Pferdesoldaten 12 - Hinterhalt am Milton-Pass - Michael Schenk - E-Book

Pferdesoldaten 12 - Hinterhalt am Milton-Pass E-Book

Michael Schenk

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Beschreibung

"Die Pferdesoldaten" bietet spannende Western aus der Zeit der nordamerikanischen Indianerkriege. Die in sich abgeschlossenen Abenteuer stellen die U.S. Reitertruppen in den Jahren zwischen 1833 und 1893 vor. Entgegen der üblichen Western-Klischees bietet der Autor dabei tiefe Einblicke in Ausrüstung, Bewaffnung und Taktiken, die sich im Verlauf der Jahre immer wieder veränderten. Schicke gelbe Halstücher und Kavallerie mit Repetiergewehren wird der Leser hier nicht finden, wohl aber Action mit einem ungewohnten Maß an Authentizität.

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Michael Schenk

Pferdesoldaten 12 - Hinterhalt am Milton-Pass

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Überfall auf „Nummer 12“

Kapitel 2 Ein erfolgreicher Tag

Kapitel 3 Auf nach Iowa

Kapitel 4 Sanders Ranch

Kapitel 5 Verhandlungen

Kapitel 6 Rimrock Station

Kapitel 7 Interessante Neuigkeiten

Kapitel 8 Erste Einweisung

Kapitel 9 Eine lohnende Beute

Kapitel 10 Zufällige Begegnung

Kapitel 11 Der Lauscher an der Wand

Kapitel 12 Eine unerwartete Mitfahrgelegenheit

Kapitel 13 Vorbereitungen zum Hinterhalt

Kapitel 14 Die Warnung

Kapitel 15 Auf eigene Verantwortung

Kapitel 16 Auf der Heimfahrt

Kapitel 17 Jim Buttons Entscheidung

Kapitel 18 Hinterhalt am Milton-Pass

Kapitel 19 Bis der Kessel platzt

Kapitel 20 Reiche Beute

Kapitel 21 Das Hindernis

Kapitel 22 Zur Hilflosigkeit verurteilt

Kapitel 23 Grauen am Milton-Pass

Kapitel 24 Reiche Beute, schwere Last

Kapitel 25 Begegnung im Schnee

Kapitel 26 Auf der Ranch

Kapitel 27 Eine deutliche Fährte

Kapitel 28 Auf der Sanders Ranch

Kapitel 29 Ausklang

Kapitel 30 Karte „Iowa, Harper & Bell Railroad“

Kapitel 31 Ankündigung

Kapitel 32 Hinweis zur Suche bei Amazon

Kapitel 33 Maße und Geschwindigkeiten

Kapitel 34 Historische Anmerkung

Kapitel 35 Bisher erschienen:

Kapitel 36 Hinweis: Für Freiheit, Lincoln und Lee

Impressum neobooks

Kapitel 1 Überfall auf „Nummer 12“

Pferdesoldaten 12

Hinterhalt am Milton-Pass

Military Western

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2020

Zug „Nummer 12“ hatte den Milton-Pass hinter sich gelassen und machte Zwischenstopp an einem der Versorgungspunkte, die entlang der Strecke verteilt waren. Er lag unmittelbar am östlichen Zugang des Passes. Hier konnten die Lokomotiven Wasser und Holzvorräte auffüllen und es gab auch Sand für die Bremsanlage.

Das typische rhythmische Hallen einer im Leerlauf befindlichen Dampfmaschine mischte sich mit dem gelegentlichen Zischen, das entstand, wenn Lokomotivführer Jim Buttons etwas Druck abließ. Er saß auf dem Sitz im Führerstand seiner „12“, behielt die Anzeigen, Ventile, Stellräder und Hebel im Auge und warf nur gelegentlich einen kurzen Blick zu seinem Heizer Joe Ganter, der mit drei männlichen Passagieren dabei war, die Holzscheite aus dem Vorratspunkt auf den Tender hinaufzuwerfen und dort sorgfältig zu stapeln. Zuvor hatten sie das schwenkbare Rohr des auf Stelzen stehenden Wassertanks genutzt, um den Kessel aufzufüllen. Eine durchaus gefährliche Arbeit, da dieser unter Druck stand und heißen Dampf absonderte. Doch Joe war, ebenso wie Jim und der Rest des Zugpersonals, ein erfahrener Eisenbahner und kannte sich aus.

Conducteur David Siles machte sich ebenfalls nützlich. Er übernahm eine von Jims Aufgaben und ging mit dem langstieligen Stahlhammer an den Wagen entlang und schlug immer wieder gegen die Räder und Kupplungen, um sie vom Eis zu befreien und ihre Funktion zu kontrollieren.

„Nun macht schon, Jungs“, trieb Siles die beiden Morrow-Brüder an. Jack und Ben waren jung und gehörten zu den frei geborenen Farbigen des Nordens. Sie waren die beiden Porter des Zugs. Die Packer, die für Be- und Entladen von Gepäck und Gütern verantwortlich waren. Im Augenblick spalteten sie Holzscheite, die eigentlich für den großen Kessel der „12“ gedacht waren, in kleinere Teile, denn sie sollten in die Öfen der beiden Passagierwagen passen.

Es war März des Jahrs 1864 und in Iowa herrschte tiefer Winter. Die Temperaturen lagen deutlich unter dem Gefrierpunkt und der Anblick der winterlichen Landschaft mochte seinen Reiz haben, der jedoch rasch verflog, wenn einem die Kälte in die Haut biss.

Ganz hinten im Zug murmelte Carl Bessinger vor sich hin. Der Bremser war als mürrischer Einzelgänger bekannt und genoss die abgeschiedene Ruhe, die ihm das erhöhte Bremserhäuschen des Post- und Gepäckwagens bot. Bessinger hüllte sich lieber in Jacke und zusätzliche Decken, als in den Innenraum des Wagens zu steigen und sich dort, gemeinsam mit den Morrows, am Ofen aufzuwärmen. Im Augenblick widmete er sich ganz den Bremsen des Wagens, fettete das Gestänge und kratzte die Bremsbeläge sauber.

Offiziell mochte Conducteur David Siles der Leiter des Zugs sein, aber jeder Mann der Besatzung akzeptierte, dass diese Aufgabe im Grunde Jim Buttons zufiel. Seine Erfahrung und seine Fähigkeiten waren es, die alles am Laufen hielten und die Maschine ins Rollen oder Stehen brachten. Wer einmal mit der „Harper & Bell Railroad“ durch die gebirgige Landschaft des mittleren Iowa gefahren war, der erkannte das neidlos an.

Die „Harper & Bell Railroad“ unterhielt die Strecke zwischen Sioux City, an der Grenze zu Dakota und Nebraska, und der großen Stadt Chicago in Illinois. Inzwischen gab es eine ganze Reihe privater Bahngesellschaften und Bahnlinien, doch die von „Harper & Bell“ gehörte sicher zu den schönsten, anspruchsvollsten und gefährlichsten. Sie führte über Ebenen und durch die südlichen Ausläufer der Cedar Mountains. Einer der aufregendsten Abschnitte war sicher die Passage durch den Milton-Pass. Steil aufragende Berghänge an der einen und ebenso steil abfallende Hänge auf der anderen Seite begleiteten die Reise auf etliche Meilen. Der Abstand zwischen dem Zug und den Felsen oder dem verhängnisvollen Abgrund betrug an vielen Stellen kaum ein Yard. Eigentlich zählten die Berge nicht als solche, denn ihre höchste Erhebung war der Hawkeye Point mit mageren fünfhundertneun Yards. Aber auch wenige hundert Yards konnten sehr beeindruckend sein, wenn der Anstieg der Felshänge entsprechend ausfiel.

Die Fahrt war gefährlich, denn Felsen oder Bäume konnten auf das Gleis stürzen und ein Erdrutsch konnte es mit sich reißen. Dann bestand die einzige Überlebenschance darin, dass der Lokführer die Gefahr noch rechtzeitig genug erkannte, um darauf reagieren zu können. Es gelang nicht immer. Im vergangenen Sommer war die „Nummer 7“ in die Tiefe gestürzt und hatte den gesamten Zug mit sich gerissen. Nur der Bremser hatte, wie durch ein Wunder, überlebt.

Das war im Sommer gewesen und nun herrschte Winter, was das Risiko der Fahrt noch erhöhte. Es hatte oft und viel geschneit und mancher Baum duckte sich unter der Schneelast. Während der Fahrt durch den Milton-Pass hatte einer der Passagiere das Fenster geöffnet und auf einen Schneehasen geschossen. David Silas hatte ihn höflich und sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er das tunlichst zu unterlassen habe. Abgesehen von der eindringenden Kälte könnte der Knall des Schusses ein Schneebrett oder eine Lawine auslösen, was „Nummer 12“ möglicherweise nicht bekäme, und ein Fußmarsch durch den hohen Schnee, selbst entlang der Gleise, sei höchst unerfreulich, da Rimrock Station noch über hundert Meilen entfernt sei. Der Passagier war einsichtig gewesen, zumal die Gesichter der anderen im Wagen eine zunehmende Unfreundlichkeit signalisiert hatten. Nun gehörte er zu jenen, die sehr bereitwillig die Holzscheite bewegten.

„Nummer 12“ bestand aus der Lokomotive, dem Tender und zwei Personenwagen mit jeweils vierundzwanzig Sitzplätzen. Anschließend folgten zwei geschlossene Güterwagen und der Postwagen mit dem Bremserhäuschen. Der gesamte Zug war in den Farben von „Harper & Bell“ gehalten. Der Hauptkörper der Lokomotive in hellem Grasgrün, von dem sich der trichterförmige Schlot des Schornsteins in tiefem Schwarz abhob. Die Räder und das Gehäuse des großen Scheinwerfers über dem Kessel schimmerten in kräftigem Rot. Rechts und links, an den Flanken des Führerstands, prangte der Schriftzug „H. & B. R.R.“ in goldenen Lettern, darunter, etwas kleiner, der Name, mit dem man Lokomotive „Nummer 12“ bedacht hatte: „Pride of the Sioux“. Wer etwas von den Indianern verstand, der durfte allerdings berechtigte Zweifel daran hegen, dass die in der Nähe lebenden Sioux tatsächlich viel von dem „eisernen Pferd“ hielten.

Die Farbgebung wiederholte sich an den Personenwagen. Gelbe Holzaufbauten, mit roten Rädern, grünen Dächern und ebenfalls den goldenen Lettern der Bahngesellschaft. Die beiden Frachtwagen und der Postwagen waren hingegen durchgehend in Grün gehalten. An der Schiebetür des Postwagens stand in schwarzen Lettern „U.S. Mail“, da „Harper & Bell“ für die Postverbindung zwischen Chicago und Sioux City verantwortlich war.

Besonders Jim Buttons empfand Stolz auf seine „12“. Sie gehörte zur Baureihe 4-4-0, was bedeutete, dass sie zwei vordere Spurräder, zwei Antriebsräder und keine sogenannten Folgeräder besaß, die man anbrachte, um das Gewicht einer Lok besser zu verteilen. Dennoch brachte es die „12“ auf über neunundzwanzig Tonnen Gewicht und ihre angetriebenen Räder hatten einen stolzen Durchmesser von fünf Fuß. Damit waren sie ebenso groß wie der eher kleinwüchsige Heizer Joe.

Abermals überprüfte Jim Buttons die Druckanzeige des Kessels und zog dann seine große goldene Taschenuhr hervor. Während er auf seinem Pfriem kaute, berechnete er die voraussichtliche Fahrtdauer nach Rimrock Station. Bei „Harper & Bell“ legte man durchaus Wert auf die Einhaltung der Fahrpläne. Die Gleisstrecke war lang und, wie allgemein üblich, nur einspurig. Einmal täglich fuhren die Züge in beide Richtungen und Ausweichmöglichkeiten, durch ein paralleles Gleisstück, gab es nur an den Stationen und Bahnhöfen.

Jim beugte sich aus dem Führerstand, spuckte Tabaksaft in den Schnee und suchte mit den Blicken nach seinem Heizer. „He, Joe, wie weit bist du? Ist höchste Zeit, wenn wir pünktlich in Rimrock eintreffen wollen!“

Joe Ganter schwitzte, obwohl er im Augenblick nur seinen wollenen Einteiler und darüber eine blaue Latzhose trug. Er sah abschätzend auf den Tender und nickte dann. „Dürfte reichen.“

„Okay, dann lass wieder einsteigen, damit ich Dampf geben kann.“

Joe erhob seine Stimme. Wenn man bedachte, wie klein er von Statur war, so war deren Volumen umso erstaunlicher und hätte manchen Sergeant der Armee vor Neid erblassen lassen. „Hey, Siles, wir sind hier fertig!“

David Siles blickte den Zug entlang und benutzte seine silberne Pfeife, um auf sich aufmerksam zu machen. „Alles einsteigen! Die Fahrt geht weiter!“

Alle waren froh, der beißenden Kälte draußen zu entkommen. Die Männer, die beim Holzfassen geholfen hatten, traten an den kleinen Ofen, legten die Jacken und Mäntel ab und rieben sich die Hände. Es war eher eine Demonstration den anderen gegenüber, was sie gerade geleistet hatten, als ein echtes Bedürfnis, denn die Arbeit hatte sie warm gehalten. Immerhin erkannte der Conducteur ihre Leistung an, denn er schenkte ihnen großzügig Kaffee aus der großen Kanne ein, ohne diesen zu berechnen.

Zu Beginn des Jahrs 1864 gab es auf den meisten Strecken noch keine Bewirtung der Fahrgäste. Jeder musste für sich selbst sorgen und in den Stationen und Bahnhöfen machte man gutes Geld damit, den Passagieren Getränke und belegte Brote anzubieten.

Das Stampfen der Maschine steigerte sich und die großen Antriebsräder drehten einen Moment durch, bis Jim Buttons die Rohrdüsen betätigte und etwas Sand auf die Schienen abließ. Mit einem Ruck setzte sich Zug „Nummer 12“ wieder in Bewegung.

Der Aufenthalt am Versorgungspunkt hatte länger als geplant gedauert, doch er war notwendig gewesen. Eine Fahrt im Winter und noch dazu über einen Gebirgspass wie den von Milton beanspruchte den Zug und seine Ressourcen erheblich. Gleichgültig ob Steigung oder Gefälle, immer wieder musste Sand abgelassen werden, damit die Räder griffen, immer wieder musste der Bremser tätig werden, damit der Zug nicht zurückrollte oder zu hohe Geschwindigkeit aufnahm. Der Verbrauch von Sand, Wasser und Holz war wesentlich höher, als wenn der Zug durch die Ebene rollte.

Ständig waren kleine Wartungstrupps der Bahngesellschaften unterwegs, um die Gleise zu prüfen, zu reparieren und die Versorgungspunkte mit ausreichendem Nachschub zu versorgen. Ohne die Arbeit dieser Männer, die man später kaum einer Erwähnung in den Geschichtsbüchern für würdig empfinden würde, wäre keine der Bahnen des Jahrs 1864 am Rollen geblieben.

Der Zug war nicht voll besetzt. Die meisten der sechsunddreißig Passagiere hielten sich im zweiten Personenwagen auf, der weniger von Qualm umweht wurde, wenn der Wind diesen aus dem Schornstein nach unten drückte. Zwar waren die Fenster meist geschlossen, so dass er nicht eindringen konnte, aber er trübte durchaus die Sicht.

Für Samantha Jordan Barrows war die Aussicht noch immer beeindruckend. Es war ihre erste Bahnfahrt und sie konnte sich an den wechselnden Landschaften kaum satt sehen. Die Achtzehnjährige war die Tochter eines Ranchers aus Arizona. Ein Territorium, welches weit im Osten und Süden der Staatenunion lag und sich aus dem Bürgerkrieg heraushielt. Dort hatte man genügend Probleme mit mexikanischen Banditen und wilden Indianern, vornehmlich den gefürchteten Apachen und Comanchen. Ihr Vater hatte Samantha, die man kurz „Sam“ nannte, nur ungern auf die weite und gefährliche Reise geschickt und ihr zwei seiner besten Männer zum Schutz mitgegeben.

Jeb Walters war der Vormann der Ranch. Hager, vorzeitig ergraut und mit einem mächtigen Vollbart fühlte er sich in dem ungewohnten Anzug eines Städters nicht wirklich wohl. Er sehnte sich nach seiner einfachen Arbeitsmontur und dem Rücken seines Pferds. Seinem Freund Atticus Todd erging es kaum anders. Dieser war der Bestman der Ranch, Zureiter für wilde Pferde und Stellvertreter von Jeb. Auch er war schlank, denn die Arbeit auf der Ranch ließ es kaum zu, dass der Körper überflüssiges Fett ansetzte. Auffällig an Atticus waren die ausgeprägten O-Beine, die verrieten, dass er den größten Teil seines Lebens im Sattel verbracht hatte.

Nein, die beiden Cowboys fühlten sich nicht wirklich wohl, doch sie empfanden zugleich auch Stolz darüber, dass der „Boss“ sie auserwählt hatte, Samantha zu begleiten und zu beschützen.

Samantha Jordan Barrows war mit einhundertdreiundfünfzig Zentimetern nicht gerade groß und ein wenig rundlich, doch ihr mädchenhaft unschuldiges Gesicht, mit den großen blauen Augen und den vollen Lippen, weckte in jedem Mann sofort den Beschützerinstinkt. Ihre blonden Locken fielen bis weit über ihre Schultern. Samantha trug ein schlichtes blaues Reisekostüm, welches nicht unbedingt der neuesten Mode entsprach, aber den Vorzug bot, dass sie einige zusätzliche Taschen in die Innenseiten des Rocks eingenäht hatte. Normalerweise trug Sam den üblichen breitkrempigen Hut der Rinderhirten und hatte sich noch immer nicht mit der modischen „Pillendose“ angefreundet, die sie mit einer langen Hutnadel in ihrer Haarpracht hatte befestigen müssen.

Die drei unterhielten sich nur noch gelegentlich und mit knappen Bemerkungen. Sie waren schon etliche Tage und mit verschiedenen Bahnlinien unterwegs, hatten zwischendurch sogar einige Reiseabschnitte mit einer der Überland-Kutschen absolviert. Es lag eine beachtliche Distanz zwischen der Barrows Ranch in Arizona und der Stadt Chicago. Dennoch war die Fahrt über Land schneller als die Reise mit einem Schiff, bei dem man letztlich doch die Bahn oder Kutsche zum Ziel benutzen musste. Während der langen Fahrt hatten sie über nahezu alles gesprochen, was ihnen in den Sinn gekommen war, zwischendurch gedöst und dann wieder den Anblick der wechselnden Landschaft und der Tierwelt genossen.

Noch immer lagen ein paar Tage Fahrt vor ihnen.

Jeb Walters schob seinen breitkrempigen Hut, der modisch nicht zu seinem Anzug passte, in den Nacken und seufzte vernehmlich. „Ich hoffe, Sam, diese verdammte Fahrt ist bald zu Ende. Ehrlich gesagt, mir graut jetzt schon vor dem Gedanken, dass wir den ganzen verdammten Weg auch wieder zurück müssen.“

Samantha lächelte verständnisvoll. „Leider haben wir keine andere Wahl, Jeb.“

„Aber nur weil der Boss, bei allem Respekt, Missy, auf diesen verdammten Black Angus beharrt.“

Die beiden Männer wechselten häufig zwischen Samanthas Vornamen und „Missy“, der Kurform des Begriffs „Misses“, was in den südlichen Staaten durchaus üblich war. Für sie war Sam einfach noch zu jung, um mit „Ma´am“ angesprochen zu werden.

„Du weißt sehr gut, Jeb, warum das so ist, und ich bin froh, dass Dad so weit im Voraus plant. Der Fleischbedarf wird steigen und zwar enorm. Die Armee zahlt gutes Geld für Rinder.“

„Der verdammte Krieg wird ja wohl irgendwann vorbei sein“, meldete sich Atticus zu Wort. Er hatte sich in die Ecke der Sitzbank gelümmelt und hielt das Gesicht mit seinem Hut bedeckt. „Dann braucht die verdammte Armee keine Rinder mehr.“

„Das wäre kurzsichtig gedacht“, verteidigte die junge Frau den Standpunkt ihres Vaters. „Die Besiedelung des Westens schreitet voran. Schon 1862 hat Präsident Lincoln die Genehmigung zum Bau einer transkontinentalen Eisenbahn erteilt, welche den Westen und den Osten miteinander verbinden wird. Ist sie fertig, dann wird es Ströme von Siedlern geben. Die Einwohnerzahlen in den Städten wachsen schon jetzt enorm.“

„Mag so sein, Missy, aber niemand baut an dieser transkontinentalen Eisenbahn. Wegen dem Krieg, Missy.“

„Oh doch, man baut, wenn auch im Augenblick nur sehr langsam. Und wie du selbst gerade sagtest, wird der Krieg ja irgendwann enden.“

„Aber warum ausgerechnet Black Angus? Es gibt auch andere Rinder, bei denen wir nicht extra nach Chicago reisen müssten“, knurrte Jeb. „Verdammt, Sam, ich habe jetzt schon Schwielen von dem langen Sitzen am Hintern.“

„Hat euch Dad das nicht schon x-mal erklärt?“, seufzte sie. „Jungs, wir haben Tausende von Hereford Rindern und die kommen gut mit unserem Land zurecht. Aber die Black Angus Rinder aus Schottland sind nun einmal die besten Fleischlieferanten. Wenn wir sie in den ersten Jahren auf den Weiden grasen lassen und ein Jahr vor der Schlachtung zusätzlich mit Getreide und Mais füttern, dann liefern sie exzellentes Fleisch. Dunkelrot und fein marmoriert und mit einem geringen Fettanteil. Wenn wir die Black Angus mit unseren Herefords kreuzen können, dann erhalten wir robuste Rinder, die einen weiten Rinderauftrieb gut überstehen und die, selbst nach einem strapaziösen Treiben zu den Schlachthöfen, noch gut im Fleisch stehen und damit gutes Geld bringen.“

„Yeah“, brummte Atticus verdrießlich, „und die einzige Gesellschaft, über die wir die blöden Black Angus bekommen, sitzt derzeit in Chicago. Warum, verdammt, ausgerechnet dort?“

Samantha zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich? Jedenfalls müssen wir nach Chicago, dort ein paar erstklassige Zuchtbullen einhandeln und den Transport der Tiere zu unserer Ranch klarmachen. Mit etwas Glück und dank der Verbindungen von Dad, wird man die Bullen nach Galveston in Texas verschiffen können. Von dort ist es über Land ja nicht so weit zur Ranch.“

„Es ist immer noch Krieg, Missy“, mahnte Jeb leise. „Und ein paar fette Bullen sind ein reizvolles Ziel für Comanchen, Apachen und Banditen, von ausgehungerten Rebellensoldaten ganz zu schweigen. Wird gewiss nicht einfach, die Viecher zur Ranch zu bringen.“

Samantha lächelte verschmitzt. „Dad liefert Fleisch an die Unionsarmee und auch an die Konföderierten. Die Kommandanten der Unionsforts Buchanan und Coronado wissen das auch und dulden es. Dad ist klug und ich wette, er wird eine Eskorte der Konföderierten bis zur texanischen Grenze aushandeln und ab dort eine Yankee-Eskorte aus Camp Coronado.“

„Ja, der Boss ist ein schlauer Fuchs“, räumte Jeb ein. Er zog die Jacke etwas enger um die Schultern. „Trotzdem, Missy, … ausgerechnet Chicago.“

Ein Ruck ging durch den Zug und Samantha hatte einen Moment Mühe, sich auf ihrem Sitz zu halten. Irritiert sah sie zum Fenster hinaus, konnte aber nichts Besonders erkennen. Da David Siles gerade durch den Wagen eilte, hielt sie ihn mit einem knappen Zuruf zurück. „Verzeihung, Mister Siles, warum halten wir? Wir haben Rimrock Station doch noch nicht erreicht, oder?“

Siles lächelte. „Nein, Ma´am, wir haben noch gute vierzig Meilen bis Rimrock und dürften die Station erst in sechs Stunden erreichen, wenn alles rund läuft. Aber wir sind ein Flaggenzug und nehmen noch einen zusätzlichen Passagier auf.“

Jeb Walters richtete sich auf und schob seinen Hut in den Nacken. „Was, verdammt, ist ein Flaggenzug?“

„Einige Züge werden als Flaggenzug ausgewiesen und sind verpflichtet, jeden zusätzlichen Fahrgast an Bord zu nehmen, der signalisiert, dass er mitfahren will“, erklärte Siles. „Dazu reicht es aus, wenn er mit den Armen winkt oder mit dem Hemd oder Halstuch wedelt. Das bezeichnet man, wenn auch etwas übertrieben, als ‚Fahneschenken‘ und daher leitet sich der Begriff ‚Flaggenzug‘ ab.“

„Ah, danke, Mister Siles, das war mir nicht bekannt“, räumte Samantha ein. „Und wo ist der neue Passagier?“

„Auf der anderen Seite, Ma´am. Wenn Sie mich nun entschuldigen? Ich muss ihn aufnehmen und den Fahrpreis kassieren.“

„Andere Seite“, murmelte Atticus verschlafen. „So ein Mist, jetzt hat der Ruck mich wieder wach gemacht.“

Samantha war neugierig. Sie folgte dem Beispiel einiger anderer Passagiere, die wohl dankbar für die Unterbrechung der eintönigen Fahrt waren, und trat an die andere Seite des Abteils. Als sie hinausspähte, erkannte sie zwei Reiter, die mit den Armen winkten, während der Zug nun, mit einem letzten Ruck, endgültig zum Stehen kam.

„Was machen die mit ihren Gäulen, wenn die mitfahren wollen?“, fragte eine ältere Dame.

„Die kommen in einen der Frachtwagen“, antwortete ein Mann in mittleren Jahren. Als er sich ein wenig drehte, verschob sich seine Jacke und Samantha erkannte den Stern eines Deputy an seiner Weste. „Die Bahn ist auf so was vorbereitet.“

Auf der Seite, an der die neuen Passagiere gewartet hatten, befand sich eine schneebedeckte Ebene, die sich meilenweit erstreckte. Erst in einiger Entfernung war der Rand eines Walds zu erkennen. An der gegenüberliegenden Seite, wo Samantha und ihre Begleiter ihre Sitzplätze hatten, näherte sich der Wald bis auf kaum hundert Yards dem Gleis.

David Silas hatte inzwischen die Tür des Abteils geöffnet und trat auf die Plattform hinaus, von der kurze Tritte nach unten führten und den Zugang zu erhöhten Bahnsteigen erleichterten. Hier, auf freier Strecke, lag der unterste Tritt noch recht hoch über dem Boden. Siles trug eine Tritthilfe, die den Einstieg mit ihren zusätzlichen Stufen erleichtern würde.

Er stützte sich auf das Niederschraubgestänge der hinteren Wagenbremse und zog die Hand fluchend zurück. Das Metall war eiskalt. „Tag, Gentlemen. Sie wollen mitfahren?“

„Bis Rimrock, wenn es beliebt“, antwortete einer der Reiter.

Der Conducteur berechnete die zurückzulegende Strecke und den zu veranschlagenden Preis pro Meile blitzschnell im Kopf. „Das macht einen Dollar und fünfundachtzig Cents, Gentlemen. Pro Kopf“, fügte er hinzu. „Und noch mal einen Dollar und fünfundsiebzig Cents pro Pferd. Insgesamt sieben Dollar und zwanzig Cents.“

Die beiden Männer sahen sich kurz an. „Geht in Ordnung, Mister. Wo sollen wir unsere Pferde unterbringen?“

„Reiten Sie zum Postwagen und sprechen Sie mit unseren beiden Porters Die wissen, wo Platz ist.“

„Besten Dank, Mister. Wir beeilen uns.“

Silas sprang vom Wagen und stellte den Hilfstritt auf. Dann sah er zu, wie die beiden Reiter zum Zugende trabten. Die beiden Morrow-Brüder würden die Schiebetür des entsprechenden Frachtwagens öffnen und die dort befindliche Rampe anlegen, so dass die Männer ihre Pferde hineinführen konnten. Hoffentlich ging es problemlos ab, denn es gab Tiere, die vor der recht steilen Rampe und der Dunkelheit im Wagen zurückscheuten.

Im Zug war alles auf die neuen Fahrgäste konzentriert oder döste vor sich hin. Keiner achtete auf den nahen Waldrand der anderen Seite.

Dort lösten sich zwei Dutzend Bewaffnete aus dem Schutz der Bäume und hasteten auf den Zug zu. Sie schienen gut organisiert, denn sie teilten sich sofort auf. Jeder schien seine Aufgabe zu kennen. Zwei der Männer erreichten die Lokomotive und zwangen Jim Buttons und Joe Ganter, die Hände zu heben und vom Führerstand herunterzusteigen. Gleich vier der Banditen erreichten den Postwagen, überraschten dort Carl Bessinger, der fluchend aus seinem Bremserhäuschen stieg. Die beiden Morrow-Brüder hatten gerade die Rampe angelegt und sahen, als sie sich aufrichteten, in die Mündungen zweier Revolver.

Die übrigen Angreifer verteilten sich auf die Enden der beiden Personenwagen, enterten die Plattformen und drangen so von beiden Seiten in die Abteile ein, wobei einer der Männer den verdutzten David Siles vor sich her schob, indem er ihm seine Waffe ins Kreuz drückte. Jeder der Eisenbahnräuber verdeckte sein Gesicht mit einem Halstuch oder Schal.

Ein paar erschrockene Schreie ertönten, als die Passagiere die Situation erkannten, doch sie verstummten rasch, als sich die Mündungen der Revolver und zweier Schrotflinten auf sie richteten.

„Ladies und Gentlemen, bitte verzeihen Sie mir die ungebührliche Unterbrechung Ihrer Reise.“ Ein gepflegt wirkender Mann in Büffelfellmantel und mit einem Hut mit pelzgefütterter Krempe schob sich an dem erschrockenen Conducteur vorbei. „Bitte bleiben Sie ruhig und verzichten Sie auf unbedachte Bewegungen. Vor allem auf den Versuch, nach einer Waffe zu greifen. Wir müssten das als unfreundlichen Akt betrachten. Es wäre doch sehr bedauerlich, wenn die Reise des Betreffenden dann hier endgültig enden würde, nicht wahr? Und nun haben Sie bitte die Freundlichkeit, Geld, Uhren und Schmuck bereitzuhalten, damit wir sie entgegennehmen können. Zwei meiner Männer werden Sie nun um deren Besitz erleichtern.“ Der Mann lächelte freundlich. „Ein sicherlich verschmerzbarer Verlust, wenn man bedenkt, dass Ihre freundliche Gaben Ihnen das Leben erhält.“

Der Deputy versuchte es tatsächlich. Obwohl er einer überwältigenden Übermacht gegenüberstand, war er unvernünftig genug, nach seiner Waffe zu greifen. Gleich zwei der Banditen schossen und trafen ihn tödlich.

Die ältere Dame stieß einen spitzen Schrei aus und sank in Ohnmacht. Die anderen Fahrgäste beeilten sich, ihre Hände nach oben zu heben.

Das galt auch für Samantha und ihre beiden Begleiter. Sam bemerkte, wie Jeb verstohlen seine Jacke zurückschlug, um das Revolverholster freizulegen und schüttelte mit einem mahnenden Blick den Kopf. „Nicht, Jeb, wir haben keine Chance“, raunte sie.

Die Banditen verteilten sich sehr geschickt, so dass sie sich nicht gegenseitig behinderten. Zwei von ihnen gingen mit Leinensäcken zwischen den Sitzreihen entlang und nahmen die entgegengehaltenen Wertsachen an sich. Ein oder zweimal drückten sie die Mündungen ihrer Waffen gegen einen Hals oder Kopf, um ihrer Forderung zusätzlichen Nachdruck zu verleihen.

Aus dem ersten Personenwagen war ein heiserer Schrei zu hören.

Der Anführer der Bande hob eine Augenbraue und schüttelte missbilligend den Kopf. „Ich fürchte, Ladies und Gentlemen, da war jemand unvernünftig. Ich will doch hoffen, dass uns hier der weitere Anblick von Blut erspart bleibt. Es reicht doch wohl, dass der heldenhafte Deputy sein Leben lassen musste. Wenn allerdings noch jemand zum Helden werden möchte …“

Keiner wollte zum Helden werden. In diesem Fall hatte der Held wohl die unangenehme Eigenschaft, sehr tot zu enden.

Jeb und Atticus machten ausgesprochen grimmige Gesichter, als sie ihre Wertsachen aushändigten. Der Bandit, der sie an sich nahm, wandte sich Samantha zu und deutete mit einem langen und sehr spitzen Messer, welches eher einem Dolch gleichkam, auf ihr Gesicht. „Komm schon, Süße, oder soll ich dir die Ohrringe persönlich abziehen? Und vergiss dieses niedliche Kettchen nicht, das dir so nutzlos um den hübschen Hals hängt.“

Jeb stieß ein vernehmliches Knurren aus, als Sam diese letzte Erinnerung an ihre verstorbene Mutter abnahm. Der Kerl mit dem Messer fuhr herum und sah den Vormann drohend an. „Versuch es nur. Ich kann dir gerne ein bisschen im Gesicht herumschnitzen. Wird deine dämliche Visage sicher verschönern. Man sagt mir nach, ich sei ein wahrer Künstler mit der Klinge.“

Jeb presste die Lippen aufeinander und in seinen Augen stand die gleiche blanke Mordlust, wie in denen seines Gegenübers.

„Lass es Jeb“, sagte Atticus. „Das ist es nicht wert.“

Der Anführer kam zu ihnen und musterte Samantha forschend. „Junge Lady, Sie werden uns bis zum Waldrand begleiten, damit niemand auf die dumme Idee kommt, bei unserem Rückzug auf uns zu schießen. Sie haben mein Ehrenwort, dass wir Sie danach unbeschadet gehen lassen.“

Samantha erwiderte seinen Blick. „Und ich soll auf das Ehrenwort eines Banditen vertrauen?“

„Nun, junge Lady, so wie ich das sehe, bleibt Ihnen keine andere Wahl.“ Der Mann winkte mit seinem Revolver und Samantha erhob sich zögernd. „Ladies und Gentlemen, wir werden uns nun zurückziehen. Mein herzlicher Dank für Ihre Freigiebigkeit, auch wenn sie vielleicht nicht ganz freiwillig erfolgte“, sagte er mit erhobener Stimme. „Falls jemand auf die Idee kommt, uns folgen zu wollen, oder gar auf uns schießt, wird diese hübsche junge Lady hier die Folgen zu tragen haben. Seien Sie also vernünftig und bewahren Sie Ruhe, bis sie wieder zu Ihnen zurückkehrt. Und nun bleibt mir nichts, als Ihnen weiterhin gute Reise zu wünschen.“

Der Mann zog seinen pelzgeschmückten Hut und deutete eine Verbeugung an, dann packte er Samantha am Arm und schob sie vor sich her.

Ebenso schnell, wie die Bande das Abteil betreten hatte, verließ sie es auch wieder. Auch ihr Rückzug gestaltete sich wohlgeordnet. Ein Teil der Männer ging die halbe Strecke zum Wald, verharrte dort und zielte mit den Waffen auf den Zug, während sich die zweite Hälfte, mit Samantha und dem Anführer, auf den Weg in den Schutz der Bäume machte. Hier erkannte sie weitere Männer, die mit Pferden bereitstanden.

Ein Pfiff des Anführers ließ auch die anderen in den Wald folgen. Die beiden Reiter, die angeblich hatten mitfahren wollen, schlossen zu ihnen auf.

Am Zug war keine Bewegung, wenn man davon absah, dass die Passagiere an den Fenstern standen. Die meisten machten sich allerdings klein, da sie wohl befürchteten, die Banditen könnten doch noch auf sie schießen. Nur Jeb und Atticus traten auf die Plattform hinaus, gefolgt von Conducteur David Siles. Alle drei schienen sichtlich in Sorge um Samantha.

Jeb und Atticus hielten die Hände hinter dem Rücken und Sam war bewusst, dass sie ihre Revolver bereithielten. Doch mit solchen Waffen war es kaum möglich, die weit entfernten Banditen am Waldrand ernstlich zu gefährden.

Die Bande saß auf und der Anführer beugte sich im Sattel zu Samantha hinunter. „Nun, junge Lady, ich danke Ihnen für Ihre freundliche Kooperation. Ich hoffe sehr, Ihre weitere Reise verläuft ungestört.“

Dann zog der Mann sein Pferd herum, stieß abermals einen Pfiff aus und die Bande verschwand in der Tiefe des Walds.

Samantha fröstelte es, denn sie hatte keine Gelegenheit erhalten, ihren Mantel überzuziehen. Rasch lief sie zum Zug zurück, wo sie von den aufgeregten Fragen ihrer Begleiter und der anderen empfangen wurde.

David Siles führte sie fürsorglich in den Wagen und legte ihr am Ofen eine Decke um die Schultern, wobei er seinem Bedauern Ausdruck gab, dass die Reise auf so unerquickliche Weise unterbrochen worden war. Für einen Moment erinnerten seine höflichen Worte Samantha unangenehm an den Anführer der Eisenbahnräuber.

„Verdammte Dreckskerle“, murmelte Atticus. „Da hätten wir ja ebenso gut daheim bleiben können.“

Samantha wusste, worauf er anspielte. Das Territorium von Arizona war ein Gebiet, in dem Gesetzlosigkeit herrschte. Die wenigen Gesetzeshüter und die Armee kamen dagegen einfach nicht an und Überfälle waren an der Tagesordnung. Es war das Land der Indianer und Banditen und man brauchte Mut, um dort zu siedeln und zu überleben.

Jeb starrte düster zum Wald hinüber. „Ich gehe zum Gepäckwagen.“

Samantha lächelte halbherzig. „Den Leuten geht es gut. Die beiden Helfer und der Bremser sind wohlauf.“

„Die interessieren mich nicht“, gab der Vormann zu. „Aber ich hole jetzt unsere Gewehre. Wenn diese Halunken noch einmal auftauchen, dann werden sie feststellen, wie gut die Männer der Barrows Ranch schießen.“

David Siles war kurz in den ersten Wagen gegangen. „Neben dem Deputy haben sie einen weiteren Passagier getötet. Möge Gott ihren Seelen gnädig sein.“

„Amen“, ertönte es rundum.

„Wir werden die Toten in den Gepäckwagen tragen und dann die Fahrt fortsetzen“, entschied der Conducteur. „Bitte bewahren Sie Ruhe, Ladies und Gentlemen.“

„Was ist mit unseren Sachen?“, fragte einer der Passagiere.

Siles zuckte mit den Schultern. „Ich fürchte, Sir, sie sind verloren. Natürlich werde ich den Sheriff in Rimrock Station verständigen, aber ich glaube nicht, dass er eine sehr nachdrückliche Verfolgung der Bande unternehmen wird. Er hat nur eine Handvoll Deputies und Sie konnten ja alle sehen, wie stark diese Bande ist.“

„Dann soll der Sheriff halt die Armee rufen. Die wird mit den Halunken schon fertig“, meinte ein anderer Fahrgast.

Diesmal schüttelte der Conducteur den Kopf. „Die Armee ist nicht für Banditen zuständig. Die hat auch genug andere Sorgen. Da sind einmal die Rebellen und zum anderen sind auch noch die Indianer unruhig. Wegen diesem Massaker am Sand Creek.“

„Ja, davon haben wir gehört“, gab Jeb zu. „Eine üble Sache.“

„Hey, Conducteur, vielleicht waren die Banditen ja Guerillas der Rebellen!“, rief die ältere Dame, die inzwischen aus ihrer Ohnmacht erwacht war. „Dann muss die Armee sie doch verfolgen, nicht wahr?“

David Siles stieß einen leisen Seufzer aus. „Ich werde das dem Sheriff gegenüber erwähnen, Ma´am, aber ich fürchte …“

„Schon gut“, knurrte Atticus. „Setzen Sie den verdammten Zug wieder in Bewegung, damit wir von hier verschwinden können.“

Siles nickte und ging nach vorne, in Richtung der Zugmaschine.

„Die haben mir meine schönen Dollars abgeknöpft“, beschwerte sich Jeb. „Und auch die silberne Uhr, die mir dein Vater geschenkt hat.“

„Du bekommst eine neue“, versicherte Samantha ihm. „Und das meiste Geld und die Papiere haben die Halunken nicht gefunden.“

„Wenn dir einer unter den Rock gelangt hätte, dann hätte ich mich vergessen“, versicherte Atticus.

Samantha legte ihm freundschaftlich die Hand an den Arm. „Glücklicherweise war das nicht der Fall, Atticus, denn ich hätte dich äußerst ungern verloren.“

Von draußen war Minuten später die Pfeife von Silas zu hören. Dann kam der bekannte Ruck, mit dem sich „Nummer 12“ wieder in Bewegung setzte.

Jeb kuschelte sich wieder in seine Ecke, doch diesmal stand ein doppelläufiges Schrotgewehr neben ihm. „Chicago, verdammt. Ausgerechnet Chicago. Kein Wunder, dass wir bei dieser Reise auch noch Banditen begegnen mussten.“

Kapitel 2 Ein erfolgreicher Tag

Jonathan Harper war mit seinen sechsundsechzig Jahren noch ausgesprochen rüstig und gehörte seit Jahren zu jenem Personenkreis, der sich für die neue Eisenbahn begeisterte. Er hatte ein Vermögen mit dem Pelzhandel gemacht und investierte dies inzwischen in eine eigene Eisenbahngesellschaft. Sein Partner war der junge Ingenieur Frederick Bell. Beiden war es gelungen, inzwischen drei Strecken von „Harper & Bell Railroad“ zu unterhalten. Sieben Lokomotiven, vierunddreißig Personenwagen, dreiundsiebzig Frachtwagen, davon zwölf als offene Pritschenwaggons sowie mehrere Bahnhöfe, Stationen und etliche Versorgungspunkte gehörten bereits der Gesellschaft. Der Kontrakt mit U.S. Mail brachte zusätzliches Geld und fünf Postwagen auf die Strecken. Einige Hundert Mitarbeiter waren für die Bahngesellschaft tätig und Mister Harper dachte an seine und deren Zukunft, als er den Weg nach Washington auf sich nahm.

Jonathan Harper traf sich mit einigen Abgeordneten und Offizieren und schließlich mit dem Secretary of War, dem Kriegsminister der Union. In zäher Verhandlung gelang es ihm, einen Vertrag abzuschließen, der für viele Jahre von Vorteil für beide Seiten sein würde. Dieser Erfolg veranlasste den alten Gentleman, vor der Heimreise eines der besten Restaurants der Stadt aufzusuchen. Eher zufällig traf er hier den Korrespondenten einer der größten Tageszeitungen an, dem er bereitwillig ein Interview gab.

„Einen Kontrakt mit der Armee? Für den Nordwesten?“, fragte der Mann ein wenig verwundert nach. „Bei allem Respekt, Mister Harper, doch die lohnenden Aufträge liegen weiter südlich und dort, wo die Kämpfe mit den Konföderierten toben. Dort benötigen die Truppen der Union ihren Nachschub.“

„Sie müssen an das Ende dieser unseligen Auseinandersetzung denken, Hank“, erwiderte Harper lächelnd. „Und an die wachsenden Unruhen in den Indianergebieten. Das Massaker am Sand Creek und diverse andere Vorfälle haben schon zu einigen Überfällen der Indianer geführt. Die Armee ist dabei, ihre Posten in den Indianergebieten zu verstärken. Da werden in der nächsten Zeit eine Menge Truppen und Versorgungsgüter bewegt. Das wird nun, wenigstens zu einem guten Teil, von ‚Harper & Bell‘ übernommen. Die Armee transportiert die Güter zur nächstgelegenen Bahnstation, wo wir sie übernehmen und zu der Station bringen, die dem Fort oder Camp am nächsten liegt, welches die Sachen benötigt. Die Armee schickt dann Wagen, um die Fracht abzuholen und in ihren Stützpunkt zu fahren.“

„Diese Unruhe unter den Roten wird sich bald wieder legen“, erwiderte der Korrespondent, „dafür wird die Armee schon sorgen.“ Harper vermutete, dass sein Gegenüber nicht viel von den Ureinwohnern der Staaten hielt, wollte jedoch keine Konfrontation mit dem Mann, denn ein positiver Artikel konnte sich als gute Werbung für die Bahngesellschaft erweisen und zog vielleicht zusätzliche Investoren an. Investoren, die zum Ausbau des Streckennetzes beitragen würden. „Außerdem“, fuhr der Mann fort, „wird es bald die transkontinentale Eisenbahn geben und dann wird sich kaum noch jemand für Ihre Strecken im Nordwesten interessieren.“

„Oh, ich hoffe sehr auf einen Erfolg der Union Pacific und der Central Pacific, und bin zuversichtlich, dass sie ihr Ziel erreichen werden. Das ist gut für ‚Harper & Bell‘, Hank, denn was wird die Folge der Transkontinentalen sein? Die Besiedlung nach Westen wird voranschreiten und zwar erheblich. Dann werden zahlreiche neue Strecken gebaut werden, um die neuen Siedlungen zu versorgen und an das Verkehrsnetz anzubinden. Und denken Sie an das Fleisch, Hank.“

„Fleisch?“