Tom Prox 108 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 108 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Gleich zweimal wird innerhalb kürzester Zeit ein Mordanschlag auf Tom Prox verübt. Wer und warum aber, das kann sich selbst der erfahrene Ghostchef nicht erklären. Eigentlich war er nach Texas gekommen, weil ihn der Rancher und Großgrundbesitzer Abel O’Hara sr. um Hilfe gebeten hatte. Der Alte hatte seinen ebenfalls auf den Namen Abel hörenden Sohn, der einst einen Falschspieler erschossen hatte, vor Jahren eigens ins Zuchthaus gebracht. Seitdem ist das Verhältnis der beiden zerrüttet, und der Hass auf Gott und die Welt, scheint Abel jr. aufzufressen. Stets an seiner Seite ist eine Handvoll weiterer ehemaliger Zuchthäusler, die ein sehr einträgliches Geschäftsmodell ersonnen haben: Erpressung! Und doch sind die Tausende von Dollars, die dabei herausspringen, nur kleine Fische, planen die Gangster doch einen noch viel größeren Coup ...


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Inhalt

Cover

Zweifelhafte Freundschaft

Aus dem Wilden Westen

Vorschau

Impressum

Zweifelhafte Freundschaft

Von Alex Robby

Gleich zweimal wird innerhalb kürzester Zeit ein Mordanschlag auf Tom Prox verübt. Wer und warum aber, das kann sich selbst der erfahrene Ghostchef nicht erklären. Eigentlich war er nach Texas gekommen, weil ihn der Rancher und Großgrundbesitzer Abel O'Hara sr. um Hilfe gebeten hatte. Der Alte hatte seinen – ebenfalls auf den Namen Abel hörenden Sohn –, der einst einen Falschspieler erschossen hatte, vor Jahren eigens ins Zuchthaus gebracht. Seitdem ist das Verhältnis der beiden zerrüttet, und der Hass auf Gott und die Welt, scheint Abel jr. aufzufressen. Stets an seiner Seite ist eine Handvoll weiterer ehemaliger Zuchthäusler, die ein sehr einträgliches Geschäftsmodell ersonnen haben: Erpressung! Und doch sind die Tausende von Dollars, die dabei herausspringen, nur kleine Fische, planen die Gangster doch einen noch viel größeren Coup ...

Im Morgengrauen war Tom Prox von San Angelo aufgebrochen. Den ganzen lieben Tag über war er – mit Ausnahme einer kurzen Mittagspause – ständig in südöstlicher Richtung geritten. Jetzt, als die Sonne sich schneller und immer schneller gen Westen neigte, befand er sich fast am Mittelpunkt von Texas, und damit in dem einsamsten und ödesten Teil dieses Staates. Ihm fiel ein, dass hier nur ein Mensch auf den Quadratkilometer kommen soll, aber nicht einmal dieser eine war ihm begegnet.

Er musste über seinen Gedanken lächeln, als seine Aufmerksamkeit ganz plötzlich durch ein mattes Blinken eines Flintenlaufs hinter einem Felsen hervor in Anspruch genommen wurde. Blitzschnell duckte er sich nach vorn, aber schon spürte er einen glühend heißen Stich durch seinen Rücken fahren. Der Donner des Schusses hallte nach.

Auf den Pfiff ihres Herrn stieg die Stute wiehernd auf die Hinterhand, warf sich herum und fegte schnurgerade auf den Hinterhalt zu. An sich war das ein Wahnsinn, und doch war es die einzige Möglichkeit, weiteren Schüssen aus der weittragenden Winchester – denn um eine solche hatte es sich dem Knall nach gehandelt – mit etwas Glück zu entgehen.

Tatsächlich schien den Wegelagerer dieses unerwartete Manöver auch völlig verwirrt zu haben. Viel zu hastig feuerte er ein zweites Mal, sodass die Kugel mehr als einen Meter an dem heranjagenden Reiter vorbeipfiff.

Der Mordbube sprang auf und rannte auf eine Hecke zu, hinter der er seinen Gaul verborgen hielt. Da sein Opfer keine Büchse im Sattelschuh hatte, glaubte der Kerl mit Sicherheit, sein Tier noch erreichen zu können, bevor der Gegner ihm mit dem Colt gefährlich werden würde. Dumm nur, dass er sich den Falschen ausgesucht hatte.

Tom Prox riss den Colt aus dem Holster und schoss im vollen Galopp über den Kopf seiner dahinrasenden Stute hinweg auf den Flüchtenden. Dieser machte dann auch bald einen Luftsprung, als hätte er einen scharfen Peitschenschlag erhalten. Seine Arme schienen in der Luft nach einem Halt zu suchen, dann sackte der Körper in sich zusammen.

Tom Prox glitt neben der regungslosen Gestalt aus dem Sattel. Als er niederkniete, sah er, dass es hier niemand mehr helfen konnte. Er schüttelte ärgerlich den Kopf. Gewiss, dieser Bursche war ein Mörder, und dennoch hatte Prox ihn nicht töten wollen. Lebend wäre ihm der Mann lieber gewesen.

Der Tote lag mit dem Gesicht auf der Erde. Als der Ghostchef ihn umdrehte, sah er in ein auch im Tode noch finster verzerrtes Gesicht, das seinen ganzen Werdegang und seinen Beruf, wenn man den eines Revolvermannes überhaupt als einen solchen bezeichnen wollte, noch deutlich widerspiegelte.

Und noch etwas sah er. Beide Handgelenke des Toten wiesen breite Furchen auf, Kainszeichen, das nur Menschen tragen, die in der Hölle eines Steinbruches zwangsweise gearbeitet hatten. Dabei war der Mann kein Mexikaner, und doch musste er aus Mexiko kommen, denn nur dort brannten sich die unendlich feinen Quarzteilchen unter den reibenden Stahlbändern so tief in Haut und Fleisch ein.

Eine große Ausbeute ergab die Durchsuchung der Taschen des Toten nicht. Lediglich ein Kamm, eine stark zerdrückte Zigarettenpackung, zwei Zehndollarnoten und einiges Kleingeld kamen zum Vorschein. Ein zerlumptes Taschentuch, ein sehr scharfes Messer mit feststehender Klinge und ein schmieriges Kartenspiel vervollständigten die Sammlung. Irgendwelche Ausweise aber oder zumindest Papiere, aus denen der Name und die Herkunft des Fremden hervorgegangen wäre, fanden sich nirgends.

So verschmutzt und ungepflegt die Kleidung des Mannes auch war, umso sauberer und gepflegter waren seine Waffen. Der Winchesterbüchse, dem Colt und dem doppelläufigen Deringer war anzusehen, dass sich ihr Besitzer mit ihnen gut verstanden hatte und sie für ihn das Wichtigste gewesen waren.

In den Satteltaschen befanden sich lediglich eine halbleere Flasche Brandy sowie reichlich Reservemunition. Der zottige Gaul schien zwar recht abgetrieben und hager, war aber von gutem Blut und musste ausdauernd und zäh sein. Er stand jetzt mit hängendem Kopf daneben und knabberte an dem dürftigen Blattwerk der verstaubten Hecke.

Nachdenklich hob Tom Prox den breitrandigen, mexikanischen Sombrero vom Boden auf. Auch daran fand er nichts, weder ein Firmenzeichen noch einen Namen, mit den Fingern aber spürte er eine sonst nicht übliche Verdickung unter dem Schweißband. Er fühlte nochmals nach, und als er das Band umdrehte, fiel ein zusammengefalteter Papierstreifen heraus. In stark verblasster Tinte war er mit ein paar Zeilen beschrieben.

Bevor der Ghostchef sich mit diesem ominösen Schreiben beschäftigen konnte, trat ein neues Ereignis ein, das ihn noch mehr verblüffen sollte. Hufschlag kam aus der Ferne und wurde schnell lauter. Eine Staubwolke schob sich immer näher heran.

Es waren sechs Reiter. Sie wären bestimmt vorbeigerast, wenn Tom Prox nicht hinter der Felsnadel, die ihn und den Toten deckte, hervorgetreten wäre. Der Mann an der Spitze trug einen blinkenden Stern auf der linken Brustseite.

Beim Anblick des so plötzlich hinter dem Felsen hervorkommenden Fremden rissen sie ihre Gäule auf die Hinterhand und zogen ihre Colts.

»Hands up oder es passiert!«, rief der Anführer.

»Lassen Sie den Blödsinn, Sheriff!«, gab Tom Prox scharf zurück. Er hielt aber zur Vorsicht seine Arme über der Brust gekreuzt, weit ab von den tief hängenden Colts. »Ihre Posse war lange genug vorher zu hören. Ich hatte also Zeit genug, wenn ich Ihnen aus dem Wege hätte gehen wollen.«

Der Sheriff sah wohl ein, dass der andere recht hatte. Er musterte den Fremden finster und misstrauisch.

»Waren Sie gestern Abend zufällig in Midsummer Day, Stranger?«

»Eine merkwürdige Frage«, versetzte Tom Prox. »Und wenn ich zufällig dort gewesen wäre?«

»Dann wäre es möglich, dass Sie der Mann sind, der Bug Cerstin erschoss ... der ihn so in den Rücken schoss, dass er daran einging.«

»Sie trauen mir aber allerhand zu«, entfuhr es dem Ghostchef. »Der Mann wurde hinterrücks erschossen, sagen Sie?«

»So und nicht anders war es. Bug kam friedlich aus der Kneipe von Harm Pedding. ,Frieden und Freiheit' heißt sie. Er hatte schwer geladen, gewiss, aber das ist noch lange kein Grund, ihm in den Rücken zu ballern und die letzten zwei Zehndollernoten abzunehmen. Bug hatte sie, als er ging, noch bei sich. Pedding hat sie selbst gesehen. Und als wir ihn dann fanden, fehlten die beiden Scheinchen. Haben uns daher vorgenommen, den Mann, sollten wir ihn zufällig finden, an die nächste Pappel zu hängen. Es gibt ja genug davon hier.«

»Wenn Sie es täten, wäre das verständlich, aber ungesetzlich, Sheriff.« Tom Prox lächelte. »Im Übrigen bin ich heute Morgen erst von San Angelo fortgeritten, und den Mann, den ich erschossen habe – heute, möchte ich betonen! –, traf ich nur deswegen in den Rücken, weil er noch die Büchse in der Hand hielt, mit der er mich umlegen wollte.«

»Waaas?« Für einen Augenblick sah der Sheriff aus, als hätte er die Maulsperre bekommen. »Das ist aber mehr als ... hm ... merkwürdig«, kam es dann endlich langgezogen heraus, und seine Hand langte unwillkürlich wieder zum Coltkolben.

»Lassen Sie das, ich sagte es schon einmal, Sheriff Fisher!« Tom Prox schüttelte ärgerlich den Kopf. »Es wäre besser, Sie würden absteigen und sich den Toten einmal genauer ansehen, bevor es dunkel wird. Möglich, dass Ihr Harm Pedding sogar die beiden Zehndollarnoten wiedererkennt, falls er sich bei Ihrer Posse befindet. Sie liegen neben dem Toten.«

Zu Toms Verwunderung brachen die Männer der Posse nur in unbändiges Gelächter aus.

»Hoho ... das ist vielleicht ein Witz, Stranger!«, würgte der Sheriff hervor, als er sich beruhigt hatte. »Harm und reiten? Wollte das Pferd mal sehen, das nicht unter ihm zusammenbricht. Jetzt weiß ich, dass Sie wirklich noch nicht in Midsummer Day waren. Harm wiegt so an die fünf Zentner und hat schon 'nen Preis als der dickste Mann von Texas bekommen! Woher wissen Sie übrigens meinen Namen, he?« Der Sheriff schien sein Misstrauen überwunden zu haben und rutschte, schon etwas freundlicher, aus dem Sattel.

»Abel O'Hara erwähnte ihn in einer Einladung.« Das stimmte zwar nicht ganz, denn der Eigentümer der Lonely-Ranch, der Tom Prox einen recht merkwürdigen Brief geschrieben hatte, hatte den Namen des Sheriffs nicht erwähnt. Dafür hatte der County-Sheriff in San Angelo, den Prox aus einem ganz bestimmten Grund aufgesucht hatte, umso mehr über den etwas beschränkten Sheriff von Midsummer Day zu erzählen gewusst.

»Was? Abel O'Hara hat Sie eingeladen?« Der Sheriff starrte den Fremden wie ein Wundertier an. »Sie meinen doch den alten O'Hara, right? Sein Sohn heißt nämlich auch Abel. Aber Sie sehen eigentlich nicht nach einem Indianer aus, und nach einem Steinzeitmenschen schon gar nicht!«

»Wollen uns aber mal die neueste Leiche ansehen«, mischte sich ein anderer ein. »Keine zehn Minuten, und es ist Nacht.«

Kopfschüttelnd folgte Tom Prox den Männern, die es jetzt plötzlich sehr eilig hatten, von den Pferden sprangen und auf den Felsen zuliefen.

Was hatte der Sheriff da gesagt? Er sähe nicht nach einem Indianer aus und nach einem Steinzeitmenschen schon gar nicht? Der Sheriff von Midsummer Day schien tatsächlich noch beschränkter zu sein, als man ihn geschildert hatte.

»Kennt einer von Ihnen den Toten?«, fragte er, als sie neben der Leiche standen. Wenn er einen bestimmen Namen zu hören erwartet hatte, so sah er sich enttäuscht. Die Männer schüttelten die Köpfe. Etwas zu schnell und zu heftig, fand er.

»Nach 'nem Indianer oder 'nem Steinzeitmenschen sieht auch der nicht aus«, meinte der Sheriff noch zu allem Überfluss.

»Die würden so etwas nicht tun, haben selbst mehr Zaster, als der Bursche hier sicher sein ganzes Leben lang besessen hat«, fügte einer der Begleiter hinzu.

»Und zur Lords-Prayer-Ranch gehört er erst recht nicht«, meinte ein anderer. »Hat nicht das richtige Gebetbuch.« Er deutete auf das schmierige Spielkartenpäckchen.

Die ›Lords-Prayer-Ranch‹? – Natürlich, zu der wollte Prox ja, der merkwürdigen Einladung des Ranchers Abel O'Hara folgend ...

Inzwischen hatte die Sonne den Rand des Horizonts erreicht. Sie schien einen Augenblick darauf zu balancieren, um dann mit der in diesen Breiten üblichen Plötzlichkeit zu verschwinden. Es war mit einem Schlag stockdunkel.

»Es wird das Beste sein, Sie kommen für heute mit in die Stadt, Stranger«, erklärte Sheriff Fisher. »Sie können im ,Frieden und Freiheit' übernachten. Harm Podding hat ein paar Fremdenzimmer frei. Die Indianer und Steinzeitmenschen übernachten auch gelegentlich bei ihm, wenn die Postkutsche mal Verspätung hat. So ein Blödsinn, dass die jetzt zweimal in der Woche von San Angelo kommt. Früher hatten wir die Wochenpost von Austin. Die kam zwar manchmal gar nicht, aber es genügte uns. Abel O'Hara krempelt ja auch alles um! Ich meine natürlich den jungen Abel.« Es lag so etwas wie Verachtung in seiner Stimme.

»Was reden Sie da eigentlich immer von Indianern, Sheriff?«, fragte Tom Prox jetzt. »Soviel ich weiß, gibt's doch hier gar kein Indianerreservat. Und Steinzeitmenschen gibt es meines Wissens schon seit einigen Jahrtausenden nicht mehr.«

»Das sagen Sie, Stranger.« Tom Prox konnte zwar das Grinsen des Sheriffs nicht sehen, aber er spürte es. »Fragen Sie mal die Steinzeitmenschen, die glauben an sich!«

»Es ist ein Sodom und Gomorrha, wie's in der Bibel steht«, kam eine Stimme aus der Finsternis.

»Das sagt der alte Abel. Der junge nennt's dafür den Garten Eden. Wollen jetzt aber machen, dass wir nach Hause kommen. Lister und Hold, ihr könnt den Toten abwechselnd vor euch in den Sattel nehmen. Seid sowieso amtlich bestellte Totengräber. Den Gaul von dem Banditen nehme ich am langen Zügel.« Der Sheriff wurde plötzlich sehr geschäftig. »Wir müssen dann bei mir im Office noch ein Protokoll aufnehmen. Morgen früh geht die Postkutsche nach San Angelo. Das passt gut, dann hat der County-Sheriff schnell Bescheid. Zu einem Telegrafen haben wir's hier noch nicht gebracht. Sollte schon vor zwei Jahren gebaut werden. Dann setzte Abel O'Hara die Post zweimal die Woche nach San Angelo durch, und aus war's mit dem Telegrafen. Ich meine natürlich den jungen O'Hara. Der wird schon wissen, warum er keinen Telegrafen braucht.« Sheriff Fisher schnaubte verächtlich durch die Nase. »Will natürlich nichts gesagt haben«, beendete er dann hastig das Gespräch.

Es ging schon auf Mitternacht zu, als sie endlich in Midsummer Day ankamen. Der kleine Ort mit seinen knapp tausend Bewohnern bestand eigentlich nur aus einer Main Street und einigen sich davon abzweigenden kurzen Gassen. Es gab nur einen einzigen größeren Platz, an dem auf der einen Seite die kleine Kirche und die Gastwirtschaft traulich nebeneinander standen, während schräg gegenüber das Office des Sheriffs und ein kleiner Store den Platz einrahmten.

Während die Häuser des Ortes schon im Dunkeln lagen, war die Gastwirtschaft noch hell erleuchtet. Als Tom Prox seinen Gaul an die Haltestange band, an der schon eine große Anzahl von Pferden standen, hörte er Schreien, Lachen und Singen, woraus man auf eine recht ausgelassene Stimmung schließen konnte.

Als er durch die Schwingtür trat, wurde es mit einem Schlage totenstill. Die Männer, die getanzt hatten, stockten, weil einer die Nadel von der Grammophonplatte abgenommen hatte, und die Würfler an der Theke ließen die Becher sinken.

Die Gestalt, die hinter dem Tresen aufwuchs, verblüffte selbst einen Tom Prox, obwohl dieser schon auf etwas Ungewöhnliches vorbereitet war. Der Gastwirt war nicht nur ein selten dicker Mensch, er war ein Koloss, der sicher seine zwei Meter maß und infolge seiner Körperbreite fast viereckig wirkte. Dabei war er keineswegs eine Fettkugel, sondern das Gewicht musste bei ihm in den gewaltigen Knochen und der Muskulatur sitzen. Er hatte, wie viele Männer irischer Abstammung, rötlich schimmernde Haare, die seine blaugrauen Augen fast wimpernlos erscheinen ließen.

Bevor er aber etwas sagen oder der Ghostchef etwas bestellen konnte, schob sich Sheriff Fisher durch die Pendeltür.

»Kennst du diese Dinger hier zufällig wieder, Harm?«, brüllte er den Koloss an und hielt ihm die beiden Zehndollarscheine unter die Nase.

»Wenn du damit meinst, es könnten die sein, die man dem armen Teufel, dem Bug Cerstin, abgenommen hat, lass mal sehen!« Der Wirt ließ sich durch das erregte Gefuchtel mit den Geldscheinen nicht aus der Ruhe bringen. Er nahm sie dem Sheriff aus der Hand und trat unter die mit Spiegelschirmen versehene Deckenlampe. »Einer hatte so was wie'n Ölfleck, und der andere war an der Seite eingerissen, habe 'nen Blick dafür«, meinte er und hielt die Scheine gegen das Licht.

»Habe Sie bei diesem Gent hier gefunden«, erklärte der Sheriff inzwischen wichtig den Anwesenden. »No, Boys, nicht, wie ihr denkt«, fügte er schnell hinzu, als sich drohendes Gemurmel erhob. »Der Gent schoss nur zufällig einen Burschen zusammen, der diese Scheinchen in der Tasche trug.«

»Das sind nicht die Scheine, die Bug bei sich hatte«, erklärte der Wirt in diesem Augenblick bestimmt. »Kein Ölfleck und auch kein Riss. Ich kann mich da gar nicht irren.«

»So war der Kerl zufällig nicht der Mörder Bugs? Ja, dann ... dann ...«

»... wird der wohl noch frei herumlaufen, Sheriff«, ergänzte Tom Prox spöttisch. »Mein Mann hatte eben zufällig auch zwei Zehndollarscheinchen in der Tasche!«

Der Sheriff merkte den Spott über seine Eigenart, bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit ein »zufällig« einzuschieben, überhaupt nicht. Im Gegenteil, es war Wasser auf seine Mühle.

»Sage ich ja, ist alles im Leben Zufall. Für'n Sheriff schwer, sich da durchzuwinden. Kann nicht jeder 'ne Amtsperson sein in so einem Nest, wo täglich was anderes los ist, Stranger, das sage ich Ihnen. Harm, der Gent will morgen weiter, zufällig zu Abel O'Hara. Natürlich nicht zum jungen, das sieht man ja, sondern zum alten Abel auf die ›Lords-Prayer-Ranch‹, die vor der Teilung Lonely-Ranch hieß.«

»Können ein Bett bei mir haben, wie es die Steinzeitmenschen auch nicht besser bekommen würden, Sir«, erklärte der Wirt voller Überzeugung. »Habe über dem Hof im linken Stall auch noch 'ne Box für Ihren Gaul frei, müssen es aber selbst führen. Mit fremden Gäulen ist das immer so eine Sache.«

»Da haben Sie recht, Landlord.« der Ghostchef lachte. »Meine Susy ist eine verdammt stolze Lady, die sich nicht von jedem anfassen lässt.«

»Machen dann gleich noch den Bericht, Stranger«, mischte sich der Sheriff ein. »Und hinterher verlöten wir noch einen. Habe zufällig einen verdammt prächtigen Durst von diesem staubigen Ritt mitgebracht.«

Es wurde tatsächlich nur ein sehr kurzer Bericht, und Tom Prox musste schon jetzt in Gedanken daran grinsen, wie der County-Sheriff wohl mit diesen recht verworrenen Auslassungen fertigwerden würde. Es kam hinzu, dass er mit Absicht einiges verschwiegen hatte, so auch den Fund des mysteriösen Zettels im Hut, dessen Inhalt er erst noch genau studieren musste.

So kurz aber der Bericht wurde, umso länger dauerte dann das »Verlöten«, wie der Sheriff es nannte. Obwohl Tom Prox von dem langen Ritt ziemlich müde war, war ihm doch der Umtrunk, an dem sich auch der wuchtige Wirt beteiligte, sehr wertvoll. Er erfuhr dabei einige Dinge, die ihn recht nachdenklich stimmten und ihm plötzlich den Brief des alten Abel O'Hara wesentlich verständlicher werden ließen.

Erst kurz vor Morgengrauen suchte er sein Zimmer auf und sank sofort in einen tiefen Schlaf.

Im Norden von Midsummer Day begann ein ebenso gewaltiges wie abgelegenes Gebiet, das durch seine ständig wechselnde Bodenformationen und die dadurch bedingte unterschiedliche Vegetation ihr besonderes Gepräge erhielt. Weite Flächen mit hartem Graswuchs wechselten mit ausgedehntem, heckendurchsetzten Weideland ab.

Ganz hoch im Norden, wo der Landstrich von dem auffallend klares Wasser führenden Blue River begrenzt wurde, bildete das Gebiet ein großes, schiefwinkliges Dreieck. Hier schnitten kleine Canyons tief in den bewaldeten Gebirgszug ein. Die Ufer des in unzähligen Windungen verlaufenden Flusses waren mit Weiden, Pappeln und Erlenbüschen bestanden.

Das ewige Lied des über die blanken Kiesel rauschenden Wassers wurde noch übertönt von dem Pfeifen der Rohrdommeln und dem Narren der Spottdrosseln. Wenn der Nachtwind von Südwesten her über das Land strich, war das Heulen der Kojoten aus der Wüste zu hören, und am Tage zogen oft die Wüstenbussarde hoch über dem Colorado ihre Kreise. Alles in allem war es ein selten idyllisches, aber auch beklemmend einsames Land.

Und dieses gewaltige, zum Teil aber kaum nutzbare Gebiet teilten sich zwei Rancher. Im Süden, näher an Midsummer Day heran, lag die Evergreen-Ranch, und im nördlichen Teil bis hinauf zum Blue River und Colorado, erstreckte sich der Besitz der Lonely-Ranch.

Die Evergreen-Ranch gehörte den Simmersons, einer aus dem Osten, aus dem Staate West-Virginia stammenden Familie, die sich durch zwei Dinge besonders auszeichnete: durch ihre Zucht hornloser, rotgescheckter Rinder, in Texas als ›Herefords‹ bekannt, und durch einen recht beachtlichen Kinderreichtum.

Da die Simmersons die Evergreen-Ranch erst vor knapp fünfzig Jahren übernommen hatten, nannten sie die nächsten Nachbarn, die Besitzer der Lonely-Ranch, nie anders als »die Greenhorns«. Das war keineswegs bösartig gemeint, sondern sollte nur eine ironische Anspielung sein auf die kurze Zeit ihrer Anwesenheit im Lande und auch auf den Namen der Ranch, auf Evergreen (= Immergrün).