Tom Prox 110 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 110 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Viehdiebe haben die Ranches im Grenzland von Arizona und Mexiko heimgesucht und dabei Tod und Verzweiflung hinterlassen. Für die Rancher scheint klar, wer dafür verantwortlich ist: Die Rustler können nur aus Fortune City kommen, einem Ort ohne jegliche Ordnungsmacht und damit ein Paradies für Verbrecher aller Couleur.
Dass die Rinderzucht aber längst ein Millionen Dollar schweres Business ist, bei dem ein paar gestohlene Rinder kaum mehr als das sprichwörtliche Kleinvieh bedeuten, das wird Tom Prox und den Ghosts so richtig erst bewusst, als sie bei ihren Ermittlungen auf die Gebrüder Manning stoßen. Kevin und Jonas sind die "Gründungsväter" der verrufenen Stadt und setzen nun alles daran, die Polizeigewalt für den gesamten Distrikt einem Mann ihrer Wahl zu übertragen - was de facto auch das beschauliche Goldmountain Village zum Sündenpfuhl verkommen ließe ...


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Inhalt

Cover

So geht das nicht, Rancher!

Vorschau

Impressum

So geht das nicht, Rancher!

Von Alex Robby

Viehdiebe haben die Ranches im Grenzland von Arizona und Mexiko heimgesucht und dabei Tod und Verzweiflung hinterlassen. Für die Rancher scheint klar, wer dafür verantwortlich ist: Die Rustler können nur aus Fortune City kommen, einem Ort ohne jegliche Ordnungsmacht und damit ein Paradies für Verbrecher aller Couleur.

Dass die Rinderzucht längst ein Millionen Dollar schweres Business ist, bei dem ein paar gestohlene Rinder kaum mehr als das sprichwörtliche Kleinvieh bedeuten, das wird Tom Prox und den Ghosts erst so richtig bewusst, als sie bei ihren Ermittlungen auf die Gebrüder Manning stoßen. Kevin und Jonas sind die »Gründungsväter« der verrufenen Stadt und setzen nun alles daran, die Polizeigewalt für den gesamten Distrikt einem Mann ihrer Wahl zu übertragen – was de facto auch das beschauliche Goldmountain Village zum Sündenpfuhl verkommen ließe ...

Der Tag begann gerade zu dämmern, als Sheriff Howard Sunningdale aus seinem einstöckigen Haus trat.

Er war der einzige Frühaufsteher in Goldmountain Village. Der kleine Ort am Rande der Gila Wüste und unweit der Grenze zwischen Arizona und Mexiko zeigte noch keine Anzeichen von Leben. Nur einige pflichtbewusste Hähne aus der Nachbarschaft verkündeten mit heiserem Krähen den Beginn des Tages, und aus weiter Ferne war das bösartige Kläffen zweier Hofhunde zu hören.

Sunningdale liebte diese Zeit so kurz vor Sonnenaufgang mit ihrer Stille und morgendlichen Frische ganz besonders. Er versäumte es daher selten, in dieser Stunde einen Rundgang durch den Ort zu machen.

Vor dem Office stehend, warf er einen Blick zu der gegenüberliegenden Wirtschaft hinüber. Zu sehen gab es da eigentlich nichts. Der »Elite Saloon«, wie der einäugige Gastwirt Rudolf Steininger sein Unternehmen, dem ein Store angegliedert war, getauft hatte, war noch geschlossen. Die paar wenigen Haufen Pferdeäpfel neben der Haltestange bewiesen, dass der Besuch am Abend zuvor nicht besonders rege gewesen sein konnte.

Wie sollte er auch? Fünfzig Wochen im Jahr war es im Ort so still wie auf einem Friedhof. Nur nach dem Herbst-Round-Up wurde es lebendiger. Eigentlich zu lebendig, denn es ging dann verdammt turbulent zu. Volle vierzehn Tage lang kamen der Sheriff und sein Gehilfe dann nicht mehr aus den Kleidern, und hinter den Gitterstäben des verhältnismäßig kleinen Jails herrschte stets ein lebensgefährliches Gedränge ...

In wenigen Tagen würde es nun wieder losgehen, und diesmal konnte es schlimmer als je zuvor werden. Sunningdale dachte dabei weniger an die Cowboys und Trailreiter, die Rancher und Horseteamer, die aus allen Richtungen nach Goldmountain Village kommen würden; er kannte sie, und sie kannten ihn. Er dachte an etwas anderes, und bei dem Gedanken daran zogen sich seine Brauen finster zusammen.

Nein, beim Rodeo würde es wie immer zugehen, und die Arbeit würde die gleiche sein. Ein paar Schießereien, ein paar Runden zwischen den Boys der Karo-Ass-Ranch und den von der Goldmountain-Ranch, und Doc Winter würde einige zertrümmerte Nasenbeine richten und mehr oder weniger große Fleischwunden verbinden müssen. Sein Gehilfe Humphrey O'Neill würde die rabiatesten Burschen bis zur Ausnüchterung einsperren und Strafgelder kassieren. So war es jedenfalls in den vergangenen Jahren immer gewesen, aber jetzt ...

Der Sheriff erinnerte sich an jedes Wort seines langen Berichtes, den er schon vor geraumer Zeit an den Countysheriff gesandt hatte. Er erinnerte sich aber auch an die kurze, nichtssagende Antwort, die aus Yuma gekommen war.

Sunningdale zuckte die Achseln und ging die Main Street hinunter. Er drehte sich geschickt eine Zigarette, brannte sie an und sog zufrieden den würzigen Tabakduft ein.

Als der sanfte Morgenwind plötzlich den Hufschlag mehrerer Pferde zu ihm herantrug, blieb er stehen und lauschte. Dann nickte er, als hätte er nun die Bestätigung für etwas erhalten, was er bereits erwartet hatte.

Er warf seine erst zur Hälfte aufgerauchte Zigarette fort und trat gelassen vom Gehsteig auf die holprige Fahrstraße. Sein kantiges Gesicht blieb unverändert und gleichmütig. Nur die soeben noch fast träumerisch blickenden graublauen Augen bekamen einen harten Ausdruck. Er glaubte mit Sicherheit die Reiter zu kennen, welche so früh Goldmountain Village einen Besuch abzustatten gedachten. Und er wusste auch, dass er das verhindern würde, wenn es auch nicht so ganz einfach werden würde.

Seine massige, breitschultrige Gestalt wirkte jetzt in ihrer Unbeweglichkeit mit dem braunen, vom Wetter gebeizten Lederjanker und der verwaschenen Levis-Hose von undefinierbarer Farbe wie ein mitten auf der Straße aufgestellter Baumstamm. Der Stern blinkte matt auf der linken Brust im Licht der ersten Sonnenstrahlen. Der abgewetzte Kolben des schweren, sechskantigen Bisbee-Colts lag genau in der Mitte zwischen dem Handgelenk und dem Ellenbogen der herunterhängenden Rechten. Der Lauf des großkalibrigen Revolvers ragte ein Stück aus dem Holster heraus.

Die Kleidung und diese Waffe, dazu der breite, durch Öl geschmeidig gemachte schwarze Gurt aus Büffelleder deuteten auf Sunningdales eigentliche Heimat, auf das südliche Texas hin. Für erfahrene Westler konnte es auf keinen Fall einen Zweifel darüber geben, dass mit diesem Mann im Ernstfall nicht gut Kirschen essen war.

Es müssen fünf oder sechs sein, die da kommen, stellte Sunningdale bei sich fest. Sein feines Gehör täuschte sich selten.

In diesem Augenblick bogen die Reiter, tatsächlich sechs an der Zahl, auch schon um die Kehre und preschten die Main Street herunter auf ihn zu. Der vorderste riss überrascht sein Pferd vor der einsamen Gestalt mitten auf der Straße zurück. Das Tier kam knapp einen Meter vor dem Sheriff mit grellem Wiehern zum Stehen.

»Goddam, Sunningdale!«, stieß der Anführer des Trupps verblüfft hervor.

»Für Sie bin ich noch immer Sheriff Sunningdale, Kirk Cumberland!«, versetzte der Sheriff ruhig.

»Und ich bin für Sie Mr. Cumberland, Sheriff! Lege sogar Wert auf das Mister«, erwiderte der andere im höhnischen Ton. Seine Augen sprühten. »Machen Sie Platz, Mann! Wir haben es eilig!«

»Sie reiten in die falsche Richtung, Cumberland!« Aus harten Augen blickte der Sheriff sein Gegenüber an. »Der Ortsausgang liegt entgegengesetzt!«

Cumberland zog seine Augenbrauen gefährlich zusammen, dann verstand er die Aufforderung.

»Sie haben nicht das Recht, uns den Aufenthalt in der Stadt zu verbieten, Sheriff«, fauchte er wütend los. »Sie wissen das auch ganz genau! Wir leben als freie Bürger in einem freien Land und ...«

»Stopp! Dass Sie noch als freier Bürger herumlaufen, ist eine Nachlässigkeit der Behörden«, unterbrach ihn der Sheriff gelassen. »In Fortune City sind Sie zu Hause, Cumberland. Für Gambler und so ein Volk ist in Goldmountain Village aber kein Platz! Bisher hat es stets Streit gegeben, wenn welche aus eurem verdammten Spielernest hier auftauchten. Ich dulde das nicht länger. Ich habe das auch den beiden Mannings mitteilen lassen.«

»Stimmt! Haben wir aber gelacht, als Humphrey damit rausrückte!« Cumberland grinste breit. »Und deswegen komme ich. Einen schönen Gruß von Jonas und Kevin Manning, Sir. Sie lassen sich herzlich für Ihre Botschaft bedanken. Im Übrigen haben sie nicht die Absicht, Ihre gesetzwidrige Forderung anzuerkennen. Wir reiten, wohin wir wollen, wir aus Fortune City! Das soll ich Ihnen bestellen. Und nun machen Sie Platz, Mann, sonst reite ich Sie über den Haufen!«

Keiner der hinter ihrem Anführer haltenden fünf Männer hatte gesehen, dass der Sheriff eine Bewegung gemacht hatte. Er schien schneller gehandelt zu haben, als ihre Augen es registrieren konnten. Sie sahen nur noch, wie der Hüne den vom Gaul gerissenen Cumberland kräftig beutelte und ihn dann von sich schleuderte, sodass der stöhnend im Straßenstaub liegen blieb.

»Hat noch jemand eine ...«

Die Frage des Sheriffs ging in einem Knall unter. Es waren eigentlich zwei Schüsse, aber sie klangen wie einer. Eine Kugel zischte dicht an seinem Ohr vorbei. Der Mann, der den Colt herausgerissen und den Schuss abgegeben hatte, stieß einen grellen Schmerzensschrei aus. Er stierte mit verzerrtem Gesicht auf seine durchschossene Hand, der der Colt entfallen war. Als sein erschrockenes Pferd hochstieg, versuchte er sich am Sattelknopf festzuhalten, stürzte aber kopfüber auf die Straße.

Seine Kumpane schienen zu Salzsäulen erstarrt. Soweit sie sehen konnten, war die Main Street leer, niemand ringsum zu sehen. Nur der Sheriff stand unverletzt vor ihnen, seinen Colt im Holster. Aber die blutende Hand des jammernd am Boden Hockenden war eine Tatsache, die sich nicht leugnen ließ.

»Hat jemand noch etwas zu sagen?«, kam es kalt von den Lippen des Sheriffs. Ihn schien der rätselhafte Vorgang nicht zu beeindrucken.

Wie auf Kommando rissen die vier Männer ihre Gäule herum und rasten in der Richtung davon, aus der sie gekommen waren.

Die Schüsse hatten die Stadt mobil gemacht. Rufe wurden laut, Türen öffneten sich, mehrere Männer kamen angerannt und blickten verwundert auf den Sheriff, die Männer am Boden und die mit hängenden Köpfen danebenstehenden Gäule. Sie sahen aber auch die angeschwollenen Schläfenadern Sunningdales, und da sie dieses Merkmal an ihrem Sheriff kannten, wagte keiner eine Frage.

Ein älterer, rundlicher Mann drängte sich durch den Ring der schweigenden Männer.

»Humphrey, bring die beiden Männer ins Office!«, befahl Sunningdale seinem Deputy. Die Umstehenden beachtete er nicht. »Doc Winter soll sie verarzten. Kirk Cumberland kann dann nach Hause reiten; der andere kommt ins Jail. Räum ihm aber die Taschen aus und stell fest, wie er heißt – wenn er überhaupt einen Namen hat. Gib ihm die Anklage bekannt: Mordanschlag auf eine Amtsperson bei Ausübung ihres Dienstes!«

»Damned, ein glatter Durchschuss, kaum ein Centstück groß«, staunte der Hilfssheriff, während er dem noch halb Benommenen auf die Beine half. »Ein schneller und guter Schuss, Howard!«

»Du wirst lachen, Humphrey, ich habe nicht geschossen. Er dürfte keinen heilen Knochen mehr an seiner Flosse haben, wenn ich gezogen hätte!« Der Sheriff lachte trocken auf.

»Hast recht! Die Kugel kam aus keinem Colt, die hätte ein anderes Loch gerissen«, meinte der behäbige Hilfssheriff, die Hand des jammernden Mannes verwundert betrachtend. »Es war ein Schuss aus 'ner Winchester. Aber wo ist der Schütze, Howard?«

»Der wollte sicher in seiner Bescheidenheit keinen Dank von mir. Habe aber nicht gern mit unsichtbaren Schützen zu tun.« Damit stampfte er zwischen den schweigend eine Gasse bildenden Männern hindurch und verschwand hinter einem Haus.

Der Hilfssheriff zog nun auch den stöhnenden Cumberland hoch und griff nach den Zügeln der beiden Gäule.

»Los, Boys! Vorwärts – marsch! Bis zum Office ist's nicht weit«, befahl er. »Joe, lauf beim Doc vorbei und sag ihm, er soll zum Office kommen«, rief er einem der Männer zu, die den Zug schweigend begleitenden.

Der Sheriff hatte inzwischen die Rückseite des Hauses erreicht und war stehen geblieben. Er sah sich suchend um. Von hier ungefähr musste der Schuss gefallen sein. Zu sehen aber war niemand.

Sorgfältig suchte er Meter für Meter den Boden ab. Vergeblich. Der Boden ringsum war steinig, und weiterhin führte ein Weg zur Fenz, der ausgetreten war.

»Was ist denn los, Sheriff? Was suchen Sie in meinem Gemüsegarten?«, keifte eine Stimme vom Hause her.

Natürlich, ausgerechnet vor Amelie Jesters Haus musste es passieren, fuhr es Sunningdale durch den Kopf. Der siebzigjährigen Witwe des Schneiders Jester ging man in Goldmountain Village am liebsten aus dem Weg. Ihre scharfe Zunge war berüchtigt, und ihre scharfen Augen wie ihre beißende Ironie waren gefürchtet.

»Wenn Sie mir helfen würden, Madam«, antwortete er höflich und trat ans Fenster. In kurzen Worten schilderte er ihr den Vorgang. »... und aus dieser Richtung kam der Schuss. Der Schütze muss hier ganz in der Nähe gestanden haben.«

»Natürlich stand er hier«, versetzte sie amüsiert.

»Haben Sie ihn gesehen?«

»Natürlich nicht!« Ihre Augen funkelten, und ihr runzeliges Gesicht bekam vom Lächeln noch stärkere Falten.

»Aber woher wissen Sie dann ...«

»Ihr Boys von heute habt eben keine Augen mehr im Kopf!«, fauchte sie ihn plötzlich an. »Und so was will Sheriff sein! Zur Indianerzeit besaß selbst ein Schneider Luchsaugen, und mein Mann war Schneider, ein sehr guter sogar! Er hätte in einer Stadt im Osten gutes Geld machen können ... mehr als hier bei den Satteltramps, die nicht nur ihr Monatsgeld, sondern auch noch die Round-Up-Prämien gleich durch die Kehle jagen, wenn sie mal eine ergattern. Aber Jup wollte nicht von hier weg, wollte partout nicht, der sture Bock ...«

»Sicher war das Unrecht von Ihrem Mann«, gab Sunningdale zu. »Aber woraus wollen Sie schließen, dass dieser verdammte Schütze hier irgendwo stand?«, lenkte er dann ab, um das Gespräch auf das zu bringen, worauf es ihm ankam.

»So? Und das sagt ein Kerl, der aus Texas stammen will? Mein Jup war von hier, aus Arizona! Genauer gesagt aus Phoenix, Mann. Da kommt Ihr Austin und Dallas nicht mit. Das sage ich, Amelie Jester. Und ich muss das wissen, weil ich selbst aus Phoenix bin«, feixte die Alte. »Wenn Sie Augen im Kopf hätten, würden Sie sehen, dass an der Hausecke 'ne Spur von Kalk liegt«, fuhr sie ihn plötzlich an. »Wenn's bloß von der Wand gefallen wäre, wär's kein Staub. Hat einer draufgetreten, ist doch klar. Aber Ihr Boys von heute seht ja nichts mehr.«

Jetzt, nachdem die Alte ihn darauf aufmerksam gemacht, sah er es auch: Ein winziger, heller Fleck war auf den dunkleren Steinen des Weges am Haus zu erkennen. Vermutlich hatte der unbekannte Schütze die Hauswand leicht gestreift und einen kleinen Kalkbrocken dabei gelöst und am Boden zertreten.

»Jetzt weiß ich die Richtung, in der ich suchen muss«, meinte er. »Herzlichen Dank, Madam. Sie haben tatsächlich noch unheimlich scharfe Augen.«

»Sind nicht schärfer als bei anderen, weiß sie nur besser zu gebrauchen«, wehrte sie ab. »Warum haben Sie die sechs Kerle nicht festgenommen? Sah durchs Fenster ihre Visagen. Desperados, einer wie der andere!«

»Aber das geht doch nicht, Madam! Weiß selbst, dass es Gauner sind. Kamen aus diesem verdammten Fortune City, das uns die Mannings vor die Nase gesetzt haben. Kann leider ohne Beweise nicht einfach ...«

»Pah ... Beweise! Zu meiner Zeit hat man solche Kerle einfach an den nächsten Baum geknüpft, ohne lange nach Beweisen zu fragen. Heute baut solches Gesindel 'ne ganze Stadt auf und terrorisiert das Land, ohne dass ihnen jemand das Handwerk legt. Gibt eben keine Männer mehr, alle zu weich geworden. Das kommt davon, dass keiner mehr 'nen anständigen Pfefferschnaps trinkt ... nur den labbrigen Whisky. Kommen Sie rein, Sheriff, habe noch 'nen Selbstgebrauten in der Kruke.«

»Leider keine Zeit«, wehrte Sunningdale entsetzt ab. »Muss sehen, dass ich den geheimnisvollen Burschen erwische, bevor er abdampft.« Er kniff die Augen zusammen und spähte über das heckenbesetzte Weideland, das sich weithin hinter der Hausfenz ausdehnte. »Er kann bestimmt noch nicht weit sein, denn mit einem Gaul kann er ja nicht ungesehen verduften.«

Die Alte sah dem Sheriff in die zugekniffenen Augen und kicherte amüsiert. Dann machte sie ein verschmitztes Gesicht und beugte sich dicht zu ihm hin.

»Sie sind doch ein verdammt schlauer Fuchs, Sheriff Sunningdale, nur zu weich für Ihr Amt. Sie hätten die sechs Kerle unter allen Umständen festsetzen müssen; das hätte Ihnen später viel Arbeit erspart. Ich will Ihnen aber verraten, wo Sie mal suchen sollten. Da drüben, hinter dem Korral vom Schmied Crabtree, wo die Mavericks fürs Rodeo stehen. Das Weideland senkt sich da und ...«

»Damned, richtig! Daran habe ich nicht gedacht!« Der Sheriff hatte es auf einmal sehr eilig fortzukommen. »Will sehen, dass ich ihn noch erwische, hätte 'ne verdammte Frage an ihn. Good Morning, Madam. Und nochmals vielen Dank für Ihren Rat.« Damit stiefelte er davon.

Die Alte sah ihm kopfnickend nach, dann schloss sie mit einem kurzen Kichern das Fenster.

»Zu meiner Zeit waren die Boys erheblich misstrauischer und fielen nicht so leicht auf das Geschwätz eines alten Weibes herein«, knurrte sie und wandte sich um. »Was sagen Sie dazu, junger Mann, he? Gute Burschen, aber langsam im Denken, diese Texaner, was meinen Sie?«

»Ich meine, dass Sie eine verdammt patente Frau sind, Mrs. Jester.« Der junge Mann auf dem knarrenden Ledersofa strich sich über den dunklen Haarschopf und lachte vergnügt. »Ich habe noch keinen Menschen – vor allem keine Frau – kennengelernt, die so schnell schaltet wie Sie. Es war verdammt eng, als ich bei Ihnen anklopfte.«

»Wusste sofort, was anlag. Aber Sie hätten die sechs Kerle wegputzen sollen, wenn es der Sheriff nicht tat«, versetzte sie ärgerlich.

»Verdient hätten es die wohl, Mrs. Jester«, gab Tom Prox, der Chef der Ghost Squad, zu. »Aber wir leben heute nicht mehr in der Zeit der Pioniere ...«

»Der Sunningdale hat wirklich keine Augen im Kopf, hätte sonst die Hufspuren Ihres Gauls vor dem Schuppen sehen müssen«, meinte sie immer noch amüsiert lächelnd. »Ich werde das Tier nachher absatteln, denn wenn mich nicht alles täuscht, würden Sie gern bei mir zum Essen bleiben.«

»Ich sage nicht Nein, Mrs. Jester«, erwiderte der Ghostchef lachend. »Ich hatte schon von mir aus die Absicht, Ihre Gastfreundschaft bis Sonnenuntergang in Anspruch zu nehmen. Ich habe meine Gründe, bis dahin ungesehen zu bleiben, denn ich ...« Er zögerte einen Augenblick.

»Ich bin nicht neugierig, wenn ich auch eine alte Frau bin«, unterbrach sie ihn energisch. »Wie heißt Ihr Gaul? Möchte mich nicht gern treten lassen.«

»Susy. Nehmen Sie dieses Tuch hier und halten Sie es ihr an die Nüstern. Die Lady wird dann wissen, dass es in Ordnung geht.« Er nahm sein Halstuch ab und reichte es ihr.

»All right. Ihr Gaul scheint genau so merkwürdig zu sein, wie Sie es sind.«

Fortune City war ein seltsamer Ort. Er bestand aus dem Zentrum mit einem Platz, um den herum zwei zweistöckige Holzhäuser und ein sehr großer, hoher Zeltbau lagen. Von diesem Mittelpunkt aus gingen strahlenförmig nach allen vier Windrichtungen wie mit dem Lineal gezogene Gassen ab, in denen sich zahlreiche kleinere Gebäude – meist primitive Holzhütten – aneinanderreihten. Am Ende einer dieser Gassen, die sich, weil etwas breiter als die anderen, überheblich Main Street nannte, lag auf einer kleinen Anhöhe ein villenartiges Holzgebäude mit einem aus Bruchsteinen gefügten Unterbau. Es war mit einem hohen und dichten Stacheldrahtzaun umgeben.

In diesem Haus wohnten die Gründer dieser merkwürdigen Siedlung, die Brüder Jonas und Kevin Manning.

Jonas, ein Mann von etwa vierzig Jahren, war ein robuster, finster wirkender Bursche, dessen ausgeprägtes Boxergesicht durch eine Narbe, die sich quer über die rechte Wange zog, noch besonders verunstaltet wurde. Er hatte dunkle, stechende Augen und einen so schwerfälligen Gang, dass er an einen ungeschlachten Bären erinnerte. Er trug ständig hirschlederne Reithosen, die in hohen Reitstiefeln steckten, eine dunkelgraue Cordjacke und auf dem Kopf eine steife Melone.

Sein jüngerer Bruder Kevin war genau das Gegenteil von ihm. Keiner, der die beiden nicht kannte, hielt sie überhaupt für Brüder. Kevin erweckte mit seinem zarten, ovalen Gesicht und der fast zierlichen Figur den Eindruck eines kaum zwanzigjährigen Jünglings, dabei hatte er die Dreißig längst überschritten. Seine dunkelblauen Augen blickten offen und sanft, fast ein wenig naiv in die Welt.