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Glücksritter und biedere Bürger, Verfolgte und Spekulanten, viele, die noch einmal von vorne beginnen wollen, wandern nach Amerika aus. Mit den Siedlertrecks, die gen Westen ziehen, kommt auch so mancher Gesetzesbrecher in die Neue Welt.
Wieder einmal ist ein Treck nach Colorado gezogen. In der Nähe der Skull-Ranch lassen sich die Einwanderer vorübergehend nieder. Als Männer, die wie Siedler gekleidet sind, zwei Goldgräber überfallen und ermorden, kommt es zum Aufstand der Bevölkerung. Die Einwohner von Golden City wollen die Siedler vertreiben. John Morgan, der Boss der Skull-Ranch, greift ein ...
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Blutmond über Colorado
Vorschau
Impressum
Blutmond über Colorado
von Dan Roberts
Glücksritter und biedere Bürger, Verfolgte und Spekulanten, viele, die noch einmal von vorne beginnen wollen, wandern nach Amerika aus. Mit den Siedlertrecks, die gen Westen ziehen, kommt auch so mancher Gesetzesbrecher in die Neue Welt.
Wieder einmal ist ein Treck nach Colorado gezogen. In der Nähe der Skull-Ranch lassen sich die Einwanderer vorübergehend nieder. Als Männer, die wie Siedler gekleidet sind, zwei Goldgräber überfallen und ermorden, kommt es zum Aufstand der Bevölkerung. Die Einwohner von Golden City wollen die Siedler vertreiben. John Morgan, der Boss der Skull-Ranch, greift ein...
Die Sonne hat ihren höchsten Stand überschritten. Sie steht im Westen und taucht die Passhöhe in grellen Schein.
Weißlich schimmern die nackten Felsen in dem hellen Licht.
Das Grün der ersten Bergkräuter, der Wacholdersträucher und der Krüppelkiefern wirkt noch schwach und verwaschen.
Der Winter ist hart und rau gewesen.
Menschen und Tiere blieben eng zusammen, suchten Schutz vor den eisigen Blizzards, die von Norden her über Colorado tobten.
Und nun wird es Frühling in diesem wilden Land.
Die jungen Krieger der Kiowa verspüren den Drang, weit zu reiten, frei umherzuschweifen und sich die Steifheit der kalten Jahreszeit aus den Knochen zu schütteln.
Einer der jungen Männer aus Big Noses Stamm klettert durch die Felsenwildnis seitlich des Passes, der nach Kansas führt.
Das Pferd des Indianers steht in dreihundert Yards Entfernung. Es rupft das erste zarte Gras ab und ist sicherlich froh, nicht länger Baumrinde und Heu fressen zu müssen.
Der junge Krieger erreicht den höchsten Punkt des zerklüfteten Geländes und schaut auf die Fahrstraße hinab, die sich nach Osten windet.
Und da erstarrt der Kiowa!
Er sieht Bewaffnete, die vor und hinter einem Wagenzug reiten.
Siebzehn schwere Conestogas werden von jeweils acht Ochsen gezogen. Die massigen Tiere legen all ihre Kraft in die Geschirre, um die Prärieschoner langsam den steilen Weg hinaufzuziehen.
Drei Reiter sind dem Wagenzug etwas voraus. Die Männer beobachten aufmerksam die Umgebung. Aber den Kiowa sehen sie nicht.
Der junge Krieger hat die Sonne im Rücken und weiß, dass er sicher ist.
»Hooohhh, weiter, zieht, ihr elenden Biester!«, ruft der Kutscher des vordersten Wagens.
Der Fahrer lässt die Peitsche um die Köpfe der vordersten Zugochsen schwirren.
Der junge Kiowa überlegt.
Es hat keinen Sinn, diesen Treck alleine anzugreifen. Er muss zurück ins Winterdorf und Verstärkung holen; denn diese siebzehn Wagen bergen unendlich viele Dinge.
Der Krieger zieht sich lautlos zurück, huscht über die Felsen und läuft im Wolfstrab zu seinem Pferd, das witternd den Kopf hebt.
Mit einem Satz ist der Indianer im Sattel und presst dem Tier die Hacken in die Seiten.
Und während der erste Wagen die Passhöhe erreicht, jagt der junge Kiowa zu Big Nose, dem Häuptling des Stammes, um ihm von der leichten Beute zu berichten.
Chet Quade kommt aus dem Pferdestall und geht auf das Wohnhaus zu. Der Vormann hat die Futtervorräte kontrolliert.
Doc Smoky wird in den nächsten Tagen mit einem Wagen voll Fleisch nach Golden City fahren.
Und von dort bringt der Koch neue Vorräte mit.
Aber es sieht so aus, als müsse er zweimal fahren. Der strenge Winter hat doch mächtige Löcher in den Bestand an allen Dingen gerissen.
Chet blickt über den See nach Osten.
Die Sonne steht bereits tief, und ihr Widerschein wird von den kahlen Granitspitzen der Berge zurückgeworfen.
Quade verspürt eine seltsame Unruhe in sich. Aufmerksam blickt er nach Osten, zum Pass, der nach Kansas führt.
Aber der Vormann kann nichts entdecken. Und doch fühlt er, dass Ärger auf die Männer der Skull-Ranch zukommt.
Es ist still. Die Reiter sind alle unterwegs, um die Rinder zu sammeln.
Selbst Mary-Lou ist mitgeritten.
Chet lächelt flüchtig, als er an das Mädchen denkt.
Sie ist eine richtige Rancherin geworden. Sie hat keine Angst davor, sich die Finger schmutzig zu machen. Sie packt zu, wenn es nötig ist.
Sie lieben sich, o ja, aber immer wieder tauchen irgendwelche Hindernisse auf. Und manchmal glaubt Chet, dass es seine Vergangenheit ist, sein Misstrauen, das hindernd zwischen ihm und dem Mädchen steht.
Denn Quade kennt die Bitterkeit der Welt. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr ist er auf sich selbst angewiesen.
Er war ein Revolvermann, ein bezahlter Gunfighter. Aber er stand immer auf der richtigen Seite des Zaunes und verging sich nie gegen das Gesetz.
Als er damals Mary-Lou in der Prärie fand und vor einem elenden Schuft rettete, begriff er auf einmal, dass es auch noch ein anderes Leben gibt.
Und so brachte er das Mädchen ins Bluegrass Valley, in das weite Tal in den Rockys, in dem John Morgan seine Ranch aufbaute.
Mary-Lou ist seine Tochter, sein einziges Kind. Morgan ließ sie von einem Scout aus Alabama holen, wo der Rancher früher eine Baumwollplantage besessen hatte.
Aber der Bürgerkrieg zerstörte dort alles. Und John Morgan gehörte als Südstaatler zu den großen Verlierern des Krieges.
Er gelangte in den Besitz einer Longhornherde und machte sich mit wenigen Männern auf den harten Weg nach Westen.
Leroy Spade, der Raubwildjäger, hatte damals dem ehemaligen Major Morgan von den Blaugrastälern in Colorado erzählt.
Chets Blick schweift über das weite Land, das im Süden von den steil aufragenden Bergen der Sangre-de-Christo-Kette begrenzt wird.
Im Westen bilden die Sawatch Mountains, die den Elk-Bergen vorgelagert sind, einen natürlichen Schutzwall.
Blaufichten und Coloradozedern wachsen dort auf den Hängen. Und noch gibt es viel Wild in den Wäldern.
Dieses weite Bluegrass Valley gehört John Morgan.
Er ist zu einer bekannten Gestalt geworden. In den Goldgräbercamps, den wilden Städten und den Bretterhütten der Digger kennt fast jeder den Rancher und seine Stammcrew.
Und mehr als einmal halfen die Männer der Ranch den Goldgräbern gegen Banditen und Desperados.
Und fast immer musste Chet seine Fähigkeit, blitzschnell den Revolver ziehen zu können, dabei einsetzen.
Aber jetzt kämpft er dafür, etwas aufzubauen, und nicht für eine Hand voll Dollars.
Und obwohl er wahrhaftig nicht mehr der kalte Gunfighter ist, besitzt er noch immer den Instinkt des Kämpfers, diesen Instinkt, der ihn vor Verdruss warnt.
Und Verdruss kommt auf die Ranch zu, dessen ist sich Chet gewiss.
Es ist still, nur ein schwacher Wind fächelt über das Gras, das bläulich schimmert.
Es klatscht, als ein Fisch im See vor der Ranch hochspringt und ins Wasser zurückfällt.
Chet geht zum Wohnhaus und betritt John Morgans Arbeitszimmer.
Der Boss ist mit den Männern unterwegs.
Geräusche klingen aus dem Küchenhaus auf. Doc Smoky bereitet das Abendessen.
Quade arbeitet eine halbe Stunde und schreibt die Liste der Vorräte, die unbedingt benötigt werden.
Die Eingangstür klappt, und der Koch ruft: »Hey, Chet, es gibt Kaffee. Komm auf die Veranda.«
Quade steht mit einer geschmeidigen Bewegung auf und geht lautlos hinaus.
Zwei Blechtassen stehen auf dem selbstgezimmerten Tisch. Vier hölzerne Stühle stehen an der Wand, und auf einem dieser Stühle sitzt der Koch.
Doc Smoky grinst und legt sein Gesicht dabei in tausend Falten. Die Zähne schimmern gelblich. Sie sind abgenutzt, aber noch alle vorhanden.
Chet setzt sich, nimmt einen Becher und trinkt vorsichtig.
»Ich denke, du machst Essen, Doc«, sagt der Vormann. »Wenn Morgan und Mary-Lou zurückkommen, werden sie mächtigen Hunger haben.«
Der Koch macht eine großartige Handbewegung und stößt sich den mächtigen Lederhut, den er nur zum Schlafen abnimmt, in den Nacken.
»Mann, Chet, das Essen ist fast fertig. Ich habe ein Stew gekocht, und der Kessel steht auf dem Feuer. Sobald ich den Boss sehe, lege ich Holz nach, und dann dauert es nur noch zehn Minuten.«
Quade nickt nur und trinkt seinen Kaffee.
Forschend blickt Doc Smoky den jungen Vormann der Skull-Ranch an.
Der Koch ist ein erfahrener Oldtimer, und er kennt Chet lange genug, um in dessen verschlossenem Gesicht etwas erkennen zu können.
»Was ist los?«, fragt Doc Smoky leise.
Chet zieht die Schultern hoch und antwortet: »Keine Ahnung. Doc, ich weiß es nicht. Aber ich habe ein mächtig komisches Gefühl. Ich schätze, dass es Ärger gibt.«
Die eisblauen Augen des Alten verändern ihren Ausdruck etwas. Härte steht auf einmal in diesem Blick.
Und Doc Smoky ist ein eisenharter Mann, wenn er auch nicht mehr der Jüngste ist.
»Banditen?«, fragt er.
»Ich weiß es nicht, aber ich spüre Gefahr auf uns zukommen«, sagt Chet.
Smoky trinkt einen Schluck Kaffee.
»Wir sind vollzählig, Chet«, sagt der Alte. »Wir können uns wehren und werden es auch diesmal schaffen.«
Quade nickt. Sein Gesicht wirkt verschlossen und ernst.
Er wünscht sich, dass der Boss, Mary-Lou und General Carrington schon wieder zurück wären.
Carrington ritt zu den Südweiden, während John Morgan und das Mädchen nach Norden trailten.
Und wenn irgendein Cowboy etwas beobachtet hat, so wird er das erzählen.
Eine Gefahr, die man kennt, ist nur noch halb so groß, denkt Chet.
Er steht auf, geht die drei Stufen der Veranda hinab und marschiert zur Ecke des Pferdestalles.
Freies Land liegt vor Chet, und er kann weit blicken.
In der Ferne sieht er zwei Punkte, die allmählich auf die Ranch zukommen.
Es können nur Mary-Lou und John Morgan sein. Wenn sie ihre Pferde im Schritt weitergehen lassen, werden sie in einer Viertelstunde auf der Ranch ankommen.
Chet geht zurück.
Doc Smoky sitzt noch am Tisch auf der Veranda und blickt zum See.
»Wenn die Kanadagänse hier wieder Station machen«, sagt der Koch, »lege ich mich auf die Lauer. Und dann gibt es feinen Gänsebraten.«
Chet grinst unwillkürlich. Er denkt an Smokys letzten Versuch, diese Vögel zu erwischen.
Es endete mit einem kalten Bad im Spätherbst und einem fürchterlichen Schnupfen, den Smoky mit reichlich Whisky erfolgreich bekämpfte.
»Du brauchst gar nicht so dumm zu grinsen«, sagt der Alte missmutig. »Diesmal klappt es, verlass dich drauf, Chet. Ich stopfe meine alte Sharps voll Schrot und verlasse mich nicht mehr auf den verdammten General Lee.«
Leroy Spade, der Raubwildjäger hatte Smoky versichert, dass der Schäferhund General Lee gute Fortschritte mache; denn Leroy will den Hund zur Jagd abrichten.
Doch als Smoky feuern wollte, stieß ihn der aufgeregte General Lee an, und er stieß den Alten in den See.
Die Munition war nass, die Gänse flogen auf und strichen ab, während sie mit ihren heiseren Stimmen ihren Unmut herauskrächzten.
Der Schäferhund war davongesaust, als sei der Leibhaftige hinter ihm her, und er war Doc Smoky entkommen.
Der Koch verzieht grimmig sein Gesicht, als er an diese Geschichte denkt. Und er schwört sich, es diesmal besser zu machen.
»Schlag dir die Gänse einstweilen aus dem Kopf«, meint Chet. »Der Boss und Mary-Lou kommen.«
Smoky nimmt die beiden Kaffeebecher und steigt von der Veranda.
Er geht zum Küchenhaus. Wenige Minuten später verstärkt sich der dünne Rauchfaden aus dem Schornstein zu einer dicken Säule.
Kurze Zeit darauf klingt Hufschlag auf.
Chet geht zum Stall und wartet.
Mary-Lous Pferd biegt zuerst um die Ecke. Das Mädchen lächelt Chet an, als er es aus dem Sattel hebt.
John Morgan steigt steifbeinig ab und meint: »Schinderei, Chet, du hast dir heute den leichtesten Job ausgesucht. Aber es hat sich gelohnt. Wir haben eine Menge Longhorns aus den Seitentälern herausgetrieben.«
Forschend blickt Mary-Lou den indianerhaften Chet an. Sie spürt mit dem Instinkt der Frau, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.
Auch Morgan mustert seinen Vormann und Freund.
»Nichts Besonderes?«, fragt Chet scheinbar gleichmütig.
Morgan schüttelt den Kopf.
»Nein, es ist friedlich im Valley«, sagt der Rancher. »Was ist los, Junge?«
»Nichts Bestimmtes«, antwortet Chet, »aber ich rieche Gefahr.«
Morgan nickt. Er kennt dieses Gefühl auch, und auch er verlässt sich auf solche Ahnungen, die sich immer als zutreffend erwiesen haben.
»Essen wir erst mal«, sagt der Boss. »Vielleicht weiß Carrington etwas. Er wird ja auch bald kommen.«
Und als kurze Zeit später Doc Smoky das Stew bringt, sitzen Chet, Morgan und das Mädchen bereits am Tisch auf der Veranda.
Der Koch hockt sich auf die Stufen. Er hat bereits in seiner Küche gegessen, und es schmeckte ihm.
Während die beiden Männer und Mary-Lou essen, erzählt Chet von Doc Smokys Absicht, ein paar Wildgänse zu schießen, wenn sie auf ihrem Weg nach Norden am See Station machen.
Mary-Lou hält sich die Hand vor den Mund, um nicht laut herauszuplatzen.
John sagt gleichmütig: »Smoky, du solltest es mal mit einem Lasso versuchen. Ich bin sicher, dass du Erfolg haben wirst.«
Aber irgendwie sind das die falschen Worte. Denn der Alte stößt sich mit einer energischen Bewegung den Hut zurück und sagt: »Ha, das ist doch ein uralter Trick.«
Und als der Koch tief Luft holt, verdreht Chet die Augen. Er weiß, dass der Alte jetzt wieder eines seiner Lügenmärchen erzählen wird.
»Mit Gänsen habe ich das allerdings noch nicht versucht«, beginnt Smoky. »Aber es war vor langen Jahren in New Mexico. Damals war ich so ein junger Hüpfer, wie Chet heute einer ist. Ich trailte mit einem Maultier nach Süden. Und mitten in einer wasserlosen Wüste brach sich das Biest ein Bein. Ich musste das Muli erschießen. Aber ich hätte den Weg niemals geschafft. «
»Sicher bist du damals so ausgetrocknet, dass sich die Falten in deinem Gesicht bildeten«, meint Chet.
»O nein«, wehrt der Koch ab, »die habe ich vor Kummer bekommen, weil nämlich die jungen Coltschwinger immer so großmäulig sind und sich dann von einem alten Knacker, wie ich es bin, retten lassen. Aber das hat nichts mit meiner Geschichte zu tun. Ich hockte also mitten im Sand und musste einen Weg finden, wie ich weiterkam. Es war brennend heiß, damals, und weit und breit gab es keinen Tropfen Wasser. Natürlich war meine Feldflasche voll, aber für einen langen Marsch hätte es nicht gereicht.«
Smoky wendet den Kopf und zeigt grinsend seine braunen Zähne.
»Und da kam mir die rettende Idee, Freunde«, fährt er fort. »Ich blieb ganz still sitzen, etwa vier Yards von meinem toten Muli entfernt. Und meine Geduld wurde belohnt!«
»Wurde es wieder lebendig?«, fragt Mary-Lou arglos und übersieht den zornigen Blick, den ihr der Koch zuwirft.
»Nach einer guten Stunde kamen sie«, sagt Smoky. »Zuerst kreisten sie, waren misstrauisch, aber dann schraubten sie sich immer tiefer. Und endlich ließ sich der erste Geier neben dem toten Muli nieder. Es war ihm nicht ganz geheuer, das konnte ich ihm ansehen, aber offensichtlich hatte er Hunger. Nach und nach wurden die anderen mutiger und ließen sich ebenfalls nieder. Ich warf blitzschnell mein Lasso und erwischte auf einen Schlag fünf Geier! Junge, sie zappelten wie die Fische auf dem Trockenen. Aber ich bändigte sie. Ich zerschnitt meine Wurfleine, nahm die Sattelriemen und band alles zusammen. Als ich so etwas Ähnliches wie einen Sitz hatte, hockte ich mich hinein. Und als die Geier wieder zu sich kamen, sausten sie davon und schleiften mich mit. Es war eine Höllenfahrt, sage ich euch, aber ich kam schneller vorwärts als mit dem Muli.«
»Du warst schon so ausgedörrt, dass sie dein Gewicht tragen konnten«, meint Chet.
»Nein, das nicht, aber ich wurde von ihnen geschleppt«, antwortet Doc Smoky. »Natürlich waren die Stiefel und die Hose hin, aber ich blieb am Leben. Nur gegen Ende dieses Transportes wurden die Vögel etwas schlapp. Sie versuchten, mich über einen Felsbrocken hinwegzuziehen, aber ich prallte mit dem Kopf gegen den Stein. Und als ich wieder erwachte, befand ich mich in einem Indianerlager. Die Burschen kühlten meine Beule und brachten mich weiter. Aber das ist eine andere Geschichte.«
John Morgan blickt seinen Koch ernst an.
»So, so, mit dem Schädel gegen einen Felsbrocken«, sagt der Rancher nachdenklich, »jetzt verstehe ich manches, was ich bisher nicht begreifen konnte.«
Doc Smoky fährt hoch, schaut seinen Boss giftig an und fragt: »Was soll das heißen, Rancher, hey?«
»Nichts, gar nichts«, wehrt Morgan scheinheilig ab, »aber manchmal merkt man noch Jahre nach so einem Aufprall etwas davon. Hast du nicht manchmal Kopfschmerzen, Smoky?«
Der Koch schnaubt wütend und steht auf.
»Es ist eine Schande, wie ihr die schlimmsten Zeiten meines Lebens verlacht«, sagt er würdevoll. »Ihr seid es gar nicht wert, dass ich euch berichte, was mir alles zustieß. Stellt euch vor, ich wäre nicht bei euch!«
»Du redest von herrlichen Zeiten«, sagt Chet grinsend. »Dann hätten wir einen Koch, der sich still und ruhig in seiner Küche aufhält, das Essen kocht und uns ansonsten in Ruhe lässt.«
Doc Smoky dreht sich entrüstet um und stiefelt davon.
»Wenn du das nächste Mal in der Klemme steckst, du großmäuliger Revolverschwinger, du nachgemachter Vormann, dann lasse ich dich drin, jawohl. Und du kannst jammern, so viel du willst, ich helfe dir nicht.«
John Morgan lächelt seinen Stellvertreter an und meint: »Pass gut auf dich auf, Chet. Auf Smoky kannst du dich nicht mehr verlassen.«
»Ach was, in einer halben Stunde hat er sich beruhigt«, antwortet Quade und lacht. »Er brennt doch darauf, eine weitere seiner Storys loszuwerden. Wie kann er das, wenn er nicht mehr mit uns spricht?«
Chet steht auf, geht zu den Stufen und beschattet die Augen mit der Hand.
»Wir bekommen Besuch«, sagt er und deutet nach Nordosten.
Dort liegt Big Noses Winterdorf.
Auch John und Mary-Lou stehen auf und halten Ausschau.