Tom Prox 138 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 138 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Im höchsten Norden der USA, in Alaska, sterben die Ordnungshüter solcher Orte wie Wolverine City oder Bank Hill wie die Fliegen. Und kaum ist ein Nachfolger gewählt, wird auch der bereits wieder dahingerafft. Da könnte man beinahe von einer Epidemie sprechen. Bloß sterben bei einer Epidemie die Menschen an einem Virus, nicht an einer Kugel oder an einem Hanfstrick. Und sogar auf der anderen Seite der Grenze, in Kanada, werden jetzt ermordete Polizisten aufgefunden. Ein klarer Fall für die Ghost Squad, möchte man meinen. Aber selbst als Captain Tom Prox, Sergeant Snuffy Patterson und Spezialagentin Ruby Long auf der Bildfläche erscheinen, geht das brutale Sterben in den Wäldern des Grenzlandes zunächst weiter ...


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Inhalt

Cover

Keiner will den Sheriffstern

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Vorschau

Impressum

Keiner will den Sheriffstern

Von Alex Robby

Im höchsten Norden der USA, in Alaska, sterben die Ordnungshüter solcher Orte wie Wolverine City oder Bank Hill wie die Fliegen. Und kaum ist ein Nachfolger gewählt, wird auch der bereits wieder dahingerafft. Da könnte man beinahe von einer Epidemie sprechen. Bloß sterben bei einer Epidemie die Menschen an einem Virus, nicht an einer Kugel oder an einem Hanfstrick. Und sogar auf der anderen Seite der Grenze, in Kanada, werden jetzt ermordete Polizisten aufgefunden.

Ein klarer Fall für die Ghost Squad, möchte man meinen. Aber selbst als Captain Tom Prox, Sergeant Snuffy Patterson und Spezialagentin Ruby Long auf der Bildfläche erscheinen, geht das brutale Sterben in den Wäldern des Grenzlandes zunächst weiter ...

1. Kapitel

Hawk Bushel war zu Lebzeiten keine Schönheit gewesen. Jetzt, im Tode, hatten sich seine Züge friedlich verklärt; es lag nun in dem einst so harten Männergesicht sehr viel Kindlichkeit. Die Männer, die sich um den Körper des toten Sheriffs versammelt hatten, waren merklich beeindruckt, trotzdem für sie das gewaltsame Ende des Mannes keineswegs überraschend gekommen war.

»Damn ... er war der sechste – es musste so kommen, Jungs!«, sagte einer und verlieh so der Meinung aller Ausdruck.

»Wer soll jetzt bloß Sheriff von Wolverine City werden? Ist ein Posten für einen Lebensmüden, Boys, das steht fest. Hawk ist der beste Beweis dafür.«

Nachdenklich blickte Slim Mulders auf den Toten.

Das gute Dutzend Männer machte fast ein Drittel der männlichen Bevölkerung aus, die in der Ansammlung der baufälligen Blockhütten wohnte, welche sich stolz Wolverine City nannte.

Der Name war keineswegs falsch gewählt, denn das Nest glich den unsauberen Höhlen der Wolverines. Wolverine – damit war der Vielfraß gemeint, eine Marderart, die von den Trappern des Alaska-Gebirges an der kanadischen Grenze besonders gehasst wurde. Die Wolverines beraubten nicht nur ihre Fallen, sie griffen sogar die Menschen in den Holzfällercamps an.

Dass niemand der Männer Slim eine Antwort gab, war zu verständlich; denn keiner von ihnen war so lebensmüde, anstelle des Toten Sheriff in Wolverine City werden zu wollen.

Vor einigen Monaten hatte es begonnen. Fünf Jahre lang hatte Jack McTills das Sheriffsamt versehen. Eines Tages hatten sie ihn erschossen aufgefunden. Pit Glister übernahm dann das Amt. Knapp zwei Monate später folgte er seinem Vorgänger – zwei Fuß tief in die körnig schwarze Erde auf dem kleinen Hügel dicht Tanana River. Als sie ihn fanden, hing er in einer Schlinge am Ast einer großen Buche. Der dritte, der das Sheriffsamt übernahm, lief Tag und Nacht mit gewaltigen Colts in den Hosentaschen umher. Es nützte ihm wenig.

Und auch die nächsten, die so leichtsinnig waren, das Amt anzunehmen, überlebten die feierliche Handlung ihrer Wahl nicht lange.

»Muss einer nach Fairbanks, Boys, und dem County-Sheriff die Sache mitteilen«, meinte Slim, während sie den Toten die Anhöhe hinauftrugen, auf der so etwas wie ein kleiner Friedhof angelegt war.

»Der Mann wird seine Freude haben, er war das vorherige Mal schon völlig durcheinander«, sagte Johnny Buder. »Da kam gerade jemand von Bank Hill. Die haben seit einiger Zeit mit ihrem Sheriff die gleichen Unannehmlichkeiten.«

»In Holliday Town auch.« Slim nickte. »Sind alles Orte an der Grenze. Die Mörder scheinen von drüben zu kommen.«

»Also, ist es wahr, Hawk ist tot?« Peggy Sutters stand neben der Theke und sah die Männer der Reihe nach an. »Pit, schenk ein! Für alle, die dem Toten die letzte Ehre erwiesen haben, einen Freitrunk!«

Die Inhaberin der Cariboo-Bar hatte in dem Grenzgebiet bei den Bewohnern einen gewissen Ruf. Man munkelte, sie sei als junges Mädchen mit den ersten Goldsuchern gekommen, die aus Dawson vom Klondike-River nach Alaska geströmt waren.

Peggy Sutters musste uralt sein. Aber das Alter sah ihr niemand an. In dem zerfurchten Gesicht unter dem schlohweißen Haar funkelten ein Paar graublaue Augen, die hart und energisch jeden Barbesucher in seine Schranken wiesen, wenn er aus der Rolle zu fallen drohte. Während die Männer ihre Brandy-Gläser leerten, winkte sie Slim Mulders unauffällig zu. Er folgte ihr gehorsam in den hinter der Theke gelegenen Küchenraum.

»Was hältst du davon, Slim?«, fragte sie geradezu, als sie allein waren.

Der zuckte die Schultern und zögerte mit der Antwort.

»Es soll Verrückte geben, M'am, die so etwas ...«

»Quatsch! Das glaubst du ja selbst nicht. Es liegt Methode darin, wie sie es tun, denn einer allein kann die Morde nicht begangen haben. Warum geschieht so etwas nur – warum?« Die Augen der Alten funkelten Slim so böse an, als sei er selbst einer der Täter.

»Es wird schwierig, einen neuen Sheriff zu bekommen, M'am«, lenkte er hastig ab. »Nun, mir soll es gleich sein, ich ziehe nach Norden. Will sehen, wie es an dem guten alten Porcupine-River aussieht.«

»Was seid ihr Männer doch für Feiglinge!«, bellte sie. »Einer nach dem anderen zieht ab, anstatt etwas gegen die Dinge hier zu unternehmen. Es sollten welche von euch nach Fairbanks zum County-Sheriff reiten; es muss doch etwas geschehen!«

»Alles schön und gut, habe nur den Eindruck, dass McGerister das auch schon weiß, aber nichts tun kann, so gern er es möchte.« Slim schüttelte den Kopf. »Kenne mich doch hier in den Bergen aus; Buder, John, Williams und andere auch. Haben wir hier je einen Fremden angetroffen? Seit Monaten ist kein unbekanntes Gesicht in Wolverine City aufgetaucht.«

»Und wenn nun der Mörder unter uns zu suchen ist, Slim?«

Der Mann sah die Alte einen Augenblick verblüfft an, dann lachte er.

»No, M'am, das nehme ich Ihnen nicht ab. Sind alles raue Burschen und auch mal schnell mit dem Colt oder dem Messer bei der Hand. Ich wüsste aber keinen, der einen Mord begehen würde.«

»Und die Indianer? Alle Sheriffs achteten streng auf das Alkoholverbot für die Roten ...«

»Nur, dass sich keiner daran hielt – Mrs. Peggy Sutters nicht ausgeschlossen«, fiel er ihr ins Wort. »No, M'am, auch die Roten waren es nicht. Wüsste keinen, der ...«

Er wurde unterbrochen; einer der Männer steckte den Kopf zur Tür hinein.

»Slim, sollst nach vorn kommen! Buder hat ein Meeting angesetzt. Wollen beraten, was weiter geschehen soll. Auch Mrs. Sutters soll kommen, sagt Buder.«

»Okay, wir kommen.« Slim nickte.

In der Bar war die Stimmung aufgeladen. Die Meinungen der Männer gingen stark auseinander. Während die einen sofort einen Streifzug nach den Mördern durch die Wälder verlangten, wollten die anderen dies dem neuen Sheriff überlassen.

Einig war man sich nur darin, dass niemand der Anwesenden daran dachte, dieses ehrenvolle Amt zu übernehmen. Endlich kam man zu einem Entschluss: Slim und Buder waren bereit, über Holliday Town nach Fairbanks zu reiten und beim County-Sheriff energisch vorzusprechen.

Während dieser Ereignisse saß der County-Sheriff Hunderte Meilen entfernt in seinem Office und grübelte. Lange hielt es ihn nicht auf dem Platz hinter seinem Schreibtisch. Er stand auf und wanderte ruhelos im Raum auf und ab.

Sheriff McGerister blieb immer wieder an der großen Wandkarte stehen und musterte mit finster zusammengezogenen Brauen ein bestimmtes Gebiet seines Bereiches, die Gegend, in der Tanana River aus dem kanadischen Gebiet die Grenze überquerte.

»Ein Mr. Patterson aus Frisco«, unterbrach der eintretende Gehilfe die Gedanken seines Chefs.

»Endlich!«, atmete dieser auf. Verwundert bestaunte er kurz darauf die sonderbare Figur des Besuchers. »Dame – doch nicht!«, meinte er dann enttäuscht. »Was kann ich für Sie tun, Stranger?«, fügte er etwas liebenswürdiger hinzu.

»Netter Empfang hier!«, erwiderte Mr. Patterson und fläzte seine hagere, lange Figur in den Korbsessel. »Da fährt man tagelang über die wilde See und dann noch zwei Tage mit dieser Rumpelbahn von der Küste bis hierher, und alles, was man hört, ist ein ,Was kann ich für Sie tun?' Dabei sagten sie im Hauptquartier ...«

»Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass Sie vom Headquarter in Frisco kommen?«, meinte der County-Sheriff zweifelnd. »In meiner Anforderung betonte ich ausdrücklich, dass ich einen besonders fähigen Mann brauche.«

»Mein Chef, Captain Prox von der Ghost-Squad, war der Ansicht, ich sei der richtige Mann für Sie, aber wenn Sie meinen ...« Er erhob sich in seiner ganzen Länge und machte Miene, den Raum wieder zu verlassen.

»Damn, schnappen Sie doch nicht gleich ein, Mann! Es war nicht so gemeint«, entschuldigte sich McGerister hastig.

Die Empörung des Langen war gespielt. Er wurde sofort sachlich, als der County-Sheriff ihm die ernste, ja, verzweifelte Lage im Grenzgebiet des südöstlichen Gebirges geschildert hatte.

»Sie sehen, wie verdammt prekär die Lage für mich ist, Mr. Patterson. In den Bergen wird die Unsicherheit von Tag zu Tag größer, ohne dass ich auch nur das Geringste daran ändern kann. Ich bin einfach machtlos dagegen.«

»Und die Alaska-Police? Hörte bisher nur Gutes von ihr«, meinte der Lange.

»Sie ist bestimmt nicht schlechter als die berühmte Canadian-Mounted-Police, die Rotröcke«, versicherte der Sheriff. »So etwas hat aber Alaska selbst in den Tagen der großen Goldruns nicht erlebt. Was also werden Sie tun, Sergeant Patterson?«

»Ich reite zunächst nach Wolverine City; dann werden wir weitersehen.«

2. Kapitel

Es war eine merkwürdige Gesellschaft, die auf der kleinen Lichtung am Passweg rastete.

Der alte Mann mit dem verwittert aussehenden Gesicht gehörte offenbar noch zu jenen »Sourdoughs«, den alten Helden der Klondike-Jahre, deren Taten nun schon fast ein Menschenalter zurücklagen. Viel Zähne waren ihm nicht geblieben, aber noch immer strahlte der hagere Körper des einstigen Goldsuchers eine seltene Energie aus.

»Sourdough« – Sauerteig. Den trugen die alten Prospektoren einst sorgfältig in ihren Westentaschen oder in einem Beutel am bloßen Körper, damit er in der Wärme lebendig blieb und wuchs, um später ihre Mehlfladen damit säuern zu können.

Der riesige Hund, neben dem die kleinen Packtaschen lagen, sah zu, wie sein Herr auspackte. Seine Augen leuchteten auf, als der Alte ein großes Speckstück in mundgerechten Scheiben zu schneiden begann. Der Traghund gehörte zur Rasse der zähen und mit erstaunlicher Klugheit begabten Huskys.

Das dritte Wesen auf der Lichtung war ein junges Mädchen, das an einem Baum lehnte und dem Idyll zu ihren Füßen lächelnd zusah. Nach Landessitte trug es eine bunt verzierte Lederjacke und lange, hirschlederne Hosen, unter denen hohe, wasserdichte Stiefel hervorsahen. Sie hatte seltsam funkelndes, tizianrotes Haar, dessen Locken von einem Band im Nacken zusammengehalten wurden.

»Sie hätten doch lieber ein Pony nehmen sollen«, meinte der Alte während des Essens. »Tag für Tag auf den Beinen sein, ist für ein Girl zu viel.«

»Und doch haben Sie mir erst heute von jenen Mädchen erzählt, die zäh und unbeirrbar den Goldrun mitmachten und selten einem der Männer nachstanden.«

»By Jove, sie taten es.« Der Alte nickte. »Es waren aber auch verdammt harte Brocken unter ihnen und andere Zeiten damals, womit ich nicht gesagt haben will, dass an Ihnen etwas auszusetzen wäre; sind verdammt gut vorwärtsgekommen.«

»Danke für das Kompliment, Noel«, meinte das Girl lachend. »Ich hoffe, Sie werden auch in Zukunft mit mir zufrieden sein. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mich mitnahmen.«

»Das war Christenpflicht! Man kann doch ein Girl nicht allein durch die Wildnis ziehen lassen. Wollte ohnehin mal wieder die alten Berge und vielleicht auch alte Freunde besuchen. Bin jetzt fast fünf Jahre oben am Yukonflates gewesen; da tut ein Ortswechsel gut.« Erinnerungen kamen hoch.

»Müssen nun weiter, der Pass ist steil. Wir brauchen vier gute Stunden bis zur alten Blockhütte auf der Höhe, wo wir rasten und schlafen können. – Man muss bei uns die Uhr im Kopf haben, denn die Sonne zeigt die Schlafenszeit nicht an«, fügte er hinzu und packte die Essvorräte wieder sorgfältig in die Packtaschen. »He, Leader, come on!«

Kurz darauf stiegen die beiden ungleichen Partner den Passweg bergan. Es war ein beschwerlicher Weg, der seit langer Zeit nicht begangen worden zu sein schien. Äste und die Zweige des Unterholzes waren darüber gewachsen, und der Boden war steinig und uneben.

»Die eigentliche Straße nach Holliday Town führt weiter nördlich«, erklärte Noel. »Diesen Passweg kennen nur noch wenige von den Alten; er kürzt aber die Strecke um viele Stunden ab.«

Das Mädchen nickte nur. Sie musste ihre ganze Aufmerksamkeit dem Weg widmen.

Sie waren geraume Zeit unterwegs, als sie plötzlich einen Schuss hörten, dem weitere folgten.

»Welcher Idiot schießt denn Salven auf Cariboos?« Der Alte schüttelte den Kopf. »Nach dem ersten Schuss sind die Tiere sicher geflüchtet.«

»Es war nur ein Büchsenschuss, Noel. Die anderen kamen aus einem Colt«, meinte das Mädchen.

»Noch verrückter! Wer geht mit dem Colt auf die Jagd?«, brummte er verwundert. »Wir müssen gleich an der Blockhütte sein. Die Schüsse kamen von dort.«

Sie setzten ihren Weg fort. Endlich hatten sie den Berggrat erreicht; die Blockhütte lag vor ihnen. Plötzlich knurrte der Hund.

»Da stimmt was nicht!«, meinte der Alte verstört. »Leader wittert etwas; er täuscht sich nie!«

Das dumpfe Grollen aus der Kehle des Huskys verstärkte sich.

»Dort liegt jemand auf dem Plateau.« Das Mädchen und der Alte sahen die regungslose Gestalt in dem halbhohen Gras zur selben Zeit.

»Es ist der alte Slim; Slim Mulders!«, stellte Noel erschüttert fest. Behutsam öffnete er die Lederjacke des Verwundeten und fühlte nach dem Herzen. »Leben ist noch in ihm«, murmelte er und zog eine flache Flasche aus der Hosentasche. Vorsichtig befeuchtete er Stirn und Lippen des Bewusstlosen. Ein scharfer Brandy-Geruch breitete sich aus.

Der Verletzte stöhnte und öffnete die Augen.

»Noel, altes Coon, was, zum Teufel, fällt dir ein, auf uns zu schießen?«, flüsterte er.

»Was – ich? Geschossen? Da soll doch ...!« Der Alte war außer sich.

»Keine Zeit zu großen Auseinandersetzungen, Noel«, unterbrach ihn das Mädchen hastig. »Der Mann sprach von mehreren. Er war nicht allein. – Such, Leader, such!«

Der Hund kreiste mehrmals in weitem Bogen um die Hütte, dann stockte er, setzte sich auf die Hinterkeulen und jaulte laut auf. Vor ihm lag ein Toter im Gras.

»Den Mann kenne ich nicht.« Der Alte schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das alles nicht«, fügte er ratlos hinzu.

»Die Schüsse kamen aus der Hütte und streckten die beiden nieder«, stellte das Mädchen fest. »Danach ist der Täter geflüchtet. Vielleicht waren es auch mehrere.«

»Aber das ist doch nicht möglich! Es gibt doch keine Desperados in den Bergen.« Der Alte war restlos durcheinander.

»Anscheinend doch! Vor allem müssen wir uns jetzt um den Verwundeten kümmern. Dem Mann hier ist nicht mehr zu helfen.«

Kurze Zeit später lag Slim Mulders auf einem aus Laub und Zweigen schnell errichteten Lager in der Hütte. Nach mehreren Schlucken aus Noels Flasche hatte er sich etwas erholt. Das Mädchen erkannte aber, dass er trotzdem bald in ärztliche Behandlung musste, denn die Kugel war durch die Schulter gedrungen.

»Wie sollen wir ihn befördern?«, brummte Noel. »Es ist noch gut ein Tagesmarsch bis Holliday Town.«

»Sind unsere Ponys nicht draußen, Noel?«, fragte Slim mit schwacher Stimme. »Reiten kann ich bestimmt, wenn ich erst im Sattel sitze.«

»Keine Spur von einem Pony; entweder sind sie vor der Knallerei davongelaufen, oder die Kerle, die auf euch schossen, haben sie mitgenommen«, meinte Noel.

»Sie brechen sofort auf und holen aus Holliday Town Hilfe, Noel!«, ordnete das Mädchen plötzlich sehr energisch an. »Ich bleibe hier und sorge dafür, dass Slim Umschläge bekommt. Wasser gibt es genügend an der Quelle draußen.«

»Zwanzig Stunden kann es dauern, bevor Hilfe da ist«, meinte Noel, dann stampfte er eilig davon.

Der alte Noel ließ sich keine Zeit. Nach einem mehr als achtstündigem Marsch sah er endlich die Häuser von Holliday Town vor sich liegen.

»Schöner sind die Holzbuden in den fünf Jahren auch nicht geworden«, stellte er brummend fest.

»Gold gibt es nur da, wo man es findet!«, beantwortete er die Grüße mehrerer Männer in der bei alten Sourdoughts herkömmlichen Weise. Zielsicher steuerte er auf das Haus des Bergpolizisten zu.

»Damn – Noel Lister – ist es möglich, auch wieder im Lande?« Sergeant Wolters schüttelte dem Alten überrascht die Hand. »Hast verdammt Glück, mich zu treffen. Wollte in einer Stunde nach Wolverine City aufbrechen. Bekam eine Nachricht und ...«

Der Sergeant fluchte, als der Prospektor geendet hatte. Schon eine knappe Stunde später brach er mit Hilfskräften zur Blockhütte am Grat auf, um den Verwundeten und das Mädchen zu holen.

Die gesamte Einwohnerschaft war auf der einzigen Straße des Ortes versammelt, als der Zug mit dem Verwundeten und dem Toten in Holliday Town eintraf. Der von Rheuma geplagte Doc humpelte mühselig heran und ordnete an, dass man Slim in sein Haus überführte.

»Es ist für ihn und mich gleich bequem«, meinte er dabei; eine Ansicht, der niemand widersprach.

Sergeant Wolters ließ sich wenig Zeit. Trotz seines anstrengenden Rittes brach er nach kurzer Zeit wieder auf, um nach Wolverine City weiterzureiten. Zu seiner Überraschung holte er kurz hinter dem Ort das rothaarige Mädchen ein, das auf einem Pony ritt und vor sich hin sang.

»Was machen Sie denn hier?«, meinte er verblüfft.

»Sie hören es doch, ich singe«, erklärte sie, ohne eine Miene zu verziehen.

»Wollen offen miteinander reden, Miss«, entgegnete er finster. »Girls Ihres Schlages sehen wir nicht gern bei uns.«

»Nun will ich Ihnen ebenfalls etwas sagen, Sergeant«, meinte sie kühl. »Ich mag nun wieder keine Leute, die freien Menschen in einem freien Lande etwas vorschreiben wollen. Denke, dieses Land gehört zu den Staaten – oder?«

»Und Sie gehören zu den Menschen, die das Gold in anderer Leute Taschen anzieht – oder?«, gab er zurück.

»Sie werden mich aber nicht daran hindern, weiter Interesse für dieses Metall zu haben. Noel sagte mir, dass Sie nach Wolverine City wollen. Er besorgte mir auch das Pony. Denke, wir haben denselben Weg und sollten ihn uns so angenehm wie möglich machen, statt uns über belanglose Dinge zu streiten.«

»Ich streite mit niemandem, Miss; sorge nur für Ordnung. Können meinetwegen zusammen reiten. – Habe Sie dann wenigstens unter Kontrolle.«

Geraume Zeit ritten sie dann schweigend nebeneinander. Erst als sie zu einer längeren Rast haltmachten, kam wieder ein Gespräch in Gang, das das Mädchen geschickt einzufädeln verstand.

Als sie später, in eine Decke gewickelt, eingeschlafen war, betrachtete sie der Polizist nachdenklich.

»Wenn es nicht eins von den verdammten Goldgräber-Girls wäre, könnte sie einem gefallen«, murmelte er.

3. Kapitel

Hunderte Meilen ostwärts am Ufer des Yukon stand ein einzelner Mann mit einem gewaltigen Mückenschleier über dem Kopf an der halb zerfallenen Landungsbrücke und flickte an seinem Netz.