Skull-Ranch 88 - Dan Roberts - E-Book

Skull-Ranch 88 E-Book

Dan Roberts

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit Tagen reiten die fünf Männer durch die Rockies. Ihre stoppelbärtigen Gesichter wirken abgezehrt. Ihre Augen blicken kalt und entschlossen. Mike Loomis, der Jüngste der Doolin-Bande, sitzt zusammengekrümmt auf seinem Pferd. Sein Hemd ist blutverkrustet. Er ist beim letzten Überfall der Bande angeschossen worden. Die anderen vier sind Brüder, die sich schon lange auf dem falschen Trail befinden. Die Doolins tauschen heißes Blei gegen harte Dollars. Aber jetzt brauchen sie erst mal frische Pferde, und die wollen sich die Gnadenlosen bei der Pferdewechsel-Station im Bluegrass Valley holen. Mit Gewalt...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 138

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Die Gnadenlosen

Vorschau

Impressum

Die Gnadenlosen

von Dan Roberts

Seit Tagen reiten die fünf Männer durch die Rockies. Ihre stoppelbärtigen Gesichter wirken abgezehrt. Ihre Augen blicken kalt und entschlossen. Mike Loomis, der Jüngste der Doolin-Bande, sitzt zusammengekrümmt auf seinem Pferd. Sein Hemd ist blutverkrustet. Er ist beim letzten Überfall der Bande angeschossen worden. Die anderen vier sind Brüder, die sich schon lange auf dem falschen Trail befinden.

Die Doolins tauschen heißes Blei gegen harte Dollars. Aber jetzt brauchen sie erst mal frische Pferde, und die wollen sich die Gnadenlosen bei der Pferdewechsel-Station im Bluegrass Valley holen. Mit Gewalt...

Der Fuchswallach des vordersten Reiters stolpert.

»Verdammtes Biest«, flucht der untersetzte Mann, »lauf schon, du Missgeburt.«

Der Mann reißt am Zaumzeug. Unwillig wirft das Pferd den Kopf hoch. Aber es ist eine müde Bewegung. Das Tier ist erschöpft. Es braucht dringend eine lange Ruhepause.

Der Reiter schiebt sich den Hut in den Nacken und wendet sich im Sattel um. Seine vier Gefährten folgen in weitem Abstand.

Immer wieder sieht sich der letzte Mann um. Immer wieder späht er in das weite, karge Tal hinter sich. Aber noch sind keine Verfolger zu entdecken.

Der vorletzte Mann sitzt zusammengesunken im Sattel. Der junge Bursche wirkt erschöpft und bedrückt. An seiner linken Schulter verdeckt verkrustetes Blut das Muster des blaukarierten Hemdes. Die Kugel steckt noch im Körper des Jungen. Seine Augen glänzen fiebrig. Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Boy zusammenbricht.

Der vordere Reiter presst die Lippen zusammen. Er sieht deutlich, dass Mike erschöpft ist.

»Ausgerechnet den schwächsten von uns muss es erwischen«, sagt Tim Doolin halblaut. »Hoffentlich macht der Kleine nicht schlapp.«

Ein paar Sekunden denkt der Anführer der kleinen Gruppe über den Verletzten nach. Wenn er nicht durchhält, müssen sie ihn töten. Denn die Doolins können sich auf ihrer Flucht nicht mit einem Mann abgeben, der sie behindert.

Seit fast einer Woche führt Tim Doolin, der älteste der Brüder, seine Bande kreuz und quer durch die Rocky Mountains. Tim ist der Boss, der Anführer der fünf Halunken. Arch und Ed sind seine Brüder. Gary ist ihr Vetter. Und sie alle sind gewiss keinen Deut besser als Tim. Sie nehmen sich, was sie brauchen, was ihnen gefällt. Hindert sie jemand daran, so räumen sie dieses Hindernis mit heißem Blei aus dem Weg.

Und da ist noch Mike Loomis. Irgendwann stieß er zu den Doolins. Er suchte Abenteuer, schnelles Geld, ein Auskommen. Jetzt trägt er eine Kugel in der Schulter mit sich herum.

»Hey, Tim, ich denke, wir haben genug Staub geschluckt«, sagt der massige Arch, der hinter dem Boss reitet. »Wird Zeit, dass wir 'nen guten Schluck in die Kehle bekommen. Und die Pferde sind am Ende. Wir brauchen alle eine Pause.«

Arch grinst schief, als er das ausdruckslose Gesicht seines älteren Bruders studiert. Arch weiß ganz genau, was dieser maskenstarre Ausdruck bedeutet: Halt dich raus, zerbrich dir nicht deinen Kopf, denn ich bin der Boss.

Ja, so ist das bei den Doolins. Der Captain, der Boss ist Tim. Während des ganzen Bürgerkrieges gelang es ihm, seine beiden Brüder und Gary, der ein Sohn ihres Onkels ist, zusammenzuhalten. Tim war im Krieg wahrhaftig Offizier, und sogar ein guter. Aber als die Union immer weiter nach Süden vordrang, als die Kerle aus der Etappe und den Schreibstuben vormarschierten, wurde Tim aufmerksam. Er brachte seine Verwandten dazu, mitsamt der Soldkasse zu verschwinden. Es hatte keinen Sinn, länger den Hals zu riskieren und nichts dafür zu bekommen. Die Burschen mit den fein gescheitelten Haaren waren es, die sich im besiegten Süden in die gemachten Nester setzten und richtig abkassierten. Und das passte Tim Doolin nicht.

Seit dieser Zeit ziehen die vier Männer durch das Land. Eines Tages lief Eds Pferd davon, als es mächtig knapp für die Halunken wurde.

Ein junger Kerl preschte auf seinem Pferd aus einer Seitenstraße, schwang das Wurfseil und fing das Tier ein. In jagender Karriere brachte Mike Loomis den Gaul zur Bande zurück. Ed war mit einem Satz im Sattel.

Der junge Kerl floh mit den Doolins, denn er wollte sich nicht dem Zorn der Bürger aussetzen.

Tim überlegte damals lange, bevor er Mike aufnahm. Aber schließlich wurde der schlanke, dunkelhaarige Bursche das fünfte Mitglied der Doolin-Bande.

Und jetzt hängt er schief im Sattel, klammert sich mit beiden Händen am Horn fest und sieht sicher nicht mehr, wohin sie reiten.

Arch folgt Tims Blick, bleckt die Zähne und fragt halblaut: »Soll ich ihn erledigen?«

»Nein, lass das«, antwortete Tim mit flacher Stimme, »vielleicht kommt er durch. Wenn wir ihn hier umbringen, können wir ihn nicht begraben.«

Arch verzieht die Lippen. Aus seinem Lächeln wird ein wölfisches Grinsen.

»Warum begraben?«, fragt der massige Mann.

»Die Posse ist uns noch immer auf den Fersen«, antwortet Tim. »Denkst du, die Stadtfräcke lassen uns mit zehntausend Dollar entkommen? Sie sind ganz verrückt nach dem Geld. Kann ich verstehen, schließlich haben sie dafür ja auch geschuftet.«

Ed und Gary verhalten ihre Pferde dicht hinter den anderen.

Gary lacht schrill auf, bevor er sagt: »Und wir holten uns einfach diese schönen grünen Scheinchen, wie, Brüder? Wir riskierten zehn Minuten unseres Lebens und verdienten so viel, wie die ganze verdammte Stadt in einem Jahr.«

Besorgt mustert Tim den schlanken Vetter, der sich angewöhnt hat, die anderen Brüder zu nennen.

Garys Haare sind von der Farbe angelaufenen Silbers, stumpf und metallisch. An der linken Kopfseite fehlt ein Streifen Haarwuchs. Dort schlug im Krieg eine Kugel in den Schädel des Mannes, der seitdem manchmal unberechenbar ist.

»Wenn wir ihn hier umlegen, findet ihn jemand«, sagt Tim nachdrücklich. »Die Geschichte macht die Runde. Ihr wisst selbst, wie schnell sich so etwas verbreitet. Und dann haben wir die verdammten Pfeffersäcke wieder dicht im Nacken.«

»Mann, seit fast drei Wochen klettern wir wie die Bergziegen durch die Rockies«, murrt Arch. »Wir haben die Kerle doch längst abgehängt.«

Tim schüttelt den Kopf.

»Nein«, sagt er, »diese Burschen geben nicht auf. Ich weiß es, ich spüre es, versteht ihr? Sie sind so voller Zorn, dass sie uns bis nach Kalifornien verfolgen würden. Denkt doch mal nach: Die kleine Stadt lebt von den Ranchern und Farmern. Sie alle tragen ihre Dollars zur Bank. Wenn sie irgendwas brauchen, holen sie sich Geld. Aber jetzt gibt es nichts mehr. Versteht ihr das denn nicht: diese Kerle haben sicher zehn Jahre geschuftet, und jetzt stehen sie wieder so da, wie am Anfang. Das lassen sie sich nicht gefallen.«

Mikes dürres Pferd stößt mit der Nase gegen Garys Tier und bleibt stehen.

Der junge Bursche hebt mühsam den Kopf. Sein Blick wirkt verschwommen, als er die Doolins ansieht.

»Haben wir es geschafft?«, flüstert Mike Loomis.

»Noch nicht ganz, Kleiner«, antwortet Tim. »Aber in ein paar Stunden liegst du am Feuer, und ich hole dir die Kugel aus der Schulter. Du musst eben die Zähne zusammenbeißen und durchhalten. Denk an die Dollars, dann fällt dir alles viel leichter.«

Mike versucht ein Grinsen, das aber mehr als kläglich ausfällt. Er will die Hände vom Sattelhorn lösen, doch es gelingt ihm nicht.

»Los, weiter«, befiehlt Tim.

Er presst seinem Wallach die Hacken in die Seiten. Das Tier rührt sich nicht. Nur ein Zittern überläuft das Fell des Pferdes.

Tims Augen funkeln zornig. Er schlägt dem Fuchswallach mit aller Kraft die Absätze in die Flanken. Das Pferd holt schnarchend Luft und geht an.

»Noch zwei oder drei Stunden«, sagt Arch laut hinter seinem älteren Bruder, »und dann trägst du den Gaul, Tim. Wir müssen eine Pause machen.«

Der Captain antwortet nicht. Er hält die Zügel straff.

Geschickt nutzt der Anführer der Doolins jede Deckung aus. Er leitet seine Männer hinter zerklüfteten Felsen, hinter krummgewachsenen Bergkiefern und in ausgetrockneten Bachläufen nach Westen.

Heiß brennt die Sonne herab. Sie hat ihren höchsten Stand schon überschritten. Obwohl es Spätsommer ist, besitzt sie noch eine Menge Kraft.

Die Pferde werden von selbst langsamer. Müde hocken die Reiter in den Sätteln.

Eine halbe Stunde noch, denkt Arch, dann brechen die Tiere zusammen. Es ist doch sinnlos, die Gäule so zu schinden. Was haben wir dann von unserem Vorsprung?

Kurze Zeit später zügelt Arch sein Tier. Er starrt auf den schmalen Weg hinab, der sich knapp fünfzig oder sechzig Yard unter ihnen dahinschlängelt.

»Wir verdammten Narren«, sagt der massige Mann bitter, »warum haben wir nur auf dich gehört, Captain? Wir kriechen wie die Schnecken durch die Rockies, und da unten ist ein richtiger Fahrweg. Wir wären schon in Utah, hätten wir den Weg genommen. Und unsere Pferde wären auch nicht kurz vor dem Zusammenbruch. Du und deine verfluchte Vorsicht.«

Tim Doolin ist müde. Er fühlt sich zerschlagen. Eigentlich hat er nicht die geringste Lust zu streiten, aber jetzt spürt er Wut in sich aufsteigen.

»Du bist der Narr, Archie«, sagt er scharf, »die Stadtfräcke haben jeden Fahrweg abgeriegelt, dafür garantiere ich dir. Glaubst du denn, die Kerle sind Idioten?«

Arch presst die Lippen zusammen. Er ist davon überzeugt, dass Tim zu vorsichtig gewesen ist.

»Wir folgen dem Fahrweg«, befiehlt der Captain, »aber hier oben. So sehen wir, was sich dort unten abspielt.«

Es ist eine schmale Straße, die diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdient. Denn sie ist weder befestigt noch glatt. Nur die ausgefahrenen Spuren deuten darauf hin, dass dieser Weg benutzt wird.

Tim wird noch vorsichtiger. Immer wieder zügelt er den Wallach und lauscht. Aber als sie die Passhöhe erreichen, ist er zufrieden. Bisher entdeckten sie noch keinen Wagen.

»Oh Männer, schaut euch das an«, sagt Arch.

Er deutet mit der Rechten hinab. Ein weites Tal liegt unter den fünf Banditen. Blauschimmerndes Gras bedeckt den Boden. Wasserläufe durchziehen das Valley, und ein paar Seen glänzen wie polierte Spiegel im grellen Licht der Sonne.

»Mensch, das ist ja Bluegrass«, sagt Gary. »Ich denke, Blaugras gibt es nur in Kentucky.«

»Traust du deinen Augen nicht mehr?«, fragt Arch. »Das ist Blaugras, Gary, und wir sollten uns überlegen, wie wir das Valley in Besitz nehmen können.«

»Ihr seid Narren«, sagt Tim leidenschaftslos. »Eine Posse jagt uns. Dort unten steht eine Ranch. Seht ihr denn nicht die Longhorns? Und ihr wollt Rancher spielen. Ihr seid wirklich verrückt.«

Arch grinst breit, als er seinen Bruder ansieht und sagt: »Du musst zugeben, dass dort unten ein herrliches Stück Land ist. Was ist daran falsch, wenn ich es besitzen möchte?«

Gary kichert und sagt: »Nur zu, Partner, reite runter. Nimm die ganzen zehntausend Dollar mit. Wir leihen sie dir ein paar Jahre aus. Reite runter und versuch doch, dem Rancher sein Bluegrass Valley abzukaufen.«

Die anderen lachen laut auf. Selbst Ed, der fast nie redet, verzieht sein kantig wirkendes Gesicht.

»Oooooo, und das von dir, Gary«, antwortet Arch. »Mann, ich will doch nicht bezahlen! Wir machen es wie immer, okay? Wir reiten runter, schießen alles zusammen und treten unser Erbe an.«

Tim erwägt für einen Moment den Vorschlag, aber es wäre verrückt. Denn ganz sicher kommt die Posse auch hierher. Und die Stadtfräcke lassen sich bestimmt nicht dadurch aufhalten, dass die Doolin-Bande auf einmal eine Ranch besitzt.

»Los, weiter«, befiehlt Tim. »Wir müssen dem Kutschweg folgen. Ich wette, dass wir an eine Relaisstation kommen. Dort gibt es frische Pferde für uns. Ranchen, das ist nichts für uns. Der Boss dort unten hat bestimmt 'ne Menge harter Pilger auf seiner Lohnliste. Schaut euch doch mal um!«

Aufmerksam studieren die anderen das weite Tal. Nur Mike Loomis hat auf einmal das Gefühl, dass er dort unten eine Heimat finden könnte. Trotz seines Fiebers erkennt der Junge auf einmal, wohin sein Weg unweigerlich führt: zur Hölle.

Aber resignierend verdrängt er diesen Gedanken. Er steckt schon zu tief in den bösen Geschichten der Doolins, um noch umzukehren.

»Tim hat recht«, sagt Gary nach ein paar Sekunden. »Eine Menge Trails führen durch das Valley. Wir könnten es niemals richtig überwachen. Eines Tages stehen ein paar Dutzend Prämienjäger vor uns, und dann ist es vorbei.«

Tim treibt seinen Wallach an. Müde geht das Tier voran. Die anderen Pferde sind nicht weniger erschöpft. Aber noch halten sie durch. Etwa drei Stunden später, am frühen Nachmittag, deutet Tim nach vorne.

»Dort unten ist eine Station«, sagt er. »Wir beobachten eine gute Stunde, was sich dort unten abspielt. Danach reiten wir runter. Denkt aber daran: Wir sind ganz friedlich. Nur wenn der Stationsclerk verrückt spielt, wird geschossen.«

Garys Gesicht verzieht sich zu einer erwartungsvollen, gemeinen Grimasse. Er hofft, dass der Agent der Kutschenlinie dort unten kein Hasenfuß ist, dass er zur Waffe greift. Denn Gary ist seit seiner Verwundung im Krieg ganz wild auf Schießeisen. Und manchmal verflucht er Tim, der ihn immer wieder zurückhält.

Aber der Captain ist nur vernünftig. Er will nicht zu viele Tote auf das Konto der Doolin-Bande kommen lassen. Je mehr Menschen sie umbringen, desto höher werden die Belohnungen und desto eher macht sich ein Kopfgeldjäger auf die Suche nach ihnen.

Wird es aber haarig, so kennt auch Tim keine Rücksicht mehr. Wichtig ist für ihn nur, dass sie an Dollars kommen und ungeschoren entwischen können. Ein paar Unzen Blei zählen da nicht so sehr.

Die Männer machen es sich bequem. Sie werden aber nicht nachlässig. Ihnen entgeht nichts, was dort unten im Tal geschieht.

Mike Loomis lehnt mit dem Rücken an dem borkigen Stamm einer Kanadapappel und genießt den Schatten der weit ausladenden Krone. Sekunden später ist er eingeschlafen.

Doc Smoky walkt mit beiden Händen den Teig in der großen Schüssel. Dabei singt der Alte sein Lieblingslied, den Song vom Alamo, dessen unzählige Strophen der Koch alle herauskrächzen wird.

Er ist zufrieden, der ledergesichtige Oldtimer, zufrieden mit sich selbst, seinem Job und dem Rest der Welt.

Vergnügt sieht Smoky zu Mary-Lou, die aus dem Haupthaus tritt. Die Tochter des Ranchers ist mit dem Koch allein auf der Ranch. John Morgan, der Boss, ritt mit seinem Vormann Chet Quade zu den Südweiden. Vor dem Abend werden die beiden nicht zurück sein.

Mary-Lou blickt zum See, zu den Bergen im Osten und genießt die Wärme der Sonne, den blauen Himmel. Bald kommt der Herbst. Die Blätter der Bäume werden sich bunt verfärben. Besonders der Ahorn sieht dann wie eine bunte Flammenspur an den Hängen der Berge aus.

Aber im Herbst beginnt auch die harte Arbeit auf der Ranch. Die Reiter treiben die halbwild aufwachsenden Longhorns zusammen. Sie bränden die Mavericks und kennzeichnen schon die Rinder, die im nächsten Frühsommer zum Verkauf bestimmt werden sollen.

Der Herbst ist eine arbeitsreiche Zeit für die abgelegene Ranch inmitten der Rocky Mountains.

Sie müssen für den Winter vorsorgen, Holz schlagen, die Vorwerke instand setzen und mit Proviant ausstatten. Das Ranchhaus, die Bunk müssen winterfest gemacht werden.

Mary-Lou weiß, dass sie überall zupacken muss, wo es nötig ist.

Und darum reckt sie sich, springt die Stufen der Veranda hinunter und läuft zu Smoky, der vor dem Küchenhaus singt und seinen Teig knetet.

»Ich reite zu Brenda, Doc«, sagt die Tochter des Ranchers. »Wenn die Arbeit richtig losgeht, habe ich keine Gelegenheit mehr. Am Abend bin ich zurück, Smoky.«

»Mach dir einen schönen Tag, Girl«, antwortet der Alte lächelnd. »Ja, in ein paar Wochen geht es richtig rund im Bluegrass Valley. Wenn du einen Moment wartest, sattle ich dir ein Pferd.«

Aber Mary-Lou winkt ab. Sie geht zum Stall. Inzwischen ist sie eine richtige Rancherstochter geworden. Sie kommt mit ziemlich allem alleine zurecht. Kurze Zeit später trabt eine Palominostute über den Ranchhof. Mary-Lou leitet das honigfarbene Pferd mit den Beinen.

Vergnügt schaut Doc Smoky dem Mädchen nach. Es macht Spaß, denkt der Alte, an so einem Tag auszureiten.

Energisch klatscht er die Fäuste in den Teig. Er muss weitermachen. Aber während er knetet, denkt er mehr an das herrliche Land, das zu seiner zweiten Heimat wurde.

Mary-Lou genießt den Ritt. Sie lässt die Stute traben, wie sie will. In etwa drei Stunden erreicht sie die Station der Wells Fargo. Will Shacklefords Tochter Brenda lebt mit ihrem Vater dort. Die Relaisstation im Norden der Ranch liegt einsam, aber Brenda ist ein besonderes Mädchen. Ihr liegt nicht viel an den Vergnügungen der Städte. Sie liebt ihren Vater, der sie großgezogen hat, und ist zufrieden, wenn sie ihm helfen kann.

Brenda streicht sich die Haare aus der Stirn, als sie den Reiter sieht. Wenig später erkennt sie Mary-Lou. Die Tochter des Ranchers ist das einzige andere Mädchen in der Umgebung. Und obwohl Brenda und Mary-Lou völlig verschieden sind, verstehen sie sich wirklich.

John Morgans Tochter zügelt den Palomino vor dem Corral. Brenda öffnet das Gatter und hilft Mary-Lou beim Absatteln.

»Schön, dass du kommst«, sagt Brenda. »Der Tag ist wunderbar.«

Will Shackleford begrüßt die Nachbarin. Aber der Stationsleiter der Wells Fargo wirkt abwesend. Er denkt an Dinge, die Mary-Lou verborgen sind.

»Wir gehen ein Stück, Pa«, sagt Brenda.