Lassiter 2752 - Marthy J. Cannary - E-Book

Lassiter 2752 E-Book

Marthy J. Cannary

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Beschreibung

Zwei Morde geschahen jede Nacht in den Spielhöllen, Saloons und Bordellen von Frisco. Sie betrafen die Arbeiter aus den Eisenminen, die sich am Pokertisch in die Haare gerieten, die Minenbesitzer, die über ihre Anteile stritten, oder die Huren, die sich bestechen ließen, um gegen missliebige Kontrahenten zu intrigieren. Die Stadt war ein Vorhof zur Hölle. Das Gesetz lag damals in den Händen von Marshal Pearson. Der US-Marshal aus Pioche in Nevada war angeheuert worden, nachdem der Sheriff des Beaver County aus Furcht um sein Leben Frisco gemieden hatte. Noch vor seiner Ankunft hatte Pearson erklärt, dass er jeden Gesetzesbrecher, der ihm über den Weg liefe, töten würde, statt ihn ins Gefängnis zu bringen. Sechsmal hielt er in seiner ersten Nacht Wort ...


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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Zu Asche sollen sie werden

Vorschau

Impressum

Zu Asche sollen sie werden

von Marthy J. Cannary

Zwei Morde geschahen jede Nacht in den Spielhöllen, Saloons und Bordellen von Frisco. Sie betrafen die Arbeiter aus den Eisenminen, die sich am Pokertisch in die Haare gerieten, die Minenbesitzer, die über ihre Anteile stritten, oder die Huren, die sich bestechen ließen, um gegen missliebige Kontrahenten zu intrigieren. Die Stadt war ein Vorhof zur Hölle.

Das Gesetz lag damals in den Händen von Marshal Pearson. Der US-Marshal aus Pioche in Nevada war angeheuert worden, nachdem der Sheriff des Beaver County aus Furcht um sein Leben Frisco gemieden hatte. Noch vor seiner Ankunft hatte Pearson erklärt, dass er jeden Gesetzesbrecher, der ihm über den Weg liefe, töten würde, statt ihn ins Gefängnis zu bringen.

Sechsmal hielt er in seiner ersten Nacht Wort ...

Der beißende Rauchgeruch aus den Schmelzöfen und Kohlemeilern brachte die Männer um den Verstand. Sie husteten sich an diesem Abend die Lunge aus dem Leib. Einige hockten sich unter das Vordach von Mr. Slaughters General Store. Andere flüchteten sich ins Cape Luck und ins Frisco Land, in denen ihnen die rotgeschminkten Mädchen aus der Hand fraßen.

Der Minenarbeiter Jasper Hayes hatte anderes im Sinn.

Fast den ganzen gottverdammten Tag lang hatte er auf der Krankenbahre von Doc Johnson zugebracht. Er hatte dessen Elixier eingenommen, von dem es hieß, dass es ihn wieder auf die Beine bringen würde. Die Arznei hatte so übel geschmeckt, dass Hayes geglaubt hatte, Johnson hätte ihm gekochtes Rattenfell gebracht.

Geholfen hatte die Mühe nicht.

Das quälende Fieber saß Hayes in den Knochen, peinigte ihn mit jeder Stunde schlimmer. Die Glieder schmerzten ihm, sein Hals war zugeschwollen, seine Augen tränten und juckten. Er war ein verfluchter Kranker, der in Frisco noch weniger galt als ein Tagelöhner.

Bald musste Hayes zur Armenküche.

Er würde sich einreihen zwischen den alten Goldgräbern, die sich mit ihren Claims übernommen hatten, und bei den renitenten Minenarbeitern, die man rausgeworfen hatte. Er würde um Almosen betteln müssen, um einen Teller Suppe und eine frische Unterhose. Die Leute von der Horn-Silver-Mine würden vorbeikommen und über den zerlumpten Haufen am Suppentopf feixen.

Hayes hatte das Gleiche getan.

Noch vor einem Monat war er einer jener Kerle gewesen, die vor Kraft strotzten und bei Horn Silver gutes Geld verdienten. Er hatte seine Dollars im Saloon verspielt oder sich ein Mädchen gekauft, das ihm für einen Abend vorgegaukelt hatte, dass er ein Mann von Welt war. Kein schlechtes Leben hatte Hayes geführt.

Bis ihm das Fieber in den Leib gekrochen war.

Gleich zu Anfang hatte es sich mit einem leichten Frösteln angekündigt, über das Hayes und sein bester Freund Edward Sutton noch gescherzt hatten. Sie hatten sich gegenseitig damit aufgezogen, dass ihnen in den aufgeheizten Stollen kalt wurde. Sutton hatte sich breitbeinig vor ihn gestellt, einen fahrenlassen und ihn gefragt, ob es ihm immer noch zu kühl wäre.

Rasch war es danach ernst geworden.

Nach zwei Tagen hatte Sutton bei Doc Johnson im Zimmer gelegen, war von der Minengesellschaft gefeuert worden und hatte geklagt, dass ihm die Sicht verschwamm. Am nächsten Morgen war er tot gewesen. Er hatte mit weit aufgerissenen Augen neben seinem Bett gelegen.

Wenigstens das Leben hatte Hayes bisher retten können.

Er würgte den Husten herunter, klemmte das Brecheisen unter die Tür und hebelte daran. Das Holz gab knackend nach und barst am Schloss auseinander. Das geschliffene Eisen rutschte heraus und schlug Hayes gegen den Oberschenkel.

Der Minenarbeiter fluchte leise.

Das Grocery Store von John Rosenberg lag abgelegen am Stadtrand und verschwand des Öfteren im Qualm des nahen Schmelzofens. Von der Mainstreet und den meisten Bordellen aus war es zu diesen Zeiten höchstens als blasse Silhouette auszumachen. In der Stadt gab es kein Gebäude, das Hayes geeigneter für einen Einbruch vorgekommen wäre.

Er wollte kaum etwas stehlen.

Ein paar Dollars aus der Kasse, um Doc Johnson zu bezahlen, und ein paar Tinkturen gegen das Rheuma, das viele Männer in den Silberminen plagte. Hayes würde es unter der Hand verkaufen, bis er wieder gesund genug war, sich bei der Minengesellschaft vorzustellen.

Drinnen war es stockduster.

Der Besitzer John Rosenberg war ein Deutscher, der es mit der Ordnung genau nahm und jeden Abend die Jalousien an den Schaufenstern schloss. Er räumte die Auslagen herein, was Hayes vom gegenüberliegenden Saloon aus beobachtet hatte, und schloss die Tür mit einem großen Schlüsselbund ab. Die Tageseinnahmen schien er fast eine ganze Woche lang in der Kasse zu belassen.

Steif tastete sich Hayes an der Wand entlang.

Er drückte sich mit dem Rücken an den hervorstehenden Schmucksäulen vorbei, die Rosenberg von einem mormonischen Handwerker hatte anfertigen lassen, und erblickte die Messingkasse im Laden. Die Schublade daran war mit einem Vorhängeschloss gesichert.

Abermals setzte Hayes das Brecheisen an.

Er bog den Bügel des Schlosses ein Stück auseinander, als er in der Schwärze eine Gestalt bemerkte. Sie stand fünf Yards von ihm entfernt an einer Vitrine, in der Rosenberg verschiedene Lampenöle aufbewahrte.

»Keine Bewegung«, sagte eine Stimme düster. »Oder ich pumpe dich voll Blei.«

Jäh fuhr Hayes zusammen und ließ das Brecheisen fallen. Er kniff die Augen zusammen und starrte auf den Unbekannten, der langsamen Schrittes auf ihn zukam.

Es war Marshal Pearson.

Der Gesetzeshüter aus Pioche in Nevada war erst seit ein paar Wochen in Frisco und galt als unerbittlicher Verteidiger des Gesetzes. Sechs Männer hatte er in seiner ersten Nacht getötet. Hayes fürchtete, dass er deren Schicksal teilen würde.

»Sir«, flüsterte Hayes und entfernte sich von der Kasse »Ich bin krank ... Ich bin schwerkrank. Ich musste ... Ich brauche ein paar Dollars.«

»Gibt dir Krankheit das Recht zu stehlen?«, fragte Pearson und trat in den schmalen Streifen Mondlicht, der durch die offene Hintertür hereindrang. Er war ein kräftiger Mann mit grauem Schnurrbart und dichten Brauen. »Gestattet uns die Ungerechtigkeit, selbst Unrecht zu tun?«

Der strafende Tonfall des Marshals versetzte Hayes in Furcht. Er spürte ein Zittern in den Beinen und wich vor Pearson weiter zurück. »Bitte, Sir ... Ich flehe Sie an ... Ich hätte Mr. Rosenberg nicht viel geraubt. Nur das Nötige ... Nur das Nötige zum Leben.«

»Du bist ein Dieb«, sagte Pearson und kniff die Lippen zusammen. »Ich muss diejenigen außer Gefecht setzen, die in Frisco Missetaten begehen. Zu diesem Zweck hat man mich gewählt und eingesetzt.«

»Aber Sir!«, bettelte Hayes und hob beide Hände. »Ich komme mit Ihnen! Sie müssen mich nicht –«

»Sei still.« Pearson wies mit dem Colt zur Theke. »Geh darüber. Ich will nicht, dass Rosenberg das Blut von der Kasse waschen muss.« Er lächelte schmal. »Ich werde dich umlegen, Jasper Hayes.«

Bei diesen Worten begriff Hayes, dass er sich um sein Fieber nicht mehr sorgen musste. Er würde in diesem Grocery Store den Tod finden, wie die Mörder und Störenfriede auf der Mainstreet den Tod gefunden hatte, die Marshal Pearson aufgespürt hatte. »Bitte, Sir, ich gehe zu Ihnen ins Jail. Ihnen wird kein Ärger durch mich drohen.«

»Dafür werde ich sorgen, Jasper«, entgegnete Pearson. »Die Rechnung ist einfach. Ich stelle der Stadt für jeden Toten ein Kopfgeld in Rechnung.« Er schritt an der Theke entlang, den Revolver stets auf Hayes gerichtet. »Ich wüsste nicht, weshalb ich dich verschonen sollte?«

Hayes wusste nichts darauf zu sagen.

Der Mann im seidengefütterten Gehrock aus Kammgarn schritt forschen Schrittes an der Pferdebahn entlang und winkte dem Schaffner zu. Er wollte um jeden Preis zusteigen, obgleich das Gespann den letzten Halt bereits verlassen hatte. Der Schaffner schüttelte energisch den Kopf und geriet ins Lamentieren, als der gutgekleidete Herr dennoch an Bord kam.

Auf der hintersten Sitzbank unterdrückte Lassiter ein Lächeln.

Das Hauptquartier hatte ihm den hinzugekommenen Passagier als eigenwillige Persönlichkeit beschrieben, die sich in ihrem ganzen Leben kaum je an eine Konvention gehalten hatte. Die Episode mit dem Schaffner bestätigte die Einschätzung der Brigade Sieben.

Jay Cooke war ein Mann des Abenteuers.

Geboren in Ohio, hatte er sich einen Namen als Inhaber des Bankhauses Jay Cooke & Company gemacht, war im Bürgerkrieg an der Finanzierung etlicher Militärausgaben für die Unionsstaaten beteiligt gewesen und hatte sich am Bau der Northern Pacific Railway versucht. Durch letzteres Unterfangen war Cooke beinahe in den Bankrott geraten. Er hatte sein Vermögen daraufhin konsolidiert, indem er in eine Silbermine investiert hatte.

»Himmel aber auch!«, sagte Cooke und ließ sich neben Lassiter auf die Sitzbank fallen. Er hatte offensichtlich keinen Zweifel, dass er neben seinem Kontaktmann zur Regierung Platz nahm. »Ich hätte mich mit Ihnen am Potomac verabreden sollen. Die Pferdebahn ist ein Ärgernis, das bald durch eine Dampfeisenbahn abgelöst gehört. Wie man hört, gibt es derzeit Pläne in New York, eine Art Untergrundbahn zu errichten.«

Die Pferdebahn bog in eine ruhige Avenue ab, in der sie ihr gemächlich Tempo beibehielt, ohne durch querende Droschken und Kaleschen gestört zu werden. Die anderen Fahrgäste stiegen nach und nach aus, wodurch Lassiter und Cooke Gelegenheit zu einem längeren Gespräch erhielten.

»Sir«, sagte Lassiter und musterte Cooke von der Seite. »Sie sind bei meinen Vorgesetzten bekannt wie ein bunter Hund. Ich muss Sie zu Ihrer Bekanntheit beglückwünschen.«

»Die Bekanntheit ist ein Graus«, sagte Cooke und winkte ab. »An keinem Bahnhof können Sie stehen, ohne dass Sie eine Horde speichelleckerischer Lakaien begleitet. Ich wünschte, ich wäre in Ihrem Beruf, Mr. Lassiter. Die Verschwiegenheit hat ihre Vorteile.«

Der Mann der Brigade Sieben lächelte über Cookes Einsicht. »Zunächst einmal ist sie unabdingbar. Ich schätze es durchaus, im Verborgenen zu arbeiten.«

Der Geschäftsmann nickte mit gewichtiger Miene. »Die Diskretion wird für meine Bitte vonnöten sein. Die ›Vorgesetzten‹, wie Sie die Vertreter Ihrer Geheimorganisation nennen, baten mich um ein Treffen mit Ihnen.«

»Worum geht es?« Lassiter richtete den Blick auf adretten Häuschen, die sich an der Avenue aufreihten. Die Hauptstadt war kein Pflaster für Farmer und Rancher. »Ich hoffe, ich kann Ihnen von Nutzen sein.«

Ohne Umschweife legte Cooke ihm dar, dass er im Interesse seines einstigen Besitzes, der Silbermine Horn-Silver-Mine, nach Washington gekommen sei. Er betonte, dass es ihm nicht um ein finanzielles Interesse ginge.

»Schwer zu glauben«, meinte Lassiter und beugte sich zu Cooke herüber. »Sie sind ein Geschäftsmann, Mr. Cook. Jeder wird umgehend annehmen, dass Sie Profit erwirtschaften wollen. Ich schätze, dass man deshalb so rasch mit einem Treffen einverstanden war.« Er hob die Brauen. »Man will wissen, mit wem man es zu tun hat.«

Jäh riss Cooke die rechte Hand in die Höhe. »Ich schwöre es, Mr. Lassiter. Ich schwöre, dass es mir nicht um Profit geht.« Er nahm den Arm wieder herunter und schlug den Blick nieder. »Auch ich werde älter und beginne nachzudenken. Das Geld ... Ich hatte zu viel und zu wenig davon. Vor etwas mehr als zehn Jahren hat man mich als den reichsten Amerikaner bezeichnet.«

Die Schlagzeilen der damaligen Wochenzeitungen hatte die Brigade Sieben Lassiter bereits per Eilkurier geschickt. Die Beiträge waren voller Huldigungen gegenüber dem »Genius von Jay Cooke« gewesen.

»Drei Jahre später war ich pleite«, sagte Cooke dazu lapidar. »Der französisch-preußische Krieg in Europa, die Panik von 1873. Ich war erledigt. Mit dem ›Genius‹ wollte niemand mehr arbeiten.«

Die Pferdebahn nahm Anlauf für einen kleinen Hügel und rollte quietschend und knirschend auf den Sand gefüllten Geleisen dahin. Lassiter hielt sich fest und wandte sich Cooke ganz zu. »Ich glaube Ihnen, Sir. Weshalb sind Sie zu uns gekommen?«

»Irgendjemand bei der Horn-Silver-Mine ist korrupt.« Cooke sprach das Wort mit aller Verachtung aus. »Er lässt sich von einigen anderen Männern in Frisco bestechen und setzt das Leben sämtlicher Minenarbeiter aufs Spiel. Man hat mir zugetragen, dass einige Stollen schlecht abgesichert seien und die Männer oft über Tage unter der Erde blieben.«

»Gibt es Beweise dafür?«, fragte Lassiter. »Oder verlassen Sie sich nur auf einen einzigen Mann.«

»Es ist ein guter Mann«, setzte sich Cooke zur Wehr. »Ich vertraue ihm. Er hat fast zehn Jahre für mich gearbeitet und ist bei der Horn-Silver-Mine geblieben. Er hat mich nahezu angefleht, dass ich meinen Einfluss gelten mache.«

Der verzweifelte Appell, den ein Angestellter der Horn-Silver-Mine verfasst hatte, war auch dem Hauptquartier der Brigade Sieben zugegangen. Er bestand im Wesentlichen aus Anschuldigungen gegen die derzeitigen Besitzer der Silbermine und entsprach den Aussagen, die Cooke genauso traf.

»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte Lassiter. »Man wird mich nach diesem Treffen gewiss nach Utah entsenden. Ich könnte diesen Mann ausfindig machen.«

»Er ist gefährlich«, sagte Cooke mit ernster Miene. »Ein äußerst gefährlicher Mann, wenn ich es hinzufügen darf. Er steht mit dem derzeitigen Marshal von Frisco im Bunde, der den Ruf hat, mit äußerster Brutalität gegen Verbrechen vorzugehen. Die Toten in der Stadt sind kaum noch zu zählen.«

Lassiter wurde ungeduldig. »Ich brauche mehr als einen Verdacht. Sie müssen mir den Namen des Mannes nennen, den Sie im Verdacht haben.«

Cookes Miene verdunkelte sich. »Ich hatte befürchtet, dass es dazu kommen würde. Er ist ein Freund von mir. Ein ehemaliger Freund, möchte ich sagen.« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Sein Name ist Fred Grogan. Sie müssten ihn an seiner langen, ungepflegten Mähne erkennen. Er hat sich nie gern frisieren lassen.«

Allmählich näherte sich die Pferdebahn ihrer Endstation, an der Cooke und Lassiter das Gespann verlassen mussten. Sie beeilten sich damit, die notwendigen Absprachen zu treffen.

»Einen Empfehlungsbrief«, sagte Cooke zu. »Ich schreibe Ihnen einen Empfehlungsbrief, der sie zum Silberprospektor erklärt. Man wird Ihnen freie Hand auf den Claims und dem Gelände der Horn-Silver-Mine lassen.«

Der »Fleischwagen« war ein mit klapprigen Eseln bespanntes Fuhrwerk, das jeden Morgen durch die Mainstreet von Frisco ratterte und die Toten abtransportierte, die auf das Konto von Marshal Pearson gingen. Auf dem Kutschbock saß der alte John Creylow, den es nicht juckte, sich die blutverschmierten Leichname über die Schulter zu werfen.

Dagegen hielt Milly Harlow ihrer Tochter die Augen zu.

Sie stand mit Samantha am Fenster der kleinen Kammer, die sie im Grand-Imperial-Saloon besaß und verdeutliche dem Mädchen, dass es auf Gerechtigkeit im Leben nicht hoffen dürfe. Denselben Vortrag hatte sie »Sammy«, wie das Kind von den meisten gerufen wurde, schon ein Dutzend Mal gehalten.

»Ich weiß, Mama«, sagte Sammy und blickte ihrer Mutter an. Sie hatte Milly schön geschwungene Augen geerbt, was in ein paar Jahren ein Problem sein würde, blieben sie in Frisco. »Du erzählst mir immer das Gleiche. Ich habe aber keine Angst davor.«

Fast wären Milly angesichts dieser weisen Worte des Kindes die Tränen in die Augen geschossen. Sie mühte sich redlich, Samantha das sündige Gewerbe zu verschweigen, dem sie unten im Grand-Imperial nachging. Bis vor ein paar Tagen hatte Sammy nicht gewusst, dass Milly sich mit betrunkenen Minenarbeitern traf, statt bloß die Drinks zu servieren.

»Wein doch nicht!«, sagte Sammy und nahm ihre Mutter in die Arme. Ein banger Zug erschien auf ihrem blassen Gesicht. »Ich hab doch nichts Schlechtes gesagt, Mutter? Oder habe ich etwas Schlechtes gesagt?«

Rasch verneinte Milly mit einem Kopfschütteln.

Manchmal kam es ihr vor, als ertrüge Samantha das Leben in Frisco deutlich leichter als sie. Das Kind sprang am Tage auf der Mainstreet herum, drückte sich zwischen den Horden staubiger Minenleute hindurch, die zur Arbeit in die San Francisco Mountains strömten, und hatte ein anderes Mädchen gefunden, mit dem es sich bei den Schmelzöfen herumtrieb oder hinüber zur Coyote Spring marschierte.

Von Frisco ließ sich Samantha jedenfalls nicht stören.

Der furchtbare Ruf der Stadt, in der jede Nacht ein oder zwei Morde geschahen, die über zwanzig Saloons, Spielhöllen und Bordelle, die sechstausend Menschen in der Gegend, sie hielten Samantha kaum davon ab, ein Kind wie jedes andere zu sein.

Eigentlich hatte Milly sich daran ein Beispiel nehmen wollen.