Maddrax 651 - Kolja van Horn - E-Book

Maddrax 651 E-Book

Kolja van Horn

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Beschreibung

Ein Fischerdorf bei Atlantic City an der Ostküste von Meeraka wird von einem Geschwader abenteuerlicher Fluggeräte angegriffen. Die Piloten haben blutrote Augen und graue Haut. Hydriten beobachten den Angriff und melden ihn an die Unterwasserstadt Hykton, wo sich Quart'ol und Ei'don gerade aufhalten und es an den Weltrat weitergeben. Der schickt Matt und Aruula mit einem Trupp aus zwölf Soldaten und drei Medizinern auf Erkundungsmission. Sie finden nur einen Überlebenden - und stoßen auf ein grausames Geheimnis...


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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Insel der blutigen Augen

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse, und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert.

In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Fliegerstaffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn »Maddrax« nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler, der sich als lebende, schlafende Entität entpuppt – zur Erde gelangten und schuld sind an der veränderten Flora und Fauna und der Verdummung der Menschen. Nach langen Kämpfen mit den Daa'muren erwacht der Wandler, weist sein Dienervolk in die Schranken und zieht weiter. Mit zwei Daa'muren, die auf der Erde zurückblieben – Grao und Ira – haben sich Matt und Aruula sogar angefreundet.

Bei einem Abstecher zum Mars, auf dem sich eine Expedition aus dem Jahr 2010 zu einer blühenden Zivilisation entwickelt hat, erfährt Matt von der Spezies der Hydree, die vor 3,5 Milliarden Jahren hier lebten und mittels eines Zeitstrahls zur jungfräulichen Erde umzogen, als ihr Planet seine Atmosphäre und Ozeane verlor. Mit ihren Nachkommen, den telepathisch begabten Hydriten, die von den Menschen unentdeckt am Meeresgrund leben, hatte Matt schon Kontakt und nennt einen von ihnen, Quart'ol, einen guten Freund.

Diese »Tunnelfeldanlage«, die wie ein Transporter funktioniert, in dem die Zeit unendlich gedehnt werden kann, ist bis heute in Betrieb und verursachte auch den Zeitsprung von Matts Flugstaffel um 504 Jahre, als die den Strahl querte. Dabei legt der Strahl einen Tachyonenmantel um lebende Zellen, der den Altersprozess fünfzig Jahre lang drastisch verlangsamt.

Seither ist viel Zeit vergangen – wir schreiben inzwischen das Jahr 2554 –, und all die Erlebnisse unserer Helden an dieser Stelle zu schildern, wäre unmöglich. Es gibt sogar eine Erdkolonie in einem fernen Ringplanetensystem, zu dem allerdings der Kontakt abgebrochen ist. Ihre Freunde Tom, Xi und deren Tochter Xaana (die eigentlich Matts Kind ist) leben dort auf dem Mond Novis.

Nicht nur einmal haben Matthew Drax und Aruula die Erde vor dem Verderben gerettet und mächtige Feinde bekämpft – zuletzt die vampirhaften Nosfera, die die WCA (World Council Agency, kurz: Weltrat) übernehmen wollten. Auf diese Organisation traf Matt schon früh. Momentan steht ihr General Aran Kormak vor, ein in der Vergangenheit eher zwielichtiger Charakter, der sich aber gewandelt und großes Interesse zu haben scheint, Meeraka (ehem. USA) und danach andere Länder friedlich zu einen.

Auch um Kormak weiterhin im Auge zu halten, geht Matt auf seinen Vorschlag ein, zusammen mit Aruula im Auftrag des Weltrats eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden und für ein Bündnis unter dem Dach der WCA zu werben.

Dies sind ihre Abenteuer...

Weitere Informationen und Hintergründe zur Serie findet ihr unter www.maddraxikon.de im Internet!

Insel derblutigen Augen

von Kolja van Horn

Das Eiland erhob sich aus der schweren See wie eine Drohung. Finster und abweisend stieg die Silhouette in den schiefergrauen Himmel auf, und aus freien Stücken hätte keiner von ihnen das Boot an den Strand gesteuert. Nur hatten sie jetzt keine Wahl mehr. Der Sturm wuchs sich zu einem Orkan aus, und die unbarmherzigen, meterhohen Wellen schienen sie regelrecht auf die Insel prügeln zu wollen. Keine Chance, sich dem zu widersetzen, wollten sie nicht an den Klippen zerschellen oder kentern.

Der Strand hob sich hell vom dunkleren Hintergrund ab, und sie mussten sich zu zweit gegen das Steuerruder stemmen, damit sie den Kurs darauf halten konnten. Mit knapper Not erreichten sie das Ufer. Ohne zu ahnen, was sie dort erwarten würde.

Doornkarts Atem ging stoßweise, als er aus dem Kahn sprang und eines der Bugtaue packte, um ihr Boot auf den Strand zu ziehen. Die anderen folgten nach, zogen und schoben an den eisernen Dollen, bis der Kahn weit genug an Land war, um nicht von den wütenden Brechern gleich wieder zurück ins Meer gerissen zu werden.

Neben ihm fiel Pete auf die Knie und erbrach einen Schwall Salzwasser. Joselú und Robby ließen sich ächzend in den senfgelben Sand fallen, und Myron, der Jüngste von ihnen, lehnte sich gegen die Bootswand und bedachte Doornkart mit einem finsteren Blick. »Ich hab's dir gleich gesagt, dass es eine miese Idee ist, hierher zu fahren! Diese Insel ist verflucht, das haben mir schon meine Großeltern erzählt.«

»Das glaub ich dir aufs Wort«, erwiderte Doornkart trocken und unterdrückte einen Würgereiz. Auch er hatte ordentlich Meerwasser geschluckt, würde sich vor den anderen aber nicht die Blöße geben, es auszukotzen. »Genau wie du sind Ron und Berta nicht die hellsten Kerzen am Baum, aber mach dir nichts draus.«

Myron ballte die Fäuste und wollte auf Doornkart losgehen, doch sein Vater Luis, der hinter ihm stand, hielt ihn zurück. »Lass den Unsinn, Junge«, brummte er müde. »Wir haben selbst entschieden, mit ihm rauszufahren, und Paul hatte recht. Die Netze waren voll, nach nicht mal einer Stunde.«

»Und jetzt sind sie verloren«, kommentierte Joselú, der sich aufgesetzt und die Arme auf die angezogenen Knie gelegt hatte. Er streckte die Hände vor, und alle konnten die blutig aufgerissenen Innenflächen sehen, Beweis seines vergeblichen Versuchs, die Netze und den Fang vor dem Sturm zu retten.

»Nicht alles!« Zaach streckte den Kopf in die Höhe. Er war als einziger nicht aus dem Boot gesprungen. Seine dünnen grauen Zottelhaare klebten ihm wie Seetang am hageren Schädel, aber er grinste unverdrossen und präsentierte dabei sein lückenhaftes Gebiss, während er einen Skipjack in den erhobenen Händen schwenkte wie eine Trophäe.

Mürrisch winkte Robby ab. »Ein hoher Preis für ein paar lumpige Reste im Boot. Wir hätten alle draufgehen können.«

»Jedenfalls müssen wir wohl ein paar Stunden hierbleiben, bis der Sturm abgezogen ist«, erklärte Luis, zog eine Meerschaumpfeife und ein Sturmfeuerzeug aus der Innentasche und zündete sie sich an.

Doornkart sparte sich einen Kommentar, schließlich hatte Robby nicht unrecht. Sie wären der Insel allerdings niemals so nahe gekommen, wäre das Wetter nicht plötzlich umgeschlagen und hätte die Strömung sie nicht unerbittlich auf Keloid Island zugetrieben.

Pete hatte seinen Magen offenbar wieder im Griff, nicht jedoch seine Moral. »Auf keinen Fall bleibe ich auf dieser Scheißinsel«, stieß er hervor und ließ seine Blicke über die im Dunkel liegende Landschaft hinter dem schmalen Strandstreifen wandern.

Viel schien hier nicht zu wachsen außer kargen Büschen, dornigen Sträuchern und Sukkulenten, die sich an die schroffen Felsen klammerten. Der Strand wurde in einem sanften Bogen von löchrigem Vulkangestein begrenzt, welches sich in bizarren Formen bis zu fünf Meter erhob, an einigen Stellen von schmalen Lücken unterbrochen, durch die sich Pfade zu ziehen schienen.

Von Menschen gemacht? Oder von anderen ... Wesen? Niemand von ihnen wusste es, weil keiner aus Avalon jemals einen Fuß auf Keloid Island gesetzt hatte. Die Insel war tabu, ein verbotener Ort, schon immer gewesen.

»Verdammt! Was war das?«

Doornkart runzelte die Stirn und folgte Petes ausgestreckter Hand, konnte aber nichts erkennen in den Schatten zwischen den karstigen Felsen. »Ich sehe nichts«, brummte er. »Lasst uns ein Lagerfeuer machen und ein paar Fische braten. In ein, zwei Stunden, wenn sich der Sturm verzogen hat –«

»Nein!« Pete riss die Augen auf und rang die Hände. »Wir müssen weg, Paul! Hier ist es nicht sicher.«

Myron nickte. »Sehe ich auch so. Je früher wir verschwinden, desto besser.«

»Seid nicht albern«, meldete sich Zaach zu Wort, warf drei Skipjacks über die Reling und flankte anschließend selbst aus dem Kahn, erstaunlich agil für sein Alter. »Es wäre lebensmüde, jetzt wieder rauszufahren. Also machen wir das Beste draus.«

»Da drüben findet sich bestimmt genug Totholz für ein Feuer«, meinte Doornkart, stieß die Hände in die Taschen seiner Jacke und warf einen Blick in die Runde. »Wer kommt mit?«

Robby und Joselú blieben auf ihren Hintern sitzen und schauten demonstrativ woanders hin. Pete verschränkte die Arme vor der Brust und knurrte: »Auf keinen Fall!«

Myron schüttelte wortlos den Kopf und starrte Doornkart trotzig an. Sein Vater seufzte und steckte die Pfeife wieder ein. »Bin dabei, Paul«, brummte er, und Zaach schloss sich ihnen an, nachdem er die Fische aus dem Sand aufgeklaubt und sie den am Boden hockenden Männern in den Schoß geworfen hatte mit den Worten: »Dann macht euch wenigstens damit nützlich, ihr Faulbacken!«

Zu dritt stiefelten sie den Strand hinauf, während ihnen der Wind immer noch gehörig durch die Jacken blies. Auf halbem Wege zu den Felsen zog Luis sein langes Messer und ließ es locker in der Hand neben der Hüfte schwingen. Doornkart warf ihm einen scheelen Seitenblick zu. »Sag bloß, du lässt dich jetzt auch von dem Dünnpfiff ins Bockshorn jagen. Hätte dir mehr Hirn zugetraut, Luis.«

»Ich glaube nicht an Dämonen oder so, falls du das meinst«, gab Luis zurück. »Aber woher weißt du, dass sich nicht irgendwelches Gesindel hier versteckt? Wir sollten lieber auf der Hut sein.«

»Auf so 'nem gottverlassenen Steinhaufen lässt sich doch niemand freiwillig nieder«, sagte Zaach, legte aber trotzdem die Hand auf den Griff der Machete an seinem Gürtel und schaute sich verstohlen nach links und rechts um.

»Die Insel ist größer, als es von Westen aus scheint«, behauptete Luis. »Hab mir das mal auf einer der alten Karten im Leuchtturm angesehen. Wer weiß, was da hinter den Felsen alles so kreucht und fleucht.«

Doornkart nickte grimmig. »Aber klar doch. Und selbst wenn ...« Er klopfte auf den Kolben der antiken Pistool, die er in einem Lederholster vorn am Gürtel trug. »Dann werde ich dem ersten Inselmonkee heißes Blei auf den Pelz brennen – das sollte ihn und seine Kumpane dann schon auf Abstand halten.«

Zaach lachte, doch es klang nervös. Sie hatten sich den Felsen jetzt auf einen Steinwurf genähert, und aus der Nähe wirkten sie noch düsterer. »Allzu viel Brennholz ist hier nicht zu holen«, murrte Luis, bückte sich aber kurz darauf und klaubte ein paar knorrige Wurzeläste auf.

Doornkart verengte die Augen zu Schlitzen. Im Zwielicht des Sturms unter den dichten Wolken musste man genau hinschauen, um brennbares Holz vom Meertang zu unterscheiden. Und Luis hatte recht; groß war die Ausbeute nicht. Nach zwanzig Minuten hatten sie drei Armpaare voll mit dürrem Gestrüpp und zwei ellenlangen Planken Treibgut, das hoffentlich für ein Feuer ausreichen würde. Immerhin riss am Horizont im Norden bereits der Himmel auf und blasses Blau ließ auf baldige Wetterbesserung hoffen.

Gerade wollten sie sich zum Gehen wenden, als Zaach einen erstickten Laut ausstieß und all das Holz fallen ließ, das er in den Armen gehalten hatte.

»Bei Kristian«, flüsterte er. Doornkart und Luis folgten seinem Blick.

Zehn Schritte entfernt klaffte eine jener Lücken in der Felsenlinie, die aussahen wie künstlich geschaffene Hohlwege. In der tiefen Dunkelheit zwischen dem Gestein machte nun auch Doornkart eine Bewegung aus. Sekunden später schälten sich Gestalten aus den Schatten und kamen langsam auf sie zu. Ihre Körper wurden von lumpenartigen, unförmigen Gewändern verhüllt, und die Köpfe, tief zwischen die Schultern gesenkt, brachten Doornkart dazu, seinerseits das Holz fallen zu lassen und stattdessen sein Schießeisen hervorzuziehen.

In den im Schatten weiter Kapuzen liegenden Gesichtern war nur eines zu erkennen – matt glänzende, blutrote Augenpaare.

»Ojee ...«, stöhnte Zaach, wich rückwärts zurück, stolperte und setzte sich auf den Hosenboden. Luis hob sein Messer und schwenkte es hin und her, ohne dass sich die dunklen Gestalten davon beeindrucken ließen. Sie kamen unverdrossen auf sie zu, langsam, aber stetig. Je weiter sie aus den Schatten der Felsen auf den hellen Strand gelangten, desto mehr konnte man von ihnen erkennen.

Was es nicht besser machte.

Grauhäutig und hohlwangig, starrten sie Doornkart und seine Gefährten an wie Wesen aus einer anderen Welt. Einer von ihnen stieß einen gutturalen Laut aus, danach etwas, was zwar nach Worten klang, in Doornkarts Ohren aber nur als unverständliches Kauderwelsch ankam.

Er hob drohend den Revolver und rief: »Bleibt stehen! Keine Bewegung!«

Tatsächlich hielten die unheimlichen Gesellen inne und starrten ihn lauernd an. Ihre grauen, ausgemergelten Körper ließen Doornkart unwillkürlich an jene grausigen Bilder von Gefangenenlagern denken, und ein eisiger Schauder kroch an seiner Wirbelsäule hinab.

Dann zogen die Kerle vor ihnen plötzlich Messer; einer hielt gar eine kurzläufige Pistool in der Faust.

Für eine Sekunde schien die Zeit zu gefrieren, dann stürmten die Rotäugigen auf sie los.

Zaach kreischte und rappelte sich auf, bevor er hektisch seine Machete aus dem Gürtel zerrte. Luis' Gesicht war erstarrt vor Angst, doch er wich keinen Schritt zurück und fuchtelte mechanisch weiter mit seinem Messer herum.

Tapferer kleiner Oldtimer, dachte Doornkart, packte den schweren Revolver mit beiden Händen und war froh, die Waffe erst kürzlich gründlich gereinigt und ausprobiert zu haben, ob sie noch funktionierte.

Einwandfrei, wie der langläufige Army-Colt auch jetzt unter Beweis stellte, obwohl er bockte wie ein Maultier, als Doornkart den Stecher durchzog. Der Knall übertönte für eine Sekunde den Sturmwind, und eine Feuerzunge stieß aus der Mündung.

Die Wucht des großkalibrigen Geschosses ließ den Burschen mit der Pistool rückwärts gegen zwei seiner Kumpane taumeln, die mit ihm zu Boden gingen. Doornkart schwenkte die Waffe und feuerte ein zweites, dann ein drittes Mal.

Er hatte reichlich geübt, was sich jetzt auszahlte. Auch diese beiden Schüsse fanden ihre Ziele; zwei weitere Gegner brachen zusammen und regten sich nicht mehr. Der Elan der Rotäugigen wurde merklich gebremst, sie blieben stehen und starrten sich unschlüssig an.

»Rückzug!«, knurrte Doornkart und bewegte sich selbst langsam rückwärts, die Rotaugen nicht aus dem Blick lassend und den Revolver weiter schussbereit erhoben.

Die beiden Männer, die vom ersten Getroffenen umgerissen worden waren, kamen wieder auf die Beine, und einer von ihnen langte nach der Pistool des Toten. Doornkart feuerte, Sand spritzte auf, und die Hand zuckte zurück. Der Rotäugige warf ihm einen hasserfüllten Blick zu und stieß einen Laut aus, der wie das Fauchen eines Pumas klang.

Luis und Zaach wichen schneller zurück als er, waren schon einige Schritte hinter ihm, obwohl sie sich zwangen, nicht zu rennen. Wohl, weil sie fürchteten, eine panische Flucht würde den Jagdeifer der Insulaner befeuern. Doornkart schloss nicht aus, dass sie damit recht hatten, deshalb zwang er sich zur Ruhe, während er einen Schritt hinter den anderen setzte.

Ihm blieben nur noch zwei Kugeln in der Trommel; doppelt so viele von den Rotaugen hatte er vor sich. Doch waren diese Kerle überhaupt in der Lage, das zu kapieren?

Sie folgten ihnen nicht, und er hatte fünfzehn, zwanzig Schritte zwischen sich und die Gestalten gebracht, da stieß einer von ihnen einen lauten Schrei aus.

»Scheiße, der ruft um Hilfe!«, hörte er Zaach hinter sich jammern und befahl: »Lauft zum Boot. Na los! Vorn in der Bugkiste ist die Leuchtpistool. Vielleicht hält sie das auf.«

Doornkart hörte, wie Zaach und Luis hinter ihm taten, was er gesagt hatte, und musste an sich halten, um sich nicht auch umzudrehen und loszuspurten. Aber er war der Käpt'n und trug die Verantwortung. Also würde er ...

»Beim heiligen Kawenzmann!«, stieß er entgeistert hervor, als sich der Hohlweg in den Felsen plötzlich mit Leben füllte. Gestalten mit Fackeln tauchten auf, und als Doornkart ihr Gebrüll hörte, begann sein Puls schlagartig zu galoppieren.

Er zählte zehn oder zwölf von ihnen, und es kamen immer noch mehr nach. Als der erste der Rotaugen eine Flinte hob, schoss und die Kugel dicht über Doornkarts Kopf hinwegflog, wirbelte er herum und rannte los, auf seinen Kahn zu, der gerade von den Männern zurück in die immer noch schwere See geschoben wurde.

Doch er ahnte, dass es zu spät war. Gegen die auflandige Strömung wären sie selbst mit vereinten Kräften unterlegen, würden den Kahn niemals schnell und weit genug ins Wasser und mit dem Bug voran hinaus bekommen.

Seine Schritte wurden langsamer. Einen Steinwurf vor dem Boot blieb er stehen, ignorierte die Blicke der anderen und drehte sich um.

Die Horde stürmte auf ihn zu, zwanzig oder mehr. Sie schwenkten Beile, Messer und einige lange, speerartige Teile mit Griffen, die aussahen wie Harpunen. Zwei oder drei hatten Flinten.

Doornkart riss den Revolver hoch. Zwei Patronen in der Trommel. Einen konnte er noch mitnehmen, rasch, bevor ihn eine Gewehrkugel erwischte; jenen dort mit dem mordlustig flackernden Blick und den überlangen Armen, der direkt auf ihn zu rannte, ein Beil in der Faust.

Die letzte Kugel war für ihn selbst.

Zwei Jahre danach – jetzt. Avalon, ein Fischerdorf an der Ostküste von Meeraka.

Juulius war sechsundsiebzig und der Dorfälteste, doch sein Gehör funktionierte immer noch hervorragend. Deshalb hob er noch vor dem Mann, der neben ihm an der Mole saß und seine Angel ins Wasser hielt, den Kopf und spähte aufs Meer hinaus.

»Hörst du das?«

Der Jüngere runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf, ließ aber die Angel sinken und folgte Juulius' Blick. Eine Minute verstrich, dann erkannten sie beide winzige Punkte am Horizont, die rasch größer wurden. Und jetzt hörte er es auch: das Brummen von Motoren.

»Was mag das sein?«, murmelte Juulius sichtlich besorgt. Er wandte sich dem jungen Mann zu und schaute ihn fragend an, doch der hob nur ratlos die Achseln.

Juulius starrte ihn noch einen Moment lang prüfend an, dann erhob er sich und stellte seine Angel in einen hohen Weidenkorb. »Besser, wir schlagen Alarm«, sagte er und humpelte über die Mole hinauf ins Dorf. Als er sich nach ein paar Schritten umschaute, saß der junge Mann immer noch an Ort und Stelle, ohne Anstalten zu machen, sich zu erheben.

Julius verzog das von einem Netz aus Falten durchzogene Gesicht, das die tiefe Bräune aufwies, die man sich in einem langen Leben unter freiem Himmel erwarb, dann beschleunigte er seine Schritte.

Als er den Leuchtturm erreichte, um den sich der Dorfplatz mit der Handvoll an Läden und dem Gemeindehaus gruppierte, waren die Maschiingeräusche bereits unüberhörbar, deshalb kamen ihm Männer und Frauen entgegen, und alle warfen beunruhigte Blicke auf den Himmel über dem Meer.

»Was sucht uns da heim, Juulius?«, fragte ihn Kaylee, die Frau des Köhlers, und er hob die Achseln, antwortete aber:

»Wer oder was auch immer – es scheint von der Insel zu kommen.«

Die Leute raunten und schauten sich an. Aufkommende Angst war fast mit Händen zu greifen. Eilig wies Juulius die versammelten Männer an, die für den Fall eines Angriffs im Grunde selbst wussten, was sie zu tun hatten.

Die Gemeinde von Avalon war gerüstet für Überfälle, und zweimal im Jahr fanden Übungen statt. Nun würden sie sich bewähren können. Juulius erkannte den Eifer und die Erregung in den Gesichtern der Jüngeren.

Binnen weniger Minuten wurden die beiden mit Gewehren ausgestatteten Geschütznester auf den Hügeln, die sich hinter den Häusern des Dorfplatzes befanden, besetzt. Eine weitere Gruppe eilte den Leuchtturm hinauf. Denn dort oben befanden sich statt des Leuchtfeuers, für das er einmal errichtet worden war, eine drehbare Haubitze sowie Gewehre mit hoher Reichweite.