Lassiter 2698 - Marthy J. Cannary - E-Book

Lassiter 2698 E-Book

Marthy J. Cannary

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Beschreibung

Das Blue-Heaven-Casino lag zu Füßen des Skeleton Hill und hatte seinen legendären Ruf erworben, als es vor Jahren einmal zwanzig Texanerinnen versteigert hatte, die sich in einem abgezäunten Coral im Tanzsaal gedrängt hatten. Die Frauen hatten gejubelt vor Freude und jedes Gebot mit einer obszönen Geste begrüßt.
Chuck Prayton hatte die Auktion gewonnen.
Er hatte mit dem kreischenden Haufen Texanerinnen nichts anfangen können und ihnen die obere Etage des Hauses überlassen, die tags darauf wie ein verwüstetes Bordell ausgesehen hatte. Das Blue Heaven jedoch war Prayton im Gedächtnis geblieben.
Bettelarm war Prayton inzwischen und entschlossen, dem Casino seinen wertvollsten Besitz zu nehmen...


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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Bleisonate am Skeleton Hill

Vorschau

Impressum

Bleisonate amSkeleton Hill

von Marthy J. Cannary

Das Blue-Heaven-Casino lag zu Füßen des Skeleton Hill und hatte seinen legendären Ruf erworben, als es vor Jahren einmal zwanzig Texanerinnen versteigert hatte, die sich in einem abgezäunten Coral im Tanzsaal gedrängt hatten. Die Frauen hatten gejubelt vor Freude und jedes Gebot mit einer obszönen Geste begrüßt.

Chuck Prayton hatte die Auktion gewonnen.

Er hatte mit dem kreischenden Haufen Texanerinnen nichts anfangen können und ihnen die obere Etage des Hauses überlassen, die tags darauf wie ein verwüstetes Bordell ausgesehen hatte. Das Blue Heaven jedoch war Prayton im Gedächtnis geblieben.

Bettelarm war Prayton inzwischen und entschlossen, dem Casino seinen wertvollsten Besitz zu nehmen...

Drei Stockwerke besaß das Blue-Heaven-Casino, und jedes davon war opulent nach einem Motiv gestaltet, das sich in den Wandtapeten, den Vorhängen, dem Mobiliar und den Teppichen wiederfand. Die Vorschläge dazu hatte ein französischer Dichter namens Francois Lafayette gemacht, gekritzelt auf das Etikett einer Weinflasche und von Besitzer Harrison Cope auf das Peinlichste befolgt.

Das Parterre war den ägyptischen Pharaonen gewidmet, die Beletage gehörte dem Russland des Zaren und unter dem Dach hatte eine Hindugöttin ihren Tempel. Die Einrichtung war aus kostbaren Materialien hergerichtet worden, nicht selten hatte Cope Schmuck und Gemälde höchstselbst aus Übersee herangeschafft.

Prayton erinnerte sich an Copes Verschwendungssucht.

Er hatte mit dem Eigentümer des Blue Heaven getrunken und gescherzt, mit ihm auf den Chaiselongues gelümmelt, die hinter den Blackjack-Tischen standen, und er hatte Dollars ausgegeben, hunderte, tausende Dollars, die in den Roulettetischen versickert waren und Prayton in den Ruin getrieben hatten.

Der einstige Casinokönig stand auf dem Skeleton Hill.

Er trug staubige Leinenhosen, die grobgestrickt waren und Löcher an den Knien hatten, darüber eine geflickte Weste und eine speckige Jacke, die nach gedünstetem Kohl und Tabak stank. Als er bei Cope zu Gast gewesen war, hatte er in einem Frack gesteckt, dessen Knöpfe aus purem Gold gewesen waren.

»Cope!«, knurrte Prayton und biss sich auf den Fingernägeln herum. »Du wirst bereuen, was du mir angetan hast. Ich lass dein hübsches Büdchen in den Bankrott gehen.« Er grinste und kratzte sich den fauligen Schneidezahn. »Bald wird's dir dreckig gehen... Noch dreckiger als mir.«

Zuletzt hatten sich er und Cope im nahen Solomonsville gesehen, als Cope mit seiner Entourage im Memphis-Hotel abgestiegen war, in dem Prayton als Küchenhelfer Anstellung gefunden hatte. Prayton war Farmarbeiter gewesen, hatte sich als Seifenverkäufer versucht, als Frachtfahrer und Stellmacher. Er hatte nirgendwo lange ausgehalten. Dem Memphis würde er nach dem Winter den Rücken kehren.

Rauchend stieg Prayton den Hügel hinunter.

Er trat den Zigarillostumpf, den er aus dem Memphis gestohlen hatte, hinter dem Zaun des Casinos aus, trat eine lockere Latte beiseite und stahl sich in den dahinterliegenden Hof. Er kannte das Blue Heaven ausgesprochen gut, hatte es über Wochen ausgekundschaftet und wusste, dass außer Cope nur noch ein paar Reisende aus Hopkins, Alabama, im Haus waren.

Den Colt hatte Prayton von den Richards bekommen.

Er hatte der Familie einen halben Dollar dafür bezahlt, eine Summe, die für Prayton ein Vermögen und für Cope ein gottverdammtes Trinkgeld darstellte. Neben der Waffe hatte ihm Thomas Richards ein Stemmeisen, einige Schraubenzieher, eine Zange sowie eine Rolltasche hinterlassen, in der sich alles gut verstauen ließ.

Prayton trug die Tasche am Gürtel.

Er schaute an der rückwärtigen Fassade des Blue Heaven hinauf, die zwar schmuckloser als die Front daherkam, jedoch keinesfalls nach Gesichtspunkten der Bescheidenheit erbaut worden war. Ein Rankgitter für die Rosen war montiert, stählerne Stützen mit Zierkapitellen, welche die Regendächer trugen, die Böden bestanden aus Mahagonibohlen, die Cope mit einem Harz hatte bestreichen lassen, das die Maserung zur Geltung brachte.

Nichts sollte einen ärmlichen Eindruck machen.

Das Rankgitter hatte eine geeignete Sprossengröße für Prayton, der daran zügig hinaufstieg, über die Beletage hinaus. Er schwang ein Bein über die Brüstung im zweiten Stock, hockte sich nieder und lauschte auf die Geräusche im Haus.

Die Roulettekessel drehten sich, die Kugeln sprangen darin und fielen auf Zahlenfelder, die Prayton früher Glück gebracht hatten. Er hatte das Roulettespiel geliebt. Er hatte fünfhundert, tausend, tausendfünfhundert Dollar gesetzt und verloren, und Cope hatte mit ihm gelacht und ihm auf die Schulter geschlagen.

Fortuna ist jedem hold, Chuck...

Ruhig setzte Prayton das Brecheisen ans Fenster, hebelte das Holz einen Spalt auf und schob das restliche Eisen nach. Er drückte die Stange auf und ab, bis es ein Knacken gab und das Schloss nachgab.

Stockfinstere Zimmer erwarteten Prayton.

Er stahl sich an den indischen Teppichen vorbei, die an der Wand hingen, an goldenem Geschirr und anderen Gefäßen, an einem Tempel mit hölzernen Säulen, unter denen ein Bett stand. Unweigerlich sah Prayton den schmerbäuchigen Cope vor sich, der sich in diesem Bett auf eine der Texanerinnen gewälzt hatte.

Hinter dem Tempel saß die Hindugottheit.

Sie war einen guten Fuß größer als Prayton, saß auf einem hölzernen Tiger und hielt in ihren acht Händen verschiedene Zierfiguren, einen Speer und goldenes Gefäß. Sie hatte einen strengen Blick, den ihre schwarzen, schmalen Brauen verstärkten, und einen schmalen, sorgfältig gemalten Mund, der ein Lächeln andeutete.

Auf der weißen Stirn trug die Göttin das Schmuckstück, das Prayton zurück ins Blue Heaven gebracht hatte.

Es war ein blauer Diamant, der in eine dünne Goldbordüre gefasst war, siebenundsiebzig Karat wog und – Prayton hatte jede Zeitungsmeldung darüber zusammengetragen – aufgrund seines Glanzes den lyrischen Namen »Midnight Star« erhalten hatte. An den Schmuckbörsen bezifferte man seinen Wert auf zehn- bis elftausend Dollar.

Von den Treppen schallten Stimmen herauf.

Sie ergingen sich in grellem Gelächter, bald auch derben Beschimpfungen, an denen sich der dröhnende Bass eines Mannes beteiligte. Das Lachen schwoll an, als der Besitzer jener tiefen Stimme stolperte und offenbar einige Stufen hinabstürzte. Er verschaffte sich beleidigt Gehör, und Prayton erkannte an der Art und Weise, wie er sprach, dass es Cope selbst war.

Verstohlen blickte Prayton zu der Hindugöttin mit dem schimmernden Diamanten.

Er zog den Revolver, ging hinter dem falschen Tempel in Deckung und legte auf die Tür an. Die Stimmen wurden lauter, näherten sich weiter, und unversehens war jedes Wort zu verstehen, das sie sprachen.

»Nicht die Göttin?«, rief Cope und feixte. »Wollt ihr nicht zur Göttin?«

Die Frauen spotteten über ihn.

Sechs Pferde zogen die beiden aneinandergekoppelten Conestoga-Wagen zu den North Hunter Mills hinauf, vor denen sie von einem Dutzend Tagelöhner erwartet wurden. Die Männer pfiffen, sprangen auf die Fuhrwerke auf und hievten die Getreidesäcke herunter, die sich bald vor den den Toren des dreistöckigen Mühlenhauses sammelten. Auf dem Giebel des Gebäudes prangte der fünfeckige Stern, der zum Emblem der Mühlen-Company geworden war.

»Fünfzig Männer haben sie inzwischen.«

Aus dem Mund von Grant Kailsbank klang diese Feststellung unerwartet traurig. Er hatte die North Hunter Mills über Jahrzehnte besessen und sie zum Erfolg geführt, hatte das auf Pfeilern gelagerte Gerinne erneuern und ein stählernes Wasserrad anschaffen lassen. Das Mühlenbuch hatte sich mit Anwärtern gefüllt, die bei ihm hatten mahlen lassen wollen. Er hatte den Bankrott abgewendet, der in den ersten Jahren wie ein Damoklesschwert über ihnen gehangen hatte.

»Sind Sie bedrückt darüber?« Der Mann der Brigade Sieben hatten Kailsbank aufmerksam gelauscht. »Sie machen jedenfalls kein glückliches Gesicht.«

Die tiefen Falten in Kailsbanks Antlitz glätteten sich, als der ehemalige Mühlenbesitzer lächeln musste. Er schlug Lassiter auf die Schultern und führte ihn auf die Wiese hinter den North Hunter Mills. »Schauen Sie sich um! Dort hinten liegt Solomonsville! Weiter im Norden die Gila Range! Uns geht es gut!« Er wandte halb zur Seite. »Wir haben keinen Grund zur Klage.«

»Dennoch klagen Sie.« Lassiter zog das Telegramm aus der Tasche, das man ihm nach Solomonsville gekabelt hatte. »Ich muss Sie an meinen Auftrag erinnern, Sir.«

»Selbstverständlich, selbstverständlich!« Kailsbank winkte ab und lief weiter. »Sie sind nicht nach Arizona gekommen, um sich das Gejammer eines alten Kauzes anzuhören. Das Mühlengeschäft ist hart und ohne Gnade. Sie lassen es ein paar Jahre sein, und schon gibt es jemanden, der ein anderes Rad erfindet oder den Wasserzufluss erhöht, und alle Gesetzmäßigkeiten, an die Sie geglaubt haben, gelten nicht mehr.«

»Andere nennen es den Fortschritt«, meinte Lassiter und gab Kailsbank das Telegramm. »Man muss sich davor nicht fürchten.«

Kailsbank lächelte erneut. »Diese Arroganz können Sie sich als junger Mann leisten, Mr. Lassiter. – Aber kommen wir zu Ihrem Auftrag! Er betrifft ebenfalls einen alten Mann.« Kailsbank zog ein Kuvert unter der Jacke hervor. »Da! Schauen Sie hinein!«

Der Mittelsmann ließ Lassiter stehen und schritt zügig über die Wiese. Er stützte sich auf seinen Stock, riss einen Grashalm ab und kaute eine Zeitlang darauf herum, bevor er ihn ausspie und sich die Lippen rieb.

Der Umschlag aus braunem Packpapier war mit einem Stoß Papiere gefüllt, bei denen es sich um die üblichen Informantenberichte aus dem Hauptquartier handelte. Sie waren mit einem Baststrick zusammengebunden worden. Unter dem Knoten steckte die Zeichnung eines älteren Mannes, der eine auffällige Ähnlichkeit mit Kailsbank hatte.

»Er ist nicht mein Bruder«, beeilte sich Kailsbank zu versichern. Er lächelte und kehrte zu Lassiter zurück. »Vor Jahren hat Harrison Cope bei den North Hunter Mills gearbeitet. Sie können sich vorstellen, wie es für zwei Männer war, die sich wie aus dem Gesicht geschnitten waren.« Er seufzte und sah auf die Zeichnung. »Cope hat später das Blue-Heaven-Casino am Skeleton Hill gekauft. Vor zwei Wochen ist er darin ermordet worden.«

»Wer war sein Mörder?«, fragte Lassiter und entnahm dem Kuvert den Papierstoß. Er schnürte das Bündel auf und blätterte die einzelnen Abschriften durch.

»Keiner hat den geringsten Verdacht.« Kailsbank stützte sich auf seinen Stock und sah Lassiter über die Schulter. »Man glaubt in Washington, dass ein Banditentrupp dahintersteckt. Der ›Midnight Star‹ ist aus dem Casino verschwunden.«

»Midnight Star?«

Kailsbank nickte und zog ein Blatt aus dem Stapel, das eine Auflistung von Dollarsummen und Namen erhielt. »Der ›Midnight Star‹ ist der größte blaue Diamant, den es in Amerika gibt. Siebenundsiebzig Karat und verteufelt gut geschliffen. Er war in eine Statue eingearbeitet, die im Blue Heaven aufgestellt war.« Er reichte Lassiter die Seite. »Sehen Sie... eine Handvoll frühere Besitzer und exorbitante Kaufpreise.«

Die einstigen Besitzer des Diamanten waren nach ihrer Familienzugehörigkeit aufgeführt. Sie vertraten die großen Industriellenfamilien des Landes; Carnegie und Vanderbilt waren vermerkt, darüber hinaus Finlayson und die Eisenbahnmogule Gould und Harriman. Der »Midnight Star« war wie ein Wanderpokal zwischen ihnen herumgereicht worden.

»Fast jeder hatte den Diamanten in den Händen.« Kailsbank stolzierte um Lassiter herum und redete weiter. »Manchmal wurde er an einem Abend gekauft und sogleich weiterverkauft. Er ist schön und ansehnlich, doch es heißt, dass er mit einem Fluch belegt sei.« Er verstummte kurz. »Niemand wollte ihn längere Zeit besitzen.«

Der letzte Vermerk auf dem Blatt lautete auf Harrison Cope.

Cope hatte den Diamanten vor fünf Jahren von einem Mann in Oregon gekauft, der ihn als Zierstein für eine Skulptur verwendet hatte, die eine hinduistische Göttin abbildete. Der Casinobesitzer hatte fast fünfzehntausend Dollar für die indische Göttin gezahlt, die ihm auf einem Fuhrwerk bis zum Casino an den Skeleton Hill gebracht worden war. Dem Lastgespann hatte der Fluch auf den achthundert Meilen, die es zurückgelegt hatte, fünf Achsbrüche beschert.

»Sie müssen den Mörder von Cope finden«, sagte Kailsbank mit abgewandtem Blick. »Der Diamant dürfte sich noch in dessen Besitz befinden. Er ist derart bekannt, dass ihn kein Juwelenhändler kaufen würde, dem sein Leben etwas lieb ist.«

Mit einem Gefühl des Zweifels schob Lassiter die Papiere in den Umschlag zurück. »Wollen Sie mir einreden, dass die sich die Brigade Sieben um einen Casinoeigentümer schert? Der Diamant... Es muss Washington um den Diamanten gehen.«

Der Mittelsmann widersprach nicht. »Sie sind ein gescheiter Mann, Mr. Lassiter. Sie verfügen über den rechten Sinn für solche Angelegenheiten.« Er wandte sich um und presste die Lippen zusammen. »Ich darf Ihnen nicht mehr darüber sagen, als ich es schon getan habe.«

»Sie kannten Cope.« Lassiter trat auf Kailsbank zu. »Weswegen ist er gestorben? Was hat es mit dem Diamanten auf sich?«

Kailsbank hob abwehrend die Hand und humpelte mit seinem Stock davon. »Ich darf Ihnen nichts dazu sagen. Ich muss zur Mühle zurück.« Er hielt für einen Moment inne. »Man erwartet mich zu einem Jubiläumstrunk. Mich... mich hat es gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Lassiter.«

Des Gefolge seiner Königlichen Hoheit setzte sich aus dreißig Lakaien, einem Küchenmeister, einigen Näherinnen und einem Zeremonienkommissar zusammen und hatte die blühende Mohave-Wüste in eine Zeltstadt verwandelt. Die Lakaien hatte etliche Zelte aufgeschlagen, in denen Schlafpritschen standen, daneben eines für die Feuerstelle und die Kochutensilien sowie zwei für den Prinzen selbst. Die Zeltplanen waren aus bunten und teuren Stoffen gefertigt, die Mrs. Mary Tilson ausnehmend gut gefielen.

Sie war im Sattel zum Camp des Prinzen gelangt.

Von der Eisenbahnstation in Truxton aus hatte ein Vertrauter des Prinzen Mrs. Tilson begleitet, ein schmächtiges Männchen, das in schlechtem Englisch betont hatte, wie oft es bereits in Amerika gewesen war. Der Ritt hatte drei Stunden in Anspruch genommen, und je weiter sie in die roséfarbenen Abroniawiesen vorgedrungen war, desto verzückter war die Texanerin gewesen.

Der Prinz hatte Mary in seinem Zelt erwartet.

Sein dunkler Teint, der sorgsam gestutzte und pomadisierte Bart, die wie aus Marmor geschlagene Augenpartie hatten Mary noch stärker in Bann gezogen als bei ihrer ersten Begegnung. Sie hatten über die Präsidentschaftswahlen gesprochen, über die schlechten, die guten Bewerber, und Prinz Sithanakan hatte sich keine Blöße gegeben, sobald das Gespräch auf die inneren Streitereien der Parteien gekommen war.

»Sie beeindrucken mich, Eure Hoheit«, sagte Mary und blinzelte in die Sonne. Sie hatten sich ein Stück von den Zelten entfernt und standen inmitten gelber Wüstenlilien. »Sie kennen die amerikanische Politik, als kämen Sie aus Washington D.C.«

Der Prinz lächelte und ging in die Knie. Er pflückte eine Lilienblüte, betrachtete sie und drehte sie zwischen den Fingern. »Man bewundert die Vereinigten Staaten von Amerika in Indien, Mrs. Tilson. Ich wuchs in einer Familie auf, die stets eine Auswanderung in Erwägung gezogen hatte.«

»Dennoch blieben Sie in Indien.« Mary trat umsichtig auf einen Stein im Blütenmeer. Sie wollte keines der Gewächse beschädigen, die ihrem Gesprächspartner solcherart am Herzen lagen. »Sie kommen einzig für die blühende Wüste über den Pazifik.«

»Nicht allein dafür«, meinte der Prinz und lächelte. Er streifte Mary mit einem scheuen Blick. »Es gibt durchaus noch andere Gründe, die mich nach Amerika führen. Die Blüten... Nun, ich schätze ihren Anblick in der Tat.« Er reichte Mary die Wüstenlilie. »Schauen Sie sich die Kelche an... Die Blätter, die samtige Haut... Die Blumen sind vollkommen.«

Geschmeichelt nahm Mary die Blume an sich und unterzog sie einer näheren Untersuchung. Sie entdeckte die Merkmale, die Prinz Sithanakan angesprochen hatte, doch sie fand, dass es banale Beobachtungen waren; die schlichte Poesie eines Mannes, der sich sonst kaum mit Schönheit befasste. Sie ließ die Blüte fallen und schlenderte auf den Prinzen zu.

Auf der Landwirtschaftsmesse von Austin hatte Sithanakan Mary nicht aus den Augen gelassen. Er war bei einem Pferderennen gewesen, das auch Marys Mann George besucht hatte, und ihr war es vorgekommen, als hätte er, als sie auf die Tribüne gekommen war, die pfeilschnellen Araber vergessen, die unten im Stadion ihre Runden gedreht hatten. Sie hatte sich von ihm angezogen gefühlt und George gebeten, sich für den Rest des Nachmittags allein auf der Messe umzusehen.

George hatte dieses Angebot nur zu gern angenommen.

Er war mürrisch geworden, seit man ihm die Belgar-Ranch genommen hatte und die Zahl seiner Viehbestände auf fünftausend Rinder geschrumpft war. Der Austin Herald hatte darüber geschrieben, die Denver Post ebenso, und es war eine Blamage für Marys Mann gewesen. Er hatte das gemeinsame Bett gemieden, und so hatte – fand Mary an diesem Messetag – Prinz Sithanakan die Strohwitwe leicht um den Fingern wickeln können.