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Peitschender Schneeregen verschlang die beiden Männer vor ihm, die sich von ihm losgemacht hatten und den Gletscher allein hinaufstiegen. Sie trugen die Zeltplanen, die Pflöcke, das Kochgeschirr und die Wechselkleider, die sie oberhalb des Eisbruchs brauchen würden. Der Proviant und die Schlafdecken dagegen waren bei Roscoe geblieben. Sie wogen wegen der Nässe doppelt so viel.
Der Texaner brach im Schnee zusammen und rang um Luft.
Sie bestiegen den vierzehntausend Fuß hohen Death Peak. An der Nordflanke des Berges stellten sich bedrohliche Schneefahnen auf, Sturmböen fauchten grimmig. Die Baker-Brüder zahlten Roscoe gutes Honorar. Sie würden ihn zurücklassen, sowie er zwischen ihnen und dem Gipfel stand.
"Roscoe!", brüllte einer der Brüder zu ihm herunter. "Nun spute dich endlich!"
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Zwei ohne Gesetz
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Impressum
Zwei ohne Gesetz
von Marthy J. Cannary
Peitschender Schneeregen verschlang die beiden Männer vor ihm, die sich von ihm losgemacht hatten und den Gletscher allein hinaufstiegen. Sie trugen die Zeltplanen, die Pflöcke, das Kochgeschirr und die Wechselkleider, die sie oberhalb des Eisbruchs brauchen würden. Der Proviant und die Schlafdecken dagegen waren bei Roscoe geblieben. Sie wogen wegen der Nässe doppelt so viel.
Der Texaner brach im Schnee zusammen und rang um Luft.
Sie bestiegen den vierzehntausend Fuß hohen Death Peak. An der Nordflanke des Berges stellten sich bedrohliche Schneefahnen auf, Sturmböen fauchten grimmig. Die Baker-Brüder zahlten Roscoe gutes Honorar. Sie würden ihn zurücklassen, sowie er zwischen ihnen und dem Gipfel stand.
»Roscoe!«, brüllte einer der Brüder zu ihm herunter. »Nun spute dich endlich!«
Die Männer ohne Gesetz hießen Chas und Morris Baker, stammten aus Logan, Indiana, und hatten Roscoe in Tilestone angeheuert. Sie waren mit einer Entourage aus zehn Abgesandten der National Alpine Society erschienen, hatten sich im vornehmen Empire Hotel eingemietet und sich Expeditionsausrüstung aus Granby schicken lassen. Die Gesandtschaft gab stündlich Telegramme nach New York und Washington, D.C., durch, die über die Erstbesteigung des Death Peak unterrichteten.
Die bevorzugte Wahl der Baker-Brüder war Roscoe nicht.
Sie hatten nach einem kräftigen und wohlgestalten Träger gesucht, der dem Gipfeltriumph würdig war, den zu erringen man im Begriff war. Die Expedition sollte den Titelseiten des National Republican und des Sunday Herald jene dramatischen Reportagen liefern, deren Lektüre eine ganze Nation zu erbauen vermochte und den Bakers Anerkennung bis in den letzten Winkel des Landes sichern würde. Sie hatten einen Mann gesucht, der ein Ebenbild ihrer selbst war.
Allein Roscoe hatte in Tilestone jedoch ausreichend Erfahrung besessen.
Er war mit der Hayden-Expedition auf zwei anderen Vierzehntausendern gewesen, hatte dabei ein ganzes Heer von Trägern kommandiert, die wissenschaftliches Gerät, Vermessungshilfen und Ortungsapparate auf die Gipfel gebracht hatten. Er hatte in Diensten von Männern wie Henry W. Stuckle gestanden, dessen Erstbesteigung des Mount Elbert Aufsehen erregt hatte, und er hatte den Eisbruch des Gilchrist-Gletschers am Death Peak bereits durchquert.
»Vorwärts, vorwärts!«, schrie Chas von der Eiswand herunter. Er klatschte laut in die Fellhandschuhe. »Keine Müdigkeit vorschützen!«
Der ältere Baker-Bruder war eitel und unbarmherzig, hatte sich selbst die Toilettenartikel ins Zelt bringen lassen und mit seiner Launenhaftigkeit die Mitglieder der National Alpine Society vergrämt, die dem Brüderpaar aufgrund ihrer jüngsten Erfolge durchaus gewogen gewesen war. Er hatte das Zimmermädchen im Empire Hotel schikaniert, indem er es unablässig aufgefordert hatte, ihm sämtliche Gipfel in den Rocky Mountains aufzuzählen, die höher als vierzehntausend Fuß waren.
Der jüngere Morris dagegen war von genügsamer Natur.
Er hegte die Extravaganzen seines Bruders ein, bat um Verzeihung, sobald Chas über die Stränge schlug, und hatte besagtem Zimmermädchen, als diesen wegen Chas' Gemeinheiten geschluchzt hatte, einen ganzen Dollar Trinkgeld zugesteckt. Für die Gesandtschaft der National Alpine Society hatte er am Abend vor dem Aufbruch einen Empfang gegeben.
»Ich... ich bin erschöpft!«, rief Roscoe zurück und stemmte einen Arm gegen die Felswand. Er blickte in die Gletscherspalte hinunter, die neben seinen Stiefelspuren klaffte. »Ich muss rasten. Ich muss eine Weile ausruhen.«
Das Haupt von Morris erschien neben dem seines Bruders, und eine Zeitlang wurde kein Wort gewechselt. Roscoe schmerzten die Füße, und als er die Stiefel abstreifte und die feuchten Wollsocken rieb, schlug ihm auch noch Wundgestank entgegen. Er zog den rechten Wollstrumpf aus und stellte fest, dass ihm ein Ledernagel die Sohle aufgerissen hatte, die schon seit Tagen entzündet war.
»Was trödelst du dort unten herum?«, schrie Chas ihm zu und schwenkte den Arm, als müsste er befürchten, dass Roscoe ihn nicht bemerkte. »Schnall dir das verdammte Bündel auf den Buckel! Komm rauf und halte Schritt, Faulpelz!« Er schob eine Beleidigung nach, die Roscoe bis ins Mark traf. »Hätten wir bloß den Langen genommen! Hatte bestimmt mehr Puste als du!«
Der Lange, von dem Chas sprach, war Eugene Nelson, der sich um jede Anstellung prügelte, ob er ihr gerecht wurde oder nicht. Vor zwei Wochen hatte sich Eugene einer Gesellschaft aus Idaho angeschlossen, die auf den Mount Wilson gewollt hatte, und das Ende vom Lied war gewesen, dass er nach vier Meilen Aufstieg zusammengebrochen war und die Seilschaft den Gipfel aufgegeben hatte. Er lief mitunter für einen halben Dollar den Tag und verdarb anderen die Löhne.
»Keine Meile wäret ihr hochgekommen!«, brummte Chas und zog sich den Wollstumpf wieder über die Zehen. Der Eiter hing in den Garnfäden. »Nicht einmal fünfzig Yards hätte es Eugene mit der Last geschafft! Redet nicht so geschwollen daher!«
Die entrüstete Rechtfertigung kam ihm so leise über die Lippen, dass die Brüder nichts davon mitbekamen und bereits wieder über das Eis berieten, als Roscoe das Proviantbündel auf die Schultern nahm. Er geriet ins Taumeln, stützte sich an der Wand ab und bückte sich nach den zusammengebundenen Schlafdecken. Er hob die Decken mit dem rechten Arm hoch, hielt mit der anderen Hand die Essensvorräte und knickte mit dem linken Knöchel den Stiefelschaft um.
Als Roscoe das Malheur beheben wollte, geschah das Unglück.
Er sah das wasserblaue Eis in der Gletscherspalte auf sich zurasen, spürte zugleich, wie ihm die Stiefel wegrutschten, und stürzte mit dem Kopf voran in den Abgrund. Er rieb mit dem Arm am Eis entlang, spreizte die Beine, um sich mit den Schuhen zu verkeilen, und schlitterte dennoch immer tiefer in die Spalte hinunter. Es kam ihm wie Minuten vor, die er der Tiefe entgegenraste, und doch waren es höchstens Sekundenbruchteile, in denen sich sein Absturz vollzog.
Er brüllte vor Entsetzen, starrte in die Schwärze des Gletschers, grub die Fingernägel in den stählernen Eiswall, der ihn, Roscoe F. Jacobs, fünfunddreißig Jahre alt, geboren in Benton, Maine, in die Tiefe geleitete. Er fiel – wie der Sunday Herald einige Wochen darauf mathematisch genau vermeldete – knappe siebenunddreißig Yard, ehe ihm ein hervorstehender Eisdorn das Genick brach, als wäre es aus Porzellan.
✰
Der Sekretär der National Alpine Society hatte die Einladung mit dem Vermerk versehen lassen, dass eine Gelegenheit wie die oben bezeichnete nicht wiederkehren werde und man daher jedes Mitglied dringlichst auffordere, am Sonntag um acht Uhr in der Metropolitan Hall, Franklin Street, zu erscheinen und den Vorträgen zu lauschen, die an diesem Abend anstünden. Der Bitte des Sekretärs hatten fast vierhundert Männer Folge geleistet, die sich um das opulent ausgestattete Büffet im Saal drängten.
»Noch mehr Trüffel!«, rief der Vorsitzende Walther McCullough den Bediensteten zu, die sich in ihren Livreen durch die Gäste drängten und bereits geleerte Teller gegen gefüllte Platten austauschten. »An diesem glorreichen Abend soll es an uns nichts fehlen! Beeilung! Beeilung, bitte!«
Der aufwendige Abendempfang war zu Ehren zweier Männer ausgerichtet worden, deren Aufopferungsbereitschaft in den letzten Wochen das Stadtgespräch gewesen war und der National Alpine Society, mithin also dem größten Alpinistenverein Amerikas, zu erheblicher Prominenz verholfen hatte. Auf den Straßen, in den Cafés und Tavernen, war von der Eroberung des Westens, die bald vollzogen sei, von den Gipfeln der Rocky Mountains, die man im Sturm nehmen werde, und vom Mut eines Geschlechts, das in der Geschichte der Menschheit seinesgleichen suche, zu hören gewesen.
Den Mann der Brigade Sieben hatten die vermeintlichen Heldentaten wenig beeindruckt.
Er hatte von der gescheiterten Besteigung des Death Peak in Colorado gelesen, von den Entbehrungen, unter denen die Baker-Brüder gelitten hätten, und von ihrem Lastenträger, der im Eisfeld des Gletschers abgestürzt war. Er begriff nicht, dass eine angesehene Alpinistengesellschaft zwei Männer ehrte, die einen anderen im Stich gelassen und obendrein mit ihrem Vorhaben gescheitert waren.
»Leichenbittermiene«, sagte Roy Quinn und schnippte mit den Fingern. »Nach diesem Worte hatte ich gesucht, Mr. Lassiter. Sie ziehen eine Leichenbittermiene, die diesem Anlass nicht angemessen ist.« Er zog ein Hummerbein auf seinen Teller und legte zwei geröstete Lammstreifen dazu. »Sie verraten uns noch mit Ihrer üblen Laune.«
Quinn war einer der Mittelsmänner, die zu den Mitgliedern der National Alpine Society zählten und regelmäßig ans Hauptquartier Bericht erstatteten. Er hatte Lassiter auf seine Gästeliste genommen und zu diesem unseligen Empfang geschleppt, der sich umso zäher anfühlte, je länger er andauerte.
»Sie verkennen meine Laune«, sagte Lassiter trocken und griff nach einer belegten Brotscheibe. Er konnte wenig mit den kulinarischen Spielereien anfangen, die McCullough für diesen Abend hatte anliefern lassen. »Ich finde lediglich nichts Schmackhaftes auf dieser Tafel.«
Amüsiert zog Quinn den Mund schief. »Sie werden gewiss keine gebackenen Bohnen oder grob geschnittenen Speck finden. Man bekommt ja mit, was Sie sich sonst in den Wanst stopfen.« Er lächelte kühl. »Sie mögen schlichte Ansprüche haben. Die Männer in diesem Saal jedoch sind erlesene Speisen gewöhnt.« Er hob ein Hummerbein an und bugsierte es auf Lassiters Teller. »Sie sollten sich den Gepflogenheiten anpassen.«
Auf einem geschmückten Holzpodest an der hinteren Saalwand nahm die Kapelle Platz und spielte einige Chopin-Walzer, danach Herlioz, Liszt und Grainger. An den Tischen goutierte man die Darbietungen mit höflich Beifall, der gerade lang anhielt, dass er die Mahlzeiten nicht unterbrach. Quinn und Lassiter steuerten einen Vierertisch an, auf dem zwei Gedecke und ihre Namenskärtchen standen.
»Kurz und bündig«, bemerkte Lassiter und stach das Hummerbein an. »Ganz wie Ihre Gästeliste, Mr. Quinn.«
Quinn hob die Brauen. »Hatten Sie auf Gesellschaft gehofft? Sie sollen ein rechter Schürzenjäger sein, wie man hört.« Er aß von dem Sammelsurium an Spezialitäten, das er sich auf den Teller geschichtet hatte. »Ich bin angewiesen worden, Ihnen einen Auftrag zu erteilen, in dem es um die Baker-Brüder geht.«
Lassiter wies mit der Hand zur Bühne, auf der das Bruderpaar gesprochen hatte. »Sie meinen die Aufschneider? Die Männer, die ihren Gefährten im Gletscher zurückließen und dafür gefeiert werden?«
»Nicht ihren Gefährten«, schränkte Quinn ein. »Bloß einen Gepäckjungen, dem das Schicksal übel mitgespielt hat. – Ich darf Sie daran erinnern, dass wir keinen Anstoß erregen wollen?« Er deutete mit der Gabel strafend auf Lassiter. »Sie sollten Ihre Zunge im Zaum halten.«
»Der Junge ist tot«, versetzte Lassiter. »Er starb allein im Gilchrist-Gletscher. Die Baker-Brüder dagegen lassen sich Hummer an den Tisch bringen.« Er schob das scharlachrote Krebsfleisch zur Seite. »Daran lässt sich nichts Gerechtes finden.«
»Touché!«, sagte Quinn und griff sich mit einer Hand ans Herz. »Es wird Sie freuen, dass die Brigade Sieben den Baker-Brüdern ebenfalls misstraut. Sie sollen jemanden vor dem Ehrgeiz dieser beiden Männer schützen.«
Lassiter war der Appetit gründlich vergangen. »Wen? Um den Jungen dürfte es sich kaum handeln.«
»Nein, nein«, beeilte sich Quinn zu versichern. Er ließ Gabel und Messer sinken. »Es handelt sich um eine Frau. Eine Britin, um es abzukürzen. Sie heißt Lucy Walker und will den Death Peak besteigen. Sie soll bereits auf dem Weg nach Colorado sein.«
Die Wochenzeitungen hatten über Miss Walker geschrieben, die in ihrer Heimat durch eine gewagte Besteigung des Matterhorns bekanntgeworden war. Sie war die erste Frau auf dem schroffen Alpengipfel gewesen, dessen markante Felsspitze Lassiter auf etlichen Lithografien der National Alpine Society gesehen hatte. »Sie ist schon in Amerika? Und will den Bakers den Triumph streitig machen?«
»Sie will die Erstbesteigung.« Quinn nickte, aß und sprach mit vollem Mund weiter. »Sie wird die amerikanischen Alpinisten düpieren, falls ihr der Aufstieg gelingt. Das Hauptquartier traut den Bakers zu, dass sie deswegen zu schmutzigen Mitteln greifen.« Er wies mit dem Messer auf Lassiter. »Sie müssen Miss Walker und ihre Seilschaft schützen.«
»Sie dürfte sich kaum mit einem Amerikaner einlassen«, wandte Lassiter ein. »Sie ist eine berühmte Frau. Sie hat das Matterhorn bestiegen.« Er beugte sich nach vorn. »Sie wird kein amerikanisches Greenhorn unter ihren Leuten dulden.«
»Das Greenhorn ist längst bei Miss Walker«, gab Quinn zur Antwort. »Sie hat eine Freundin in Amerika, die Ärger mit dem Justizministerium hat. Ich habe dafür gesorgt, dass diese Frau – Miss Jossie Hatch – Sie unter die Fittiche nehmen wird.« Er setzte ein breites Grinsen auf. »Sie gehören schon zur Seilschaft von Miss Walker.«
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Voll Zorn marschierte Chas Baker durch den Raum hinter der Bühne. Er hielt die Weinflasche in der Hand, die ihm Walther McCullough soeben überreicht hatte, und deutete damit auf den Vorsitzenden der National Alpine Society. »Walther, ich sag's Ihnen... Wenn diese Frau den Aufstieg schafft, ist sämtlicher Pomp, den Sie und ich dort draußen veranstalten, bloße Makulatur.« Er blieb vor dem Lincoln-Gemälde an der Wand stehen. »Unsere stolze Nation wird um einen weiteren Sieg betrogen.«
Seit einer guten Stunde sprachen McCullough, Chas und Morris Baker über die Ankündigungen, die im Sunday Herald und in der Tribune abgedruckt worden waren und den Abend zur Farce zu erklären drohten. Nichts weniger als die Erstbesteigung des Death Peak, hatte die Tribune geschrieben, wolle die junge Alpinistin aus dem britischen Empire wagen, jenes Gipfels, an dem die Baker-Brüder jüngst gescheitert seien.
»Gescheitert!«, las Chas entrüstet vor und deutete auf das Tribune-Exemplar, das auf der Anrichte neben dem Gemälde lag. »Sie schmieren in diesem Blatt ein gescheitert in die Zeilen, obwohl wir verdammte dreihundert Fuß unter dem Gipfel waren! Hätte der Sturm nicht gedreht... Hätte er nicht gedreht, wären wir längst -«
»Er hat nicht gedreht, Chas«, unterbrach McCullough den Jüngeren und räusperte sich. »In den Bergen zählt stets das Tatsächliche und nicht das Mögliche. Ihr... Morris und du... ihr habe es nicht auf den Gipfel geschafft.« Er räusperte sich erneut. »Miss Walker hat gutes Recht, sich ebenfalls -«
Hart traf Chas' rechte Faust die Wand neben dem Gemälde. Sie hinterließ einen schwachen Abdruck auf der lilienweißen Stofftapete. »Ich weiß selbst, dass keine diesseitige Macht Miss Walker davon abhalten kann, ihren Rocksaum über den Gilchrist-Gletscher zu schleifen.« Er fuhr herum und funkelte McCullough aus zornigen Augen an. »Sollen wir deshalb klein beigeben? Sind wir keine Amerikaner, meine Herren? Sind wir keine Patrioten mehr?«
Die beiden Männer an der Tür schwiegen, als würde eine Erwiderung jeglicher Art die Ehre Amerikas beschmutzen, die Chas soeben leidenschaftlich beschwor. Sie hatten den gleichen Streit geführt, als der Tod des Trägers Roscoe F. Jacobs bekanntgeworden war, und davor, als die Bakers nach Colorado aufgebrochen waren und sich stattliche Geldmittel der National Alpine Society auserbeten hatten.
»Chas«, hob Morris in beschwichtigendem Ton an. Er hatte bislang keine Silbe zu allem gesagt. »Du weißt so gut wie ich, dass Mr. McCullough uns jegliche Unterstützung zukommen lässt, die wir benötigen. Er hat das Bankett ausgerichtet, obwohl wir den Gipfel nicht -«
»Dreihundert Fuß!«, brüllte Chas und rammte die Faust erneut in die Wand. Er brachte das Lincoln-Gemälde zum Beben. »Dreihundert verfluchte Fuß haben uns zu diesem verfluchten Gipfel gefehlt! Hätte die Society keine Photographie vom Gipfel gefordert, hätten wir längst die Ehrennadel am Revers! Keinen Hund unten im Tal kümmern diese dreihundert Fuß! Und jetzt...« Er senkte die Lautstärke und lehnte den Kopf gegen den Rahmen des Gemäldes. »Jetzt müssen wir dabei zusehen, wie diese britische Lady uns um die Lorbeeren betrügt.«
McCullough schluckte verlegen und sah zu Morris. »Noch ist nicht alles verloren, meine Herren. Die National Alpine Society wünschte ebenso wie Sie, dass die Erstbesteigung des Death Peak durch einen Amerikaner erfolgt. Der Berg ist schwierig und gefährlich.« Sein Blick sprang wieder zu Chas. »Sie sind die richtigen Männer dafür.«
»Kein anderer!« Chas schnellte zu McCullough herum und deutete mit dem ausgestreckten Finger auf ihn. »Wir verdienen diese Ehre, und Sie, Walther, Sie wissen, dass es so ist. Ich brauche zwanzig Männer... Morris, ich und zwanzig Männer in einer Seilschaft.«
»Sie wollen eine weitere Expedition?« McCulloughs Lippen wurden zu einem schmalen Strich. »Der Empfang hat uns bereits ein Vermögen gekostet. Ich kann dem Schatzmeister nicht weismachen -«