6,49 €
In den dunklen Schatten des antiken Judäa entspinnt sich eine Geschichte von Begierde, Macht und tödlicher Obsession. Die junge Prinzessin Salome wächst am Hofe von Herodes auf – ein Ort voller Intrigen, verborgener Wünsche und gefährlicher Geheimnisse. Als der geheimnisvolle Prophet Jochanaan das Gefüge der Macht ins Wanken bringt, entbrennt in Salome eine Leidenschaft, die alles zu verschlingen droht. Mit modernem Wording und dennoch tief in der historischen Welt verwurzelt, erzählt dieser Roman Oscar Wildes Klassiker neu: intensiv, sinnlich und zeitlos erschütternd.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 56
Veröffentlichungsjahr: 2025
Anno Stock
Salome - Kein Drama nach Oscar Wilde
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Table of Contents
Kapitel 1: Die mondbeschienene Terrasse
Kapitel 2: Die Stimme aus der Tiefe
Kapitel 3: Verbotene Begierde
Kapitel 4: Der Hof des Tetrarchen
Kapitel 5: Der Handel
Kapitel 6: Der Preis eines Tanzes
Kapitel 7: Blut und Urteil
Epilog: Nach dem Sturm
Nachwort
Impressum neobooks
Salome - Ein zeitgenössischer Roman
Der Mond hing wie eine bleiche Scheibe über der Palastterrasse, und sein Licht verwandelte die Steinplatten in ein Meer aus Silber und Schatten. Es war eine jener Nächte, in denen die Luft selbst zu atmen schien – schwer von Jasmin und dem süßlichen Duft überreifer Feigen, die in den Gärten unterhalb der Mauern vor sich hin faulten.
Narraboth lehnte an der Brüstung und konnte seinen Blick nicht von den erleuchteten Fenstern des Bankettsaals abwenden. Dahinter bewegten sich Schatten wie Marionetten in einem Puppentheater, und manchmal, wenn die Musik verstummte, drangen Fetzen von Gelächter und das Klirren von Bechern zu ihm herauf. Aber all das interessierte ihn nicht. Er wartete nur auf einen einzigen Schatten, eine einzige Gestalt, die sich vielleicht, nur vielleicht, vom Festmahl erheben und auf die Terrasse hinaustreten würde.
„Sieh dir den Mond an", murmelte der Page neben ihm. Der Junge war kaum sechzehn, mit einem Gesicht, das noch die Weichheit der Kindheit trug. „Er sieht heute Nacht seltsam aus. Wie eine Frau, die aus einem Grab steigt."
Narraboth antwortete nicht sofort. Seine Gedanken kreisten um Salome – immer nur um Salome. Wie sie heute Abend ausgesehen hatte, als sie an der Tafel ihres Stiefvaters Platz genommen hatte: Das schwarze Haar fiel wie ein Wasserfall über ihre nackten Schultern, und ihre Augen, diese unmöglichen Augen, hatten im Kerzenlicht gefunkelt wie polierte Obsidiane.
„Sie ist sehr schön heute Abend", sagte er schließlich, und der Page wusste sofort, dass er nicht vom Mond sprach.
„Du siehst sie zu oft an." Die Stimme des Jungen klang besorgt, fast flehend. „Du siehst sie viel zu oft an, Narraboth. Es ist gefährlich, Menschen so anzusehen. Schreckliche Dinge können geschehen."
Aber Narraboth hörte nicht zu. Er konnte nicht aufhören, an ihre Lippen zu denken – wie sie sich bewegten, wenn sie sprach, wie sie sich zu einem Lächeln verzogen, das niemals ihre Augen erreichte. Sie war die Stieftochter des Tetrarchen, unerreichbar wie die Sterne, und doch brannte sein Verlangen nach ihr heißer als die Fackeln, die entlang der Terrasse flackerten.
Weiter hinten, wo die Schatten dichter wurden, standen zwei Soldaten Wache. Sie langweilten sich, wie Soldaten es immer taten, wenn sie nicht kämpften oder tranken. Der eine, ein bulliger Mann mit einem Bart, der aussah wie verfilztes Stroh, spuckte über die Brüstung.
„Was für ein Lärm da drinnen", brummte er. „Hört sich an, als würden wilde Tiere aufeinander losgehen."
Sein Kamerad, jünger und mit einem Gesicht voller Pockennarben, lachte trocken. „Das sind nur die Juden. Sie streiten wieder über ihre Religion. Immer dasselbe Theater – wer der wahre Prophet ist, welche Schriften heilig sind, welcher Gott der richtige."
„Lächerlich", schnaubte der Bärtige. „Als ob es einen Unterschied machen würde."
In diesem Moment zerriss eine Stimme die Nacht. Sie kam von unten, aus der alten Zisterne, die man vor Jahren in ein Gefängnis umgewandelt hatte. Die Stimme war rau und kraftvoll, wie der Wind, der durch eine Schlucht fegt, und jedes Wort hallte von den Steinmauern wider.
„Nach mir wird einer kommen, der ist stärker als ich! Ich bin nicht wert, ihm die Riemen seiner Sandalen zu lösen!"
Die Soldaten verstummten. Selbst Narraboth wandte für einen Moment den Kopf. Der Page zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen.
„Der Prophet", flüsterte einer der Soldaten. „Er ist heute besonders... laut."
Die Stimme aus der Tiefe fuhr fort, und nun klang sie wie Donner: „Wo ist sie, die sich den Hauptleuten Assyriens hingab? Wo ist sie, die sich den jungen Männern Ägyptens prostituierte? Wo ist sie, die Hure von Jerusalem?"
Narraboth spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Er wusste, von wem der Prophet sprach – jeder wusste es. Herodias, die Frau des Tetrarchen, die ihren ersten Mann verlassen hatte, um dessen Bruder zu heiraten. Ein Skandal, der das ganze Reich erschüttert hatte.
„Er sollte vorsichtiger sein", murmelte der Page. „Eines Tages wird seine Zunge ihm den Kopf kosten."
Aber die Stimme des Propheten kannte keine Furcht: „Sie hat aus dem Becher der Abscheulichkeiten getrunken! Sie hat ihre Unzucht mit den Götzen Ägyptens getrieben! Gott wird sie strafen! Er wird die Geier auf sie hetzen, und sie werden ihr Fleisch fressen!"
Im Bankettsaal wurde die Musik lauter, als wollte sie die Anklagen übertönen. Narraboth stellte sich vor, wie Herodias' Gesicht sich vor Wut verzerrte, wie ihre Finger sich um den Stiel ihres Weinbechers krampften. Und er stellte sich Salome vor, die neben ihrer Mutter saß – kühl, unberührt, als gingen sie die Worte des Propheten nichts an.
„Wer ist dieser Mann eigentlich?", fragte der jüngere Soldat. „Dieser Jokanaan?"
„Ein Verrückter", antwortete der Bärtige. „Lebte in der Wüste, aß Heuschrecken und wilden Honig. Taufte Leute im Jordan. Der Tetrarch ließ ihn verhaften, aber er traut sich nicht, ihn zu töten. Hat Angst vor dem Volk – viele halten ihn für einen heiligen Mann."
„Heilig", schnaubte der andere. „Hört sich eher an wie besessen."
Die Terrasse lag nun in einem seltsamen Zwielicht. Der Mond hatte sich hinter einer Wolke versteckt, und die Fackeln warfen lange, zuckende Schatten. Narraboth spürte eine Unruhe in sich aufsteigen, die nichts mit seiner Sehnsucht nach Salome zu tun hatte. Es war, als läge etwas in der Luft – etwas Dunkles, Bedrohliches.
Plötzlich ging die Tür zum Bankettsaal auf. Licht flutete auf die Terrasse, und mit ihm kam der Geruch von gebratenem Fleisch, Wein und schweren Parfüms. Ein Sklave trat heraus, verbeugte sich vor Narraboth.
„Der Tetrarch wünscht, dass du deinen Posten am Eingang einnimmst", sagte er mit gesenktem Blick.
Narraboth nickte, aber sein Herz schlug schneller. Wenn er am Eingang stand, konnte er sie sehen – konnte jeden ihrer Bewegungen folgen, jedes Wort von ihren Lippen ablesen.
Der Page griff nach seinem Arm. „Geh nicht", flüsterte er. „Ich habe ein schlechtes Gefühl. Der Mond... er sieht aus wie ein Omen."
Narraboth schüttelte die Hand ab. „Du und deine Omen", sagte er, aber seine Stimme klang nicht so sicher, wie er es gern gehabt hätte.
Als er zur Tür ging, erhob sich wieder die Stimme des Propheten aus der Zisterne: „Die Zeit ist nah! Das Königreich Gottes ist gekommen! Bereut, bevor es zu spät ist!"
