Tom Prox 100 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 100 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Ein erfahrener Sergeant der Ghost Squad ist im Einsatz ermordet worden, vom Mörder fehlt bis jetzt jede Spur. Bald aber erfahren Tom Prox und seine Männer von einem weiteren, schon Jahre zurückliegenden Mord. Damals war auf der Legging-Ranch der Brüder Ruben und Norton Walker ebenfalls ein Polizist erschossen worden. Alle Indizien hatten gegen Norton Walker gesprochen, obwohl der die Tat geleugnet hatte. Die Aussage seiner kleinen Tochter Cathrine, die auf einen anderen Mörder hingedeutet hatte, war gar als "kindliche Fantasie" abgetan worden, sodass man Walker schließlich zum Tod verurteilt hatte.
In den folgenden Jahren rebellierte das Mädchen nun zusehends gegen seinen Onkel Ruben und dessen Tochter Lydia, sodass die Familie sich schließlich gezwungen sah, das Kind in eine Anstalt einzuweisen. Aber so klar, wie es auf den ersten Blick scheint, ist der Fall für die Ghosts nicht. Was, wenn Cathrine damals doch die Wahrheit gesagt haben sollte? Und wie passt überhaupt der Mord am unglückseligen Morell in dieses Bild?


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Inhalt

Cover

Irrlichter über Sümpfen

Aus dem Wilden Westen

Vorschau

Impressum

Irrlichter über Sümpfen

Von Alex Robby

Ein erfahrener Sergeant der Ghost Squad ist im Einsatz ermordet worden, vom Mörder fehlt bis jetzt jede Spur. Bald aber erfahren Tom Prox und seine Männer von einem weiteren, schon Jahre zurückliegenden Mord. Damals war auf der Legging-Ranch der Brüder Ruben und Norton Walker ebenfalls ein Polizist erschossen worden. Alle Indizien hatten gegen Norton Walker gesprochen, obwohl der die Tat geleugnet hatte. Die Aussage seiner kleinen Tochter Cathrine, die auf einen anderen Mörder hingedeutet hatte, war gar als »kindliche Fantasie« abgetan worden, sodass man Norton schließlich zum Tod verurteilt hatte.

In den folgenden Jahren rebellierte das Mädchen nun zusehends gegen seinen Onkel Ruben und dessen Tochter Lydia, sodass die Familie sich schließlich gezwungen sah, das Kind in eine Anstalt einzuweisen. Aber so klar, wie es auf den ersten Blick scheint, ist der Fall für die Ghosts nicht. Was, wenn Cathrine damals doch die Wahrheit gesagt haben sollte? Und wie passt überhaupt der Mord am unglückseligen Morell in dieses Bild?

Corner Hartnell, der Sheriff von Legging Village, einem kleinen Ort an der Südwestküste von Texas, stand nachdenklich über einen Toten gebeugt. Die sanft gegen den Sandstrand auslaufenden Wellen mussten die Leiche erst vor Kurzem an Land gespült haben.

An sich war ein solcher Leichenfund nichts Außergewöhnliches. Nach besonders heftigen, orkanartigen Stürmen, wie sie am 30. Breitengrad im Südteil der USA häufig sind, wurden an der in den Golf von Mexiko hineinragenden Halbinsel neben Strandgut aller Art immer wieder auch menschliche Opfer von Schiffskatastrophen angeschwemmt.

Die nur knapp sechshundert Köpfe zählende und dabei fast ausschließlich aus Männern bestehende Einwohnerschaft von Legging Village wusste von jeher, die Überbleibsel solcher Schiffstragödien nutzbringend zu verwerten – sofern es sich um Schiffszubehör, Kisten, Ballen oder Treibholz handelte.

Über gelegentlich angeschwemmte Tote allerdings waren diese Strandläufer weniger erfreut. Sie bargen sie ordnungsgemäß und begruben sie aus begreiflichen Gründen so rasch wie möglich und ohne große Zeremonie auf einem abseits gelegenen Teil ihres kleinen Friedhofs, der für solche Fälle reserviert war. Später sandte der Sheriff bei Gelegenheit einen kurzen Bericht an den Countysheriff nach Houston. Damit war die Angelegenheit für ihn wie für die Bewohner dann erledigt.

»Das seien aber eine verdammtes Ding das, Sheriff. Wirklich eine verdammt dummes Ding«, krächzte der neben dem Sheriff stehende Schwarze heiser. Er hatte beim Absuchen des Ufers nach Schwemmholz den Toten gefunden und sofort den Gesetzeshüter geholt.

»Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, Black Nap.«

Der Schwarze, der eigentlich auf den recht anspruchsvollen Namen Napoleon Bonaparte hörte, aber in Legging Village und Umgebung allgemein nur Black Nap genannt wurde, hatte das ausgesprochen, was Hartnell dachte: Mit dieser Leiche würde es sicher noch Ärger geben.

Die meisten angeschwemmten Toten sahen wenig manierlich aus. Nach den Stürmen waren sie meistens tagelang in der See umhergetrieben, und Sonne und Salzwasser hatten ihnen arg zugesetzt.

Der Mann aber, dessen Überreste hier vor ihm lagen, zeigte noch keinerlei Spuren eines Verfalls. Er glich eher einem friedlich Schlafenden. Ein kleines Loch auf seiner Stirn aber zeugte davon, auf welche Art er tatsächlich ums Leben gekommen sein musste. Darüber konnte auch das sanfte Lächeln auf dem starren Antlitz nicht hinwegtäuschen.

»Es geben keine Orkan in die ganze letzten Wochen, Sheriff. Black Nap das sagen und es so sein«, gurgelte der Schwarze aufgeregt. »Er kommen geschwommen vielleicht herunter den großen Strom? Ihn machen vorher kaputt jemand, dann er fallen in Wasser und er schwimmen hierher ...«

»Unsinn! Von der Mündung des Mississippi bis hierher sind es einige hundert Meilen. Außerdem hätte ihn die Strömung dann sicher nicht nach Westen, sondern weiter nach Osten getragen. Der Mann hier lag keine vierundzwanzig Stunden im Wasser. Er muss erst vor Kurzem hochgekommen sein, denn zunächst sinkt jeder Tote auf Grund, das solltest auch du wissen. Wir müssen ihn jetzt erst mal aus der See holen. Dann kannst du in die Stadt rennen und James sowie Buster Bescheid sagen. Sie sollen die Gäule vor den Sandschneider spannen und ihn abholen.«

Die beiden Männer griffen zu und schleppten das triefende Bündel den leicht ansteigenden Sandstrand hoch bis in den Schatten einer kleineren Baumgruppe. Dort legten sie den Toten behutsam neben einer dichten Hecke ins hohe Gras.

»Das Mann sich nie kommen von eine Schiff, Sheriff«, erklärte der Neger* gewichtig. »Dieses Mann, er reiten mal hinter Kuhschwänzen, das Black Nap sagen. Haben gehabt Job als Cowboy. Black Nap das glauben, und es so sein.« Er deutete auf die großen Radsporen an den Reitstiefeln des Toten.

»Du merkst auch alles.« Hartnell grinste breit. Danach verzog er wütend sein Gesicht. »Los, hau jetzt ab und hol die Boys mit dem Wagen! Sie sollen sich aber beeilen! Und halt gefälligst den Mund darüber! Die in der Stadt erfahren es noch früh genug, um sich wieder ihre verdammten Mäuler darüber zu zerreißen. Wünschte, ich wäre sonst wo Sheriff, nur nicht in Legging Village. Eine Seuche ist das jetzt bei uns mit diesen Totenfunden.«

»Eeehh ...«, gurgelte der Schwarze gedehnt. Seine Augen starrten entsetzt in die des Sheriffs, dann wurde er aschfahl im Gesicht. »Ich wissen, was Sheriff meinen. Ihn haben die Maskenreiter erschossen. Heilige Maria ... nur so es können sein. Armes Napoleon Bonaparte, wenn erfahren Maskenmänner das, sie werden killen armes schwarze Mann.« Er heulte laut auf und schlug sich verzweifelt mit beiden Fäusten gegen den Krauskopf.

»Lass gefälligst das Gewinsel!«, herrschte Hartnell ihn an. »Bist du denn völlig übergeschnappt? Wenn du so weiterbrüllst, hören dich die verdammten Maskenreiter bestimmt zehn Meilen gegen den Wind ... und dann könnte es stimmen, dass du gerade deine eigene Grabrede gehalten hast.«

Dieser Schreckschuss hatte gesessen. Der Schwarze verstummte mit einem Schlag. Er stand da wie eine Salzsäule und presste mit hervorquellenden Augen die Faust an die Zähne. Plötzlich kam Leben in ihn. Er wandte sich um und raste, wie von Furien gehetzt, davon.

»Black Nap tippt vermutlich ganz richtig. Das Loch auf der Stirn gibt zu denken«, murmelte der Sheriff vor sich hin. »Aber der Mann ist ein Fremder, während doch die anderen ...« Wie in einem plötzlichen Einfall kniete er dann neben der Leiche nieder.

»Lass die Hand von dem Toten ... und vom Colt!«

Unter der schneidenden Stimme hinter ihm fuhr der Sheriff mit einer halben Wendung hoch und starrte in das spöttisch verzogene Gesicht eines jungen Mannes, dessen Coltmündung genau auf seinen Bauchnabel zeigte.

Mit einem halblauten Fluch ließ Hartnell den bereits halb gezogenen Colt wieder ins Holster zurückgleiten. Er wusste das amüsierte Lächeln des Fremden, der ihn so unvermutet überrumpelt hatte, nur zu gut zu deuten. Wäre es dem Mann darauf angekommen, ihn niederzuknallen, Hartnell hätte überhaupt keine Zeit mehr gehabt, an den Kolben zu kommen. Der Fremde aber steckte seinen Colt gelassen in das an einem verkürzten Riemen am Gürtel hängende Halfter zurück.

»Was soll der Unfug, Stranger?«, brauste Hartnell böse auf und starrte den anderen wütend an.

Der Sheriff von Legging Village war an sich keine Schönheit. Die über der Nasenwurzel eng zusammengewachsenen buschigen Brauen bildeten einen seltsamen Gegensatz zu seinen hellen, kalten Fischaugen, die ihm etwas Unheimliches gaben. Diejenigen Einwohner, die etwas ausgefressen und den Sheriff zu fürchten hatten – und es gab deren nicht wenige in Legging Village und Umgebung –, mieden diese stechenden Augen wie die Pest. Auf den Mann aber, der jetzt vor ihm stand, schienen sie wenig Eindruck zu machen, obwohl sie im Augenblick kalt und durchdringend auf ihm ruhten.

»Was soll das also, Stranger?«, wiederholte Hartnell. »Ich liebe keine Schleicher und schon gar nicht jemanden, der seinen Colt gegen den Sheriff zieht.«

»Beg your pardon, Sheriff. Sie hatten bedauerlicherweise hinten keinen Stern. Wann glauben Sie, werden die Boys mit dem Sandschneider heran sein?«

»Wüsste nicht, was Sie das angeht«, bellte der Sheriff empört.

»Ich frage nur deswegen, weil bis dahin die Leiche hier verschwunden sein muss.«

»Die ... die Leiche ... verschwunden ... sein ... muss?« Hartnell war sonst nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, diese Erklärung eines ihm völlig Fremden war aber doch zu viel. Er sah in diesem Augenblick weniger bärbeißig, dafür recht töricht aus. Dies besonders schien einen weiteren Kerl zu belustigen, der soeben aus den Büschen trat.

»Klappen Sie Ihre Futterluke nur zu, werter Sheriff von Legging Village«, röhrte er schmunzelnd. »Es zieht hier von der See her so schon genug, und ich habe empfindliche Mandeln. Es ist nichts zu entdecken, Tom. Die Luft ist rein«, fügte er hinzu.

»Umso besser«, nickte dieser zufrieden. »Dann haben wir ja die Chance, Morell wirklich unbemerkt verschwinden zu lassen. Armer Bursche!« Die soeben noch fröhlich blickenden Augen sahen mitleidig auf den Toten herab.

»Jetzt langt's mir aber endgültig, ihr verdammten Gauner. Zum Teufel mit euch«, tobte der Sheriff los. Seine Hand zuckte abermals zum Coltkolben, hielt aber auf halbem Wege inne, da der zweite Fremde, ein hagerer, langer Bursche, bereits seinen Colt in der Faust hielt, die Mündung unmissverständlich auf den Sheriff gerichtet.

»Wir sollten uns doch wohl erst einmal vorstellen, Tom«, sagte er, dabei grinsend. »Ich meine, bevor wir den werten Sheriff fesseln und knebeln.« Er musste über das fassungslose Gesicht Hartnells lachen. »Man sagt zum Chef der Ghost Squad nicht Gauner, Mister Hartnell, und zu dessen Sergeanten noch viel weniger, Sie Zuchtperle von einem Sheriff.«

»Ghost Squad ... Sie sind ... damn, Sie sind Captain Prox?« Hartnell stierte Tom wie ein Wundertier an und schüttelte, völlig durcheinander, den Kopf. In seinen Augen lag nicht nur Verwunderung, sondern auch Misstrauen.

»Hier, sehen Sie sich das an, Sie Ungläubiger?« In der Hand des Ghostchefs blitzte ein kleines Metallschildchen. »Sie werden die etwas sonderbare Art unserer Vorstellung schon entschuldigen müssen, Mister Hartnell. Aber als ich Sie neben dem Toten knien sah, glaubte ich im ersten Augenblick, Sie wären einer von ... aber lassen wir das ... Beantworten Sie mir lieber erst meine Frage! Wann, meinen Sie, können die Leute mit dem Fuhrwerk hier sein?«

»Der Schwarze müsste in einer guten Stunde im Ort sein«, überlegte der Sheriff laut. »Angespannt werden sie die Maultiere schnell haben ... sie könnten also in gut zwei Stunden wieder hier sein, Captain. Weshalb aber soll der Tote überhaupt verschwinden? Und woher wussten Sie überhaupt, dass ich hier ... also, ehrlich gesagt, ich verstehe jetzt überhaupt nichts mehr.« Resigniert lehnte sich Hartnell an einen Baum und starrte vor sich hin.

»Das ging auch aus Ihren letzten Berichten hervor, Sheriff«, erwiderte Tom Prox lächelnd. »Dabei liegt das Opfer Ihrer letzten alarmierenden Meldung hier vor uns.« Die Augen des Ghostchefs glitten finster über den Toten. »Er ist – oder war vielmehr –, Sergeant der Special Police, Harry Morell. Gesprochen haben Sie ihn wohl vor seinem Tode nicht?«

»Gesprochen? Ich soll den Mann auch noch gesprochen haben? Aber ich habe ihn doch bis zum heutigen Tage nie gesehen, Sir!« Der Sheriff sah den Ghostchef verblüfft an. »Das war es ja gerade, was mich so überraschte. Wir fanden in letzter Zeit oft Tote mit diesem ... Todesmal auf der Stirn. Aber alle waren in Legging Village oder im Distrikt bekannt. Sie hatten entweder auf der Legging-Ranch – diese große Rinder-Ranch heißt genauso wie unser Ort, weil ihr Weideland auf der Halbinsel liegt –, oder auf der Backland-Ranch einen Job. Zuerst wurde gemunkelt, die Boys hätten sich gegenseitig umgelegt, weil die von der Backland denen von der Legging nicht grün sind, und umgekehrt. Und das nur deswegen, weil die Rancher ...«

»Darüber werden wir uns später unterhalten, Hartnell! Jetzt nur das Wichtigste: Wie kamen Sie auf den Gedanken, dass hinter den Geschehnissen etwas anderes stecken könnte als eine Feindschaft zwischen rivalisierenden Crews zweier benachbarter Ranches!«

»Weil Simson und Morebarry, beides Bürger aus Legging Village, durch Zufall Zeugen waren, als Reiter mit Masken den Händler aus Lafayette stellten und nach kurzem Wortwechsel niederschossen. Mieke Jabos, so hieß der Trader, stand zwar in keinem guten Ruf, aber Feinde, ich meine solche, die ihm ans Leben wollten, hatte er nicht.«

»Und diese lieben Bürger ließen die Mörder einfach laufen?«, warf der lange Sergeant empört ein.

»Beide sind Handwerker, keine Policemen und auch keine Selbstmörder«, knurrte der Sheriff. »Die Leute hier hüten sich, zu viel Anteil an den Geschehnissen zu nehmen, weil das für sie lebensverkürzende Folgen haben könnte. Ich habe in meinem letzten Bericht an den Countysheriff ...«

»Ich kenne Ihre Meldungen, auch dazu später«, erwiderte Tom Prox. »Auf Grund dieser Berichte wurde Sergeant Morell zu Ihnen geschickt ... nur traf er nie bei Ihnen ein. Geben Sie mir jetzt Ihren Colt, Hartnell!«

»Aber ich verstehe nicht, warum das nötig ist, Sir«, wunderte sich der Sheriff, folgte aber zögernd der Aufforderung.

»Fessele ihn kunstgerecht, Snuffy. Es muss alles natürlich aussehen, sonst ...«

»Ich protestiere ganz energisch dagegen, Sir. Sie sind nicht berechtigt, so zu handeln«, wütete Hartnell los.

»Wenn Sie nicht freiwillig mitmachen wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als Sie zu zwingen. Die Wirkung ist im Endeffekt dieselbe, das ist Ihnen doch wohl klar«, antwortete Tom Prox trocken.

»Mit einem Spiegelei auf dem Auge und 'ner Beule am Schädel würde alles noch viel natürlicher aussehen.« Patterson musste über seinen Vorschlag selbst grinsen. Er hatte sein Lasso vom Coltgürtel gelöst und trat nun auf den unwillkürlich zurückweichenden Sheriff zu.

»Hören Sie, Hartnell! Seien Sie vernünftig!« Tom Prox hörte in der Ferne das Knallen einer Peitsche. »Es gibt nur eine Möglichkeit, das Verschwinden des Toten zu erklären – wenn Sie niedergeschlagen wurden und nun gefesselt sind. Der Mann hier muss aber aus mehreren Gründen fort. Ich setze Ihnen das später auseinander. Lassen Sie heute Nacht die Tür zu Ihrem Office auf. Und nun rasch, wir haben keine Zeit zu verlieren!«

Wenige Minuten später bog der hohe, von zwei Maultieren gezogene, hochrädrige Sandschneider um die Waldecke. Die Männer starrten verblüfft auf den Sheriff, der, an Händen und Füßen gebunden und mit einem Knebel im Mund, wehrlos im Gras lag.

Den drei Männern blieben die Fragen, die sie dem Sheriff hatten stellen wollen, nachdem sie ihm den Knebel abgenommen und die Bande gelöst hatten, im Halse stecken. Unter dem wütenden Blick der kalten Fischaugen gefroren ihnen förmlich die Worte.

Hartnell selbst schwieg ebenfalls. Auch nachdem der Wagen gewendet und er auf dem Bock Platz genommen hatte, fiel den langen Weg über zurück nach Legging Village kein Wort. Erst als der Wagen aus der Main Street auf den kleinen Platz einbog und vor dem niedrigen Amtsgebäude hielt, vor dem schon eine dichtgedrängte Menschenmenge wartete, brach der Sheriff sein Schweigen.

»Du verdammter Schwätzer!«, brüllte er den Schwarzen an. »Hoffe, dich verfluchten Mistkerl als Nächsten am Strand zu finden!« Er warf dem ganz grau gewordenen Black Nap einen verächtlichen Blick zu und verschwand in seinem Haus.

Dort saß er lange auf dem Ledersofa, tief in Gedanken versunken. Das Gemurmel der Menschen draußen ließ ihn kalt. Als er endlich aufstand, war es auf dem Platz still geworden. Die Männer von Legging Village hatten es vorgezogen, die seltsame Geschichte vom Fund und Verschwinden einer Leiche und von der Überrumpelung ihres Sheriffs in der einzigen Kneipe des Ortes, der Snake Bar zu besprechen.

Hartnell trat an einen in der Ecke stehenden, altmodischen Geldschrank und schloss ihn umständlich auf. Unter einem Stapel von Schriftstücken und Formularen zog er eine dünne, vergilbte Akte hervor. Er ging damit zum Tisch, setzte sich und blätterte wie mechanisch darin herum.

Erst als er auf der letzten Seite angelangt war, setzte er eine Nickelbrille auf, rückte sie zurecht und las leise vor sich hin: »... der Gouverneur lehnte wegen der Schwere des Verbrechens und der besonderen Verstocktheit des Verurteilten das durch den Rechtsanwalt Taylor eingereichte Gnadengesuch ab. Die von dem Gericht ausgesprochene Todesstrafe wurde daher zum festgesetzten Termin an Norton Walker durch den Strang vollzogen.«

Hartnell nickte nachdenklich und blätterte eine Seite zurück. Seine Augen glitten über die eng geschriebenen Zeilen und blieben an einer kleinen Bleistiftnotiz am Rande des Schriftstücks hängen, von der die meisten Worte längst verwischt und unleserlich geworden waren:

habe keine fnung mehr, Nor

zu ret Er lehnt ein Geständ ab.

Ich Sorgen Tochter Nor Alle

sagen, ihre sn ein Engel. Ich

nicht glauben, ei eid ge haben

Nor behauptet. Es das teuf-

lisch. Sorgen Sie für Kind. Taylor.

»Und Taylor ist tot.« Hartnell lachte kurz auf. »Sorge du und der Teufel für das Gör!« Er starrte auf das an den Schluss des Bogens gesetzte Datum. »Vor acht Jahren ... und jetzt das«, murmelte er. »Und es lässt mir keine Ruh ... keine Ruh!«

Mit einem lauten Seufzer erhob er sich, schob die Akte unter die Papiere zurück und verschloss den Geldschrank wieder sorgfältig.

Als Tom Prox kurz nach Mitternacht mit Patterson an den ersten Häusern von Legging Village anlangte, hörten sie schon von weitem das Grölen und Schreien der im Saloon immer noch versammelten Einwohner.

»Jetzt nur einen Whisky!«, stöhnte der Lange so überzeugend, dass sein Freund unwillkürlich lachen musste.

»Lass nur, Langer. Ich nehme an, der Sheriff wird uns einen besseren Drink vorsetzen können«, tröstete er ihn und schwang sich aus dem Sattel. »Wir lassen die Gäule hier am Fenzzaun stehen.«

Sie gingen die dunkle Dorfstraße hinunter, an der Kneipe vorbei. Es war das einzige Gebäude im ganzen Ort, das noch erleuchtet war. Auch beim Sheriff brannte zur Verwunderung der Ghosts kein Licht mehr. Die Tür aber war nur angelehnt.

»Seltsam still. Ob der Bursche schon schlafen gegangen ist?«, raunte Patterson, als sie in der kleinen Diele standen.

»Dann werden wir ihn wecken«, sagte Tom Prox und strich ein Wachshölzchen an. In dem schwachen Lichtschein sah er, dass die Tür links zum Office nur angelehnt war. Patterson stieß sie auf. Bevor er weiterging, sah er plötzlich einen dunklen Fleck auf dem Boden.

»Wenn mich nicht alles täuscht, ist Hartnell wirklich verhindert, uns zu empfangen!«

Tom Prox verstand sofort, was der Lange meinte.

»Schnell, sieh zu, dass du irgendwo ein paar Decken auftreibst, Langer! Wir müssen erst mal das Fenster verhängen. Hoffentlich finden wir eine Lampe.«

Zwei Decken fand der Sergeant in dem auf der anderen Seite gelegenen Schlafraum, und auch eine Petroleumlampe war vorhanden. Nachdem sie das Fenster abgedunkelt und Licht gemacht hatten – Patterson hatte vorsichtshalber die Tür zur Straße verschlossen –, kniete Tom Prox neben dem auf dem Gesicht liegenden Sheriff nieder.

»Er ist nur bewusstlos.« Er atmete auf. »Hol Wasser!« Dann drehte er den Besinnungslosen auf den Rücken. Hartnells Augen waren geschlossen, sein Atem ging aber ruhig.

Nachdem ihm der Lange einen guten halben Eimer kaltes Wasser über den Kopf gegossen hatte, stöhnte der Sheriff auf. Seine Rechte tastete langsam zum Kopf. Er öffnete die Augen und starrte die beiden über ihn gebeugten Männer verständnislos an.

»Ah, Sie ... wa ... warum haben Sie mich über den Schädel ... damn, wer ... wer kann das getan haben?«, stammelte er, als ihm zu Bewusstsein kam, dass er sich an die falsche Adresse gewandt hatte.

»Haben Sie Whisky im Haus, Hartnell? Alkohol wirkt in solchen Fällen oft Wunder«, meinte Patterson eifrig.

»Drüben im Schrank. Verdammt, mein Schädel!« Hartnell richtete sich taumelnd auf, sank aber sofort in die Sofaecke zurück. »Einen Augenblick, Captain, ich bin gleich wieder auf dem Damm.«

»Erst mal sehen, ob er auch stark genug ist.« Der Lange setzte die Flasche, die er aus dem Spind geholt, an den Mund und tat einen tiefen Zug. »Äh ... verdammt ... haben Sie sich vielleicht geirrt«, gurgelte er im gleichen Augenblick und bekam einen Erstickungsanfall. »Das ist ja ... ist ja reinstes Rattengift, Mann, aber kein Whisky«, stöhnte er, als er endlich wieder Luft bekam.