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Die Treibjagden in den Wäldern am Coeur-d'Alene-See hatten Mary Stratton zu "Bloody Mary" gemacht. Die zierliche Frau aus Minnesota ritt stets an vorderster Linie, fast gleichauf mit der Meute hechelnder Hunde, die Gabelböcke, Weißwedelhirsche und Schwarzwild aus dem Unterholz trieb. Die Schüsse und der Gestank des Pulverrauchs schreckten Mary nicht, sondern nährten den Blutdurst, der sie beim Klang der Parforcehörner befiel. Der Coeur d'Alene Inquirer schrieb einmal, dass Miss Stratton jegliche weibliche Sittlichkeit vermissen lasse und den Hirschen die Geweihe vom Haupt schneide. Das Hartgesottene dieser Frau, so der Inquirer weiter, schüchtere die Scharen schwitzender, rechtschaffener Männer ein, die in den Bergen nach Gold gruben. Wenige ahnten zu dieser Zeit, dass Bloody Mary Stratton noch aus anderen Gründen zu fürchten war ...
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Bloody Mary kehrt zurück
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Impressum
Bloody Mary kehrt zurück
von Marthy J. Cannary
Die Treibjagden in den Wäldern am Coeur-d'Alene-See hatten Mary Stratton zu »Bloody Mary« gemacht. Die zierliche Frau aus Minnesota ritt stets an vorderster Linie, fast gleichauf mit der Meute hechelnder Hunde, die Gabelböcke, Weißwedelhirsche und Schwarzwild aus dem Unterholz trieb. Die Schüsse und der Gestank des Pulverrauchs schreckten Mary nicht, sondern nährten den Blutdurst, der sie beim Klang der Parforcehörner befiel. Der Coeur d'Alene Inquirer schrieb einmal, dass Miss Stratton jegliche weibliche Sittlichkeit vermissen lasse und den Hirschen die Geweihe vom Haupt schneide. Das Hartgesottene dieser Frau, so der Inquirer weiter, schüchtere die Scharen schwitzender, rechtschaffener Männer ein, die in den Bergen nach Gold gruben. Wenige ahnten zu dieser Zeit, dass Bloody Mary Stratton noch aus anderen Gründen zu fürchten war...
Coeur-d'Alene-See, nahe der alten Jesuitenmission, ein Jahr zuvor
Die ersten Goldschürfer erschienen 1867 in den Coeur d'Alene Mountains, jener dicht bewaldeten Bergkette im Nordwesten der Bitterroot Range. Die Männer gruben eine Handvoll Nuggets aus, von der sie jedermann erzählten, doch die Stätte ihres Glücks lag zu abgelegen, um Gleichgesinnte von den ertragreichen Claims im Montana-Territorium fortzulocken. Erst im Herbst des Jahres 1882 schaffte es ein Kerl namens Pritchard, ein paar Gefährten von den Goldadern in den Bergen zu überzeugen.
»Pritchard?«, fragte Mary und lehnte den Kopf an Mooneys Schulter. »Wie der Pritchard's Creek?«
Edward Mooney streckte die Füße zum Feuer aus und nickte. »Das verdammte Tal ist nach Pritchard benannt. Er ging damals nach Bozeman und Deer's Lodge, stellte 'ne Compagnie zusammen. Sie stiegen die Schlucht in zwölf Fuß tiefem Schnee rauf.« Er lachte glucksend. »Hab gehört, dass sie Pritchard aufhängen wollten! Aber er ist lebendig wie 'ne Nachtigall im Frühling! Hab ihn erst kürzlich rumlaufen sehen!«
Die junge Frau neben Mooney wandte den Blick zu ihm und setzte eine fragende Miene auf. Sie nestelte an der schmalen Hirschhornkette, die um ihren Hals baumelte. »Du willst jeden schon gesehen haben, Eddie. Ich glaub' dir nichts. Du müsstest nicht im Dreck scharren, wärest du bekannt wie ein bunter Hund.«
Hinter dem Feuer lag Eddies Grabhacke im Schlamm.
Das Werkzeug hatte ihm gute Dienste geleistet, war jedoch am Griff bis zu dem kleinen Astloch unter dem Stahlblatt gesplittert. Eddie hatte einen verfilzten Baststrick und etliche Lumpen um das Holz gewickelt; ein klägliches Provisorium, das er nach jeder Stunde Arbeit aufs Neue festschnüren musste. Es war eine Schinderei. Die hauchdünnen Goldnuggets, die auf seinem Claim zu finden waren, hatten gerade für eine Wochenration Graupen und Bohnen gereicht.
»Jeden kenn' ich«, sagte Eddie großspurig. »Jeden von Rang und Namen, Kleines. Ich werd' ein großes Ding machen, werd' Pritchards Gold aus dem Berg holen. Ich werd' ein reicher Mann, Mary... Reich wie Krösus.«
Das Jagdhaus von Marys Vater stand am Coeur-d'Alene-See und maß knapp zweihundert Fuß in der Länge und sechzig in der Breite. Die Leute nannten es Palast, so prächtig thronte es am Ufer, mit seinem schindelgedeckten Satteldach und der vornehmen weißen Veranda davor. Es entsprach einem angesehenen Senator, wie es Benjamin Stratton war, der einen Großteil des Jahres in Washington D.C. weilte und die übrige Zeit in der Wildnis von Idaho verbrachte.
»Krösus war ein König«, sagte Mary und schürzte die Lippen. Sie war Strattons jüngste Tochter und das einzige Kind, das ihm nach dem frühen Tod seiner ersten Frau vergönnt gewesen war. »Du bist bloß ein Goldgräber, Eddie. Ein armer Schlucker, wenn du so willst... Aber ich werd' dir ein paar Dollars geben.« Sie griff in die Rocktasche und zog einen Schuldschein daraus hervor. »Hundert bekommst du gleich, zweimal hundert in einer Woche. Aber ich will sie zurück! Eines Tages! Wenn du Kapital besitzt!«
Die Haarsträhnen seiner Geliebten streiften Eddies Wange, als Mary ihm das Geld auf die Hand zählte. Der Goldgräber genoss die Nähe dieser schönen Frau, die sich aus unbegreiflichen Gründen für ihn interessierte. Er hatte Dutzende Male mit Mary geschlafen, hatte sie gepackt und auf die Pritsche im Zelt geworfen, sie mit der Hand zwischen den Beinen liebkost, bis sie die Augen geschlossen und gestöhnt hatte.
»Hundert«, sagte Mary und strahlte ihn an. »Ich glaube an dich, Eddie. Ich glaube daran, dass du einst eine Goldmine besitzen und man am Coeur d'Alene deinen Namen mit Ehrfurcht aussprechen wird.«
Sie rekelte sich in seinen Armen wie ein Kitz, das die Nähe der Mutterkuh suchte, und Eddie hielt Mary fest und erklärte ihr, wie es um das Goldgeschäft am Coeur-d'Alene-See seines Erachtens stand. Er wusste, dass sie ihm an Geisteskraft überlegen war und seinen Worten bloß aus Verliebtheit lauschte. »Fünfzig Claims brauchen wir noch für Raven drüben. Sie müssen das Gestein mit 'nem Schlitten runter zum Fluss bringen. Ein paar Hände mehr könnten es ändern, weißt du?«
Mittlerweile stand Eddie mit fünfhundert Dollar bei Mary in der Kreide, und er würde weitere fünfhundert brauchen, sollte er auf seinem Claim eine Ader finden, die sich auszubeuten lohnte. Er musste einen Esel anschaffen, mit dem er die Schlucht trockenlegen konnte, und die Baumstümpfe mussten weg und die verrotteten Stämme von Murray, seinem Vorgänger.
»Ich werd' dir die Hälfte meiner Ersparnisse geben.« Mary schob ihm die Hand zwischen die Beine und drückte sacht zu. »Ich weiß nicht, wofür ich das Geld brauchen könnte. Vater ist erst im Herbst von der Ostküste zurück. Er wird nicht danach fragen.« Sie griff nach seinem Hosenknopf und drückte ihn durch das Knopfloch. »Aber du weißt, was du damit anstellst, nicht?«
Eddie stöhnte und fasste mit Hand in Marys Haar. »Ich... ich weiß, dass du mich glücklich machst, Mary. Hör nicht auf... Ich hüte dein Geld, bis ich's brauche. Ich werd' die Mine nach dir benennen... Mary's Lode... Wie klingt das? Oder Mary's Own Claim?«
»Nenn sie, wie du magst!«, flüsterte Mary und beugte sich in seinen Schritt hinunter. Sie blies ihn eine Weile und schaute wieder zu ihm auf. »Aber Mary's sollt's schon sein? Nicht dass diese Lydia aus Dream Gulch sich Hoffnungen macht!«
✰
Washington D.C., zwölf Monate später
Die Pferdebahnen von Washington D.C. ratterten so penetrant laut durch ihre Geleise, dass Lassiter die ganze Nacht kein Auge zubekommen hatte. Er saß in seinem Zimmer im Berckley Inn, rieb sich die schmerzende Stirn und zahlte dem Mädchen, das ihm in der Nacht Gesellschaft geleistet hatte, den vereinbarten Preis aus. Es war eine Schwarze aus der Dumpshire Road, die sich ihm angeboten hatte, als er von Union Station gekommen war.
»Oft in der Hauptstadt?«, fragte Becky und zündete sich einen Zigarillo an. Sie stand am Fenster, zog das nachlässig übergeworfene Kleid zurecht und rauchte eine Weile. »Komme nicht oft an Kerle wie dich. Die meisten Weißen in der Straße sind schmerbäuchige Greise.« Sie nahm einen Zug und blies den Rauch in die Morgenluft hinaus. »Aber ich will nicht klagen. Immerhin gibt's Arbeit für die Armen aus dem Süden.«
Sie steckte die Dollars ohne jede Rührung ein, hauchte Lassiter einen Kuss auf die Wange und verriet ihm, dass sie seinetwegen angeheuert worden war. »Ich wäre auf der Hut, mein Guter. Gibt ein paar Leute dort draußen, die es auf dich abgesehen haben!«
Den Grund für ihre letzte Bemerkung blieb Becky ihm schuldig. Sie griff nach ihrer Tasche, stolzierte hoch erhobenen Hauptes aus dem Zimmer und stieg die Treppe ins Untergeschoss hinunter. Der Rezeptionist grüßte sie erstaunt und klimperte mit seinem Schlüsselbund.
Lassiter sank ins Bett zurück.
Er starrte auf die Deckenbalken, kratzte sich an der Schläfe und grübelte, ob Feltham und seine Männer die Hure angeworben hatten. Er hatte Gregory Feltham, den betrügerischer Eisenbahnmagnat und Finanzier einer Söldnerwehr, gerade hinter Gitter gebracht. Die Geschäftsleute, die an Felthams Eskapaden verdient hatten, waren nicht gut auf den Mann der Brigade Sieben zu sprechen.
Ein Klopfen an der Tür riss Lassiter aus seinen Gedanken.
Er stand auf, zog den Remington aus dem Holster, spannte die Waffe und postierte sich neben der Tür. Eine tiefe Stimme sagte die vereinbarte Parole des Hauptquartiers auf. »Ich bin aus Ohio gekommen. Ich wollte den Ozeandampfer nach Spanien besteigen.«
Erleichtert senkte Lassiter die Waffe und ließ den kleingewachsenen Mittelsmann ein, den das Hauptquartier zu ihm gesandt hatte. Der Mann stellte sich ihm als Humphrey Owlson vor und roch Beckys Parfum in der Luft. »Rosenblüten... Ich irre mich nie. Die Damen des ewigen Gewerbes haben ihre Gewohnheiten. Und Sie... Sie sind dem sündigen Geschöpf auf den Leim gegangen.«
»Becky hat mich gewarnt«, erwiderte Lassiter und setzte sich wieder. Er bot dem Mittelsmann den Stuhl gegenüber am Tisch an. »Sie sagte mir, dass Feltham hinter der ganzen Sache steckt. Er dürfte gehörigen Hass auf mich haben.«
»Feltham hat getobt«, bestätigte ihm Owlson mit einem Lächeln. »Er wäre nie ins Zuchthaus gegangen, wäre der Bastard vom Justizministerium nicht gewesen. Er meinte Sie damit.« Er lächelte erneut. »Ich bin geehrt, dass ich Ihnen den nächsten Auftrag verkünden darf. Sie müssen umgehend nach Idaho reisen.«
Das Idaho-Territorium hatte zuletzt mit einem Goldrausch von sich reden gemacht, der Hunderte in die rauen Gebirgsausläufer westlich der Rocky Mountains gelockt hatte. Die Wochenzeitungen hatten sich mit Versprechungen gegenseitig überboten, und so mancher war den verführerischen Lockrufen erlegen.
Owlson zog ein Kuvert unter der Jacke hervor. »Miss Mary Stratton ist die Person, an der wir interessiert sind. Sie ist die Tochter von Senator Benjamin Stratton.« Er hielt inne. »Sie kennen ihn?«
Mit einem Kopfschütteln riss Lassiter das Kuvert auf und zog den Stoß Dokumente hervor, der sich darin befand. Auf den Papieren lag eine Kohlezeichnung, die eine junge Frau mit wallendem Haar zeigte. Sie war hübsch und schaute sinnend in die Ferne. »Er kämpft für das Idaho-Territorium im Senat. Ich bin ihm noch nie begegnet.«
»Ein aufrechter und guter Mann«, sagte Owlson. »Er hat sich an die Brigade Sieben gewandt und bittet uns, Miss Stratton unter größter Diskretion in Idaho festzusetzen. Er befürchtet, dass seine Tochter sich eines Verbrechens schuldig machen wird, das ihre und seine Reputation auf das Höchste beschädigen wird.«
Unter der Zeichnung reihte sich ein Informantenbericht an den nächsten. Die Protokolle waren teils in Butte, Idaho, teils in Washington gefertigt worden und beschrieben den sich durch mehrere Täler erstreckenden Coeur-d'Alene-See, an dessen Ufer das Jagdhaus von Benjamin Stratton stand. Lassiter zog einen der Berichte heraus und las darin. »Ich soll Strattons Tochter entführen? Weshalb holt er sie nicht selbst zurück?«
»Stratton ist fast das ganze Jahr in Washington D.C.«, lautete Owlsons Antwort. »Er findet keine Zeit, sich um seine Tochter zu kümmern. Seine Frau scheut die ungezähmte Natur von Idaho.«
»Bloody Mary«, las Lassiter aus dem Bericht vor. »Man spricht von Strattons Tochter nicht gerade schmeichelhaft.«
Der Mittelsmann gab ihm recht. »Stratton hat dem Mädchen die Jagd beigebracht. Wie es manchmal kommt, hat Miss Stratton großen Gefallen daran gefunden. Sie lässt Parforcejagden ausrichten und ist nicht zimperlich mit den geschossenen Tieren, wie man hört. Sie soll einem Hirsch das Fell abgezogen haben.« Er ließ eine längere Pause. »Die Goldgräber in der Gegend fürchten sich vor ihr und ihrer Rachsucht.«
»Rachsucht?« Lassiter schaute von den Berichten auf. »Was meinen Sie?«
Owlson beugte sich auf dem Stuhl nach vorn und nahm einen tiefen Atemzug. »Miss Stratton hatte eine Amour fou mit einem Edward Mooney, einem Goldsucher aus Pennsylvania, der sie um ihr halbes Vermögen gebracht haben soll. Sie ist außer sich vor Zorn und hat jedem Rache geschworen, der Mooney geholfen hat.«
»Mr. Stratton wird nicht erfreut sein«, sagte Lassiter und blätterte wieder in den Berichten. »Er sollte seine Tochter zur Räson rufen.«
»Die Angelegenheit ist delikat.« Owlson schüttelte langsam den Kopf. »Stratton ist ein entschiedener Gegner des Goldgräbertums. Er hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, sein Gesetz gegen das grassierende Glücksrittertum. Sollte sich herausstellen, dass seine eigene Tochter sich auf Goldgeschäfte eingelassen hat, wäre sein Ruf hinüber.«
»Nicht nur sein Ruf.« Lassiter schob die Berichte in den Umschlag zurück. »Auch der Ruf seiner Familie und seiner Tochter. Ich muss mit größter Vorsicht vorgehen. Stratton hat die Brigade Sieben vermutlich auf geheimem Weg verständigt.«
»Über das Justizministerium«, bejahte Owlson nickend. »Die Mission für Idaho ist vom Minister selbst angewiesen worden. Er kennt Stratton schon seit Jugendtagen.« Der Mittelsmann erhob sich. »Der Minister hat sich für Sie als Agenten ausgesprochen, Mr. Lassiter.«
✰
Über dem morgendlichen Coeur-d'Alene-See lag jene erhabene Stille, die Peter C. Sorenson an seine norwegische Heimat erinnerte. Die Wipfel der Zedernwälder am Ufer regten sich kaum, das Wasser war von blassgrüner Farbe, hin und wieder kräuselte ein Windstoß die spiegelglatte Fläche. Bis zum Südufer waren es dreißig Meilen, die an Dutzenden verwaister Buchten vorüberführten, bevor der See sich weitete und der Mündung des St. Joseph's River entgegenstrebte.
Die Amelia Wheaton bewältigte die Strecke in vier Stunden.
Der Heckraddampfer war ein treues Ungetüm von hundert Fuß Länge, das immerhin auf zwei Decks und ein Zwillingsaggregat kam, den See dreimal in der Woche befuhr und Sorensons ganzer Stolz war. Er hatte das Dampfboot für die US-Army konstruiert, die Stahlplatten beschafft, aus denen man den Rumpf zusammengenietet hatte, und das Holz für die Deckplanken schlagen lassen. Sorenson hatte sich eines Bauplanes bedient, der noch aus Norwegen stammte, und Kommandeur Wheaton war höchst zufrieden mit der Arbeit gewesen.
Sie hatten das Boot nach Wheatons Tochter Amelia benannt.
»Sir?«
Auf dem Zwischendeck stand Sorensons Steuermann William J. Applebee, ein hagerer Gefreiter, der vierzehn Jahre bei der Navy gewesen war, bevor man ihn an den Coeur-d'Alene-See abkommandiert hatte. Er kannte die Launen der Amelia Wheaton, brachte mit ihr jede Woche das Futter für die Kavalleriepferde hinauf ins Fort und navigierte auf dem St. Joseph's River mit solch schlafwandlerischer Sicherheit, dass Sorenson bereits erwogen hatte, ihm das Kommando über den Dampfer gänzlich anzuvertrauen.
»Bill«, sagte Sorenson erfreut und trat aus dem Steuerhaus. »Ich fürchtete bereits, ich würde Sie an diesem Morgen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die Ausrüstung für Mullan wird bald an der Mission sein. Wir brauchen die zweite Maschine zurück.«
Die Steuerbordmaschine war in der vergangenen Nacht ausgefallen, als sie die Amelia Wheaton an ihren Liegeplatz manövriert hatten. Aus dem Kolben war schlohweißer Dampf gezischt, hatte sich unter dem Sonnendach gesammelt und Applebee den Schweiß ins Gesicht getrieben. Der Steuermann hatte die Nacht im Maschinenraum zugebracht.
»Sie läuft leidlich«, sagte Applebee und stieg die Stufen zum Steuerhaus hinauf. Er war müde und hielt sich am Geländer fest. »Ich brauche noch eine Stunde mit Hank. Er wird den Zylinder ausschleifen und mit Öl auspinseln. Ich weiß mir sonst nicht zu helfen.«
Neben den Futtertrögen fuhren sie die Heuballen, die sich an der alten Sacred-Heart-Mission in St. Maries einfanden, und die Getreidetonnen, die überall in den Goldgräbersiedlungen gebraucht wurden. Sie übernahmen die Fracht der hoffnungsfrohen Goldsucher, die von Spokane Falls herüberkamen und schon hinter dem Fort auf ihre melancholischen Schicksalsgenossen trafen, die von den Claims zurückkehrten, verhärmt und um ihren letzten Besitz gebracht.
Sorenson machte Applebee im Steuerhaus Platz. »Ich vertraue dir in dieser Angelegenheit, Bill. Wenn du noch eine Stunde brauchst, sollst du sie bekommen. Ich will nur einen Passagier aufnehmen, der uns am Sacred Heart erwartet.«
»Passagier?« Der Steuermann rieb sich das rechte Auge und gähnte. »Will jemand den Coeur d'Alene River hinunter? Wer ist es?«
Vor zwei Tagen hatte Sorenson durch Kommandeur Frank Wheaton erfahren, dass ein Gast besonderen Ranges aus Washington D.C. erwartet werde. Er hatte den Kapitän der Amelia Wheaton gebeten, den Fremden ungeachtet des Fahrplanes an der Alten Mission aufzunehmen. »Ich weiß nichts über ihn. Er will hinauf in die Goldgräbergebiete. Ich erledige nur meine Pflicht, was diesen Mann betrifft.«
✰
Nach Stunden bangen Wartens sprang die zweite Maschine an.
Die schweren Heckschaufeln der Amelia Wheaton verschwanden im schäumenden Wasser und brachten das Dampfboot rasch auf acht Koten Geschwindigkeit. Applebee hielt auf den Coeur d'Alene River zu, jenen mit Nebenarmen und kleineren Seen gespickten Flussstrom, auf dessen ersten fünfundzwanzig Meilen sich Sorenson auskannte wie auf keinem anderen Gewässer im Idaho-Territorium.