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Wie einen Quacksalber haben ihn die Leute aus Golden City davongejagt, aber der geheimnisumwitterte Fremde ist ein richtiger Doc. Aber das geht niemanden etwas an. Denn Fred Bowler wird gesucht. Ein Rinder-King aus Texas will Doc Bowler sterben sehen!
Von alldem ahnt John Morgan nichts, als er den Fremden auf die Skull-Ranch holt. Aber Bowler kann seinem Verfolger nicht entkommen. Der Rinder-King aus Texas kennt nur ein Ziel: Die letzte Kugel ist für Bowler!
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Dein ist die letzte Kugel
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Faba / Bassols
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0502-8
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Dein ist die letzte Kugel
von Dan Roberts
Wie einen Quacksalber haben ihn die Leute aus Golden City davongejagt, aber der geheimnisumwitterte Fremde ist ein richtiger Doc. Aber das geht niemanden etwas an. Denn Fred Bowler wird gesucht. Ein Rinder-King aus Texas will Doc Bowler sterben sehen!
Von alldem ahnt John Morgan nichts, als er den Fremden auf die Skull-Ranch holt. Aber Bowler kann seinem Verfolger nicht entkommen. Der Rinder-King aus Texas kennt nur ein Ziel: Die letzte Kugel ist für Bowler!
Der kleine Shorty sitzt kerzengerade im Sattel seines dürren, erbärmlich wirkenden Pferdes. Das Tier erweckt den Eindruck, als bräche es in der nächsten Minute entkräftet zusammen. Zudem ist es so gebaut, dass es mehr einem Ziegenbock als einem Weidepferd gleicht.
Aber dieser Eindruck täuscht, täuscht gewaltig.
Denn Shortys Mähre ist ein mächtig geschicktes Tier und nimmt es mit jedem Rinderpferd auf. Es klettert wie eine Bergziege; und in seinem ausgemergelten Körper steckt Kraft, die niemand vermutet.
Der kleine Cowboy der Skull-Ranch betrachtet die Rinderherde, die in knapp fünfzig Yards Entfernung steht.
Es sind alles Longhorndamen, die einen Kreis um ihre Sprösslinge bilden. Irgendwie wittern die Rinder mit ihrem Instinkt, dass den Kälbern etwas Unangenehmes bevorsteht.
Und so ist es auch.
Die Mavericks sollen das Brandzeichen der Skull-Ranch, den Stierschädel, erhalten.
»Na, dann wollen wir die alten Tanten mal aufscheuchen«, sagt Shorty zu seinem Pferd, dessen Ohren sich bei diesen Worten aufstellen.
Aber der Kleine ist nicht richtig bei der Sache. Er vermisst Brazos, seinen massigen, hochgewachsenen Freund.
Der Bulle, wie er manchmal genannt wird, liegt im Schlafhaus der Skull-Ranch. Er ist krank und fiebert, und selbst Doc Smokys Künste, der doch ein erfahrener Treibherdenkoch ist, versagen.
Und der Alte flucht und läuft mit mürrischem Gesicht umher. Sein ledriges Gesicht liegt in kummervollen Falten, weil er Brazos nicht helfen kann.
Shorty zupft am Zügel und hebt den rechten Arm.
Die beiden anderen Reiter der Ranch, es sind neue Männer, treiben ihre Pferde an. Sie traben auf die Longhorndamen zu, die unwillig die Köpfe zurückwerfen. Die Rinder kennen diese seltsamen Wesen, die schreien und wiehern können, und sie wissen, dass sie vorsichtig sein müssen.
Shorty entdeckt drei Rinder, deren Hörner nadelspitz und an den Spitzen bereits weiß geworden sind. Die Tiere ziehen sich zurück. Shorty zupft am Zügel und reitet an, denn drei Mavericks folgen ihren Müttern.
Der kleine zwingt sein Pferd in einen Bogen, um den Longhorns mit ihren Kälbern den Weg abzuschneiden. Sie erkennen die Gefahr und senken die Köpfe.
Die abgewetzten Hörnerspitzen glänzen im Sonnenlicht.
Und dann donnern die drei Longhorntanten los!
Sie rasen wie die wilde Jagd auf Shortys Klepper zu und es sieht so aus, als wollten sie das Pferd einfach überrennen.
Aber das Tier, das der Kleine einst von Big Nose, dem Kiowa-Häuptling, geschenkt bekam, weicht geschickt aus.
Die Rinder rennen ins Leere.
Zornig drehen sie sich um, stellen die Schwänze steil auf und galoppieren erneut los.
Aber auch jetzt macht sie ihr Zorn blind. Denn Shorty jagt längst auf die Mavericks zu und schlägt mit seinem Lasso auf die Rücken der Kälber. Sie springen erschreckt hoch und rennen auf die Herde zu, sie suchen Sicherheit.
Bevor Shorty die Zügel zu sich heranziehen kann, macht sein Pferd einen mächtigen Satz zur Seite, und die Rinder jagen erneut vorbei.
Sie entdecken ihre Kälber bei der kleinen Herde und geben auf. Friedlich trotten sie hinter den anderen Tieren her.
Shorty grinst und lacht misstönend.
Irgendwie hat ihm die kleine Jagd gutgetan. Und endlich hat er einen Blick für das Land, das sich in sattem Grün bis zu den Berghängen erstreckt.
Die Sangre de Christo Kette erstreckt sich bis nach New Mexiko. Und die steil aufragenden Berge sind mit Coloradofichten und Zedern bewachsen.
Hier, im Süden des Bluegrass Valleys, münden zwei Trails in das weite Land, das John Morgan in Besitz nahm.
Der ehemalige Südstaatenmajor gelangte nach dem Bürgerkrieg in den Besitz einer Rinderherde und kam zu ein paar Dollars. Und er wagte es, denn er gehörte zu den Verlierern des Bruderkrieges. Seine Baumwollpflanzung in Alabama war vernichtet, seine Frau war tot.
Und so zog John Morgan mit wenigen Männern nach Colorado, in das Bluegrass Valley, von dem ihm Leroy Spade, der Raubwildjäger berichtete.
Und nun sieht es so aus, als hätten Morgan und seine Männer eine neue Heimat gefunden. Eine Heimat, die es mit allen Mitteln zu verteidigen gilt. Denn das weite Tal, das mit Blaugras bewachsen ist, besitzt viele Zugänge. Und es ist zu groß, als dass es ständig überwacht werden kann.
In den wilden Städten und Minencamps in den Bergen wühlen goldgierige Männer den Boden nach dem gelben Metall um. Immer noch lockt das Gold Abenteurer und Desperados an, die vom schnellen Geld, von leicht verdienten Dollars träumen.
Und schon mehr als einmal hatten John Morgan und seine Männer harte Auseinandersetzungen zu bestehen.
Aber im Moment droht der Ranch, deren Wahrzeichen ein ausgebleichter Stierschädel ist, keine Gefahr.
Die Weidereiter leben in Frieden mit Big Nose und seinen Kiowa. Und die Banditen sind vorsichtig geworden.
Shorty schnalzt mit der Zunge. Sein dürres Pferd geht an und folgt der kleinen Herde im Schritt.
Nach wenigen Yards stößt sich der Kleine den Hut in den Nacken und sieht sich um. Er wittert förmlich, aber er kann nichts entdecken. Und doch spürt er, dass sich irgendetwas verändert hat. Noch weiß er nicht, was geschehen wird, aber mit dem Instinkt des naturverbundenen Menschen fühlt er, dass eine Auseinandersetzung bevorsteht.
Shorty wendet sich im Sattel um und blickt nach hinten.
Dort mündet der Trail nach Golden City in das Valley.
Und dann sieht Shorty den Wagen!
Es ist eine Conestoga, ein richtiger Prärieschoner, wie ihn die Auswanderer benutzen. Die weiße Plane, die in hohem Bogen das Dach bildet, ist verschmutzt und fleckig.
Und die vier Maultiere vor dem Wagen galoppieren in wilder Karriere in das Bluegrass Valley hinein.
Shorty kneift die Lider etwas zusammen, um besser sehen zu können.
Auf dem Kutschbock stemmt sich ein Mann mit den Kniekehlen gegen das Sitzbrett. Dieser Mann ist ganz in Schwarz gekleidet. Auf dem Kopf trägt er einen flachkronigen Hut, der verwegen schräg aufgesetzt ist.
Und immer wieder lässt der Mann in Schwarz die Zügel auf die Rücken der Mulis herabsausen. Die Tiere geben ihr Bestes, legen alle Kraft in die Geschirre, und der schwere Conestoga hüpft und schlingert über den unebenen Boden.
Shorty stößt mit einem pfeifenden Ton die Luft aus seinen Lungen.
Seitlich des Prärieschoners preschen mehr als zwanzig Indianer aus den Deckungen der Zedern und Rotfichten.
Die Krieger lassen ihren Pferden die Zügel frei. Es kann nur noch Minuten dauern, bis sie den Wagen eingeholt und umzingelt haben.
Shorty schaut zu den beiden Weidereitern, die unter seiner Leitung die kleine Herde zum Brennfeuer bringen sollen.
Die beiden Männer zügelten ihre Pferde und halten die Gewehre in den Fäusten.
Der kleine Cowboy treibt seinen Klepper an und rast zu den Männern. Die Hufe des ausgemergelten Pferdes reißen die Grasnarbe auf, als Shorty die Zügel anzieht.
»Steckt die Gewehre weg, ihr Narren«, faucht der Kleine die Reiter an. »Das dort sind Big Noses Krieger, und wir leben in Frieden mit ihnen.«
»Heee, es gefällt mir einfach nicht, dass eine Horde Rothäute einen weißen Mann jagt«, sagt einer der Weidereiter. »Warum erschrecken wir die Kerle nicht ein wenig?«
Shorty schüttelt den Kopf, verdreht die Augen und antwortet klagend: »Du hast nichts im Kopf, Hank, noch nicht einmal rote Grütze, denke ich. Ich sagte doch gerade, dass es Big Noses Krieger sind. Du lebst doch nun schon zwei Monate im Bluegrass Valley. Du weißt doch, wie wir zu den Kiowa stehen.«
Hank grinst schief und murmelt etwas, das nicht zu verstehen ist. Und sicherlich ist das auch gut so, denn es war bestimmt nichts Freundliches, was der Cowboy sagte.
»Also, die Kanonen weg«, befiehlt Shorty auf einmal hart.
Der kleine Mann, der im Sattel richtig großartig wirkt, hat sich verändert. Jetzt spüren die beiden Reiter, dass Shorty genau weiß, was er tut.
Zögernd stecken sie die Winchester in die Scabbards.
»Treibt die Herde zum Brennfeuer«, weist Shorty die beiden an. »Ich kümmere mich um diesen Fremden und die Indianer.«
Der Kleine zupft am Zügel. Das Pferd wirft sich sofort herum und jagt los.
Die Kiowa verteilen sich. Sie bilden ein U um den Wagen. Nur die Flucht nach vorn, in das Bluegrass Valley hinein, bleibt dem Mann in Schwarz noch.
Shorty galoppiert heran und hört den Fremden brüllen.
»Los, ihr verdammten Mähren, lauft, lauft schneller, oder ich gebe euch von meiner Medizin zu saufen. Lauft, verflucht noch mal, ich habe keine Lust, von den Indianern geröstet zu werden!«
Shorty grinst, als er diese Worte hört.
Big Nose wird es sich zweimal überlegen, bevor er einen Weißen im Tal fängt und umbringen lässt. Aber die Krieger müssen einen Grund haben, den Conestoga zu verfolgen.
Und der kleine Shorty hält es einfach für seine Pflicht nachzusehen, was eigentlich passiert ist.
Denn er ist John Morgan treu und froh, im Bluegrass Valley eine neue Heimat gefunden zu haben. Und alles, was im weiten Tal vorgeht, geht auch die Reiter der Stamm-Mannschaft etwas an.
Die Kiowa schließen das U, und der Wagen ist vollständig umzingelt. Sicher entdeckten die Krieger bereits den kleinen Cowboy.
Als Shorty zum Wagen gelangt, beachtet er den Weißen überhaupt nicht, der sich auf das Sitzbrett des Kutschbocks fallen lässt.
»Uhhh«, stöhnt der Mann in Schwarz, »wenigstens stehen wir jetzt zu zweit gegen diese Kerle. Aber eine Chance haben wir nicht.«
Shorty reitet auf den Anführer des Kriegerrudels zu. Es ist einer von Big Noses Unterführern, der drei Federn im Haar trägt, und er heißt Gelber Fuchs.
»How, Shorty«, sagt Gelber Fuchs grinsend, »dein Pferd ist sehr schnell. Aber du solltest ihm mehr Futter geben, es sieht krank aus.«
Der Kleine sagt mit gespieltem Zorn: »How, Gelber Fuchs, das musst du Big Nose erzählen. Er ließ das arme Tier beinahe verhungern, als es noch ein Fohlen war.«
Der Krieger grinst. Sein braunes Gesicht scheint nur noch aus weißen, blitzenden Zähnen zu bestehen, so verzieht der Unterhäuptling seinen Mund.
»Warum jagt ihr diesen Mann?«, fragt Shorty und deutet auf den Conestoga.
»Shorty, wir waren in der Nähe von Golden City«, sagt Gelber Fuchs, »wir waren sehr nahe und sahen, wie dieser Mann aus der Stadt gejagt wurde. Männer ritten hinter ihm her und drohten, er müsste seine eigene Medizin trinken, wenn er sich noch einmal in der Stadt sehen ließe. Ich glaube, er verkauft schlechten Whiskey, Shorty. Und du weißt, dass Big Nose verboten hat, dass hier Whiskey verkauft wird.«
Der Kleine nickt und reitet zum Wagen.
»Nun, Mister«, sagt Shorty, »haben Sie Whiskey auf ihrem Wagen? Vielleicht schönen Indianerwhiskey aus schlechtem Alkohol, der mit rotem Pfeffer und Kautabak versetzt ist? Na, antworten Sie mir, aber schnell.«
In den braunen Augen des Mannes in Schwarz blitzt es amüsiert auf.
»Mister Shorty«, sagt der Fremde mit dunkler Stimme, »ich versichere Ihnen, dass ich keinen Whiskey verkaufe, schon gar nicht an die Indianer.«
Shorty horcht diesen Worten nach. Er ist ein gebildeter Mann, denkt der Kleine, denn der Fremde spricht genauso wie John Morgan und General Carrington. Irgendetwas haben diese Menschen, die Schulen besucht oder gar studiert haben, gemeinsam.
Und einfache Männer wie Shorty spüren das sofort.
»Nun, Mister, dann erzählen Sie uns doch mal, aus welchem Grund die Einwohner von Golden City hinter Ihnen her waren. Hat Sie der Marshal aus der Stadt gewiesen?«
Der Mann in Schwarz schüttelt den Kopf.
»Nein, George Rockwell hatte keinen Grund dazu. Er ritt nur mit, um die Bürger zurückzuhalten, falls sie mich angreifen sollten. Ich verkaufe Medizin, Mister Shorty. Nicht irgendeine Medizin, sondern richtige Heilmittel, die von Fall zu Fall unterschiedlich sind.«
Shorty grinst breit und sagt: »Das kenne ich doch. Hast du Bauchschmerzen, bekommst du eine Flasche mit grün gefärbtem Stoff. Und genau den gleichen Stoff bekommst du in Rot, wenn dir die Füße wehtun. Ha, ein Wunderheiler sind Sie, Mister! Kein Wunder, dass die Leute Sie aus Golden City jagten. Es ist noch gar nicht lange her, als ein Bursche wie Sie der halben Stadt einen höllischen Durchmarsch verpasste. Mit seiner Medizin war wohl irgendetwas nicht in Ordnung.«
Der Ausdruck der braunen Augen des Fremden verändert sich.
So etwas wie Zorn, der mit Trauer gemischt ist, steht in dessen Blick.
»Sind Sie ein Doc?«, fragt Shorty neugierig.
Der Mann in Schwarz zögert eine Weile. Er wendet seinen Blick von dem Cowboy ab und starrt lange auf das weite Tal mit dem blau schimmernden Gras.
Endlich schüttelt er den Kopf und antwortet leise: »Nein, ich bin kein Arzt. Aber ich verstehe genügend von Medizin, um die richtige anzuwenden.«
Shorty hält sich zurück. Er spürt, dass diesen mittelgroßen, schlanken Fremden ein Geheimnis umgibt. Und der einfache Weidereiter spürt auch, dass dieses Geheimnis der Kummer des Mannes in Schwarz ist.
»Wenn ich mit gelbem Fuchs in Ihren Wagen darf, Mister«, sagt Shorty zögernd, »sorge ich dafür, dass Sie weiterfahren können.«
Überrascht blickt der Fremde den Cowboy an.
»Wir leben in Frieden mit den Kiowa«, erklärt Shorty. »Wir werden nur immer wieder von Eindringlingen gestört.«
»Mein Name ist Dokt-«, beginnt der Mann in Schwarz und verbessert sich sofort. »Mein Name ist Fred Bowler. Ich versichere Ihnen nochmals, dass ich fähig bin, Krankheiten zu heilen, dass ich keiner der schlitzohrigen Kerle bin, die irgendeine Wagenschmiere als Patentsalbe gegen alle Wehwehchen anpreisen. Bitte, kommen Sie in meinen Wagen.«
Gelber Fuchs schwingt sich aus dem schweren Kavalleriesattel und geht zum Conestoga. Shorty folgt dem Unterhäuptling. Gemeinsam klettern sie hinauf. Fred Bowler schlägt die Plane zurück.
Und dann staunt Shorty wahrhaftig!
Gelber Fuchs ist so beeindruckt, dass er noch nicht einmal das übliche »Uff« ausstößt.
An beiden Seiten des Conestogas sind im Inneren Regale angebracht. Zahllose Fächer und kleine Schubladen sind mit sauberen Schildern beschriftet.
Shorty hat vor langen Jahren auch für kurze Zeit die Schule besucht. Er hat sogar so viel behalten, dass er ein Plakat oder auch eine Zeitung lesen kann. Aber diese Sprache auf den Schildern versteht er nicht.
Seine Lippen formen die fremden Worte, aber Shorty traut sich einfach nicht, diese Dinge laut auszusprechen.
»Es ist lateinisch«, sagt Fred Bowler. »Das ist die Sprache, in der die Ärzte und Apotheker reden, wenn es um Medizin und Krankheiten geht.«
Misstrauisch blickt der Kleine den Mann in Schwarz an und murmelt: »So, lateinisch soll das sein. Und Sie sind kein Doc, wie? Sind Sie vielleicht so ein gelernter Medizinmischer aus dem Osten?«
»So ungefähr«, antwortet Bowler leichthin.
Gelber Fuchs hat seine Fassung wiedergefunden.
»Unser Medizinmann besitzt viele Pulver und Kräuter«, sagt der Indianer kehlig. »Du bist auch ein Medizinmann, Fred Bowler. Ich sehe es. Du kannst weiterfahren. Shorty bringt dich zur Skull-Ranch. Der große Mann ist krank. Sein Fieber will nicht weichen. Unser Medizinmann sagt, der Bulle hat Brustfieber. Heile ihn, Fred Bowler.«
Gelber Fuchs schwingt sich aus dem Wagen.
Verblüfft starrt Shorty dem Unterführer der Kiowa nach, der zu seinem Pferd geht. Er spricht einige Worte in der Sprache des Stammes, und wenige Sekunden später sind die Pferde und Krieger hinter dem dichten Unterholz verschwunden.
Shorty schiebt sich den Hut in die Stirn und kratzt sich am Hinterkopf.
Und dann nennt er den Fremden einfach beim Vornamen; denn Shorty hat keine Hemmungen. Er weiß, dass er auf seine Art, in seinem Beruf als Weidereiter genauso viel wert ist wie dieser Bowler, der sicherlich studierte.
»Also, Fred«, beginnt Shorty, »wir haben einen Job hier. Wir bränden die Mavericks, die wir einfingen, und danach reite ich mit dir zur Skull-Ranch. Vielleicht solltest du schon langsam vorausfahren, aber ich denke, dass deine Mulis etwas erschöpft sind. Gönne ihnen noch etwas Ruhe.«
»Einverstanden«, antwortet Bowler und steigt aus dem Conestoga.
Shorty schwingt sich in den Sattel seines Kleppers.
Das Pferd bleckt die Zähne, und es sieht wahrhaftig wie ein bösartiges Grinsen aus. Fred Bowler tritt heran und sieht den kleinen Mann, der am Boden wie ein Zwerg wirkt, ins Gesicht.
»Ich danke dir, dass du mir geholfen hast«, sagt der Mann in Schwarz einfach.
Shorty nickt Bowler zu, und in genau dem Augenblick schnappt das Pferd zu!
Es erwischt den Rand des flachkronigen Stetsons, zieht den Hut von Freds Kopf und schlenkert seinen Schädel hin und her.
Ein schrilles Wiehern klingt auf, und so etwas wie Triumph liegt darin.
»Heee, bist du verrückt geworden!«, schreit Bowler verblüfft. »Mein Hut, das ist ein richtiger, teurer Stetson, du elende Mähre!«
Fred packt mit beiden Händen zu und erwischt auch die Krempe auf der anderen Seite. Mit aller Kraft zerrt und zieht er, aber die kräftigen, gelblichen Pferdezähne geben ihre Beute nicht frei.
Bowler stemmt die Absätze in den Boden und zieht mit alle seiner Kraft.
Das Tier hebt den Kopf, blinzelt tückisch, und dann öffnet es blitzschnell das Maul.
Bowler fällt nach hinten, landet unsanft auf seiner Sitzfläche und lässt den Hut fahren. Sofort macht der dürre Gaul einen Schritt nach vorn, senkt den Kopf und schnappt sich den Hut wieder.
Der Mann in Schwarz, dessen aschblondes Haar matt in der Sonne glänzt, steht auf und zieht sich vorsichtig ein paar Schritte zurück.
Misstrauisch beobachtet er das Pferd, das zufrieden kaut und die abgebissenen Stücke des Filzhutes wahrhaftig herunterschlingt.
»Ich kann es ihr einfach nicht abgewöhnen«, sagt Shorty kummervoll. »Rosinante ist wirklich ein Klassepferd, auch wenn sie nicht so aussieht, aber Hüte sind ihre große Leidenschaft. Wir wissen es alle und richten uns danach. Aber ich vergaß, dich zu warnen, Fred.«
Bowler hat sich von seiner Überraschung erholt.
»Rosinante heißt die Dame also?«, fragt der Mann in Schwarz amüsiert. »Dem Äußeren nach passt dieser Name genau.«
Misstrauisch blickt Shorty den Fremden an. Der Kleine wittert Spott, aber er denkt falsch.