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Hinter dem Ladon River begannen die Hartings-Wälder, die sich bis hinauf ins Montana-Territorium zogen und reich an prächtigen Murraykiefern waren. Sie waren dem Territorium vor zehn Jahren von einem Kerl namens Barnabas Hartings geschenkt worden und seitdem Regierungsbesitz geblieben. Das Holz war von herausragender Güte und ging bis auf die Baustellen von New York und Boston.
Jessey Howard schulterte die zusammengeschnürten Äxte. Er schaute Dan und Josiah hinterher, die schon auf den Strom hinausgerudert waren, und warf das Bündel in den Bootsrumpf. Er konnte nicht glauben, dass er und seine beiden Brüder in diesen Wäldern den Tod finden würden. Er hatte geträumt, dass es so kommen würde. Dan hatte gelacht und ihn einen Hasenfuß genannt...
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Stromabwärts lauert der Tod
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Impressum
Stromabwärts lauert der Tod
von Marthy J. Cannary
Hinter dem Ladon River begannen die Hartings-Wälder, die sich bis hinauf ins Montana-Territorium zogen und reich an prächtigen Murraykiefern waren. Sie waren dem Territorium vor zehn Jahren von einem Kerl namens Barnabas Hartings geschenkt worden und seitdem Regierungsbesitz geblieben. Das Holz war von herausragender Güte und ging bis auf die Baustellen von New York und Boston.
Jessey Howard schulterte die zusammengeschnürten Äxte. Er schaute Dan und Josiah hinterher, die schon auf den Strom hinausgerudert waren, und warf das Bündel in den Bootsrumpf. Er konnte nicht glauben, dass er und seine beiden Brüder in diesen Wäldern den Tod finden würden. Er hatte geträumt, dass es so kommen würde. Dan hatte gelacht und ihn einen Hasenfuß genannt ...
Die Murraykiefern standen in der Tat so dicht, wie sie es in den Expeditionsführern gelesen hatten, die Josiah aus Bozeman mitgebracht hatte. Die kräftigen Stämme hatten ebenso starke Äste, an denen dicht benadelte Zweige hingen, auf denen wiederum wohlduftende Zapfen standen, jeder von der Größe einer Faust. Die Brüder reckten die Hälse nach den Wipfeln dieser sanft schwankenden Riesen, die ihnen ein Vermögen bescheren würden.
»Zwei an einem Tag!«, rief Dan und rieb sich die Hände. Er war der Älteste und hatte entschieden, dass sie nach Montana gehen würden. »Einen Monat Arbeit für drei Monate im Winter, in denen wir auf der faulen Haut liegen dürfen!«
Neunhundert Dollar brachte ihnen ein Pinienstamm, den sie auf dem Fluss hinunter nach Wyoming brachten, dreihundert für jeden von ihnen. Sie hatten Josiah die Verantwortung für die Kasse übertragen, dem treuen und anständigen Josiah, der Holzgesellschaft angeschrieben und Verträge ausgehandelt hatte. Nach langem Streit waren die Brüder übereingekommen, dass sie drei Monate in den Hartings-Wäldern bleiben und sich vom Erlös ein Haus in Arizona zulegen würden.
Vornehmlich Dan hatte mit ihnen gestritten.
Er war ein ehrgeiziger Draufgänger, ein Koloss mit Stiernacken, dem man besser aus dem Weg ging. Er hatte seine Brüder gepiesackt, als er jünger gewesen war, zumeist Josiah, der die Bosheiten geduldig ertragen und keine Widerworte gegeben hatte. Die Demut des mittleren Sohnes hatte den Vater besorgt, der wahrscheinlich deshalb früh gestorben war; zu früh und zu qualvoll, wie Jessey fand, der in den letzten Minuten bei dem Sterbenden ausgeharrt hatte.
»Wir sollten uns nicht übernehmen«, sagte Josiah mit seinem dünnen Stimmchen, für das man ihn in Bozeman ein Weib geschimpft hatte. »Die Stämme müssen ohne größere Astlöcher sein. Sie dürfen nicht vom Schnee verdrückt sein.« Er sah streng zu Dan. »Du wirst auf mich hören müssen, Danny.«
Der älteste Bruder lachte verächtlich, lief zu Jessey und ließ sich eine Axt geben. Er schwang sie durch die Luft wie ein Tambourmajor den Stab, fing sie am Griff wieder auf und hieb sie gekonnt in einen Kiefernstamm. Er ging in die Hocke, fing ein wenig Harz mit den Fingern auf und schmierte es Josiah auf die Wangen. »Da hast du, was ich dir schuldig bin, Jos! Du wirst auf mich hören! Ich bin der Kerl mit den Muskeln! Ich reiß' euch die Stämme noch vor dem Fällen auf!«
Dans Gelächter erfüllte den von Sonne durchfluteten Wald, und die heitere Art des Ältesten steckte Jessey an, der den Arm um Josiah legte und ihn mit sich zog. Er neigte den Kopf zu Josiah und flüsterte ihm ins Ohr, dass er die Sache nicht so ernst nehmen dürfe.
»Ich muss es ernst nehmen«, erwiderte Josiah und warf einen mitleidigen Blick auf Dan. »Er haut sich irgendwann die eigenen Hände ab mit seiner Kraft. Ich sorge schon dafür, dass wir alle gesund und mit den nötigen Dollars in den Winter gehen.«
Sie entschieden sich für eine Lichtung als Lagerplatz und zogen die Zelte hoch, in denen sie die nächsten neun Wochen bleiben wollten. Die Holzstangen schlugen sie aus einigen niedrigen Föhren zurecht, die am Rand der Lichtung wuchsen, und richteten sie zu stabilen Dreibeinen auf, unter denen sie jeweils ein Feuer machten. Eine Feuerstelle sollte ihnen zum Kochen dienen, die andere zum Trocknen der Kleider und der übrigen Ausrüstung.
Die erste Nacht schliefen sie wie erschlagen.
Sie mussten sich vom Marsch hinunter nach Bozeman erholen, von den schlammigen Wegen, auf denen sie ein Stiefelpaar verloren hatten, und von den felsigen Aufstiegen, die höher im Norden zu bewältigen gewesen waren. Am Morgen darauf wählte Dan eine Kiefer aus, die sie gemeinsam fällten und von den größeren Ästen befreiten. Josiah strahlte dabei, Jessey bewahrte ihn vor den Grobheiten des Ältesten, und Dan – nun, Dan hatte ohnehin seinen Spaß.
Die Wochen verrannen wie der Sand im Stundenglas.
Sie schafften die Vorgaben, die Josiah ihnen gesetzt hatte, brachten die Stämme zum Ladon River, banden sie zu Flößen zusammen und fuhren darauf nach Wyoming hinunter. Sie nahmen ihre Dollars ein, verprassten kaum etwas in den Saloons, und nach einer knappen Woche waren sie wieder in den Hartings-Wäldern.
Die grausigen Träume dagegen wurde Jessey nicht los.
Er sah die lodernden Wälder, in denen seine Brüder verbrannten, die Hügel, die rot waren von Glut und Flammen, die kohlrabenschwarzen Gesichter von Josiah und Dan, die vor seinen Augen umgekommen waren. Seinen Geschwistern sagte Jessey nichts davon, doch er sprach jeden Abend Gebete, wie er es bei seinem Vater gelernt hatte.
»Riecht ihr das?«, fragte Dan eines Abends und stand von seinem Hackstock auf. Er lief zwischen die Zelte und blieb eine Weile verschwunden. »Irgendwo muss es brennen. Mir ist, als könnte ich die Asche in der Luft riechen!«
Jessey verharrte wie versteinert neben dem Dreibein.
Er hatte an diesem Abend die Hirschknochen ausgekocht, die von der Jagd übriggeblieben waren, und die Suppe mit Lorbeerblättern gewürzt. Sie hatten davon gegessen, miteinander gelacht und die Schrammen gezählt, die jeder von ihnen am Schienbein und an den Schenkeln hatte. Sie waren eine Spur zu glücklich gewesen, hatte Jessey gedacht, und nun schien ihm das Schicksal recht zu geben.
»Brand?« Josiah erhob sich ebenfalls und lief zu Dan hinüber. »Man hat mir Bozeman einmal gesagt, dass es im Yellowstone oft brennt. Ich würde nichts darauf geben, Dan. Es ist weit genug von uns entfernt.«
Statt einer Antwort brummte Dan nur und kehrte zum Feuer zurück. Er blickte verdrossen in die Glut und nahm den Schürhaken zur Hand. »Ich weiß nicht, Männer, mir ist flau im Magen. Ich will nicht in der Falle sitzen.« Er schaute zu Jessey. »Ich würde verschwinden, solange wir noch Gelegenheit dazu haben.«
»Verschwinden?« Josiah trat hinter ihn und zog die Brauen hoch. »Uns bleiben noch fünf oder sechs Bäume übrig. Man hat uns das Holz aus den Händen gerissen.« Er setzte sich ebenfalls wieder. »Wollen wir's aufgeben, ehe wir es zu Ende gebracht haben?«
Dan starrte vor sich hin und schüttelte langsam den Kopf.
✰
Der Federal Officer war ein untersetzter Mann mit lockigem grauem Haar, das er sich sorgfältig über die kahlgewordene Stirn gekämmt hatte. Er hatte einen Dampfer über den Pend d'Oreille Lake genommen, danach eine Kutsche der Rosenthal & Parker und stand nun verloren auf der Mainstreet von Bridges herum. Er trug den Koffer aus braunem Ochsenleder bei sich, den man Lassiter als Erkennungszeichen genannt hatte, und winkte nach einer Droschke.
Der Mann der Brigade Sieben zündete sich einen Zigarillo an.
Er behielt den Regierungsgesandten im Auge, der zugleich als Mittelsmann in diesem Teil des Montana-Territoriums auftrat, und rauchte einige Züge, bevor er dem Fremden entgegenlief. Er wusste aus dem Telegramm, das ihm das Hauptquartier geschickt hatte, dass er Officer James Suddards treffen würde und dieser einen Auftrag für ihn bereithielt.
»Mr. Suddards?«
Der Regierungsbeamte fuhr herum und musterte Lassiter aufmerksam. Er redete in der herablassenden städtischen Art, die Lassiter von Männern kannte, die gegen ihren Willen in den Westen gekommen waren. »Sind Sie Mr. Lassiter? Ich warte bereits seit einer halben Stunde auf Sie.« Er schlug mit der Hand auf den Koffer. »Ich habe eine dringende Angelegenheit mit Ihnen zu besprechen.«
Sie nahmen eine Kutsche hinauf zum Oriental-Hotel, das sich am östlichen Stadtrand befand und dessen orientalisches Gepräge sich auf eine Reihe maurischer Laternen beschränkte, die über den Fenstern aufgehängt waren. Der Inhaber des Hotels ließ ein Separee im Speisesaal räumen und brachte ihnen eine Flasche Bourbon. Suddards löste die Verschlüsse seines Ochsenlederkoffers. »Sie gehören zu unseren fähigsten Agenten, Mr. Lassiter. Ich darf Ihnen mitteilen, dass sich der Justizminister für Ihren Einsatz ausgesprochen hat.«
Lassiter beugte sich nach vorn und zog die Stirn in Falten. »Ich mache mir nichts aus Eitelkeiten. Ich richte mich nach dem Eid, den ich geschworen habe.«
»Sie sind weit mehr als ein gewöhnlicher Bediensteter«, wandte Suddards ein und förderte einen Stapel Papiere auf den Tisch. Er blätterte die einzelnen Seiten durch und schob sie zu Lassiter. »Die Brigade Sieben benötigt Sie für eine Sabotageoperation. Man will im Justizministerium einem Farmer schaden, der beträchtliche Mengen Land aufgekauft hat. Er steht im Verdacht, ein Mordbrenner zu sein.«
Mit einer knappen Handbewegung zog Lassiter die Papiere an sich. »Das Justizministerium sollte mehr als einen Verdacht besitzen, bevor es gegen einen Mann vorgeht. Ich nehme keinen Auftrag an, der sich gegen einen mutmaßlich Unschuldigen richtet.«
Suddards nickte und seufzte leise. »Mir kam der gleiche Gedanke, Mr. Lassiter, und ich habe bereits Erkundigungen eingezogen. Die Brände an den Grenzen zwischen den Territorien Montana und Wyoming sind verdächtig.« Er schob einige Papiere auf dem Stapel zur Seite, bis darunter eine Landkarte zum Vorschein kam. »Schauen Sie... Allein im vergangenen Monat haben viertausend Morgen Land gebrannt. Einen größeren Ausbruch gab es an dieser Stelle... Und... Einen Augenblick... An dieser da!«
Suddards' Zeigefinger umfuhr ein Areal auf der Landkarte, das sich vom südlichen Montana bis hinunter nach Wyoming erstreckte. Das Gebiet umfasste einige Stammesreservate, die in dieser Gegend lagen. Die Flammen hatten selbst den Ladon River überwunden.
»Drei Männer sind vergangene Woche gestorben«, fuhr Suddards fort. »Drei Brüder von der Ostküste, die ihr Camp in den Hartings-Wäldern hatten. Sie schlugen Holz ein und flößten es den Fluss hinunter.« Er seufzte abermals. »Diese armen Teufel sind bei lebendigem Leib verbrannt.«
Die Informantenberichte aus dem Hauptquartier zeichneten ein düsteres Bild der Brände, die wie eine Feuerwalze über das Land hinweggegangen waren. Sie hatten trostlose Aschewüsten hinterlassen, durchbrochen nur von den Skeletten verkohlter Bäume, die als Heer rußschwarzer Krieger auf Hängen und Ebenen standen. Suddards hatte jeden einzelnen Bericht gelesen. »Ich bin am Ladon River aufgewachsen, Mr. Lassiter. Ich kenne den Schaden, den diese Brände anrichten.«
»Will man den Fall deshalb Mr. Boroughs anhängen?«, versetzte Lassiter und trank von seinem Bourbon. »Ich beteilige mich nicht an einer Operation gegen einen Mann, der als unschuldig gilt. Das Justizministerium muss einen anderen Agenten dafür finden.«
Bedrückt starrte Suddards auf den Tisch. »Ich wünschte, dass ich Ihnen zustimmen könnte. Ich wünschte, dass diese Brände wegen eines Blitzschlages entstanden wären.« Er tippte mit dem Finger auf die Karte. »Aber diese Feuer sind gelegt worden. Sie sind aus voller Absicht verursacht worden.«
»Meinetwegen«, stimmte Lassiter zu und setzte das Glas ab. »Meinetwegen nehme ich an, dass ein einzelner Mann hinter diesen Feuern steht. Ich betreibe deshalb noch keine Sabotage.« Er lehnte sich nach vorn. »Das Justizministerium soll Beweise gegen Boroughs finden und ihn verhaften lassen.«
Suddards gab sich damit nicht zufrieden. »Die Hartings-Wälder sind unzugängliches Land, auf dem sich nur eine Handvoll Scouts zurechtfinden. Sie könnten von einem einzelnen Mann angezündet werden.« Er schwieg für einen Moment. »Ich kenne Boroughs gut. Er ist skrupellos. Er könnte ein solches Verbrechen begehen.«
Die Stimme des Mittelsmannes hatte einen rauen Klang bekommen, als fiele Suddards jedes Wort schwer, das er sprechen musste. Aus den oberen Zimmern des Hotels drang das Geschrei einer Frau herunter, die ihren Mann einen Bastard und Fremdgeher schalt. Die Männer am Tisch schmunzelten darüber.
»Sie kannten Boroughs?«, fragte Lassiter versöhnlich. »Weshalb haben Sie nicht gleich etwas gesagt?«
»Ich verstehe Ihren Widerwillen«, gab Suddards zurück. »Ich begreife nur zu gut, dass Sie nicht in eine Sache hineingezogen werden wollen, die sich zum Schluss als falsch erweist.« Er lächelte matt. »Ich wollte Ihnen nicht über den Mund fahren.«
Lassiter nickte dankbar. »Wo sind Sie Boroughs begegnet? Was bringt Sie dazu, ihm ein solches Verbrechen zuzutrauen?«
Der Regierungsbeamte leerte sein Bourbonglas. »Ich bin mit Boroughs zu Schule gegangen. Er ist ein Kerl mit widerlichen Manieren gewesen, von denen er kaum eine verloren hat.« Er knurrte leise. »Jedenfalls nach den Gerüchten, die man vernimmt. Er hat den Ruf eines rücksichtslosen Geschäftsmannes.«
»Sie glauben dem Hauptquartier.« Lassiter schlug mit der flachen Hand auf den Papierstapel. »Sie glauben unseren Leuten, was in den Berichten steht. Sie glauben, dass Boroughs hinter diesen Feuern steckt.«
»In der Tat«, bejahte Suddards. »Ich würde Sie nicht bitten, gegen ihn vorzugehen, wäre ich von seiner Schuld nicht überzeugt.«
✰
Unterhalb der Biegung wurde der träge Ladon River zu einem sprudelnden Gebirgsbach, der mit weißen Schaumkronen über die Felsen hüpfte und schäumend die Kiefernwurzeln unterspülte. Er wurde zu einem spielenden Kind, das sich an allem austobte, das sich ihm in den Weg stellte, und dabei so übermütig war, als wäre es seinen strengen Eltern gerade erst davongelaufen. Die tiefhängenden Kiefernzweige tanzten über dem Fluss, wurden vom Wind ins klare Wasser gedrückt und wippten wieder hinauf.
»Schneller!«, rief Peety und zog ihre Mutter hinter sich her. »Schneller, Mama, schneller! Dort unten! Sieh nur, sieh nur! Dort unten!«
Das Mädchen sprang mit den Füßen voran ins seichte Uferwasser, stapfte darin mit strahlender Miene herum und strich sich das aschblonde Haar hinter die Ohren. Es sah so glücklich und zufrieden aus, dass Carry Pine die Strapazen vergaß, die es gekostet hatte, bis zu diesem Teil des Flusses hinaufzukommen. Sie vergaß den anstrengenden Ritt auf dem Maultier, den ausgetretenen Pfad mit seinen tückischen Senken und Erdlöchern, die Meilen ohne jeden Schutz, die hatten zurücklegen müssen.
Carry sah einzig ihre herumtollende Tochter.
Sie blickte auf das ausgelassene Kind, das im Ladon-Saloon sonst stumm und brav an einem Ecktisch saß und den sterbenslangweiligen Tätigkeiten zuschaute, die Erwachsene wie ihre Mutter Carry nun einmal zu verrichten hatten. Kein einziges Gemurre war je von Peety gekommen, die offenbar Carrys Starrsinn geerbt hatte, und dass dieses Kind so anständig werden würde, hatte zuletzt niemand in Dreery geglaubt.
Peety war ein Bastard.
Carry hatte sie als uneheliches Balg zur Welt gebracht, unter Schmerzen und Schweiß, in einem Hinterzimmer des Ladon-Saloon, den sie damals schon besessen hatte. Sie hatte mit gespreizten Beinen über der lädierten Emailschüssel gehockt, in die das Mädchen als blutiger Kloß geplumpst war; ein hässliches Geräusch für ein unansehnliches Geschöpf, das über und über mit Nachgeburt bedeckt gewesen war.
Von der ersten Sekunde an hatte Carry Peety geliebt.
Sie hatte sie nach dem ersten Laut getauft, den das Mädchen gemacht hatte, noch bevor es angefangen hatte zu atmen. Es musste ein Geräusch gewesen, das Peety mit ihren kleinen Ärmchen verursacht hatte, und Carry hatte darüber derart lachen müssen, dass sie aus dem Peet! ein Peety gemacht hatte, das irgendwie stärker nach Mädchen geklungen hatte.
Und was für ein Kind Peety war!
Sie hatte ihrer Mutter beigestanden, seit sie die ersten Sätze gesprochen hatte, und diese unschuldige Loyalität ihres Kindes hatte Carry Mut gemacht. Sie hatte sich mit Peety getröstet, als der Saloon vor dem Bankrott gestanden hatte, als sie mit schwerem Fieber im Bett gelegen hatte, als die Kutschen mitten im tiefsten Winter ausgefallen waren und sie ohne Proviant dagesessen hatten.
Peety war immer guter Dinge gewesen.
Sie war durch Carrys trübsinnige Gedanken gehüpft, wie sie es in dieser Sekunde am Ladon River tat, und Carry hatte darüber gelernt, dass sie die Dinge nicht so ernst nehmen durfte. Sie hatte angefangen, über die Missgeschicke zu lachen, die ihr im Ladon-Saloon widerfuhren, und sie hatte die Männer ausgelacht, die sie aufzogen oder über sie spotteten oder beides.
»Sieh nur, Mutter!«, rief Peety und bückte sich über eine Stromschnelle. Sie hatte eine Forelle erspäht. »Sie glitzert! Wie sie glitzert!«