiter 2760 - Marthy J. Cannary - E-Book

Lassiter 2760 E-Book

Marthy J. Cannary

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Beschreibung

Die Orientalen waren bis nach Omaha gefahren, hatten einen Zug nach Denver genommen und waren dort in die Denver & Rio Grande Railroad gestiegen. Sie trugen Kaftane und Turbane, unter denen sie entsetzlich schwitzten, und redeten in einer Sprache, die Luke Hancock nicht verstand. Der Farmer stand auf und griff nach seiner Pfeife. Er wollte den Tabak rauchen, den er in Riverton gekauft hatte, und er wollte mit diesen Leuten nichts zu schaffen haben. Die Orientalen machten ihm Platz. Sie ließen ihn zur Außenplattform durch und waren dabei so liebenswürdig, wie Reisende nur sein konnten. Der dürre Amerikaner auf der Heckplattform nickte Hancock zu. Er reichte ihm zuvorkommend seine Zündhölzer, als in seiner Hand plötzlich kalter Stahl aufblitzte. Hancock erstarrte und ließ den Tabakbeutel fallen ...

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Gleis ins Nichts

Vorschau

Impressum

Gleis ins Nichts

von Marthy J. Cannary

Die Orientalen waren bis nach Omaha gefahren, hatten einen Zug nach Denver genommen und waren dort in die Denver & Rio Grande Railroad gestiegen. Sie trugen Kaftane und Turbane, unter denen sie entsetzlich schwitzten, und redeten in einer Sprache, die Luke Hancock nicht verstand.

Der Farmer stand auf und griff nach seiner Pfeife. Er wollte den Tabak rauchen, den er in Riverton gekauft hatte, und er wollte mit diesen Leuten nichts zu schaffen haben. Die Orientalen machten ihm Platz. Sie ließen ihn zur Außenplattform durch und waren dabei so liebenswürdig, wie Reisende nur sein konnten.

Der dürre Amerikaner auf der Heckplattform nickte Hancock zu. Er reichte ihm zuvorkommend seine Zündhölzer, als in seiner Hand plötzlich kalter Stahl aufblitzte. Hancock erstarrte und ließ den Tabakbeutel fallen ...

Die schroffen Bergflanken vor den Wagenfenstern erinnerten Raif Effendi an das Libanongebirge, an dessen Fuße er und seine Familie vor einem Jahr noch gelebt hatten. Die schneebedeckten Höhen glichen jenen auf den Rocky Mountains, die ihr Zug schon einen halben Tag lang durchquerte.

Gegenüber von Raif saß seine Schwester Sawsan, die einen gemusterten Rock und einen breiten Turban trug, daneben ihre Tochter Sousou und ihr Sohn Nassim. Hinter Sawsan, mit dem Rücken zu ihnen, saßen Onkel Ibrahim und Tante Ranara, die alle wegen ihrer Liebenswürdigkeit nur »Rani« nannten. Das Ehepaar hatte seit ihrer Abfahrt aus Chicago höchsten vier oder fünf Stunden lang geschlafen.

Hinter Rani saß der Amerikaner mit dem düsteren Blick.

Er hatte die ganze Familie voll Argwohn angestiert und keinen Zweifel daran gelassen, dass er von Übersee-Immigranten wie ihnen nichts hielt. Seine Augenbrauen waren schwarze Büschel, die sich zusammenzogen, sowie eines der Kinder lärmte.

»Sawsan«, flüsterte Raif und beugte sich zu seiner Schwester. »Er wird uns noch aus dem Zug werfen lassen, wenn wir nicht bald still sind. Wer Land erhalten will, muss tadelloses Benehmen zeigen.«

Die Worte tadelloses Benehmen sprach Raif auf Englisch aus, und zwar in jener marinierten Weise, wie es der Schalterbeamte in Chicago getan hatte. Sawsan musste darüber lachen. »Du wirst nie Land bekommen, wenn du so herumalberst.« Sie schaute streng zu Sousou und Nassim. »Seid etwas leiser, ja? Sonst ärgert ihr die anderen Leute im Zug.«

Auf den Äckern von Bakroun hatte sich nie ein Kind für sein Geschrei schämen müssen. Sie waren unter den Maulbeerbäumen hindurchgetobt, hatten sich in den Flüssen abgekühlt oder waren auf die Eselfuhrwerke gesprungen, die Seidenballen in die Hafenstädte brachten. Sie waren glücklich gewesen, bis ihre Eltern keinen Lohn mehr für ihre Arbeit bekommen hatten.

Fast hätte Sawsan noch geheiratet.

Sie hatte einem Bauernjungen aus Daraya gefallen, der um ihre Hand angehalten hatte. Die Familien hatten ein Fest gefeiert deshalb, ein rauschendes Fest in einer warmen Nacht, in der miteinander getanzt worden war.

Einen Monat darauf waren Raifs und Sawsans Eltern gestorben.

Die bloße Erinnerung daran verursachte ein Stechen in Raifs Brust. Sein Vater hatte auf dem Rücken eines Esels gelegen, das Gesicht zerschunden. Seine Mutter hatte man auf einer Trage ins Tal gebracht. Sie waren in den Bergen zu Tode gestürzt, als sie Kräuter und Brennholz gesammelt hatten.

»Lass uns etwas essen!«, schlug Sawsan vor und holte den Proviantsack unter der Bank hervor. Sie schnürte das Leinentuch auf, sah nach dem Brot, das sie in Chicago gekauft hatten, und riss ein Stück davon ab. Die Kinder schmiegten sich an sie und baten um ihren Anteil.

Bald würden sie nicht mehr hungern müssen.

Sie würden nicht länger von den Ersparnissen leben müssen, die sie im Libanongebirge zusammengeklaubt hatten, um die Dampfer hinüber nach Amerika zu besteigen. Erst waren sie von Berytus über das Mittelmeer und den Atlantik nach Dublin gefahren, dann mit einem großen, schweren Schiff nach New York.

Bepackt wie die Esel waren sie dabei gewesen.

»Lass ihn durch!«, sagte Raif zu Sawsan und zeigte auf den Amerikaner, der sich von seiner Bank erhoben hatte. Er schien sich an ihren schweren Gewändern zu stören. Seine Hand drückte Sawsans üppigen Rock zur Seite, als er durch den Gang stieg.

»Sir«, murmelte Raif höflich und gab dem Amerikaner den Weg frei. Er hatte die Floskeln des guten Umgangs auf der ganzen Überfahrt studiert. »Bitte verzeihen Sie, dass wir Sie belästigen. Es war nicht unsere Absicht, Sie zu verstimmen.«

»Schon gut«, knurrte der Amerikaner und drängte sich an Raif vorbei. Er verließ den Waggon durch die hintere Tür. Sawsan blickte Raif erwartungsvoll an.

»Was hast du?«, fragte Raif und nahm ebenfalls ein Stück Brot. »Er soll nicht das Gefühl haben, dass wir ihm oder irgendeinem anderen Amerikaner zur Last fallen. Ich wollte freundlich zu ihm sein.«

»Du hast dich gewunden wie ein Wurm«, sagte Sawsan in strafendem Ton. Sie reichte das Brot an Ibrahim und Rani weiter. »Es hätte bloß noch gefehlt, dass du ihm –«

Ein dumpfer Schlag erschütterte die hintere Waggonwand.

Erschrocken riss Raif den Kopf herum und konnte gerade noch sehen, dass der Amerikaner, der sich an ihnen vorbeigezwängt hatte, gegen die Tür taumelte und zu Boden ging. Er griff offenbar noch einige Male nach dem Türknauf, denn seine Hand erschien am Glaseinsatz der Tür. Sie bekam jedoch nichts zu fassen und rutschte wieder ab.

Dann erschien die Silhouette eines anderen Mannes in der Tür.

Er war dürr und steckte in einem hellen Leinenhemd, über das er eine zu weite Weste gezogen hatte. Aus einer Westentasche hing die Kette einer goldenen Uhr. Der Fremde machte sich an der Tür zu schaffen, bekam sie jedoch nicht mehr rechtzeitig auf.

Nicht mehr rechtzeitig vor dem Aufprall.

Der ganze Waggon wurde mit einem ohrenbetäubenden Quietschen aus dem Gleis gehoben und schlitterte funkenstiebend an der Felswand entlang. Die Kinder schrien und klammerten sich an Sawsans Bluse fest. Die übrigen Passagiere brüllten ebenso und warfen sich auf ihre Koffer und Ledertaschen, die zwischen den Bänken aufgestapelt waren.

Keine Sekunde darauf kippte der Waggon um.

Er krachte mit einer Fensterreihe in den Fluss, der den Gleisstrang seit einigen Meilen begleitete und dessen Wasserstand beträchtlich zugenommen hatte. Das Flusswasser flutete durch die geborstenen Scheiben hinein und schwemmte das Gepäck fort, das einigen Fahrgästen gerade noch ein sicherer Halt gewesen war.

Durch den Waggon schallten gespenstische Schreie.

Die Ranch von Nathan Eastman befand sich auf einer hochgelegenen Ebene nördlich der Kidder Mountains und war für ihre gute Milch bis hinauf nach Denver bekannt. Die Viehherden trieb Eastman auf üppige Grasweiden, und es war keine Seltenheit, dass er mit seinen Männern den ganzen Tag draußen blieb. Er liebte die Natur und alles, was sie ihm zu schenken bereit war.

»Sieh's dir an, Lassiter!«, sagte Eastman stolz. Er hatte seinen Gast aus Denver mit hinauf auf den Kidden Hill genommen. »Wer in dieser Gegend nicht glücklich wird, dem ist nicht zu helfen. Ich will mein Vieh an keinem anderen Platz grasen lassen.«

Vor ihnen breitete sich die Ebenheit mit ihren vereinzelten Hainen aus Nadelbäumen aus, zwischen denen Eastmans Herden dahinzogen. Über den Tieren versammelten sich Insektenschwärme, der Wind trug warme Luft heran, die frisch und würzig roch. Das Kidden-Plateau war ein Ort, nach dem sich jeder Viehbaron alle zehn Finger lecken würde.

»Du hast es gut getroffen«, sagte Lassiter und sattelte ab. Er hatte seinem Freund und Mittelsmann aus Denver telegraphiert, dass er zu ihm heraufkommen würde. »Vor ein paar Jahren hast du den Rindern noch getrockneten Mais gefüttert. Du hast dir keinen Stall und keine Cowboys leisten können.«

»Nicht einmal ein Kleid für meine Frau!«, sagte Eastman und nickte lachend. Er hatte einen breiten, eckigen Schädel, der auf einem massigen Körper saß. »Susan musste sich damals ihr Hochzeitskleid selbst schneidern. Sie hat's mir nie verziehen, dass der Wohlstand genau ein Jahr nach der Hochzeit kam.«

Bei Eastman von Wohlstand zu sprechen, war eine gemeine Übertreibung, doch das Ehepaar lebte besser als bei ihrer ersten Begegnung. Der Auftrag der Brigade Sieben hatte zu dieser Zeit einem flüchtigen Finanzmagnaten gegolten, der sich in den Rocky Mountains vor seinen Gläubigern versteckt hatte.

Eastman hatte Lassiter damals unterrichtet.

Er hatte ihm ein paar Informantenberichte beschafft, die im Hauptquartier in Washington D.C. nicht vorgelegen hatten, und mithilfe dieser Berichte hatte Lassiter den Flüchtigen rasch aufspüren und verhaften können. Der Auftrag hatte die beiden Männer zu Freunden gemacht.

»Ach, wenn ich könnte!«, sagte Eastman und stieg ebenfalls aus dem Sattel. Er ließ sich ins weiche Gras fallen und zog sein Bourbonfläschlein aus der Weste. Ein paar Laster der damaligen Zeit hatte er sich bewahrt. »Ich würde die Zeit zurückdrehen und noch einmal jung sein! Arm waren wir damals! Aber kräftig! Ich konnte ein Kalb mit bloßen Händen fangen!«

Seine Körperfülle hielt Eastman nun vermutlich von derartiger Akrobatik ab, doch er war milder und ge‍lassener geworden. Seine Flüche wa‍ren zu liebenswerten Tiraden geschrumpft, die niemand ernst nahm, nicht einmal die störrischen Milchrinder, denen sie gewöhnlich galten.

»Du bist glücklich«, sagte Lassiter und schlug Eastman auf die Schulter. »Nichts anderes zählt für Susan und dich. Ihr hättet auch als Lohnarbeiter in der Fabrik enden können.«

»Gott behüte uns davor.« Eastman war nie ein Freund der Städte gewesen. »Eher hätte ich mir den Strick genommen, als in einer Manufaktur Löcher in die Baumwolle zu stanzen. Ich brauche die Freiheit.« Er sah Lassiter an. »Du wirst es in den kommenden Wochen nicht so leicht haben.«

Flüchtig hatten sie die Mission schon besprochen, für die Lassiter der Anweisung des Hauptquartiers nachkommen musste, in die Rocky Mountains zu reiten. Er sollte einen verschollenen Zug der Denver & Rio Grande Railroad finden.

»Was hast du für mich?«, fragte der Mann der Brigade Sieben und rutschte näher zu Eastman. »Ich will von diesem Flecken Land gar nicht fort.«

»Die Rockies haben auch ihren Reiz«, sagte Eastman und zog das braune Kuvert hervor, das er im Ranchhaus eingesteckt hatte. Es war vor zwei Tagen per Eilkurier bei ihm eingetroffen. »Schau es dir an. Sie haben dir Papiere mitgegeben, damit du dich Inspekteur der Denver & Rio Grande ausgeben kannst.«

»Wann ist der Zug verschwunden?«, fragte Lassiter und schaute in das Briefkuvert. Neben den üblichen Berichten steckte ein im Justizministerium gesiegeltes Schreiben darin. »Wie viele Passagiere waren an Bord?«

»Fast hundert.« Eastman klang ernst bei diesem Satz. »Sie wollten hinüber nach Salt Lake City. Das Hauptquartier vermutet, dass irgendwo das Gleis sabotiert worden ist. Der Zug ist seit fast zwei Tagen überfällig.«

»Fünf Tage!«, entgegnete Lassiter und nahm die Berichte aus dem Kuvert. Eines der Schreiben war in Denver abgefasst worden und enthielt die Angaben eines Mannes, der für die Denver & Rio Grande als Streckenwart arbeitete. »Können sie niemanden hinschicken?«

»Nicht bei diesem Wetter.« Eastman wies zu den Bergen in der Ferne. »Um diese Jahreszeit geht bereits der erste Schnee nieder. Außerdem ist es an den Tagen warm gewesen. Dann kommt das Schmelzwasser runter. Es wäre zu gefährlich, jemanden in diese Täler zu schicken. Du wirst auf dich allein gestellt sein.«

Die Einsamkeit schreckte Lassiter nicht.

Er nahm die meisten Missionen in dem Wissen an, dass er sie ohne jede Hilfe würde bewältigen müssen. Der Auftrag in den Rocky Mountains war damit ganz nach seinem Geschmack. »Gibt es einen Verdacht, Nathan? Einen Verdächtigen?«

Eastman zögerte mit seiner Antwort. »Ich will dir keine Flöhe ins Ohr setzen. Aber das Hauptquartier fürchtet eine Sabotage an der Strecke. Es waren Immigrantenfamilien an Bord, die vielen in Colorado als unliebsame Konkurrenz bei der Landvergabe gelten.« Er seufzte. »Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass jemand dort oben einen Schienenstrang angesägt hat.«

Eine Sabotage in den Rocky Mountains erforderte gutes Gespür für die Berge. Sie konnte nur von Männern verübt werden, die an diese Gegebenheiten gewöhnt waren. Lassiter spürte, dass Eastman ein Name auf der Zunge lag. »An wen denkst du, alter Mann?«

»Verdammt«, knurrte Eastman und verzog den Mund zu einem Lächeln. »Du kennst mich fast besser als Susan. Ihr kann ich weismachen, dass ich die Kleine unten im Saloon nicht adrett finde. Aber dir? Dir kann ich nichts verheimlichen!« Er grinste. »Reite zu den Carrigan Men! Sie unterhalten oben in den Rockies eine Art Lazarett für Verunglückte.«

»Ein Lazarett?« Schmale Falten erschienen auf Lassiters Stirn. »Was soll ein Lazarett mit Sabotage zu tun haben?«

»Man hörte Gerüchte«, sagte Eastman. »Die Carrigan Men sollen sich auf Zugüberfälle verlegt haben. Es gab ein paar Vorfälle bei der Denver & Rio Grande in jüngster Zeit.« Er deutete auf das Kuvert. »Du findest alles Nötige darin.«

»Wieder ein Tipp«, sagte Lassiter und klopfte auf das Kuvert. »Wieder der Tipp eines Freundes. Das Hauptquartier sollte mehr Mittelsmänner wie dich verpflichten.«

Aus den Jahren, in denen die Accola Alpine Lumber Company die östlichen Hänge des Barnum Mountain eingeschlagen hatte, war ein wüstes Land aus Baumstümpfen und modrigem Geäst geblieben. Die Stämme waren mit mächtigen Kaltblütern ins Tal gezogen worden, die Schneisen dafür hatten Regenfälle zu breiten Rinnen ausgespült. Auf jeden Morgen gerodeten Bergwald kam eine Schutzhütte, in der die Holzfäller geschlafen und gekocht hatten.

Die Hütte am North Creek gehörte den Carrigan Men.

Sie hatten sich nach Walther Carrigan benannt, einem Waldarbeiter und früheren Arzt, der tief in den Wäldern eine Sanitätsstation errichtet und alle Arten von Knochenbrüchen behandelt hatte. Die Carrigan-Station war durch das Können ihres Gründers bis über die Staatsgrenzen von Colorado hinaus bekanntgeworden.

»Er war ein feiner Kerl. Ein ganz feiner Kerl war er.«

Die lobenden Worte fand Josh Lowman, der den Carrigan Men vorstand und Lassiter zur Station hinaufführte. Er trug eine Trapperkluft, war zwei Köpfe kleiner als Lassiter und rauchte einen Zigarillo. Von Barnum City bis hinauf zur Station waren es vier Meilen durch ein enges Felstal gewesen.

»Kannten Sie ihn?«, fragte Lassiter und schaute sich um. Die Stationshütte stand inmitten einer Rodung und war vom Weg aus durch einen schmalen Pfad erreichbar. Die Schlafbaracken der Männer kauerten sich hangaufwärts unter einen Felsüberhang und machten einen ärmlichen Eindruck. »Er soll von bescheidener Art gewesen sein.«

Die Informantenberichte aus dem Kuvert, das Lassiter von Nathan Eastman erhalten hatte, schilderten Carrigan als üblen Säufer, der seine Berufung spät im Sanitätsdienst gefunden hatte. An manchen Tagen, so hatte ein Bericht konstatiert, sei Carrigan vor Trunkenheit kaum aus dem Bett gekommen.

Seinem späteren Ruhm hatten die Besäufnisse nicht geschadet.

Er wäre mit Nadel und Faden so geschickt umgegangen, als hätte eine Nonne die Wunden vernäht, schrieb ein Informant. Ein anderer jubelte darüber, dass Carrigan jedermann zur Nächstenliebe anhalte und für jeden Kranken ein Stück Zucker oder eine Scheibe Brot in der Tasche habe.

»Ich kannte ihn«, sagte Lowman und bat Lassiter in die Hütte. Sie nahmen an einem großen Tisch Platz, auf dem ein Stapel Teller und einige Kupfertöpfe standen. Das Geschirr war vom Mittagsmahl der Männer übriggeblieben. »Wer die Hand Gottes heilen sehen wollte, musste sich nur Walther Carrigan anschauen. Er ließ nur von denen ab, die schon vollständig genesen waren.«

Auf dem Ritt hinauf zur Station hatte Lassiter mit Lowman über den verschwundenen Zug gesprochen. Das gefälschte Schreiben der Denver & Rio Grande Railroad hatte Eindruck auf den Carrigan-Anführer gemacht, der sich in der Stadt sogleich bereit erklärt hatte, Lassiter hinauf zur Station zu begleiten.

»Eifern Ihre Männer dem Vorbild Carrigans nach?«, fragte Lassiter und lehnte sich am Tisch nach vorn. Er zog ein ernstes Gesicht. »Man hat mir in der Stadt gesagt, dass einige Leute die Carrigan Men verdächtigen, sich ein Zubrot mit Zugüberfällen zu verdienen. In der Tat kennen Sie und Ihre Leute das Gelände, Mr. Lowman.«

Der Stationsvorsteher lächelte und winkte gelassen ab. »Die Leute reden, was die Leuten reden, Mr. Lassiter. Ich habe meinen Lebtag lang niemandem ein Haar gekrümmt. Für jeden Mann, der sich zu den Carrigan Men zählt, lege ich meine Hand ins Feuer.«