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Barfüßig taumelte Jacob Woner durch die Horrace Street, die nach dem Stadtverordneten Bill Horrace benannt worden war. Er hatte getrunken. Ein, zwei Gläser Bourbon höchstens - oder waren es Flaschen gewesen? Er wusste, dass es einige Stunden nach Mitternacht war, weshalb er das Almosenheim durch die Hoftür betreten müssen, vorbei an Benjamin Coomes, dem Nachtwart; einem Weißen, der nichts übrig hatte für Schwarze.
Das Schicksal meinte es nicht gut mit Woner. Es hatte ihn zu einem Dasein in Armut verdammt, ohne Frau, ohne Kinder, ohne Hoffnung, und begehrte er dagegen auf, wurde er unbarmherzig eines Schlechteren belehrt.
Das Leben hatte Woner bereits zum Dieb und Betrüger gemacht, und es bestand kein Zweifel daran, dass er in dieser Nacht auch noch zum Mörder werden würde...
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Die Fremde ausMissouri
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Impressum
Die Fremde aus Missouri
Der erste Teileines Doppelbandesvon Marthy J. Cannary
Barfüßig taumelte Jacob Woner durch die Horrace Street, die nach dem Stadtverordneten Bill Horrace benannt worden war. Er hatte getrunken. Ein, zwei Gläser Bourbon höchstens – oder waren es Flaschen gewesen? Er wusste, dass es einige Stunden nach Mitternacht war, weshalb er das Almosenheim durch die Hoftür betreten müssen, vorbei an Benjamin Coomes, dem Nachtwart; einem Weißen, der nichts übrig hatte für Schwarze.
Das Schicksal meinte es nicht gut mit Woner. Es hatte ihn zu einem Dasein in Armut verdammt, ohne Frau, ohne Kinder, ohne Hoffnung, und begehrte er dagegen auf, wurde er unbarmherzig eines Schlechteren belehrt.
Das Leben hatte Woner bereits zum Dieb und Betrüger gemacht, und es bestand kein Zweifel daran, dass er in dieser Nacht auch noch zum Mörder werden würde...
An jenem Abend, an dem die siebzigjährige Margareth Chaseman, geborene Buckell, den Tod fand, leuchtete auf der Horrace Street in McCormick, Montana, kein einziges Fenster. Die Sullivans von gegenüber hatten die Vorhänge schon um sieben Uhr zugezogen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie Ehestreitigkeiten austrugen. Die Tochter hatte sich mit einem Farmer namens Duncan eingelassen, den Sullivan kannte und der Sullivans Gattin nicht passte. Die Eheleute stritten schon einen ganzen Monat darüber.
Stumm legte Margareth das Kleid für den nächsten Tag heraus.
Sie hatte sich für ein hochgeschlossenes Fabrikat des Hauses Marchais fréres entschieden, einer französischen Manufaktur, die durch ihre aufwendigen Blumenornamente bekanntgeworden war. Die Taille des Kleides zierte eine Bordüre aus Tulpen, die sich mit Gräsern, Kreppblättern und Samtäpfeln abwechselten. Das Kleid hatte der feinen Mrs. Tannock vor Neid das Blut ins Gesicht steigen lassen.
Margareth hatte es weit gebracht in Amerika.
Sie war als Tochter deutschstämmiger Immigranten geboren worden, namentlich Peter und Gertrud Buckelmann, die ihren Namen in Buckell geändert und eine Zeitlang in Kentucky gelebt hatten. Sie waren Feldarbeiter gewesen, hatten sich das Essen vom Munde absparen müssen. Dieses Schicksal war Margareth erspart geblieben, die eines Tages Briefe von der Adresse des angesehenen Farmers Tony Chaseman erhalten hatte. Chaseman hatte ihr seine Verlobung angetragen, und nach einigen Wochen Bedenkzeit hatte Margareth eingewilligt.
Vier Kinder hatte sie Tony danach geboren.
Eines war noch auf dem Wochenbett gestorben, ein zweites an Tuberkulose, das dritte, Timothy, war beinahe vom eigenen Vater erschossen worden, als er ihm den Umgang mit der Büchse hatte zeigen wollen. Margareths ältester Sohn dagegen erfreute sich bester Gesundheit; er war Korrespondent beim Imperial Courier und verkehrte – so erzählte man sich – in der vornehmen Gesellschaft von Montanas Hauptstadt Helena.
Dumpfer Lärm riss Margareth aus ihren Gedanken.
Sie hatte die gleichen Geräusche gehört, als sie sich vor Stunden von Timothy und dessen Frau Samantha verabschiedet und die Treppe hinaufgestiegen war, und so dachte sich Margareth nichts dabei und strich das Kleid auf dem Bett glatt. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die Kleider auf jener Seite des Bettes auszulegen, auf der ihr Mann Tony zu Lebzeiten gelegen hatte.
Wieder erschütterte ein Schlag das Vordach des Hauses.
Eine dunkle Verärgerung stieg in Margareth auf, die eine Katze der Sullivans im Verdacht hatte, ein garstiges Biest, das in der Nacht Ratten und anderem Getier nachjagte, sich jedoch zu fein war, auch nur ein einziges dieser widerwärtigen Geschöpfe zu töten. Manchmal saß der Kater über Stunden unter dem Fenster und lamentierte, dass es einem den Schlaf raubte.
Fluchend schob Margareth das Fenster auf und pochte mit dem Besen auf das Vordach.
Sie bewohnte drei Zimmer unter dem Dach, ein Stockwerk über den Räumen, die ihr Sohn Timothy und dessen Frau nutzten, und Margareth hatte dieses Arrangement nie bereut. In den Wintermonaten heizte Timothy ihr den Ofen an, im Sommer brachte Samantha kühlgestellte Getränke herauf. Überhaupt war Timothys Frau einer der liebenswertesten Menschen, denen Margareth in ihrem langen Leben begegnet war. Sie sagte Sammy zu ihr und hatte ihr Geheimnisse anvertraut, von denen nicht einmal Timothy etwas ahnte.
Der Kater war fort.
Er war mit seinen krummen Beinen zuvor im Schlamm gewesen und hatte die Dachbretter verschmiert, ehe er hinunter auf die Straße gesprungen war. Die Abdrücke auf den Brettern glänzten im Mondlicht, und Margareth ließ das Fenster in den Verschluss fallen. Sie lief zum Bett zurück, als ihr unvermittelt der Tod in den Weg kam.
Er trat in der Gestalt ihres früheren Bediensteten Jacob Woner auf, eines Schwarzen von zweifelhafter Herkunft, der für einen Hungerlohn geschuftet und ihr bei allerlei Tätigkeiten im Haus zur Hand gegangen war. Der gedrungene Mann mit dem kantigen Schädel war inzwischen weißhaarig, und sein Anblick erschreckte Margareth derart, dass sie einen kurzen Schrei ausstieß.
Augenblicklich hielt Woner ihr den Mund zu.
Er zerrte Margareth hinüber zum Bett, drückte sie in die Kissen hinunter und versetzte ihr einen Schlag mitten ins Gesicht. Er hieb mit solcher Kraft zu, dass Margareth die Besinnung verlor und sich im Bett zusammenkrümmte. Sie kam erst durch die Tritte wieder zu sich, mit denen Woner sie traktierte.
Er stank nach Bourbon und Tabakqualm.
Das Kleid mit der Blumenbordüre hing über seiner Schulter, um seinen Hals baumelte die Perlenkette, die Timothy Margareth aus Omaha mitgebracht hatte. Sie war ein Geschenk zum vorletzten Weihnachtsfest gewesen, und Timothy hatte derart viel darauf gegeben, dass er sich einige Monate nach Weihnachten, als ihm die Anstellung abhandengekommen war, geweigert hatte, den Kaufpreis von Margareth wiedergeben zu lassen. Die Kette bestand aus Java-Perlen, die im Licht bunt schimmerten.
Ein weiterer Tritt traf Margareth.
Sie stöhnte vor Schmerz auf, sah Woner durch das Zimmer marschieren und rutschte seitlich vom Bett. Als er kehrtmachte und sich ihr näherte, wimmerte Margareth und hielt die Hände vor das Gesicht. Durch die Finger sah sie das glänzende Messer, das Woner vor der Brust hielt. Sie konnte ihm nicht entkommen.
Margareth schrie nicht und trat bloß nach Woner.
Sie musste an jenen letzten Tag denken, an dem dieser Herr für sie gearbeitet hatte, einen Sonntag, an dem er ihr betrunken in die Kirche gefolgt war und gotteslästerliche Schimpfworte gerufen hatte. Margareth war vor den Gemeindevorstand zitiert worden, und am selben Abend hatte sie Woner hinausgeworfen.
Nie wieder hatte Woner sich in der Nähe des Hauses sehen lassen.
»Jacob!«, flehte Margareth heiser. »Jacob, nicht!«
✰
Die Concord-Kutsche von Louis Goslin war komfortabel ausgestattet und bediente die Strecke zwischen Neihart und Great Falls binnen eines Tages. Sie fuhr am Dienstag, Donnerstag und Samstag in die eine, am Montag, Mittwoch und Freitag in die andere Richtung. Das Ticket kostete sechs Dollar für eine Fahrt, elf Dollar für eine Hinfahrt mit Rückreise. Die beiden Passagiere an diesem Abend hatten ihre Karten gemeinsam gelöst.
»Nicht die Wahrheit!«, rief Miss Josephine Pridgon aus und stieg auf den Schoß des Mannes neben ihr. Sie trug ein weißes Rüschenkleid, das ihren üppigen Busen straff zusammenzurrte. »Du musst mich belügen! Ich habe ihn in Great Falls nicht gesehen!«
Der Mann, auf dem die junge Afroamerikanerin saß, lächelte und schüttelte den Kopf. Er hatte muskelbepackte Schultern, die das Hemd spannten, und strahlend blaue Augen, die Josephine voll Begierde taxierten. »Nein, nein, Josy, ich belüge dich nicht! Er ist in Great Falls gewesen! Ich habe mit ihm gepokert!«
Josephine küsste den blauäugigen Mann und fuhr ihm mit der Hand in die Hose. »Du kannst nicht mit Mr. Raleigh gesprochen haben! Er wollte den Laden verkaufen! Er weilt nicht länger in Great Falls!«
Stöhnend griff Lassiter nach Josephines Hand und führte sie zu seinem Mund hinauf. Er küsste die schmalen Finger seiner Geliebten, glitt mit den Lippen am Arm entlang und warf Josephine in das Kutschpolster. Er hörte Goslin auf dem Kutschbock fluchen, als das Gespann durch eine Senke ratterte und kräftig durchgeschüttelt wurde.
»Warte!«, sagte Josephine und richtete sich auf. Sie hatte Lassiter in Great Falls jedermann vorgestellt, um dessen Bekanntschaft er sie gebeten hatte. »Wenn du Raleigh getroffen hast, muss er den Laden noch besitzen! Er verkauft die schönsten Korsetts in ganz Montana! Short hip, Full Bust und Long Waist! Was das Herz begehrt! Ich war so gern bei ihm!«
»Er geht nicht nach Kalifornien«, sagte Lassiter und warf sich auf Josephine. Er löste die Verschnürung ihres Kleides und entblößte ihre zarten Schultern. »Er wird bleiben, und du wirst weiter bei ihm einkaufen können. Du wirst die Mädchen ausrüsten müssen. Nachdem du den neuen Saloon besitzt.«
Stolz setzte sich Josephine auf und nickte.
Sie hatte den Northwestern-Saloon in der Arrington Road gekauft, ein heruntergekommenes Lokal, das sie wahnwitzige viertausend Dollar gekostet hatte. Der vorige Besitzer war ein Freund Lassiters gewesen, und er hatte sich gefreut, den Saloon an eine Schwarze zu geben, die – wie er fand – auch nach dem Bürgerkrieg entsetzliches Unrecht zu leiden hätte.
»Der Saloon wird ein Prachtstück«, freute sich Josephine und zog sich die Träger des Kleides wieder über die Schultern. Sie sah Lassiter herausfordernd an. »Noch ist er leer, aber ich habe Mädchen gefunden, die Männer in Scharen anlocken werden.« Sie hob bedeutungsvoll die Brauen. »Auch du würdest ihnen nicht widerstehen können.«
»Ich kann nicht einmal der Besitzerin widerstehen«, erwiderte Lassiter und schob eine Hand unter Josephines Kleidsaum. »Schlaf mit mir... Wir haben noch eine halbe Stunde bis nach Neihart.«
»Gleich, du Gierschlund!«, gab Josephine zur Antwort und zog streng ein Telegramm aus der Tasche. Sie wedelte damit vor Lassiters Nase herum. »Du weißt, was vorher ansteht. Du musst mir sagen, ob ich dich zu Countyrichter Thomas Andrews bringen muss. Er ist ein Greis. Er wird mich fragen, ob er dich empfangen soll.«
Der vermeintliche Greis war ein eifriger Zuträger der Brigade Sieben, wusste Lassiter bereits aus dem Hauptquartier. Er würde bei der bevorstehenden Mission als Mittelsmann auftreten, hatte jedoch darum gebeten, dass Josephine Pridgon Lassiter zu ihm brachte. Er traute ihr und war besorgt um seinen Ruf in Montana. Washington hatte nachgegeben und eingewilligt, dass Miss Pridgon den Kontakt herstellte.
»Sag ihm, dass ich Geschäftliches mit ihm zu besprechen hätte.« Lassiter spähte am Fenstervorhang vorbei in die Nacht hinaus. Sie waren einige Meilen vor Neihart. »Er wird gewiss nicht ablehnen. Er ist ein kluger Mann.«
»Ein überaus kluger Mann«, bekräftigte Josephine und lehnte sich nach vorn. »Vermutlich um Längen klüger als du, Lassiter. Ich weiß von deinen Geheimtelegrammen nach Washington.« Sie lächelte ihn kokett an. »Du hast geglaubt, in Great Falls bliebe etwas im Verborgenen.«
Die Telegramme an das Hauptquartier waren über das Post Office von Great Falls aufgegeben worden, und ihr Inhalt war weit weniger aufregend, als Josephine annahm. Lassiter hatte lediglich bestätigt, dass er Mr. Andrews in Neihart treffen würde, und diese Information war für niemandem von Wert.
»Man darf dich nicht unterschätzen«, sagte Lassiter und schlang den Arm um Josephines schlanke Taille. »Du wirst eine fabelhafte Saloonbesitzerin. Du verstehst es, Männern Geld und Geheimnisse aus den Taschen zu ziehen.«
»Jedem außer dir!«, parierte Josephine und ließ sich auf einen Kuss ein. »Du würdest jede List durchschauen, die ich dir serviere.«
Sie schliefen noch in der Kutsche miteinander, die Arme innig umschlungen, die Beine ineinander verschränkt, und Josephine schloss die Augen und ritt Lassiter im harschen Takt, den der Wagen vorgab. Josephine brauchte ein oder zwei Meilen bis zu ihrem Höhepunkt, und als dieser vorüber war, kniete sie sich zwischen Lassiters Beine und besorgte es ihm mit dem Mund. Sie stöhnten beide. Lassiters Pint begann zu zucken, und draußen schwang Kutscher Goslin die Peitsche und steuerte auf die die Mainstreet des Minenstädtchens zu.
»Neihart!«, brüllte Goslin und sprang vom Kutschbock. Er verzichtete darauf, die Türen der Kabine aufzureißen, wie es üblich war, und erwies Lassiter damit einen Gefallen, für den dieser ihm einen halben Dollar gezahlt hatte. »Neihart! Abfahrt in der Frühe um acht Uhr! Tickets im Bureau von Eigentümer Louis Goslin!«
Rasch glättete Josephine ihr Kleid, brachte ihr Haar in Ordnung, warf sich ihren Seidenschal um den Hals und stieg vor Lassiter die Trittstufen hinunter. Sie landete mit den Stiefeln im Schlamm, lief ein Stück und sah sich um. »Wo bleibst du, Lassiter? Die Schönheit von Neihart bezaubert jeden.«
Der Mann der Brigade Sieben grinste schief, als er die durchnässte Mainstreet und die verwitterten Holzbauten erblickte. Die Stadt kauerte sich in ein flaches Tal, durch das ein kräftiger Wind ging. Lassiter schaute zu Goslin, der ihm seine Haare bändigte, und er fragte sich, weshalb Countyrichter Andrews in dieses Loch gezogen war.
Bei jedem Schritt wirbelte Josephines Schal hin und her. Sie redete ohne Unterlass über Neihart, das sie ausgezeichnet zu kennen schien und auf ihre eigene Art bewunderte. »Nirgendwo sonst in Montana ist man ganz für sich. Ich komme von einem anderen Kontinent, Lassiter. Ich bin die Blicke gewöhnt. Die strafenden, die begehrenden, die herablassenden.« Sie wandte den Kopf in seine Richtung. »Aber hier... im Herzen Montanas... hier zählen derlei Eitelkeiten nichts mehr.«
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McCormick, Montana, einen Tag zuvor
Von dem fürchterlichen Mord, der sich in der Horrace Street ereignet hatte, erfuhr Sheriff George Cornish durch seinen Deputy Bill Kimber. Der Gesetzeshüter hatte sich soeben zum Frühstück gesetzt, als Kimber mit polternden Schritten hereinstürzte und ihm sagte, was vorgefallen war. Cornish starrte den Deputy, dessen rundes Gesicht ihm inzwischen vertraut war, aus weit aufgerissenen Augen an.
»Mord, Sir«, bejahte Kimber und kratzte sich den licht gewordenen Haarkranz. »Mrs. Margareth Chaseman ist die Kehle aufgeschnitten worden. Sie ist in ihrem Bett verblutet. Der Mörder hat einige Spuren auf dem Vordach hinterlassen, über das er in ihr Zimmer geklettert ist.«
Seit einem Jahr hatte Cornish den Sheriffposten, den man ihm angeboten hatte, als er mit seiner Frau Julia noch in Missouri gewohnt hatte. Er war regelmäßig als Lohnarbeiter hinauf nach Montana gefahren, hatte in Great Falls und McCormick gearbeitet, häufig als Holzfäller oder Träger für die Frachtgesellschaften an den Flüssen. Er hatte seine Dollars mit harter Arbeit verdient.
Als Sheriff erhielt Cornish den fünffachen Lohn.
Der Posten war ihm nicht in den Schoß gefallen, wie manche in McCormick mutmaßten, zuvörderst Bill Kimber, der sich selbst gern den Stern an die Brust geheftet hätte. Cornish verdankte die Anstellung seinem Bruder Adam Cornish, der für Montana im Kongress saß und sich für ihn eingesetzt hatte.
»Wann ist sie umgekommen?« Cornish legte den Löffel beiseite und erhob sich. Er verspürte das Ziehen in der Brust, das ihn schon seit Tagen plagte. Er hätte auf Julia hören sollen, die ihn zu Doc Cullen hatte schicken wollen. »Wer ist schon draußen?«
»Donaghey«, erklärte Kimber in scharfem Ton. »Er kümmert sich um Timothy Buckell und dessen Frau. Timothy ist Mrs. Chasemans jüngster Sohn. Er lebt mit ihr im gleichen Haus.«
»Ich kenne die Buckells«, brummte Cornish und zog sich die Jacke über. Er griff nach dem Sheriffstern, der auf dem Küchentisch lag, und heftete ihn an den Stoff. »Es sind gute Leute. Sie dürfen... Wer ist bloß zu solch einer Untat fähig?«
Das Verbrechen von McCormick beschränkte sich – so hatte es ihm Adam damals versprochen – auf gefälschte Urkunden, Viehdiebstähle und die Miller-Jungen, die sich im Gemischtwarenladen Tabak für ihren Vater beschafften. Die Stadt lag am Fuß einer Hügelkette, zählte lediglich siebzig Häuser und wurde dreimal in der Woche von einer Kutschlinie aus Great Falls angefahren.
»Noch wissen wir's nicht«, sagte Kimber und begleitete Cornish auf die Straße hinaus. Er war mit dem Zweispänner seines Onkels gekommen. »Aber ich möchte die Vermutung äußern, Sir, dass es um Schmuck ging. Mrs. Chaseman war durchaus vermögend.«
Eine kleine Gemeinde von Afroamerikanern wohnte in den Häusern am Hügel, und Kimber verabscheute sie derart, dass er diese Leute hinter jedem Vorfall vermutete, der in McCormick für Unruhe sorgte. Er hatte sie bezichtigt, am Unabhängigkeitstag eine Flagge zerrissen zu haben, hatte sie beschuldigt, das Wasserrad zu sabotieren, und er hatte ihnen vorgeworfen, dass sie in der Nacht ihre Hunde freiließen und in die Hühnerställe der weißen Farmer im Tal scheuchten.
Nichts davon hatte sich je bewahrheitet.