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Der Vorhof zur Hölle lag im Saloon von Buffalo-Tom, der jede Nacht fünf Flaschen Whisky trank und den Frauen unter die Röcke griff. Die Rinderleute strömten in den Tom's Parlor, eine schäbige Holzbaracke am östlichen Stadtrand, in der sich verschwitzte Leiber drängten und Toms durchdringender Bass den Ton angab. An manchen Tagen kamen die Mädchen aus Eagle herüber, dann wurde es noch zügelloser. So sündhaft, dass Buffalo seinen reichsten Saloonbesitzer loswerden wollte.
"Stellt euch auf!", befahl Sheriff Kit Dixon seinen Deputies. "Lasst keinen raus und keinen rein!"
Die Gewehrläufe hoben sich und nahmen die geschundene Holztür des Tom's Parlor aufs Korn. Die Mienen der Männer waren kühl und entschlossen. Sie brachten die Verachtung zum Ausdruck, die man den skrupellosen Geschäften von Tom Woolfs entgegenbrachte.
"Buffalo-Tom!", brüllte Dixon und hob den Arm. "Es ist Zeit!"
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Böses Blut in Buffalo
Vorschau
Impressum
Böses Blut in Buffalo
von Marthy J. Cannary
Der Vorhof zur Hölle lag im Saloon von Buffalo-Tom, der jede Nacht fünf Flaschen Whisky trank und den Frauen unter die Röcke griff. Die Rinderleute strömten in den Tom's Parlor, eine schäbige Holzbaracke am östlichen Stadtrand, in der sich verschwitzte Leiber drängten und Toms durchdringender Bass den Ton angab. An manchen Tagen kamen die Mädchen aus Eagle herüber, dann wurde es noch zügelloser. So sündhaft, dass Buffalo seinen reichsten Saloonbesitzer loswerden wollte.
»Stellt euch auf!«, befahl Sheriff Kit Dixon seinen Deputies. »Lasst keinen raus und keinen rein!«
Die Gewehrläufe hoben sich und nahmen die geschundene Holztür des Tom's Parlor aufs Korn. Die Mienen der Männer waren kühl und entschlossen. Sie brachten die Verachtung zum Ausdruck, die man den skrupellosen Geschäften von Tom Woolfs entgegenbrachte.
»Buffalo-Tom!«, brüllte Dixon und hob den Arm. »Es ist Zeit!«
Buffalo, Wyoming, zwei Tage zuvor
Die größte Freude bereiteten Buffalo-Tom diejenigen Rindertreiber, die ihm ahnungslos auf den Leim gingen und sich von seiner Begeisterung anstecken ließen. Er konnte ihnen buchstäblich alles verkaufen, jeden Schund, den sein Lager hergab. Er hatte Shoshonen-Totems für sie im Angebot, die er von einem Holzschnitzer in Eagle machen ließ, er verschacherte Tinktur aus Birkenrinde, die gegen Tuberkulose schützen sollte, er setzte ihnen angeblich schottischen Whisky vor, den er aus stinkenden Holzfässern im Keller des Tom's Parlor abschöpfte.
Niemand in Buffalo bestritt seine Betrügereien.
Die Eigentümer der Wyoming Land Company, die Landtitel an Farmer ausstellte, hatte ihn gerügt, ebenso die Temperance Association, in der sich die mehr oder minder tugendhaften und honorigen Ehefrauen der Stadt zusammengetan hatten (wobei tugendhaft in ihrem Fall ein hehres Wort war). Man hatte ihn gebeten, die Schwindeleien zu unterlassen, hatte ihm einen verrotteten Schweinskopf vor die Tür gelegt, als er einen Farmer in einer Nacht um dessen Besitz gebracht hatte.
Doch Recht und Ordnung kannte Buffalo nicht.
Sie hatten kürzlich einen Sheriff gewählt, den einstigen Rinderzüchter Kit Dixon, dem die Herden im Staub des Wyoming-Territoriums zugrunde gegangen waren und der nun – so sah es Tom – andere wohlhabende Männer für sein Unglück verantwortlich machte. Dixon hatte sich auf die Fahnen geschrieben, den Tom's Parlor zu schließen, und Tom wusste wiederum, dass er diesem verfluchten und scheinheiligen Hund die Stirn bieten wollte.
»Raus mit euch!«, schnauzte Tom die beiden Frauen an, die neben ihm im Bett lagen. Sie hatten sich mit sich selbst befasst, statt sich um seine Lust zu kümmern, und solche Eigensucht ertrug Tom nicht. »Wenn ihr euch verzärteln wollt, tut's drüben im Gangsley's! Dort weiß man eure Gegenwart zu schätzen! Aber lasst mich in Frieden damit!« Er packte eine der Frauen und warf sie aus dem Bett. »Raus mit euch! Verschwindet!«
Die Mädchen ergriffen ihre Kleider, zogen sich an und stolperte auf einem Bein aus der Kammer, die Tom nun ganz für sich allein hatte. Er streckte sich der Länge nach aus, rechnete im Kopf, ob ihn diese Huren mehr Dollars gekostet hatten, als es ihm an Wollust eingebracht hatte, und kam zu dem Ergebnis, dass der Abend zehn Dollar wert gewesen war. Er schlief eine Stunde und stand auf, als unten im Parlor's die Blackjack-Sieger angesagt wurden.
Von den Gewinnen im Tom's Parlor kam kein einziger zustande, ohne dass Tom Woolfs ihn gebilligt und genehmigt hätte. Unter den Tischen gab es Fächer für die Trickspieler, die Woolfs in die Runden schickte, die Karten hatten Bleieinlagen, mit deren Gewicht sich der Wert vorhersagen ließ, die Serviermädchen brachten Schwarzgebrannten, der sie Sinne vernebelte. Ein oder zwei Leute gingen jeden Abend mit Profit nach Hause und erzählten herum, dass im Tom's Parlor's jeder zu seinem Glück kam.
Der unglückselige Rest verlor am laufenden Band.
Er überschrieb Buffalo-Tom ein Dutzend Rinder, warf Dollarmünzen auf den Tisch oder bezahlte seine Schulden mit einem Kalb, das tags zuvor zur Welt gekommen war. Manch einer legte sich mit dem Züchter an, für den er die Rinder in den Norden getrieben hatte, andere lauerten Tom in der Stadt auf und flehten ihn an, ihm seine Schulden zu erlassen.
Sie flehten vergebens.
Seitdem er als Kind einem Mann ein Stück Seife für vier Dollar verkauft hatte, indem er ihm eingeredet hatte, dass die Seife der britischen Königin Victoria gehört hätte, seit diesem Tag hatte Woolfs Gefallen am Betrug gefunden. Er sah ihn nicht als sündige Tat, nicht einmal als Missverhalten, sondern als Dienst an den Arglosen. Er bewahrte sie durch die Einsicht, die sich nach seiner Schwindelei einstellte, vor weiteren, oft tragischeren Irrtümern.
»Tom!«, rief Woolfs' Freund John Parker ihm zu. »Wo hast du gesteckt? Du verpasst den ganzen Spaß!«
Der gedrungene und auf seine Art attraktive Parker hatte eines der Mädchen im Arm, die Woolfs aus dem Zimmer geworfen hatte. Er stand neben dem Blackjack-Tisch, rauchte eine Zigarre und schnippte nach dem Serviermädchen. Er wurde von einer Horde Männer bedrängt, die darauf hoffte, ebenfalls an ein Blackjack-Spiel zu kommen.
»Hab mir ein gottverdammtes Schläfchen gegönnt!« Woolfs vertrieb die Mädchen ein zweites Mal und ließ sich von Parker eine Zigarre geben. »Ich musste mir den Ärger von der Seele schaffen, Johnny. Mir reicht's mit Dixon und seinen Leuten.«
»Gräm dich seinetwegen nicht.« Parker nahm dem Saloonmädchen die Bourbongläser ab, die es auf einem Tablett zu ihm balancierte. »Ich hab mit Patrick geredet. Er wird Dixon erledigen. Ist nur eine Sache von ein paar Tagen.«
»Und das Telegraphenhaus?«, fragte Woolfs und zog an der glimmenden Zigarre. Ein Schwall schal schmeckenden Rauchs füllte seine Lunge. »Ich muss es bald aufmachen. Wir werden ein verfluchtes Vermögen damit machen.«
Der vordere Blackjacktisch leerte sich, und Woolfs nahm mit Parker daran Platz. Sie betrachteten die anderen Männer, die sich zu ihnen setzten, und als Woolfs ein frisches Gesicht darunter erkannte, besserte sich seine Laune. Er klopfte Parker auf den Rücken und ließ das erste Blatt geben. »Reden wir später drüber, John! Jetzt wird gespielt!« Er schaute den Neuling listig an. »Wie ist dein Name, mein Freund?«
✰
Die Schneefelder auf den majestätischen Big Horn Mountains waren zu milchigen Flecken geschrumpft, die sich in die zerklüfteten Felstäler rings um den Gipfel drängten. Noch vor einer Woche hatten peitschende Stürme am Porter Peak gewütet und die Bären in die Täler getrieben. Es waren gute Tage für Lassiters Geliebte Terry Dampeer gewesen, die Bärenpelze an die American Fur Company verkaufte.
Er und Terry kannten sich seit Jahren.
Als Lassiter für eine Mission im Wyoming-Territorium gewesen, hatte sie den Scout für ihn gespielt und ihn durch Schneebretter, Couloirs und Gletscherbrüche geführt, die ihm ansonsten das Leben gekostet hätten. Terry war eine passionierte Jägerin und brachte einen Bären auf zweihundert Yards mit einem einzigen Schuss zur Strecke. Sie hatte ein Kind, einen Jungen, das sie vor einem halben Jahrzehnt zuletzt gesehen hat.
»Er ist aufgedunsen«, sagte Terry in der ihr eigenen Offenheit. »Er sieht aus wie ein Kloß und frisst wie ein Scheunendrescher. Ich hätte ihn nicht bei seinem Vater lassen sollen... Er schlägt nach ihm, träge und gemütlich. Ich hätte gern einen Jäger aus ihm gemacht.«
Sie stiegen den Pfad zum Thompson's Creek hinauf, durch den zu dieser Jahreszeit das Schmelzwasser tobte und das Flussbett zu allen Seiten hin auswusch. Sie hatten im Mietstall von Thomas Drummond keine Pferde bekommen, die sich aufs bergige Gelände verstanden, und waren zu Fuß aufgebrochen.
Unterwegs hatten sie es miteinander getrieben.
Erst hatten sie sich nackt ins eiskalte Wasser gestürzt und den Schweiß heruntergewaschen, als Terry auf Lassiter zugeschwommen und ihn mit ihren kleinen, festen Schenkeln umschlungen hatte. Sie hatte gelächelt, lüstern und geheimnisvoll, und Lassiter hatte das Herz gepocht, als sie ihn geküsst hatte.
Damals hatte er Terry geliebt.
Er hatte ihre routinierten Handgriffe gemocht, mit denen sie ihre Winchester klarmachte, ihr schmalen, zarten Nägel auf dem öligen Metall, ihre duftende Haut, die er gerochen hatte, als sie neben ihm am Feuer gelegen hatte. Sie hatte kaum etwas für ihn empfunden, jedenfalls nicht mehr als für die anderen Männer in Eagle, die um sie warben.
»Eines Tages hole ich ihn zurück«, sagte Terry und blieb stehen. Sie ließ den Blick über das Tal schweifen, aus dem sie heraufgestiegen waren. »Er ist ein guter Junge. Aber in den Bergen kann ich kein Kind gebrauchen. Ich muss die Bären schießen... Ich kann keine gottverdammte Göre brauchen, die mir am Rockzipfel hängt.« Sie schaute zu Lassiter. »Was ist mit dir? Was bringt dich zurück nach Wyoming?«
Der Mann der Brigade Sieben hätte gern die Telegramme erwähnt, die er aus dem Hauptquartier in Washington erhalten hatte. Er hätte über seinen Ärger sprechen wollen, die der barsche Ton in ihm ausgelöst hatte, keine Woche nach seinem letzten Auftrag, den er mit Bravour absolviert hatte.
»Geschäfte«, sagte Lassiter nur und lächelte. »Ich muss diesen Kerl dort oben treffen. Am Thompson's Creek... Er muss eine Hütte besitzen.«
»Arthur McComb«, sagte Terry und nickte. »Ich kenne ihn gut. Er hat vor Jahren eine Ranch unten im Tal gehabt und kannte jeden Züchter in der Gegend. Du wirst ihn mögen... Er ist ein guter Kerl.«
Erneut biss sich Lassiter auf die Zunge und schwieg darüber, dass McComb ein Mittelsmann der Brigade Sieben war. Ein Jahrzehnt lang hatte McComb Berichte und Protokolle geliefert, mit denen das Hauptquartier die Rindergeschäfte im Wyoming-Territorium beurteilt hatte.
»Ganz gewiss«, sagte Lassiter und schaute Terry an. »Du bist keinen Tag älter geworden, Terry.« Er berührte ihre Hand. »Wie lange ist es schon her?«
»Fünf... sechs Jahre?« Terry zuckte mit den Schultern. »Ich erinnere mich an nichts als unsere Nächte. Ich hab's genossen mit dir...« Sie griff ihm an den Hosenbund und küsste. »Ich genieße es immer noch mit dir.«
Hinter der Felskante, die sie die ganze Zeit in den Blick gefasst hatten, sprudelte das Schmelzwasser durch eine Steinrinne in die Tiefe. Es riss Flechten und lockeres Geröll mit sich und nässte ihnen binnen kürzester Zeit die Stiefel.
»Da oben muss es sein!«, rief Terry und streckte den Arm aus. Sie wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »McComb haust als Einsiedler hier oben! Ich bringe ihm ab und zu Mehl aus der Stadt mit!«
Die Pflicht hatte von Lassiter verlangt, dass er Terry damals im Stich lassen und ohne eine Nachricht nach Washington zurückkehren musste. Er hatte ihr eine Patrone aus dem Remington auf den Tisch gelegt, ehe er seine Sachen gepackt hatte. Sie war noch im Bett gewesen, hatte mit abgewinkeltem Arm unter der Wolldecke gelegen, die ihre Brüste nur halb verhüllt hatte.
»Ich muss allein mit ihm reden«, sagte Lassiter in entschuldigendem Tonfall. »Ich kann dich nicht mitnehmen, Terry.«
Das rotblonde Haar seiner Geliebten glühte in der Sonne, als Terry sich aufrichtete und sich eine Strähne aus der Stirn strich. »Ich mag mit deinen Geschäften nichts zu tun haben. Ich steige ein paar hundert Fuß höher und sehe nach den beiden jungen Bären, die ich kürzlich gefunden habe. Einen von ihnen will ich schießen... Man fragt mich unten in Eagle ständig nach neuen Pelzen.«
Sie kam ins Erzählen, über die Preise, die Jahr um Jahr sanken, und über die Eisenbahn, die neuerdings die Pelze in den Osten brachte. Der Thompson's Creek wurde zur Kulisse ihrer Ausführungen, als hätte jemand die Pelzjägerin vor ihren Jagdgründen auf Leinwand bannen wollen.
»Wann sehe ich dich wieder?«, fragte Terry zum Abschied und küsste Lassiter. »Ich bin so oft allein unten in Eagle und könnte Gesellschaft brauchen. Ich vermag mich zu erinnern, dass auch du oft allein bist.« Sie zog ihm am Hosenbund zu sich. »Oder hast du dein Herz an jemanden verloren?«
»Nein.« Lassiter belog sich und Terry gleichermaßen. »Ich bin bloß meiner Arbeit treu. Das Wyoming-Territorium ist weitläufig. Ich weiß nicht, ob ich es wieder hinunter nach Eagle schaffe.«
»Weißt du nicht?« Terry reckte beleidigt das Kinn in die Höhe. »Wie du willst, du stolzer Pfau! Ich dachte, ich bedeute dir etwas! Aber du... du willst nur deine Geschäfte erledigen.« Sie lächelte ihn an. »Sag McComb, dass ich ihn recht bald besuche.«
»Er dürfte sich freuen«, sagte Lassiter und ließ Terry vorbei. »Gib acht auf dich.«
Terry hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und stieg raschen Schrittes höher. Bald verschwand ihr rotblonder Schopf zwischen den Felsen, die den Thompson's Creek säumten.
✰
Während der Wintermonate fiel der Schnee im Thompson's Creek mitunter sechzehn Fuß hoch und begrub den Hohlweg unter sich, der zu McCombs Hütte führte. Der einstige Rancher hatte aus diesem Grund Holzpfosten in die moosbedeckte Erde geschlagen, wie er es entlang seiner Weidewege getan hatte, als er noch im Tal gewohnt hatte. An jedem Pfosten flatterte ein Lumpenfetzen, der im ärgsten Frost zu einem weißen Brett gefror.
Die gespenstische Szenerie hatte Arthur McComb nie vergessen.
Sie versinnbildlichte ihm die unerbittliche Natur, auf die sie sich im Wyoming-Territorium einließen, die schroffen Gebirge und bewaldeten Hänge, auf denen die Wildnis regierte, die spärlich vorhandenen und trostlos winzigen Straßen und Siedlungen vor einem Panorama der Ewigkeit. Er war zum Mittelsmann der Brigade Sieben geworden, um den Siedlern im Wyoming-Territorium zu helfen und die Regierung von deren Sorgen und Wünschen wissen zu lassen.
An diesem Frühlingstag flatterten die Stofffetzen an den Pfosten im Wind.
Sie hatten etwas Fröhliches an sich, wie sie rot, grün, blau, gelb ans Holz schlugen und eher an fernöstliche Gebetsfahnen erinnerten. McComb hatte Milch gekocht und aufgeschlagen. Er streute eine Prise Zimt darüber und kippte sie in den Kaffeekrug, der vor ihm auf dem Hüttengeländer stand.
Gleißend war die Sonne an diesem Morgen.
Vor zehn Jahren wäre an einem solchen Tag sein Vormann Caleb Temple erschienen, hätte das Lasso von der Schulter genommen und sich erkundigt, ob er, Arthur, mit ihm hinausreiten und ein paar Kälber brennen wolle. Caleb hatte McCombs Gegenwart gemocht und von der Erfahrung des alten Ranchers gelernt. Er war ein guter Vormann gewesen, ein Mann von echtem Schrot und Korn, dem es das Herz gebrochen hatte, als McComb den Entschluss gefasst hatte, die Ranch zu verkaufen.
McComb vermisste Caleb.
Er hatte mit dem Vormann kühne Träume gesponnen, Herden von viertausend, fünftausend Kopf Vieh, die über die nördlichen Weiden zogen. Caleb hatte mit Engelsgeduld zugehört und hin und wieder genickt. Er war ein Freund gewesen, ein Vertrauter, vor allem in den Jahren nach Julies Tod.
Unten am Hang war die Silhouette eines Mannes zu erkennen.
Er stieg am Thompson's Creek hinauf, ging den Stromschnellen aus dem Weg, die das Schmelzwasser zwischen den Felsen bildete, und hob den Arm, als er McComb unter dem Vordach der Hütte erkannte. McComb erwiderte den Gruß, trank von seinem Kaffee und erhob sich schwerfällig. Der Rücken schmerzte ihm, wie immer in den letzten Jahren.
»Mr. Lassiter?«, rief McComb und deutete zum Haus. »Kommen Sie nach drinnen! Der Fluss ist ein Höllenschlund dieser Tage!«
Der Fremde war ein breitschultriger Mann mit sandblondem Haar, der McComb nicht nur an Caleb Temple erinnerte, weil er gerade an seinen Vormann gedacht hatte. Die zuvorkommenden Manieren, die Schweigsamkeit, das schiefe Lächeln, sie alle glichen den Zügen, die er von seinem Vormann kannte. Er bot Lassiter einen Bourbon an und goss sich selbst ebenfalls ein Glas ein. »Kommen Sie aus Eagle, Mr. Lassiter? Das Hauptquartier telegraphierte mir, dass Sie bereits im Wyoming-Territorium gearbeitet haben.«
»Ich kenne Terry Dampeer«, sagte Lassiter und nickte. »Sie lässt Sie grüßen.«
»Terry«, sagte McComb und schob einen Tisch zwischen ihre beiden. »Sie ist ein gutes Mädchen und eine hervorragende Bärenjägerin. Ich kenne sie seit... zwanzig Jahren, glaube ich!« Er lachte in sich hinein. »Aber kommen wir zu Ihrer Mission, Mr. Lassiter.«
Interessiert beugte sich Lassiter nach vorn. »Was haben Sie für mich? Ich sagte Terry, dass ich geschäftlich in Eagle bin.«
»Geschäftlich«, wiederholte McComb lächelnd. »Sie wird Ihnen kein Wort glauben. Allerdings meine ich, dass sie Ihnen tatsächlich von Nutzen sein könnte. Sie müssen einen Sabotageauftrag für uns erledigen.«
»Sabotage?« Ein nachdenklicher Zug spielte um Lassiters Mund. »Um wen geht es dabei?«