Lassiter 2676 - Kolja van Horn - E-Book

Lassiter 2676 E-Book

Kolja van Horn

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Beschreibung

Das laute Krachen von berstendem Glas ließ die Sängerin schlagartig verstummen und alle Anwesenden die Köpfe wenden. Im nächsten Augenblick fiel einer der Männer am Tresen auf die Knie, verdrehte die Augen und sackte tot auf die Bodendielen.
Die Sängerin schrie, Lassiter riss geistesgegenwärtig den Remington aus dem Holster und feuerte einen Schuss hinaus in die sturmgepeitschte Dunkelheit jenseits der zerstörten Fensterscheibe, von wo der tödliche Schuss gekommen sein musste. Dann sprang er mit ausgreifenden Schritten zum Fenster und starrte hinaus. Doch der Killer war offenbar auf und davon.


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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Wer spielt falsch in Poulderay?

Vorschau

Impressum

Wer spielt falsch in Poulderay?

von Kolja van Horn

Das laute Krachen von berstendem Glas ließ die Sängerin schlagartig verstummen und alle Anwesenden die Köpfe wenden. Im nächsten Augenblick fiel einer der Männer am Tresen auf die Knie, verdrehte die Augen und sackte tot auf die Bodendielen. Die Sängerin schrie, Lassiter riss geistesgegenwärtig den Remington aus dem Holster und feuerte einen Schuss hinaus in die sturmgepeitschte Dunkelheit jenseits der zerstörten Fensterscheibe, von wo der tödliche Schuss gekommen sein musste. Dann sprang er mit ausgreifenden Schritten zum Fenster und starrte hinaus. Doch der Killer war offenbar unverletzt auf und davon.

»Goddam«, knurrte der Agent der Brigade Sieben und versuchte noch für ein paar Augenblicke, irgendetwas durch den dichten Regenschleier zu entdecken, ehe er kopfschüttelnd den Revolver zurück ins Holster schob und sich zurück zum Tresen wandte.

Ein knappes Dutzend Augenpaare war auf ihn gerichtet. Die Mienen der anderen Gäste waren vom Schock gezeichnet. Nur die Sängerin, die sich vor Beginn ihrer Darbietung als Lilly Darling vorgestellt hatte, »eine berühmte Künstlerin in Sacramento, Carson City und Reno«, war wohl aus den Kaschemmen, auf deren Bühnen sie auftrat, einiges gewohnt und daher gelassen vor dem am Boden Liegenden in die Hocke gegangen. Lassiter trat neben sie und blickte auf den Burschen herab.

Er fragte: »Ist er...?«

Die Lady nickte, ohne zu ihm aufzuschauen, und nahm die Hand vom Hals des Mannes. »So tot, wie man nur sein kann, Mister.«

Die karierte Hemdbrust des Toten war dunkel vom Blut. Wenn der Heckenschütze wirklich vorgehabt hatte, ihn zu töten, musste es sich nicht nur um einen verflucht guten Schützen handeln, sondern auch um einen Glückspilz. Denn das Fensterglas wäre geeignet gewesen, die Flugbahn des Projektils so weit abzulenken, dass sie ebenso Nebenstehende oder einfach nur die Deckenbalken getroffen hätte.

»Verflucht noch eins!«, machte ein schmerbäuchiger Mittvierziger sich Luft, dem womöglich gerade ein ähnlicher Gedanke durch den Kopf gegangen war. »Ich stand direkt neben ihm. Glaube fast, die Kugel im Nacken gespürt zu haben!«

»Was für ein irrsinniger Bastard tut so etwas?«, fragte Finn Taylor, der Kutscher, der sein Fuhrwerk mit fünf Passagieren vor zwei Stunden nur mit großer Mühe durch den Sturm noch bis ins rettende Poulderay hatte lenken können. Er starrte mit angespannter Miene zum zerstörten Fenster hinüber, als fürchte er, der Mörder könne im nächsten Moment wieder auftauchen und diesmal ihn aufs Korn nehmen.

Der Mann hinter der Theke hatte bereits in ein Regal gegriffen und hielt nun eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen in der Hand – die bevorzugte Schusswaffe wehrhafter Bartender. Er warf Lassiter einen grimmigen Blick zu und sagte: »Wir müssen ihm nach, sofort. Keiner, der einen meiner Gäste umlegt, darf einfach so davonkommen.«

Lassiter winkte ab: »Vergessen Sie's, Mr. Winner. Bei dem Unwetter da draußen haben wir keine Chance, den Burschen noch zu fassen zu bekommen.«

»Sie wollen den Dreckskerl also laufen lassen?«, fragte Barbara Winner erbost. Die Tochter des Stationsinhabers, mit der Lassiter gerade ins Gespräch gekommen war, als der Schuss fiel, wirkte enttäuscht. »Ich hätte gedacht, Sie seien aus anderem Holz geschnitzt.«

Der rechte Mundwinkel des Brigadeagenten hob sich kaum merklich. »Weil ich nicht wie ein Trottel durch Regen und Dunkelheit stapfe, um nach jemandem zu suchen, der sich längst in einen Schlupfwinkel zurückgezogen hat und womöglich drauf wartet, noch jemanden abzuknallen, der ihm wie ein blinder Hase vor den Lauf kommt?« Mit den letzten Worten schaute er wieder den Vater der jungen Rothaarigen an, worauf der betreten die Parker Gun beiseitelegte und nickte.

»Okay, Sie haben recht«, räumte Winner ein. »Außerdem dürfte der Hurensohn in dem Sturm ohnehin nicht weit kommen, ohne sich den Hals zu brechen. Die Piste über den Donnerpass ist über zwanzig Meter hinweg durch einen Erdrutsch unpassierbar, und wie es Richtung Osten aussieht, weiß nur Gott allein. Kümmern wir uns also zunächst darum, das kaputte Fenster zu verrammeln.«

»Wie wäre es, wenn Sie als Erstes mal den Toten fortschaffen?«, schlug der Schmerbäuchige vor. »Oder soll der hier vielleicht bis zum Frühstück liegenbleiben?«

Lassiter bedachte den Mann mit einem Blick aus schmalen Augen. »Wie lautet Ihr Name, Sir?«

Der Mann starrte ihn sekundenlang missbilligend an, ehe er sich vorstellte: »Victor Wambaugh, Unternehmer in Holz«, brummte er und strich sich dabei über den hufeisenförmigen Bart.

»Okay, Mr. Wambaugh. Dann packen Sie gefälligst selbst mit an. Wir bringen die Leiche nach hinten in den Hof, wenn Mr. Winner nichts dagegen hat.«

Ihr Gastgeber zuckte nur die Achseln, und Wambaugh verdrehte die Augen, ging aber in die Knie und packte den Toten unter den Achseln. Ächzend und schnaufend schleppten sie den leblosen Körper aus dem Schankraum durch den kurzen Korridor ins Freie. Winner war ihnen vorausgeeilt und hatte die Tür geöffnet, die nun klappernd gegen die Außenwand geschleudert wurde. Der Wind war so stark, dass er den Regen bis unter das Vordach in ihre Gesichter peitschte.

»Tausend Teufel!«, brüllte Wambaugh. »Und wohin jetzt mit ihm?«

Winner zeigte auf einen Schuppen, der nur wenige Schritte entfernt war. Mit vereinten Kräften schafften sie den Toten ins Trockene und zogen sich rasch wieder ins Hauptgebäude zurück.

»Möchte mal wissen, wer derart sauer auf Smith war, dass er ihm bis hierher gefolgt ist, um ihn umzulegen«, murmelte Wambaugh, während er sich durch das tropfnasse Haar fuhr.

Lassiter hob die Brauen. »Das heißt, Sie kannten den Mann?«, fragte er und hielt ihn an der Schulter fest, als Wambaugh zurück in den Schankraum wollte.

Der Unternehmer hob die Achseln und grinste schief. »Kennen wäre zu viel gesagt. Wir sind vor ein paar Wochen in Reno gemeinsam um die Häuser gezogen. Haben uns gehörig einen hinter die Binde gekippt, wenn Sie verstehen. Peter hat ordentlich was vertragen, und wir verstanden uns ganz gut. Aber er hat in einem anderen Hotel logiert als ich, und am nächsten Tag war er auch bereits wieder abgereist.«

»Der Mann hieß also Peter Smith«, erwiderte Lassiter und nahm Wambaugh dabei eindringlich in den Blick. »Was wissen Sie sonst noch über ihn?«

Wambaugh breitete die Hände aus. »Herzlich wenig. War nicht so mitteilsam, wenn's um Persönliches ging.« Er überlegte einen Moment. »Aber seine Klamotten, die fand ich schon seltsam. Hab ihn deshalb auch erst gar nicht wieder erkannt.«

»Was soll denn an Denims, Chaps und einem Hemd so außergewöhnlich sein?«

»Wie man's nimmt«, antwortete Wambaugh. »In Reno jedenfalls trug er einen Anzug, und zwar keinen billigen. Für so etwas habe ich einen Blick.« Zur Bekräftigung legte er den Zeigefinger unter sein linkes Auge und beugte sich vertraulich vor. »Vielleicht wollte er ja auch nur ein bisschen angeben bei den Mädchen – und ist eigentlich ein Landei gewesen, auch wenn er mir irgendwie nicht so vorkam. Peter konnte sich gut ausdrücken, schien kein Dummkopf zu sein.« Er lachte leise. »Oder aber er war hier in Poulderay irgendwie inkognito unterwegs, keine Ahnung. Als ich ihn vorhin angesprochen habe, schien er jedenfalls nicht besonders begeistert, ausgerechnet hier auf einen ehemaligen Zechkumpan zu treffen.«

Er starrte Lassiter herausfordernd an. »Und, Mister? Darf ich jetzt endlich zurück zu meinem Whisky?«

»Sicher«, murmelte Lassiter nachdenklich, hob die Hände und ließ Wambaugh zurückgehen in den Schankraum. Sekunden später öffnete sich die Hintertür wieder, und Winner tauchte mit einem Schwung Brettern unter dem Arm im Türsturz auf. Dahinter erkannte der Brigadeagent Barbara, eine hölzerne Werkzeugkiste mit Tragegriff in den Händen haltend, die er ihr abnahm, als sie eintraten. Sie ließ es zu, schnaufte aber abschätzig, als hätte er sie beleidigt.

Zurück im Schankraum erkannte Lassiter, dass sich nun ein halbes Dutzend weiterer Gäste eingefunden hatte, die wohl zuvor auf ihren Gästezimmern gewesen waren. Eine attraktive Blondine in apartem Kleid fiel ihm besonders ins Auge.

Die Gäste unterhielten sich gedämpft, aber die Aufregung war trotzdem immer noch zu spüren wie eine elektrische Ladung in der Luft. Offenbar hatten die Zeugen des Mordes die Neuankömmlinge, die vermutlich der Schuss nach unten gelockt hatte, bereits über die Geschehnisse aufgeklärt, denn die Blondine trat Winner entgegen und fragte unumwunden: »Ist man hier noch seines Lebens sicher, Mr. Winner? Oder spaziert da draußen ein wahnsinniger Mörder durch die Nacht?«

Lassiter trat neben Winner und übernahm es, zu antworten.

»Da nur ein Schuss fiel und derjenige, der ihn abgab, vor einer halben Stunde Fersengeld gegeben hat, dürften Sie vorerst außer Gefahr sein, Ma'am.«

Sie hob die Brauen und musterte ihn einen Moment lang, ehe sie antwortete: »Sie müssen dann wohl der Gent sein, der sofort sein Schießeisen zog und blindwütig durchs Fenster geballert hat, nachdem der Schuss von draußen kam.« Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem spöttischen Lächeln. »Vielleicht muss man ja vor Ihnen genau so viel Angst haben wie vor dem Kerl da draußen.«

Lassiter erwiderte das Lächeln. »Ein gesundes Maß an Angst hat schon so manchem das Leben gerettet. Aber ich kann Sie beruhigen, Ma'am... ich schieße nur auf jemanden, der mich oder andere Unschuldige bedroht.«

Die Blonde kräuselte ihre vollen Lippen. »Miss, bitte. Oder schaue ich aus wie eine verblühte alte Schachtel?« Dabei warf sie einen kurzen Blick auf die am Tisch neben dem Klavier sitzende Lilly Darling, den die zwar nicht, Lassiter aber sehr wohl bemerkte.

Er zog seinen Hut und brummte: »Lassiter, Miss... und wie weiter?«

»Jennifer Cardigan«, erwiderte sie, bevor sie auf den Werkzeugkasten in seinen Händen herabblickte. »Dann legen Sie mal los. Es wird allmählich empfindlich kalt hier drinnen.«

Zu dritt sorgten Lassiter, Gordon Winner und ein hilfsbereiter Bursche, der trotz seines feinen Anzugs offenbar die Arbeit mit den Händen nicht scheute und sich als Paul Griffith vorstellte, dafür, den Sturm auszusperren, indem sie das Fenster mit einem halben Dutzend massiver Bretter verrammelten. Die übrigen Gäste sahen ihnen tatenlos bei der Arbeit zu und ließen sich dabei von Barbara Bier und andere Drinks servieren. Wambaugh trug darüber hinaus weiterhin seine schlechte Laune zur Schau und fragte die Tochter des Stationsbesitzers, wann es endlich etwas zu Essen gäbe.

»Sobald mein Dad den Schaden behoben hat, Sir«, gab Barbara bemüht höflich zur Antwort, wobei ihre Miene verriet, dass sie den korpulenten Gast am liebsten zum Teufel gewünscht hätte.

»Kannst du etwa nicht kochen, Schätzchen?«, ließ sich Lilly Darling vom Tisch her vernehmen. »Dann pass bloß auf, dass du nicht als alte Jungfer endest.« Die Sängerin warf einen Blick auf Jennifer Cardigan, doch die war nicht bereit, bei der Boshaftigkeit als Komplizin zu agieren. Sie ignorierte die Verschwörermiene der Darling und erhob sich. »Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen gern in der Küche, Barbara.«

Die Rothaarige lächelte etwas gezwungen. »Ich bitte Sie, Miss! Sie sind doch unser Gast.« Sie stellte das frisch gezapfte Bier vor Wambaugh ab und hob ein wenig die Stimme: »Ich nehme jetzt gern Ihre Bestellungen für das Abendessen auf, Ladys und Gentlemen. Sie konnten die Tafel vorn neben der Theke alle bereits studieren und kennen daher unser Angebot an Speisen. Wenn ich also bitten darf...?«

Winner klopfte Lassiter dankbar auf die Schulter und nickte auch Griffith zu, als der ihm den Werkzeugkasten reichte. »Das war wirklich sehr freundlich von Ihnen, Messieurs. Diese Unannehmlichkeiten tun mir leid.« Er richtete sich zu voller Größe auf, straffte die Schultern und schüttelte seine weiße Mähne. »So etwas ist in den dreißig Jahren, seit ich diese Raststation mein Eigen nennen darf, noch nie passiert.«

Griffith zwinkerte vertraulich. »Noch nie wurde jemand bei Ihnen erschossen? Hier an der Staatsgrenze? Bitte nehmen Sie's mir nicht übel, Mr. Winner, aber das fällt mir schwer zu glauben.«

»Nicht auf diese Weise«, erwiderte Winner und verzog dabei das Gesicht. Griffith hob ergeben die Hände und ließ die beiden Männer allein, um sein Abendessen zu ordern. Auch der Besitzer der Raststation wollte zur Theke zurück, doch Lassiter hielt ihn auf und raunte: »Auf ein Wort, Mr. Winner...«

Fragend hob sein Gastgeber die buschigen Augenbrauen, und Lassiter griff zu einer kleinen Notlüge – um den Wahrheiten, die folgen würden, genügend Gewicht zu verleihen.

»Ich bin Bundesmarshal und auf der Jagd nach einem äußerst gefährlichen Verbrecher, Sir. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er sich unter Ihren Gästen befindet – allerdings kenne ich sein Gesicht nicht.« Lassiters Miene ließ erkennen, wie sehr ihn dieser Umstand wurmte. »Vielleicht hat auch der Mord an Mr. Smith etwas mit Milestone zu tun, falls er nicht gar selbst geschossen hat. In jedem Fall werde ich alle Anwesenden verhören müssen und zähle dabei auf Ihre Unterstützung.«

Die ohnehin prägnanten Falten auf Winners Stirn vertieften sich noch. »Marshal? Und warum tragen Sie dann keinen Stern an der Weste, Lassiter?«

»Weil ich Oscar Milestone keineswegs aufschrecken, sondern überwältigen und festsetzen will, ohne dass dabei Unschuldige gefährdet werden«, erklärte Lassiter mit gesenkter Stimme und beobachtete über Winners Schulter hinweg, wie alle übrigen Anwesenden sich um Barbara geschart hatten und ihre Bestellungen abgaben.

Niemand schaute in ihre Richtung.

»Milestone... ist das der Name des Outlaws, hinter dem Sie her sind?« Winner starrte ihn an, und als Lassiter nickte, schüttelte er den Kopf. »Unter dem Namen logiert niemand bei uns.«

Lassiter hob die Achseln. »Nicht verwunderlich. Er wird einen falschen Namen angegeben haben, schließlich ist er ein gesuchter Schwerverbrecher.«

»Was hat er denn verbrochen?«

»Die Liste ist lang, und ich habe nicht die Zeit, sie herunter zu beten. Was Sie wissen müssen, ist, dass Milestone vor nichts zurückschreckt.« Lassiters Blick bohrte sich in Winners Augen. »Also: Kann ich mit Ihnen rechnen?«

Winner nickte entschlossen. »Natürlich. Wie wollen Sie vorgehen?«

»Zunächst einmal sorgen Sie dafür, dass alle ihr Essen bekommen und achten darauf, ob sich dafür auch wirklich sämtliche Gäste hier versammeln. Dann werde ich eine kleine Ansprache halten, Sie stärken mir bei Bedarf ein wenig den Rücken. Danach möchte ich mit jedem einzeln sprechen. Ich werde vorerst behaupten, Informationen über den ermordeten Mr. Smith zusammentragen zu wollen. Der Name Milestone darf auf keinen Fall erwähnt werden, verstanden?«

»Klar«, brummte Winner und schien über etwas nachzudenken. Nach kurzem Zögern fragte er: »Was ist mit Barbara?«

»Was soll mit ihr sein?«

»Ich würde sie gern ins Vertrauen ziehen«, bekannte der Stationsbesitzer. »Über kurz oder lang wird sie ohnehin merken, dass ich ihr etwas verheimliche.« Er seufzte leise. »Für meine Tochter ist mein Gesicht ein offenes Buch, und sie ist nicht auf den Kopf gefallen.«

Daran hatte Lassiter keinerlei Zweifel, deshalb nickte er schließlich. »Also gut. Aber schärfen Sie Barbara ein, dass sie zu keinem Gast ein Wort darüber verlieren darf und sich nichts anmerken lassen soll. Sollte Milestone Ihrer Tochter ansehen, dass sie Angst hat...«

»Barbara kennt keine Angst«, unterbrach Winner ihn unwirsch. »Und sie kann verdammt gut schießen. Sollte es hart auf hart kommen, werden Sie vielleicht noch froh sein, sie an Ihrer Seite zu wissen.«

Winners väterlicher Stolz nötigte Lassiter ein schiefes Grinsen ab, und er klopfte dem Mann auf die Schulter. »In Ordnung. Dann werden jetzt wohl Ihre Kochkünste gefragt sein. Ich hätte gern ein Steak, blutig, mit Bohnen und Bratkartoffeln.«

Lassiter setzte sich an einen kleinen Tisch in der Ecke, schräg gegenüber der Theke, von wo aus er den gesamten Raum gut überblicken konnte. Aus der Küche ertönte geschäftiges Klappern und Zischen, und schon bald drangen ihm Düfte an die Nase, die seinen Magen zum Knurren brachten.

Seit den frühen Morgenstunden, als er der Postkutsche von Vickers Spring aus gefolgt war, die mit einer knappen Stunde Vorsprung vor seinem Eintreffen von dort aus losgefahren war, hatte er nichts mehr zu sich genommen.

Der Himmel hatte sich schon zur Mittagszeit bedrohlich verdunkelt; wie formlose Dämonen waren die schwarzen Wolken über die Berghänge gekrochen, hatten sich zusammengeballt und aufgetürmt. Doch Lassiter war nicht bereit gewesen, die Verfolgung aufzugeben – nun, da er Milestone vermeintlich so nah war.

Abgesehen davon, dass der Agent der Brigade Sieben selten ruhte, wenn er erst einmal eine Fährte aufgenommen hatte, war die Verbissenheit in diesem Fall auch dem Tod eines guten Freundes geschuldet. Denn Milestone hatte Gene Lockridge getötet, einen Brigadeagenten, der mehr als nur ein Kollege für Lassiter gewesen war. Sondern vor allem auch ein Freund, mit dem er gemeinsam so manches Himmelfahrtskommando überstanden hatte.

Gene hatte Milestone bereits gestellt, in die Enge getrieben wie ein waidwundes Tier. Der Outlaw hatte sich angeschossen in einer einsam stehenden Scheune verschanzt, und als Gene ihn aufgefordert hatte, sich zu ergeben, war Milestone scheinbar dazu bereit gewesen. Denn er hatte erst sein Gewehr, dann den Revolver aus der Öffnung des Heubodens herausgeworfen.

Der Deputy aus der nahegelegenen Stadt, der Gene begleitet hatte, war mit triumphierendem Grinsen aus der Deckung gesprungen, seinen Karabiner im Hüftanschlag, und hatte gekräht, Milestone solle herausgekrochen kommen. Der Junge war noch keine zwanzig und hielt sich für den Größten, Gene hingegen traute dem Frieden nicht. Dennoch fühlte er sich verantwortlich und rannte dem Deputy hinterher.