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Die Schrecken der Vergangenheit lassen Stan Bones nicht ruhen. Einsam lebt er auf einer kleinen Farm in der Nähe des Bluegrass Valleys, als ein Cowboy der Skull-Ranch die Erinnerung an ein grauenvolles Verbrechen wiederaufleben lässt.
John Morgan, der Boss der Skull, ahnt nicht, dass unter seinen Männern ein skrupelloser Killer ist, dessen Mörder bereits wartet. Stan Bones wird nicht eher ruhen, bis Jonny Miller am Ende des Rache-Trails vor ihm im Staub liegt ...
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Auf dem Rache-Trail
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Impressum
Auf dem Rache-Trail
von Dan Roberts
Die Schrecken der Vergangenheit lassen Stan Bones nicht ruhen. Einsam lebt er auf einer kleinen Farm in der Nähe des Bluegrass Valleys, als ein Cowboy der Skull-Ranch die Erinnerung an ein grauenvolles Verbrechen wiederaufleben lässt.
John Morgan, der Boss der Skull, ahnt nicht, dass unter seinen Männern ein skrupelloser Killer ist, dessen Mörder bereits wartet. Stan Bones wird nicht eher ruhen, bis Jonny Miller am Ende des Rache-Trails vor ihm im Staub liegt ...
Brazos stößt prustend die Luft aus. Der massige Mann schiebt sich den verschwitzten Stetson in den Nacken.
Aus leicht zusammengekniffenen Lidern blickt der Reiter zu den himmelhohen Douglasfichten hinüber.
»Verdammte Longhorns«, sagt der Bulle grollend, »warum klettern sie bloß in diesen Bergen herum, he? Jetzt reiten wir schon vier Stunden hinter diesen gehörnten Tanten her. Aber bis jetzt haben wir noch keinen einzigen Rinderschwanz zu sehen bekommen.«
Shorty holt sich den Tabak und das Maisblattpapier aus der Hemdentasche. Ohne hinzusehen, dreht sich der Kleine eine Zigarette.
Erst als sie brennt, sagte er: »O Mann, Brazos, die Biester sind ganz verrückt darauf, zu klettern. Ich habe mal in Texas einen jungen Bullen gesehen, der ist sogar auf den Turm einer Wasserpumpe gestiegen, weil kein Berg in der Nähe war.«
Misstrauisch schielt der hünenhafte Brazos seinen kleinwüchsigen Freund an. Der Dicke weiß, dass Shorty ein guter Reiter und einer der besten Cowboys ist. Aber Brazos wusste noch nicht, dass der Kleine jetzt genau solche Lügengeschichten wie Doc Smoky verbreitet.
Der dritte Mann sagt nichts.
Jonny blickt teilnahmslos auf die Bäume. Er behauptet immer, sein Nachname sei wirklich Miller. Und es ist ihm egal, ob ihm jemand glaubt oder nicht.
»Du spinnst ja«, sagt Brazos mit Überzeugung in der Stimme. »Wenn du wirklich einen Longhorn-Bullen auf 'nem Wasserturm gesehen hast, so lag das sicher am Whisky. Aber das ist bei dir ja kein Wunder. So eine halbe Portion ist ja schon sternhagelvoll, wenn sie nur an der Flasche riecht.«
Shorty grinst nur. Er presst seinem knochigen Pferd die Absätze in die Flanken und reitet zu einer sandigen Stelle hinüber. Hier sitzt der Kleine ab. Sorgsam tritt er mit dem Absatz des Reitstiefels die Zigarettenkippe aus, bevor er sie in den Sand einscharrt.
Das muss so sein, denn der Sommer ist mächtig trocken und heiß. Der geringste Funken genügt, um die Berge im Herzen Colorados in eine Feuerhölle zu verwandeln.
Die Luft scheint förmlich zu knistern, und manchmal stellen sich den Reitern die Haare auf.
Alle Männer fürchten sich vor einem Trockengewitter, denn ein solches Unwetter lässt die halb wild aufwachsenden Rinder zu gehörnten Teufeln werden.
Brazos blickt zu Boden. Deutlich zeichnet sich die Fährte der davongedrifteten Rinder ab.
»Wenn sie in diese Richtung weitermarschiert sind, kommen sie in Stans Tal«, sagt der massige Cowboy.
Irgendwie fühlt er sich unbehaglich, wenn er an den wortkargen, mürrischen Stan Bones denkt, der in einem der kleinen Nachbartäler des Bluegrass Valleys siedelt.
Dieser Farmer redet meist nur so viel, dass jedes Wort wie Erlösung wirkt. Es ist unmöglich, mit ihm ein Gespräch zu führen. Bones beschränkt sich die meiste Zeit auf Nicken oder Kopfschütteln. Es bedeutet schon viel, wenn er mal ein knurrendes Geräusch von sich gibt. Und das hört sich dann so an, als grolle ein wütender, hungriger Winterwolf.
Selbst der Boss, John Morgan, kommt mit Stan Bones nicht klar. Lange Zeit wartete der Rancher aus dem Bluegrass Valley auf den Besuch des neuen Nachbarn, wie es im Westen, im unerschlossenen Land, so üblich ist.
Als es Morgan zu lange wurde, ritt er mit Chet Quade und Mary-Lou in das kleine Tal des Farmers.
Alles, was bei diesem Besuch herauskam, war, dass Bones weder Hilfe noch Besuch wünschte.
Die Menschen der Skull-Ranch fügten sich; jeder kann in dieser Zeit so leben, wie es ihm passt, wenn er seinen Nachbarn nicht lästig wird oder gar schadet.
Doch John Morgan ließ den Farmer lange beobachten.
Das Bluegrass Valley war bereits zu oft von Banditen und Desperados und goldgierigen Diggern heimgesucht wurden. Immer hatte heißes Blei zuletzt entschieden. Und der Rancher musste sich, seine Tochter, die Männer und den Besitz schützen. Immerhin lebten eine Menge Menschen von der Rinderzucht in diesem wunderbaren Blaugrastal im Herzen Colorados, im Herzen des Goldlandes.
Shorty gibt ein undeutbares Geräusch von sich. Er schiebt sich den Stetson in den Nacken und murmelt: »Los, Dicker, weiter. Es ist egal, ob wir die Biester bei Stan finden oder anderswo. Es sind unsere Rinder, alles andere ist uns egal.«
Rosinante geht an, als habe sie die Worte ihres Reiters verstanden. Das klapperdürre, ausgemergelt wirkende Pferd ist ein Geschenk Big Noses. Vor langer Zeit erwies Shorty dem Kiowa-Häuptling einen Gefallen.
Zuerst dachte der Cowboy, Big Nose wolle ihn verhöhnen, als er zum Dank den dürren Gaul bekam.
Aber als der kleinwüchsige Reiter das Tier geritten hatte, war er mehr als zufrieden. Denn Rosinante ist ein wirkliches Klassepferd. Sie klettert wie eine Bergziege und ist an Ausdauer den Weidepferden der Cowboys mächtig überlegen.
Aber das knochige Biest hat einen Fehler: Es frisst leidenschaftlich gern Hüte. Schon manches Mal kam Shorty wegen dieser Verrücktheit in Schwierigkeiten.
»Hey, vielleicht will sich dieser Bones vergrößern«, sagt Jonny, der dritte Mann, auf einmal. »Ihr erzählt doch, dass er nur ein paar Kühe hat. Was ist, wenn er sich 'nen jungen Bullen holte, um die Zucht richtig anzufangen?«
Brazos schnaubt wie ein Pferd. Shorty blickt über die Schulter zu Jonny zurück.
»Das ist gar kein dummer Gedanke«, meint der Kleine. »Aber so merkwürdig dieser Stan Bones auch ist, das glaube ich nicht.«
»Kann aber doch sein«, beharrt Jonny auf seinem Einfall. »Dieser Farmer treibt einen Bullen weg, und die gehörnten Tanten folgen ihrem Boss. So kommt diese Fährte zusammen, der wir folgen.«
Brazos richtet sich steil im Sattel auf. Ein warnendes Grollen dringt aus seiner Kehle.
»Wenn das so ist«, sagt der massige Cowboy, »wird Stan Bones lange Zeit nicht mehr unser Nachbar sein. Aber Shorty hat recht, Jonny. Wir müssen abwarten.«
Es sieht wahrhaftig so aus, als führe die Fährte in das Tal des Farmers. Die Rinder, es müssen mehr als ein Dutzend sein, marschieren genau auf den Felsenweg zu, der in das Valley hinabführt.
Aber kurz vor den gezackten Steinsäulen, die wie das Gehörn eines Hirsches aufragen, biegen die Spuren ab.
Die Kiowa nennen diese Säulen den Hirschplatz.
»Das war wohl nichts, Jonny«, meint Shorty.
Der Cowboy zieht gleichgültig die Schultern hoch und meint: »Konnte aber sein, was soll's denn?«
Shorty zügelt seinen Klepper und blickt in das Tal hinab. Brazos leitet sein massiges Weidepferd neben Rosinante. Nur Jonny bleibt etwas zurück.
Die Sonne steht beinahe senkrecht. In ihrem Schein wirken die Scheune, der Stall und das kleine Wohnhaus dort unten wie in Gold getaucht.
Shorty, der bislang in der Haltung der Cowboys, also etwas in sich zusammengesunken im Sattel hockte, spannt sich auf einmal an. Irgendwie geht eine merkwürdige Wachsamkeit von dem kleinen Mann aus.
Auch Brazos hat es gesehen.
»Da liegt ein Mensch«, sagt der Riese mit seiner Bassstimme.
Shorty zögert keinen Moment. Er presst Rosinante die Absätze in die Flanken und zupft am Zügel. Das Pferd geht mit sicherem Tritt auf den kaum yardbreiten Pfad, der hinabführt.
»Heee, ich denke, ihr könnt diesen Bones nicht leiden?«, wundert sich Jonny.
»Das hat doch nichts damit zu tun, dass dort unten einer liegt, als sei er besinnungslos oder tot«, sagt Brazos erstaunt. »Mann, Jonny, wenn jemand in Not ist, helfen wir. Das ist unsere verdammte Christenpflicht, denke ich.«
Shorty treibt seinen Klepper an.
Brazos folgt seinem Freund, aber der dritte Mann bleibt etwas zurück.
Minuten später erreichen die beiden Reiter die Talsohle. Vom Weg bis zu den Gebäuden beträgt die Entfernung eine knappe halbe Meile.
Shorty und Brazos bringen ihre Pferde in Galopp.
Die beiden sind noch ein Dutzend Pferdelängen von dem reglosen Mann entfernt, als Shorty auf einmal ruft: »Mann, das stinkt ja furchtbar.«
Ein schwerer, süßlicher Geruch hängt in der Luft. Brazos kennt diesen Geruch so gut wie sein kleiner Freund: Es riecht nach Verwesung.
In der Hitze des Sommers zersetzt sich Fleisch besonders schnell und verbreitet einen entsetzlichen Gestank.
Shorty kämpft mit seinem Magen.
Er will immer wieder hochhüpfen, und das Würgen in der Kehle lässt nur allmählich nach.
Brazos Gesicht ist unbewegt, wie eine kantige Maske aus Stein.
Endlich erreichen die beiden den Mann, der vor dem Stall liegt.
Wieselflink schwingt sich Shorty aus dem Sattel. Auf seinen krummen Beinen läuft der Kleine zu Bones.
Denn es ist der Farmer, der dort liegt.
Eine Sekunde später weiß der Cowboy, dass Bones noch lebt.
»Er ist bewusstlos«, sagt Shorty, »aber ich kann nicht sehen, was ihm passierte. Er hat keine Beule und keine Wunde.«
Brazos schnüffelt wie ein Hund, bewegt den Kopf und deutet schließlich auf die weit geöffnete Stalltür.
»Der Gestank kommt von dort«, sagt der Dicke und sitzt ab.
Shorty geht misstrauisch ein paar Schritte auf das Tor zu. Schließlich bleibt der Kleine stehen und zieht den Colt.
Knackend rastet der Hahn ein, als der Cowboy spannt.
Er ist zwar kein Revolvermann, kein Könner mit dem Colt, aber auf die Entfernung von anderthalb Dutzend Yards schießt jeder Cowboy einer Eidechse den Schwanz ab.
Langsam geht Shorty weiter. Als er noch einen Schritt von der dunklen Öffnung entfernt ist, verharrt er abermals.
Er ist noch zu weit entfernt, kann noch nicht erkennen, was dort im Stall auf ihn wartet.
Shorty macht einen weiteren Schritt. Allmählich gewöhnen sich seine Augen an die Dunkelheit des Stalles.
Flüchtig denkt der Kleine an Brazos, der ebenfalls die Waffe schussbereit in der Rechten hält. Shorty weiß, dass er sich auf den Dicken verlassen kann. Brazos wird ihn decken, aber er muss aus der Sonne in die Dunkelheit hineinschießen, wenn es zum Kampf kommt. Und das bringt nur dem Gegner Vorteile.
Shorty marschiert weiter. Er gleitet durch die Öffnung, tritt zur Seite und mustert die sieben oder acht Boxen im Stall.
Auf einmal zischt etwas scharf und durchdringend.
Sofort ruckte Shortys Rechte herum. Die Mündung des Revolvers deutet auf die dritte Box.
Und jetzt folgt dem Zischen ein hartes, warnendes Rasseln.
»Mein Gott, 'ne Klapperschlange«, sagt der Kleine laut.
Wachsam macht er einen Schritt nach rechts. Was er sieht, lässt ihn innehalten.
Eine mächtige Felsenklapperschlange liegt zusammengeringelt auf dem aufgetriebenen Leib eines Mulis. Das Muli ist tot, liegt auf dem Boden der Box, und das Biest hockt auf ihm drauf, wie ein Jäger den Fuß auf seine Beute stellt.
»He, Kleiner, was ist los?«, ruft Brazos halblaut von draußen, »bist du in ein Mauseloch gefallen?«
Trotz des leichten Spottes schwingt Besorgnis in der Stimme des schweren Cowboys mit.
Der Kopf der Schlange pendelt hin und her.
Shorty hebt ruhig die Waffe. Er weiß, dass er mit dem ersten Schuss entweder den Kopf oder aber das Rückgrat des Biestes erwischen muss. Denn verwundet er das Reptil nur, dann wird es so schnell zustoßen und die Giftzähne einschlagen, dass nichts und niemand den Kleinen retten kann.
Dumpf wummert der Colt auf.
Shortys Kugel zerreißt den Kopf der Klapperschlange. Ein gewaltiger Ruck durchfährt den schenkelstarken Körper, der länger als drei Minuten hin und her schlägt.
Brazos rennt auf den Stall zu. Der massige Cowboy will seinem Freund helfen, ihm beistehen, aber als er Shorty gesund und munter im Stall sieht, stößt der Dicke pfeifend die Luft aus.
»Was ist los, du Zwerg«, grollt er, »was schießt du deinen Colt ab? Langweilst du dich vielleicht?«
Doch da sieht Brazos den mächtigen Leib der Schlange.
»Mann, ist das ein Biest!«, ruft er.
Eine Wolke von Fliegen schwirrt über dem toten Muli. Die Zuckungen der verendenden Schlange scheuchten die Schmeißfliegen auf.
»Wir sollten uns Stan Bones mal ansehen«, meint Shorty. »Ich wette, wir finden die Bisswunden der Giftzähne.«
Brazos holstert den Revolver, als er seinem Freund ins Freie folgt.
»Sie muss zuerst das Muli erwischt haben«, meint der Dicke. »Denn sonst würde Bones nicht mehr leben.«
Shorty nickt nur.
Vorsichtig dreht er den immer noch bewusstlosen Farmer auf den Rücken.
Und jetzt sehen sie die roten Punkte, die inzwischen bläulich verschwollen sind.
Nach einem Blick sagt Brazos: »Aufschneiden, Kleiner, aber schnell.«
Gedämpfter Hufschlag klingt auf. Shorty sieht sich um. Jonny reitet gemächlich heran.
»Hol dir aus dem Schuppen 'ne Schaufel!«, ruft der Kleine. »Irgendwo da hinten machst du ein Loch, das für ein totes Muli groß genug ist.«
Jonny nickt nur. Sein Gesicht ist ausdruckslos, ja gleichgültig. Ihm ist es egal, was er macht, so lange er jeden Monat seine Dollars und freie Station bekommt.
Kurze Zeit später reitet der Cowboy mit einer Schaufel in der Rechten zum jenseitigen Ende des Tales.
Brazos packt zu. Der Stoff des Hemdes zerreißt unter seinem Griff wie Papier. Jetzt liegt der rechte Arm des Besinnungslosen frei.
Shorty zieht sein Messer aus dem Stiefelschaft. Prüfend fährt der Cowboy mit der Daumenkuppe über die Schneide.
»Schau dich mal im Haus um, wo Bones Verbandstoff hat«, fordert Shorty seinen Freund auf.
Brazos stampft auf das kleine Wohnhaus zu. Er muss den Kopf einziehen, als er unter dem Türbalken hindurchgeht.
Das Haus besteht nur aus einem einzigen großen Raum. Rechts ist bis in Hüfthöhe aus rohen Balken und Brettern eine Art Mauer geschaffen worden. Hinter dieser Abtrennung schichtete Stan Bones flache Steine zu einem Ring auf, in dessen Mitte verkohltes Holz liegt. Es ist die Feuerstelle. Ein eiserner Dreifuß mit einer Kette in der Mitte steht über diesem Platz.
Während Brazos vorsichtig den windschiefen Bretterschrank öffnet und nach Verbandzeug sucht, setzt Shorty draußen die rasiermesserscharfe Spitze des Bowiemessers auf Bones Haut am Unterarm.
Entschlossen schneidet der Cowboy in das Fleisch.
Der Besinnungslose stöhnt halblaut auf und verkrampft sich. Aber dann liegt er wieder still.
Geschickt erweitert Shorty die Wunde. Das Blut fließt zuerst schwach und zäh. Es ist vermischt mit schwach gelblich schimmerndem Zeug, das sicherlich Schlangengift ist.
Aber Sekunden später wird der Blutfluss schneller. Erleichtert atmet der Cowboy auf.
Es sieht so aus, als sei Stan Bones mit einem blauen Auge davongekommen.
Brazos kommt mit einem weißen Fetzen Zeug zurück.
»Was anderes hab ich nicht gefunden«, sagt der massige Mann. »Das war wohl mal ein Betttuch. Aber Bones hat schon Streifen davon abgerissen.«
Shorty wartet noch ein paar Sekunden, bevor er einen straffen Verband anlegt.
»Schade, dass Doc Smoky nicht in der Nähe ist«, meint der kleine Mann der Skull-Ranch. »Sicher hätte er eine Salbe für Bones. Der Alte steckt doch in letzter Zeit oft mit dem Medizinmann der Kiowa zusammen. Ich wette, dass Smoky eine Menge über die Heilkunst der Indianer erfährt.«
»Er ist aber nicht hier«, weist Shorty seinen Freund an. »Wir können jetzt nur warten, bis er zu sich kommt.«
Es dauert eine Weile. Noch liegt der Farmer reglos im Schatten des Wohnhauses. Shorty betritt den Raum und blickt sich neugierig um.
Es ist die typische Behausung eines Mannes, der alleine lebt.
In einer Ecke liegt ein Haufen Lederzeug, das ausgebessert werden muss. An der Decke, in einer anderen Ecke, hängen getrocknete Fleischstücke. Ein Sack Mehl, noch halb voll, lehnt an der Wand.
Auf dem Tisch, der aus ungehobelten Brettern grob zusammengenagelt ist, liegt eine gepflegt wirkende Winchester.
Das ist die einzige Waffe, die Shorty entdecken kann. Nirgendwo sieht er einen Colt oder eine Schrotflinte.
»Ich habe Bones zwar noch nicht oft gesehen«, murmelt der Kleine, »aber jedes Mal hatte er nur das Gewehr bei sich.«
Der Skull-Reiter kratzt sich am Kinn. Ihm kommt es merkwürdig vor, dass ein Mann in diesem wilden Land ohne Revolver umherläuft. Denn eine Winchester behindert einen Mann oft, wenn er schnell schießen muss, wenn es um Raubzeug geht, eine Klapperschlange oder einen tollwütigen Präriehund.
»Na ja, er ist eben ein Schollenbrecher mit drei Kühen«, murmelt Shorty.
Er verlässt den Wohnraum und blinzelt zur Sonne hoch, die sich nach Westen zu neigen scheint.
»Er hat mal gestöhnt und sich bewegt«, meldet Brazos.
Der Dicke schaut nach Westen. Die Sonne behindert ihn, aber dann erkennt er Jonny, der sein Pferd im Schritt herangehen lässt.
»Das Loch ist fertig«, sagt der dritte Reiter.
Er bleibt abwartend im Sattel sitzen.
»Das ist dein Job, Brazos«, sagt Shorty. »Du schaffst es, dem toten Muli ein Lasso umzubinden.«
Murrend zieht der massige Cowboy ab. Er hofft, seinen Magen unten zu behalten, wenn er im Stall, im Gestank des verwesenden Tieres hart schuften muss.
Weitere Worte sind nicht nötig. Jonny zupft am Zügel und löst das Wurfseil vom Sattelhorn.
Es dauert nicht sehr lange. Kurze Zeit später zerrt Jonnys Pferd das tote Muli aus dem Stall. Ein Schwarm blau schimmernder Fliegen schwebt wie eine Wolke hinterher.
Brazos rennt fast aus dem Stall und ringt nach Luft.
»Verdammte Schweinerei«, schimpft der schwere Cowboy, »gegen diesen Gestank kommen selbst deine Füße nicht an, Shorty.«
Empört richtet sich der kleine Reiter auf, wirft sich in die Brust und kräht: »Mensch, wenn du nicht mein Freund wärest, würde ich dich jetzt windelweich schlagen. Ha, redet dieser große dumme Bulle von meinen Füßen. Dabei wasche ich sie jedes Mal, wenn ich bade, mit Veilchenseife.«
Brazos grinst breit, als er antwortet: »Das ist es ja, Kleiner, du badest nicht oft genug.«
Shorty stößt mit einem pfeifenden Geräusch die Luft aus. Listig grinst er seinen großen Freund an.
»Das ist doch deine Schuld, Dicker«, sagt der Kleiner. »Du erzählst doch immer, dass ich in deinen Stiefeln bade. Wenn du deine Stiefel nur zwei Mal im Jahr ausziehst, kann ich auch nicht öfter baden.«
Brazos sucht nach einer Antwort. Aber so schnell geht das bei ihm nicht. Daher überlegt er noch verzweifelt, als Stan Bones sich ruckartig aufrichtet.
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