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Blutrot steht die Sonne am östlichen Horizont. Die Weite der Kansasprärie wird nur durch vereinzelte Baumgruppen unterbrochen. Chet Quade, der Vormann der Skull-Ranch, zügelt sein Pferd, als plötzlich acht Reiter auf ihn zu preschen. Sofort greift Quade zu seiner Winchester. Da erkennt er einen zweiten Reitertrupp, der direkt auf den ersten zu jagt.
Schüsse peitschen auf. Zwei Männer werden aus den Sätteln gestoßen. Schrill wiehert ein Pferd. Chet Quade treibt seinen Rappen an, die Winchester hält er bereit...
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Bald wirst du hängen, Quade
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Impressum
Bald wirst du hängen, Quade
von Dan Roberts
Blutrot steht die Sonne am östlichen Horizont. Die Weite der Kansasprärie wird nur durch vereinzelte Baumgruppen unterbrochen. Chet Quade, der Vormann der Skull-Ranch, zügelt sein Pferd, als plötzlich acht Reiter auf ihn zupreschen. Sofort greift Quade zu seiner Winchester. Da erkennt er einen zweiten Reitertrupp, der direkt auf den ersten zujagt. Schüsse peitschen auf. Zwei Männer werden aus den Sätteln gestoßen. Schrill wiehert ein Pferd. Chet Quade treibt seinen Rappen an, die Winchester hält er bereit...
Als der Vormann der Skull-Ranch näherkommt, erkennt er die schweren Tiere der ersten Mannschaft. Es sind Ackergäule, keine Reitpferde.
Die Männer in den Sätteln kämpfen mit dem Mut der Verzweiflung. Aber ihre Waffen taugen nicht viel.
Sicher, es knallt, aber das ist auch schon fast alles. Die ersten beiden Schüsse waren wohl Glückstreffer gewesen. Die Schollenbrecher haben es falsch angefangen. Sie stehen gegen erfahrene Cowboys, und dem Wissen dieser Männer haben die Farmer nicht viel entgegenzusetzen.
Die Weidereiter zwingen ihre Pferde in einen Halbkreis. Chet reißt am Zügel des Rappen. Willig jagt das Tier nach links. Quade will in die Flanke der Cowboys kommen.
Er schafft es, verhält den Rappen und reißt die Winchester hoch.
Chet zielt auf die Pferde. Seine ersten drei Schüsse sitzen genau. Drei Tiere brechen zusammen. Die Reiter fliegen in hohem Bogen aus den Sätteln und bleiben Sekunden wie benommen liegen.
Einer der Siedler stößt einen wilden Schrei aus. Die Schollenbrecher fassen neuen Mut. Sie verteilen sich und feuern aus allen Rohren. Eine Menge Blei fliegt an diesem Morgen durch die Luft.
Und es gelingt den Farmern mit Chets Hilfe wahrhaftig, die Cowboys zurückzuschlagen.
Die Männer ohne Pferde schwingen sich hinter ihren Kameraden auf die Tiere.
Minuten später ist es vorbei. Die Weidereiter jagen davon, und die Farmer wenden ihre Tiere. Sie halten langsam auf Chet zu, der seine Winchester auflädt.
Sein indianerhaftes Gesicht wirkt unbewegt. Selbst die dunklen Augen zeigen keinen Ausdruck.
»Danke, Mister«, sagt ein untersetzter, bulliger Mann mit tiefer Stimme, »ohne Sie wäre es schlecht für uns ausgegangen.«
Die Schollenbrecher mustern den Fremden, der ihnen half, ohne lange zu fragen. Sie erkennen Chet als einen Revolverkämpfer. Und sicherlich fragen sich diese Männer, warum ein solcher Mann in die Auseinandersetzung eingriff, um ihnen zu helfen.
Chet ist auf dem Weg nach Hause, ins Bluegrass Valley. Er hat von John Morgan einen Auftrag bekommen. In Missouri lebt ein alter Kriegskamerad des Ranchers, der wegen einer lange zurückliegenden Sache ins Staatsgefängnis gebracht werden sollte. In seiner Verzweiflung bat der Mann seinen ehemaligen Major, John Morgan, um Hilfe.
Aber Morgan war so beschäftigt, dass er das Bluegrass Valley nicht verlassen konnte. So schickte er Quade mit einer schriftlichen Aussage.
Und jetzt ist der Vormann der Skull-Ranch auf dem Weg zurück nach Colorado.
»Warum haben Sie uns geholfen?«, fragt einer der Siedler.
Chet zieht die Schultern hoch und lächelt sparsam, als er antwortet: »Ihr hattet doch keine Chance gegen die Kerle. Was wollten die eigentlich? Ihr habt sie doch erwartet, oder?«
Bedächtig nickt der bullige Mann.
»Ja, wir haben sie erwartet«, sagt er. »Wir wussten, dass Coltranes und Hadfields Cowboys unsere kleine Rinderherde davonjagen sollten. Seit wir hier sind, haben wir Ärger mit den beiden Weidekings. Ein paar von uns bauen sich kleine Ranches auf, aber die meisten sind Farmer. Es passt den beiden großen Züchtern nicht, dass wir freies Land besetzt haben. Aber der Boden ist ganz gut. Wir wollen uns eine Heimat schaffen.«
Einer der Männer treibt sein Pferd näher heran. Der Bursche beobachtet Quade misstrauisch. Chet spürt die Feindschaft des Mannes fast körperlich. Aus den Augenwinkeln mustert er den Mann.
»Erzähl ihm doch nichts, Spencer!«, ruft der andere laut. »Du siehst doch, dass er ein Coltschwinger ist. Sobald er in die Stadt reitet, werben ihn die verdammten Rancher an. Morgen oder übermorgen schießt er auf uns, und es macht ihm gar nichts aus.«
Chet wendet den Kopf und blickt in zwei kalte, wasserblaue Augen. Offene Feindschaft steht im Gesicht des Mannes geschrieben. Sicher ist er nicht zum ersten Mal in einer solchen Situation. Vielleicht wurde er schon früher einmal von angeworbenen Coltschwingern vertrieben und weiß nun genau, dass die besten Kämpfer immer auf der Seite stehen, auf der die meisten Dollars gezahlt werden.
Aber Chet lässt sich nicht bezahlen. Früher, ja da schoss er für Geld, da vermietete er seine Fähigkeit, ein Könner mit dem Revolver zu sein. Doch seit er Vormann auf der Skull-Ranch in Colorado ist, greift er nur noch zur Waffe, wenn es sein muss.
Bedächtig steckt Quade sein Gewehr in den Sattelschuh zurück.
»Mister, ich habe keine Lust, mich in irgendein Spielchen einzukaufen«, sagt der indianerhafte Mann. »Ich sah nur, dass ihr hoffnungslos unterlegen wart. Darum griff ich ein. Die Partie sollte ausgeglichener werden. Ich reite weiter. Vor mir liegen noch mehr als dreihundert Meilen.«
Quade zupft am Zügel. Der Rappe dreht sich etwas, bis er nach Westen schaut, und will angehen.
»Moment mal«, sagt der untersetzte Anführer der Gruppe, »ich bin Spencer Pearson. Die Leute hier haben mich als Anführer gewählt. Wir haben noch ein paar Dollars, Mister. Können wir Sie anwerben?«
Chet blickt den Mann lange an und schüttelt endlich den Kopf.
»Nein«, sagt der schlanke Kämpfer mit einem müden Unterton in der Stimme. »Nein, das ist vorbei, Mister Pearson. Ich kämpfe nicht für Geld, und schon gar nicht für andere. Ich sagte doch schon, dass ich die Partie eben nur etwas ausgleichen wollte.«
»Warten Sie noch«, drängt der Anführer der Siedler und Farmer. »Wir haben doch keine Chance gegen die harten Burschen der Rancher. Sie können uns doch noch ein paar Tage helfen. Es genügt doch, wenn Sie uns ein paar Tipps geben. Sie verstehen mehr davon als wir.«
Chet denkt nach. Diese Männer hier haben sicher Familien. Sie wollen sich eine Heimat schaffen. Und ein paar großmäulige Rinderkings stemmen sich dagegen. Es geht Chet gegen den Strich, dass Männer mit Macht andere unterdrücken wollen.
Seufzend nickt Quade nach einer Weile und sagt: »Okay, ein paar Tage also. Aber ich muss eine Menge Fragen stellen. Ich muss ganz sicher sein, dass alles richtig ist, denn ich will nicht auf der falschen Seite stehen.«
Pearson nickt und lächelt breit.
»Wir reiten zu mir«, sagt der Anführer der Farmer und Smallrancher.
Er presst seinem schweren Tier die Absätze in die Flanken. Schwerfällig geht der Ackergaul los. Chet hält den Rappen, der hier sicherlich mehr als zweihundert Dollar kosten würde, neben Pearsons Pferd.
Die anderen Männer reiten hinter ihrem Anführer und dem Fremden. Irgendwie spüren sie, dass sie anders als dieser indianerhafte Fremde sind. Sie sind wie geduldige Zugochsen, während er mehr einem wilden Brasadastier ähnelt.
Nach einer Stunde erkennt Chet in der Ferne ein Haus. Es ist Pearsons Farm.
Weit vor dem Gebäude zügeln die Männer ihre Tiere und schauen ihren Anführer fragend an.
»Okay. Sobald wir neue Nachrichten haben, machen wir uns wieder auf den Weg«, sagt Pearson und nickt den anderen zu.
Sie mustern noch einmal zweifelnd, den fremden Kämpfer, bevor sie in verschiedene Richtungen davonreiten.
»Kommen Sie, Mister Quade«, sagt Pearson einladend. »Wir haben eine Menge zu besprechen. Meine Frau hat sicher Kaffee bereitet. Ihr Rappe bekommt Hafer. Wir hatten im letzten Jahr eine gute Ernte.«
Chet schaut sich genauer um. Die Felder und Äcker wirken sauber bestellt. Sicher macht sich Pearson eine Menge Mühe mit seinem Land. Und jetzt soll er vertrieben werden.
Chet reitet hinter dem Schollenbrecher her und sitzt vor dem Stall ab. Wenig später sind die Pferde versorgt, und Quade steht im Wohnraum des Farmhauses.
Unauffällig sieht sich der Vormann aus Colorado um. Alles wirkt sauber und gepflegt. Die Möbel sind aus massivem Holz selbst gezimmert. Die Platte des Tisches ist nicht richtig rund.
»Wir haben die Scheibe von einem uralten Baum abgesägt«, erklärt Pearson. »Der Blitz schlug in die mächtige Kanadapappel und spaltete sie. Es reichte gerade noch für diese dicke Scheibe.«
Die Tür öffnet sich. Eine Frau von etwa vierzig Jahren kommt mit einem Tablett herein.
»Willkommen bei uns, Mister«, sagt die Frau ruhig.
Sie stellt das Tablett auf dem Tisch ab und betrachtet den geschmeidig wirkenden Quade ungeniert. Was sie sieht, scheint ihr zu gefallen. Denn sie nickt und lächelt auf einmal.
»Ich glaube, Sie werden nicht die Seiten wechseln«, sagt die Frau und streicht sich eine Strähne braunen Haares, in das sich das erste Grau mischt, aus der Stirn.
Chet antwortet nicht. Er schaut zu, wie die Frau des Farmers Blechtassen verteilt und aus der zerbeulten Kanne Kaffee eingießt.
»Das ist meine Frau Amelie«, sagt Pearson, »und das ist Mister Chet Quade. Er trailt nach Colorado, aber er versprach mir, uns wenigstens ein paar Tipps zu geben, wie wir den großmächtigen Rinderbaronen widerstehen können.«
Amelie Pearsons Gesicht bekommt einen bitteren Ausdruck. Die Frau des Farmers setzt die Kanne hart auf die Tischplatte.
»Mister Quade«, sagt Amelie. »Wir alle besitzen eine Quittung darüber, dass wir dieses Land gekauft haben. Aber die Rancher sehen sich diese Quittungen nicht mal an. Sie behaupten einfach, das ganze Gebiet gehöre ihnen. Alles andere interessiert sie nicht. Hoffentlich können Sie uns helfen. Lange halten wir nicht mehr durch. Wir haben es geschafft, die erste Ernte einzubringen. Sicher hofften die Rancher darauf, dass es eine Missernte geben würde. Wir hätten dann aufgeben müssen. Aber wir hatten Erfolg, Mister Quade. Und seitdem verfolgen uns die Rinderzüchter mit heißem Blei, mit Überfällen und Terror. Sie jagen nachts ihre halbwilden Longhorns durch die bestellten Felder. Wenn die paar Tiere der kleinen Züchter mitlaufen, sind sie verloren. So sieht das hier aus. Es ist schon bald ein offener Krieg.«
Chet trinkt vorsichtig einen Schluck und denkt nach. Er weiß, dass er mit seiner ersten Frage wahrscheinlich Misstrauen erregt, aber er muss diese Frage stellen.
»Woher wussten Sie, dass in der Dämmerung mit Angriff der Rancher zu rechnen war?«, will Chet wissen.
Pearson dreht die Blechtasse unablässig in den Händen. Er starrt in den schwarzen Kaffee, als gäbe es dort etwas ungeheuer Interessantes zu sehen.
»Los, sag's ihm«, meint Amelie auf einmal. »Wenn Mister Quade uns helfen soll, muss er es wissen.«
Der Farmer nickt schwerfällig und blickt auf. Prüfend schaut er Chet an. Noch hat der Schollenbrecher Zweifel. Aber er spürt, dass er dem Fremden vertrauen kann.
»Einer der Cowboys steht auf unserer Seite«, sagt Pearson. »Er gibt uns an, wann die Mannschaften wieder mal gegen uns losschlagen. Nur darum konnten wir uns bisher halten. Jedes Mal, wenn die Reiter angreifen, erwarten wir sie.«
»Warum macht dieser Cowboy das?«, will Chet wissen.
Der Farmer wechselt einen Blick mit seiner Frau.
»Er wird von uns dafür bezahlt«, sagt Pearson. »Er bekommt außer seinem Lohn als Weidereiter von uns noch mal vierzig Dollar den Monat. Wir alle legen zusammen. Es hat sich gezeigt, dass es das Geld wert war.«
Chet verspürt eine instinktive Abneigung. Er hasst Verrat und Unehrlichkeit. Es ist nicht immer einfach, den geraden Weg zu gehen, aber einen Spion zu bezahlen kommt Chet irgendwie hinterhältig vor.
Doch die Siedler wären sicher schon vertrieben, hätten sie nicht diesen Ausweg gefunden.
»Ich möchte die Quittung für das gekaufte Land sehen«, fordert Quade. »Bevor ich mich festlege, muss ich wissen, dass ich nicht auf der falschen Seite stehe. Ich denke, das werden Sie verstehen.«
Misstrauen steht auf einmal in Pearsons Blick. Ist dieser Fremde, der wie ein professioneller Schießer aussieht, vielleicht von den anderen geschickt worden? Soll er sich in ihre Reihen einschleichen? Wird er gleich seinen Revolver ziehen, sobald Pearson die Quittung zeigt, und das Papier einkassieren?
Chet ahnt, was in dem Mann vorgeht. Aber diesen Kampf muss der Farmer mit sich alleine ausfechten.
Es ist seine Frau, die schließlich die Entscheidung trifft. Sie steht auf, geht zu einem Schrank und holt einen Zettel heraus, den sie zu Chet bringt.
»Zweitausend Dollar für dreihundert Acres Land im Lane County erhalten«, liest Quade halblaut vor.
Und dann folgt noch die genaue Lage des Gebietes, das Mister und Mrs. Pearson kauften.
Die Unterschrift ist kaum lesbar.
»Wer ist der Mann, der Ihnen das Land verkaufte?«, will Chet wissen und gibt die Quittung zurück.
»Der Mann hieß Dan Tucker«, antwortet der Farmer. »Er wies uns eine Landurkunde vor, dass ihm hier eine Menge gehört. Wir griffen zu, weil unser Gebiet am South Fork River aufhört. Wir haben immer Wasser. Das ist wichtig für eine Farm.«
Chet denkt nach. Irgendwie hat er das Gefühl, dass in dieser Geschichte ein mächtig großes Loch ist. Aber noch kann er nicht entdecken, wo dieses Loch, wo der Haken bei der Sache ist.
»Haben die Farmer und Smallrancher Landurkunden für die gekauften Streifen?«, fragt Quade mit unbewegtem Gesicht.
Spencer Pearson schüttelt den Kopf und antwortet: »Nein, die bekommen wir nach zwei Jahren. Dan Tucker sagte uns, dass nach County-Verordnung verkauftes Land erst mal zwei Jahre im Besitz des Erwerbers sein müsste. Anschließend, wenn seine zwei Jahre vergangen sind, bekommen wir die Urkunden. Er will sie auf seine Kosten ausstellen und uns zuschicken lassen. Ein Jahr ist fast schon rum, Mister Quade. In einem weiteren Jahr haben wir es geschafft. Es ist doch alles so ähnlich wie bei dem Heimstätten-Gesetz. Das erklärte uns dieser Tucker auch.«
Der Farmer blickt Chet lange an. Auf einmal spürt der Mann aus Colorado, wie der Schollenbrecher unruhig wird.
»Oder stimmt an der Sache irgendetwas nicht?«, fragt Pearson leise.
Chet zieht die Schultern hoch und antwortet: »Das kann ich noch nicht sagen. Auf jeden Fall haben Sie Land gekauft und bezahlt. Das ist alles, was bisher feststeht. Wo ist das Landregister?«
»In Dighton, der Bezirkshauptstadt«, antwortet Amelie Pearson langsam. Sie blickt Chet forschend an. »Glauben Sie, wir sind im Unrecht, Mister Quade?«
Unbehaglich zieht Chet die Schultern hoch. Ihm ist gar nicht wohl in seiner Haut. Dumpf ahnt er, dass er einen Fehler gemacht hat, als er in den Kampf der beiden Mannschaften eingriff und ihn zugunsten der Siedler entschied.
Aber noch weiß er nicht, wie sehr er sich in ein böses, heißes Spiel eingekauft hat. Noch ahnt Chet nicht, aus welcher Richtung der Wind in diesem Gebiet weht.
»Wir müssen die Sachen an uns herankommen lassen«, meint er darum.
Spencer will etwas sagen, aber Chet hebt die Hand. Er legt den Kopf schräg und lauscht angespannt.
»Was ist denn?«, fragt der Farmer nach ein paar Sekunden. »Ich höre nichts.«
»Eine Mannschaft kommt heran«, sagt Chet mit flacher Stimme. »Es sind mehr als ein Dutzend Reiter. Ich schätze, wir bekommen Besuch wegen heute Morgen. Wie verhalten Sie sich, Spencer?«
Forschend blickt Chet den bulligen Farmer an.
Pearsons Adern am Hals schwellen stark an. Wut zeichnet sein Gesicht, als er antwortet: »Ich schnappe mir 'ne Parkerflinte, lade sie mit gehackten Hufnägeln und warte ab, was die Kerle anfangen. Wenn sie es zu wild treiben, bekommen sie die Ladungen auf den Pelz gebrannt.«
Quade nickt ausdruckslos und murmelt: »Es ist wohl besser, wenn ich mit den Leuten rede. Lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, einfach Ihre Flinte abzubrennen, Spencer. Vielleicht geht es auch so.«
Der Farmer brummelt etwas vor sich hin, das Quade nicht versteht.
Der Mann aus Colorado steht auf. Er geht langsam zur Tür.
»Ihre Winchester«, sagt Amelie auf einmal. »Wollen Sie Ihr Gewehr nicht mitnehmen, Mister Quade?«
Chet schüttelt den Kopf und antwortet: »Nein, das sieht so aus, als hätte ich Angst vor den Reitern. Es wirkt besser, wenn ich einfach rausgehe und mich auf meinen Colt verlasse.«
Chet geht aus dem Farmhaus hinaus und lehnt sich mit dem Rücken an die Wand.
In der Ferne sieht er eine große Staubwolke, die von zahllosen Pferdehufen aufgewirbelt wird.
Wenige Minuten später ist es so weit. Vierzehn Männer reiten heran. Sie alle haben schon vorher ihre Anweisungen bekommen, denn sie verteilen sich geschickt. Die Pferde stehen so, dass jeder Mann den anderen deckt und doch alles übersehen kann.
Einer der Reiter treibt sein Tier vor.
Der Mann ist ein Boss. Wie er im Sattel sitzt, was er ausstrahlt, kennzeichnet ihn als einen Menschen, der anderen Befehle gibt.
»Das ist Coltrane«, sagt Spencer Pearson leise hinter Chet durch den Türspalt. »Und ich habe meine Schrotflinte schussbereit. Sie können sich auf mich verlassen, Chet.«
»Immer langsam, Spencer«, antwortet der indianerhafte Kämpfer. »Bevor wir es mit heißem Blei versuchen, wollen wir doch hören, was der Rancher überhaupt will.«
»Heee, Schollenbrecher!«, ruft der Rinderking. »Komm raus. Ich will mit dir reden.«
Chet lächelt sparsam, als er übersehen wird, und stößt sich von der Wand ab. Mit gleitenden Schritten geht der schlanke Mann auf den Anführer der harten Mannschaft zu.
Quade achtet nicht darauf, dass mehr als fünf Revolver auf seinen Oberkörper gerichtet sind. Er wirkt hart und kalt, gleichgültig gegenüber der Gefahr. Und doch ist er bereit, sich innerhalb von Sekundenbruchteilen in einen gnadenlosen Kämpfer zu verwandeln.
»Das ist nicht die richtige Art, Mister«, sagt Chet sanft. »Sie sollten es noch mal versuchen, aber mit mehr Höflichkeit.«
Der großmächtige Mann schaut aus dem Sattel auf Quade, als sähe er ein lästiges Insekt.
»Äähhh«, sagt er angewidert, »die Dreckschieber haben einen Coltschwinger angeheuert. Mit solchen Kerlen rede ich nicht. Ich halte mich immer an den Anführer. Geh aus dem Weg, Revolverheld, bevor dich mein Pferd zertritt.«
Und diese Worte kamen so überheblich, so verächtlich, dass in Chet jähe Wut emporschießt.
Er macht noch zwei kurze Schritte und packt zu. Mit beiden Händen fasst er das linke Bein des Ranchers, hebelt es hoch und wirft den Mann zur anderen Seite aus dem Sattel.
Vor Wut brüllt Joe Coltrane heiser auf, als er schwer zu Boden prallt. Er steht umständlich auf, marschiert um das Pferd herum und sieht den schlanken Fremden, der ihn gelassen erwartet.
Voller Zorn reißt der Großrancher den Revolver heraus, will die Waffe hochschwingen, aber da blickt er bereits in die Mündung von Chets Colt.
»So ist das also«, sagt Coltrane langsam. »Du bist ein richtiger Revolvermann, wie? Aaaahhh, so ein Kerl hat uns gerade noch gefehlt. Jetzt wird der Tanz richtig lustig, Mister. Bist du der Kerl, der drei meiner besten Weidepferde abgeschossen hat?«
Chet grinst wild und verwegen. Seine weißen Zähne blitzen im gebräunten Gesicht hell auf, als er antwortet: »Sicher, Mister, wer denn sonst? Und ich weiß, dass ich richtig gehandelt habe. Denn deine wilden Kerle hätten die Siedler in den Boden gestampft und ihre Tiere bis nach Kalifornien davongejagt.«