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Heißer Job für Quade
Der fremde Reiter hielt sich nur noch mit letzter Kraft im Sattel. Zwei Kugeln steckten in seinem Körper. Die Schmerzen waren kaum noch zu ertragen. Aus fiebrigen Augen starrte er hinab ins Bluegrass Valley, das sein Ziel war und in dem er wahrscheinlich auch das Ende aller Fährten erreichen würde. Der verwundete Mann spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde. Aber er bäumte sich verzweifelt gegen das unvermeidliche Schicksal auf. Um jeden Preis wollte er noch lebend die Skull-Ranch unten im Tal erreichen. Denn dort lebte Chet Quade, der Revolverkämpfer. Der beste Freund, den der Verwundete je gehabt hatte. Nur Quade war in der Lage, einen höllischen Job zu Ende zu führen ...
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Heißer Job für Quade
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Faba/Bassols
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8874-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Heißer Job für Quade
von Dan Roberts
Der fremde Reiter hielt sich nur noch mit letzter Kraft im Sattel. Zwei Kugeln steckten in seinem Körper. Die Schmerzen waren kaum noch zu ertragen. Aus fiebrigen Augen starrte er hinab ins Bluegrass Valley, das sein Ziel war und in dem er wahrscheinlich auch das Ende aller Fährten erreichen würde.
Der verwundete Mann spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde. Aber er bäumte sich verzweifelt gegen das unvermeidliche Schicksal auf. Um jeden Preis wollte er noch lebend die Skull-Ranch unten im Tal erreichen. Denn dort lebte Chet Quade, der Revolverkämpfer. Der beste Freund, den der Verwundete je gehabt hatte. Nur Quade war in der Lage, einen höllischen Job zu Ende zu führen …
Es ist nicht irgendein Mann, ein Cowboy, der auf der Passhöhe zusammengesunken im Sattel des struppigen Grauen hockt. O nein, er ist ein Kämpfer, einer jener harten Burschen, die sich ihre Dollars mit dem Colt verdienen.
Und nur seiner Härte verdankt er es, dass er noch lebt.
Denn er klammert sich mit all seiner Kraft, mit all seinen Gedanken an den Namen des Mannes, den er dort unten in diesem weiten Tal zu finden hofft.
Der Name dieses Mannes ist Chet Quade, und er war einmal einer der besten Freunde des schwerverwundeten Reiters, der gedankenverloren in das Bluegrass Valley hinabschaut.
Ein heißer Schmerz durchzuckt den Leib des Mannes. Seine Wangen sind eingefallen, und seine Augen glänzen fiebrig.
»Aaah, die Bastarde haben mich zu gut erwischt«, sagt der Mann krächzend zu sich selbst. »Ich habe keine Chance mehr. Es ist vorbei mit Hardy Bennet.«
Er tastet vorsichtig über das blutverkrustete Hemd und fährt zusammen, als er den Stoff von den Wundrändern löst.
Die Kugel sitzt tief, zu tief. Aber vielleicht hätte er doch noch eine Chance, wenn nicht ein weiteres Geschoss seine linke Hüfte zerschmettert hätte.
Bennet spürt den Hustenreiz und atmet ganz langsam und flach. Wenn er hustet, fällt er vom Pferd, das weiß er genau. Und dann wird er es nicht schaffen, wieder in den Sattel zu kommen, denn ihm fehlt ganz einfach die Kraft.
Der Hustenreiz vergeht. Hardy mustert das weite Tal unter sich.
Er weiß, dass dieses Valley ein Paradies sein kann, wenn der Rancher stark genug ist, seinen Besitz zu halten.
Viele Wege führen in dieses Blaugrastal und das heißt, dass mancherlei Gesindel ungesehen kommen und gehen kann.
»Es ist alles da«, flüstert Bennet. »Wasser, wunderbares Gras, Bäume und sicherlich auch eine Menge Wild. Ja, das ist ein kleines Paradies.«
Noch einmal mustert der Verwundete mit fiebrigen Augen John Morgans Besitz. Hardy trinkt diesen Anblick förmlich in sich hinein. Er weiß, dass er den nächsten Tag nicht mehr erleben wird. Und darum möchte er so viel Schönes sehen, wie es eben geht.
»Weiter, Alter«, befiehlt Hardy dem struppigen Pferd. »Aber lauf nur ja langsam. Die Bastarde haben mich für tot liegen gelassen. Jetzt ist niemand mehr hinter uns her, nur noch der Knochenmann mit der Sense.«
Der Graue geht langsam an. Er scheint zu wissen, was mit seinem Reiter los ist, und setzt behutsam Huf vor Huf, als er den Weg in das Bluegrass Valley hinabsteigt.
Stärker strahlt die Sonne herab, brennt heiß auf der Stirn des Verwundeten, der unsicher nach der Wasserflasche tastet.
Bennet sieht alles wie durch einen dichten, grauen Schleier. Ihm ist abwechselnd glühend heiß und eiskalt. Das ist das Fieber, das in ihm wühlt, und dicke Schweißtropfen rinnen von seiner Stirn.
Hardy schraubt die Verschlusskappe ab. Die Wasserflasche entgleitet seinen Fingern und fällt zu Boden. Außer den Schmerzen muss er nun auch noch den furchtbaren Durst länger ertragen.
Das Pferd fällt in Trab. Die leichten Stöße jagen wie Schläge durch Bennets Körper. Rote Kreise erscheinen vor seinen Augen. Er sinkt nach vorne und umklammert mit beiden Armen den Hals des Pferdes. Irgendwann sieht er das Tor der Skull-Ranch in der Ferne.
Es besteht aus zwei dicken Pfosten und einem starken Querbalken, an dem ein ausgebleichter Stierschädel befestigt ist. Das ist vorläufig das Letzte, was der Reiter wahrnimmt.
Er fällt seitwärts vom Pferd. Wie tot bleibt er auf der harten Erde liegen …
Doc Smoky schleppt Proviant zum alten Küchenwagen, der ihn von Kansas bis in das Bluegrass Valley getragen hat. Der Koch der Skull-Ranch stellt die Ladung für die Mannschaft zusammen. Die Cowboys überwachen das ganze Tal, denn immer wieder tauchen Viehdiebe aus den wilden Diggercamps auf.
Und so fährt Doc Smoky alle zehn oder vierzehn Tage mit dem Chuckwagon die Runde und versorgt die Weidereiter mit Tabak, Salz und Kaffee und was die Männer auf ihren einsamen Posten sonst noch brauchen.
Der Koch verzieht sein faltiges Gesicht zu einer grimmigen Grimasse, als er den jungen Deutschen Schäferhund sieht.
General Lee tollt verspielt zwischen den aufgestapelten Lebensmitteln umher und schnappt nach einem Mehlsack. Und es gelingt dem jungen Hund wahrhaftig, mit seinen nadelscharfen Zähnen ein Loch in das Leinen zu reißen. Eine weiße Wolke stäubt hoch. Das Mehl dringt General Lee in die Nase, und er niest heftig und erschrocken.
Doc Smoky zieht sich mit einem wilden Ruck seine Hose hoch und schiebt den alten Lederhut in den Nacken.
»Na warte, du Mistkerl!«, ruft der Koch, und seine Stimme überschlägt sich. »Wenn ich dich erwische, stopfe ich dich in das Sauerteigfass und nagele den Deckel fest!«
Der Hund macht einen Satz zur Seite.
Für ihn ist das nur die Fortsetzung seiner ständigen Spiele mit dem alten Koch.
General Lee läuft langsam davon. Er hält auf den See zu, denn dort kann er sich durch die Uferbüsche schleichen und den Enten einen mächtigen Schreck einjagen.
Smoky läuft vier, fünf Schritte hinter dem Hund her und kehrt um. Die Augen des Alten blitzen listig in dem faltigen Gesicht, als er sich auf den Kutschbock des Chuckwagons schwingt und die Bremse löst.
Scharf klatschen die Zügel auf die Rücken der beiden Wagenpferde, die sich mit aller Macht ins Geschirr legen.
Erschrocken springt der Hund hoch, als er das Knarren der Räder hört.
Doc Smoky macht wahrhaftig mit dem Küchenwagen Jagd auf den jungen Schäferhund!
General Lee ändert seine Richtung und rast auf das Tor zu, das den ausgebleichten Stierschädel trägt.
Doch nach ganz kurzer Zeit verharrt das junge Tier. General Lee hebt witternd den Kopf und stößt ein lang gezogenes Winseln aus. Vorsichtig geht der Hund weiter und verharrt abermals.
Endlich läuft er zurück, dem schimpfenden Smoky entgegen, der an den Zügeln reißt und sich mit einem gewaltigen Satz vom Kutschbock auf den Boden schwingt.
Und da fällt ihm auf, dass sich der Hund anders als üblich benimmt. Die Flanken des noch jungen Tieres zittern erregt, und immer wieder wittert General Lee zum Ranchtor hinüber.
Doc Smoky vergisst seinen Zorn. Eigentlich mag er den Hund sehr gerne, aber er hasst es, wenn General Lee immer wieder seine Lebensmittel und Kochutensilien durcheinanderbringt.
Smoky nimmt den Schäferhund auf die Arme und setzt ihn auf den Bock. Und nun sieht der Koch auch das Pferd, das in vielleicht einer halben Meile Entfernung grast.
»Na, dann los«, murmelt Smoky und lässt die Wagenpferde anziehen.
Unwillkürlich tastet der Alte nach dem Revolver. Smoky ist ein erfahrener Mann. Er kennt den Westen und hat im Laufe seines langen Lebens ein Gefühl entwickelt, auf das er sich verlassen kann.
Und dieses Gefühl sagt ihm nun, dass irgendein Verdruss auf ihn zukommt.
Das struppige Pferd hebt den Kopf und wiehert leise, als es den Wagen sieht. Der Graue macht ein paar Schritte zur Seite und bleibt reglos wie ein Denkmal stehen.
Doc Smoky zügelt die Wagenpferde und stößt einen schrillen pfiff aus.
»Den Hombre hat es aber voll erwischt«, murmelt der Koch, als er vom Bock steigt.
Smoky bückt sich und tastet den Oberkörper des hageren, ausgemergelten Mannes ab. Das Hemd ist blutverkrustet und klebt am Leib. Nur an zwei Stellen schimmert noch die Farbe des Stoffes durch.
»Heiliger Vater im Himmel«, sagt der Koch laut, denn erst jetzt sieht er das Loch in der Hüfte des Fremden.
Ehemals weiße Leinenlappen stecken in der großen Wunde.
»Er hat einfach sein Verbandszeug hineingestopft«, sagt Smoky zu General Lee.
Der Hund sitzt auf dem Bock und wendet unruhig den Kopf.
Doc Smoky bückt sich und hebt den Verwundeten langsam hoch. Trotz seines Alters ist der Koch ein harter, zäher Bursche, dem es nicht an Kraft fehlt.
Behutsam legt er den Fremden auf die Ladefläche des Chuckwagons und geht zu dem struppigen Grauen. Das Pferd folgt dem Ranchkoch und lässt zu, dass er die Zügel am Wagenende anbindet.
Smoky schwingt sich auf den Kutschbock und lässt die Pferde im Schritt zur Skull-Ranch zurückgehen.
Der Alte weiß, dass er Hilfe brauchen wird. Er zieht den Revolver und schießt zweimal in die Luft.
Smoky nimmt die Zügel fester. Die Wagenpferde fühlen sich stark und möchten gerne ihre ganze Kraft austoben. Aber jeder kleine Stoß kann dem Mann auf der Ladefläche das Leben kosten.
Der Koch blinzelt gegen die Sonne und kneift die Lider etwas zusammen. Undeutlich erkennt er John Morgan im Schatten des Vordaches auf der Veranda.
Der Rancher lehnt sein Gewehr an einen Balken und steigt die Stufen hinab.
John Morgan ist ein großer, breitschultriger Mann, der Ruhe, Kraft und Überlegenheit ausstrahlt. Im Bürgerkrieg hat er als Major auf der Seite des Südens gekämpft, und nach dem Krieg hat er hier im Bluegrass Valley von Colorado eine neue Heimat gefunden.
Johns rauchgraue Augen wirken ausdruckslos, als Doc Smoky die Pferde vor der Veranda zügelt. Mit zwei langen Schritten geht Morgan an den Wagen und blickt auf den Verwundeten hinab.
»Helfen Sie mir, Boss«, bittet Smoky und steigt vom Kutschbock. »Wir bringen den Mann in meine Küche. Der Tisch ist lang genug für diesen Burschen.«
Der Rancher greift dem ausgemergelten, bleichen Mann unter die Achseln, und Smoky nimmt die Beine.
Heiser stöhnt der Verwundete auf, als sie ihn anheben. Der gewaltige Schmerz hat wohl den gnädigen Schleier der Bewusstlosigkeit für eine Sekunde durchbrochen.
Behutsam legen Morgan und der Koch den Mann auf den hellen, gescheuerten Küchentisch, auf dem Smoky ansonsten seine Speisen vorbereitet.
»Kennst du ihn, Doc?«, fragt der Rancher.
»Nein, Boss. Er war bewusstlos, als wir ihn fanden. General Lee brachte mich auf die Fährte. Aber sicherlich hätte ich den Grauen wenig später auch selbst gesehen.«
»Ich kümmere mich um das Pferd«, sagt John. »Vielleicht finden wir in den Satteltaschen etwas.«
Doc Smoky sieht seinem Rancher nach, als der zur Außentür des Kochhauses geht.
»Er ist von Ihrer Art, Boss«, sagt der Koch auf einmal. »Ja, er ist ein Kämpfer, denke ich. Irgendwie erinnert mich dieser Kerl, der jetzt wie ein zerrupfter Bussard aussieht, an Sie und an Chet.«
John Morgan nickt nur. Er hat sofort gespürt, dass der Verwundete einer jener besonderen Männer ist, die sich und ihre Geschicklichkeit gegen harte Dollars verkaufen.
Und der Rancher fragt sich seit ein paar Minuten, ob wohl neuer Verdruss auf ihn und die anderen Männer der Skull-Ranch zukommt.
Aber eigentlich kann sich John auf seinen Instinkt verlassen. Er spürt keine Warnung in sich, also wird wohl die Ranch nicht unmittelbar bedroht sein.
Morgan, der während des Bürgerkrieges Major der Südstaatenarmee war, hat in den langen Jahren gelernt, dass er sich den Warnungen seines Instinktes nicht entziehen kann. Immer trafen seine Ahnungen ein, und immer konnte er entsprechend reagieren, wenn er vorbereitet war.
Doc Smoky nimmt kurz entschlossen das scharfe Fleischmesser vom Bord und schneidet das blutverkrustete Hemd auseinander.
Behutsam tupft er warmes Wasser, das immer im Kessel auf dem Herd steht, auf die Wundränder. Nach ein paar Sekunden kann er den Hemdenstoff abziehen, ohne dem Verwundeten Schmerz zu bereiten.
Prüfend beugt sich der alte Koch vor.
Er blickt in die Wunde hinein, und sein Gesicht verzieht sich zu einer faltigen Grimasse.
Der Alte weiß, dass er hier mit seinen Künsten nichts ausrichten kann. Und er ist ein verdammt guter Mann, wenn es um Wunden aller Art geht. Immerhin hat er jahrelang als Treibherdenkoch gearbeitet. Und auf diesen endlos langen Trails ist der Koch meistens auch der Doc.
Smoky zerschneidet die ausgeblichene Hose und greift dann entschlossen nach dem Bündel Verbandstoff, das in der Hüftwunde steckt. Mit einem Ruck reißt der Alte das Leinen heraus und betet dabei, dass die Wunde nicht wieder zu bluten beginnt.
Er hat Glück, aber dem Mann auf dem Küchentisch nutzt dieses Glück überhaupt nichts mehr.
Smoky traut seinen Augen nicht. Der Hüftknochen ist zerschmettert. Knochensplitter und Bleifetzen haben sich in das Muskelfleisch gebohrt.
»Er ist eigentlich schon tot, ja«, sagt der Koch laut und schiebt sich den alten Lederhut in den Nacken. »Er weiß es nur noch nicht, dieser Hombre. Oder vielleicht will er es gar nicht wissen. Vielleicht hält ihn irgendetwas aufrecht. Und wenn er dieses Ziel erreicht hat, fällt er einfach um.«
John Morgans Schatten fällt durch die Tür in die Küche.
»Der Graue ist ein ausgezeichnetes Pferd«, sagt der Rancher. »Er erinnert mich an Leroy Spades Tier. Die beiden Pferde sehen nach nichts aus, aber sie sind schnell, ausdauernd und zäh. Zudem scheinen beide gute Bergpferde zu sein.«
»Haben Sie in den Satteltaschen etwas gefunden, Major?«, fragt der Koch.
Der Rancher öffnet die Ledertasche und schüttet ihren Inhalt auf den Boden.
Ein halbes Paket Durham-Tabak, Zigarettenpapier, etwa tausend Dollar in Scheinen und andere Dinge, die ein Mann auf einem langen Ritt unbedingt benötigt, liegen vor Smoky und seinem Rancher.
Ungewöhnlich sind nur die tausend Dollar, denn in diesen Zeiten ist das viel, mächtig viel Geld. Und ein so abgerissen aussehender Bursche kann eigentlich nicht auf rechtmäßige Weise an diese Dollars gekommen sein.
»Vielleicht ist das sein Lohn«, vermutet Doc Smoky. »Vielleicht hat er seinen Job getan und suchte einen Unterschlupf oder einen neuen Job.«
Morgan geht an die Tür, hält die Ledertasche gegen das Licht und holt mit zwei Fingern einen bunten Papierfetzen heraus.
Nachdenklich betrachtet der große Rancher dieses winzige, kaum einen halben Quadratzoll große Stück Papier.
»He, was ist denn das?«, fragt der Koch.
»Der Rest einer Landkarte«, antwortet Morgan leise. »Und ich denke, dass es diese Karte war, auf die es die Burschen abgesehen hatten, die unseren Besuch zusammenschossen. Ja, so wird es wohl gewesen sein. Aber was will er hier, auf der Skull-Ranch? Ich kenne die Karte des Territoriums genau, und kein Stück Land ähnelt diesem Fetzen hier.«
»Warten wir ab, ob er zu sich kommt«, sagt Smoky.
»Hat er eine Chance?«, will John Morgan wissen und tritt an den Tisch.
»Seine Chance ist so groß wie die eines Fisches im Llano Estacado«, antwortet Smoky.
Und das sagt John alles.
Denn der Llano ist staubtrocken, und wenn man alles Wasser, das es dort gibt, in ein großes Loch schüttet, könnte ein Fisch vielleicht ein paar Stunden überleben.
John Morgan dreht sich um und geht zur Tür, als der Verwundete heiser aufstöhnt. Seine Finger tasten über den Tisch. Kratzend fahren die Nägel über die Platte.
Mit einem Satz steht Morgan wieder neben dem Mann und blickt ihn an.
Fieber und Todesahnungen spiegeln sich im Blick des Verwundeten. Allmählich werden die wasserblauen Augen etwas klarer.
»Chet?«, fragt der Mann schwach, unsicher. »Du bist doch nicht Chet, Mister.«
Langsam atmet er aus, unterdrückt den Hustenreiz, der ihm endlose Schmerzen bereiten wird, wenn er durchbricht.
Doc Smoky hat das genau erkannt. Er öffnet einen Holzkasten und holt eine kleine Glasflasche heraus. Nachdenklich betrachtet der alte Koch das weiße Pulver in der Flasche und zieht schließlich den Stöpsel heraus.
Wenige Sekunden später rührt er zwei Löffel des Pulvers in Wasser und bringt den Trank zum Tisch. Es ist Laudanum.
Vorsichtig hebt Morgan den Fremden an, bis er beinahe aufrecht sitzt.
»Hier, Mister, trink das«, sagt Smoky. »Nach ein paar Minuten wirst du dich besser fühlen. Der Schmerz macht dir dann nichts mehr aus.«
Gierig trinkt der Verwundete. Er versucht ein schwaches Lächeln, als das Glas leer ist, aber es wird nur eine Grimasse daraus.
»Steht es so schlimm?«, haucht der Fremde mit matter, kaum verständlicher Stimme.
»Schlimm genug, Hombre«, antwortet Morgan.
Der Mann schweigt.
Erst nach ein paar Minuten atmet er tiefer durch. »Wo ist Chet Quade?«, keucht er. »Er soll hier leben. Ich muss ihn unbedingt sprechen.«
»Ja, er lebt hier«, sagt Doc Smoky. »Aber er ist im Augenblick nicht da. Du solltest uns erzählen, was los ist. Es ist sicherer, verstehst du?«
Der Mann versucht zu nicken.
»New Mexico, Dawson-Ranch in Encino«, der Verwundete holt tief Luft. Der Hustenanfall schüttelt den ganzen Körper durch. Nach einer Weile fährt er mühsam fort: »Chet soll hin, Job zu Ende bringen. Gebt ihm das Geld. Habe ihn gesucht, ein paar Digger erzählten mir von der Ranch und von Chet. Ihr seid richtig berühmt, ihr von der Skull-Ranch.«
Die Stimme des Fremden ist kaum noch zu vernehmen. Und als sich John Morgan dicht über den Mund des Sterbenden beugt, haucht dieser noch: »Revolverarbeit für Chet.« Angestrengt lauscht Morgan. Doc Smoky zieht den Rancher sanft vom Tisch weg.
»Es ist vorbei, Boss«, sagt der alte Koch mit einem Ton von Bitterkeit in der Stimme. »Ich wusste nicht, ob er diese Menge Laudanum noch vertragen konnte. Aber weniger hätte nichts genutzt. Der erste Hustenanfall hätte den Mann so oder so getötet. Verfluchte Welt! Warum müssen immer Revolver oder Gewehre die letzte Entscheidung treffen?«
Morgan hört Smokys bittere Worte, aber er gibt keine Antwort. Denn der Koch ist ein genauso erfahrener Mann wie der Rancher, und beide wissen ganz genau, dass es in einem wilden, weiten Land lange dauert, bis die so genannte Zivilisation Fuß gefasst hat.
»Er muss Chet von früher kennen«, sagt Morgan unvermittelt. »Irgendwie hat er seine Spur verfolgt. Und sicherlich erzählten ihm ein paar glücklose Digger, die heimwärts zogen, von uns. Die Vergangenheit hat Chet eingeholt, Doc. Ich glaube, ich fange an, mir Sorgen zu machen.«
»Du denkst, dass Chet nach Encino reitet?«, fragt der alte Koch.
»Warten wir ab, warten wir, bis Chet wieder auf der Ranch ist«, sagt John Morgan und verlässt das Küchenhaus.
Am frühen Abend, die Sonne wird bereits von den Bergen verdeckt, trifft Chet Quade auf der Ranch ein.
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