Tom Prox 106 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 106 E-Book

Alex Robby

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eigentlich sind die Indianerkriege längst Geschichte. Und doch geraten Tom Prox und die Ghosts mitten hinein in blutige Auseinandersetzungen - nicht nur zwischen Weißen und Indianern, sondern sie müssen auch hilflos mit ansehen, wie sich die Roten untereinander bis aufs Blut bekämpfen.
Wer oder was aber hat diese furchtbaren Gemetzel ausgelöst? Was bedeutet die geheimnisvolle Botschaft, die Tom und Agentin Ruby Long bei einem ermordeten Indianer finden? Und wer ist der Mann mit dem sanftem Blick, vor dem der Tote den Captain warnen sollte?
All diese Fragen verlangen nach raschen Antworten, und die Suche danach führt die Ghosts bis tief ins Indianer-Territorium ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 160

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Sättel ohne Reiter

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

Aus dem Wilden Westen

Vorschau

Impressum

Sättel ohne Reiter

Von Alex Robby

Eigentlich sind die Indianerkriege längst Geschichte. Und doch geraten Tom Prox und die Ghosts mitten hinein in blutige Auseinandersetzungen – nicht nur zwischen Weißen und Indianern, sondern sie müssen hilflos mit ansehen, wie sich die Roten untereinander bis aufs Blut bekämpfen.

Wer oder was aber hat diese furchtbaren Gemetzel ausgelöst? Was bedeutet die geheimnisvolle Botschaft, die Tom und Agentin Ruby Long bei einem ermordeten Indianer finden? Und wer ist der Mann mit dem sanftem Blick, vor dem der Tote den Captain warnen sollte?

All diese Fragen verlangen nach raschen Antworten, und die Suche danach führt die Ghosts bis tief ins Indianer-Territorium ...

1. Kapitel

Mehr und mehr wich die Nacht der Dämmerung. Der Kampf des Sonnenlichts mit den nächtlichen Nebeln begann.

Langsam stiegen die Dunstschleier um die dicken Stämme der Bäume empor. Der einsetzende, im Geäst säuselnde Morgenwind trieb die Schwaden auf und ab, ließ sie kreiseln, um sie endlich, wie einen lästigen Spuk, ganz zu verwehen. Es roch nach dem Harz der Fichten und duftete nach blühenden Waldgräsern. Myriaden von Käfern, Hummeln, Waldbienen und Insekten aller Arten surrten um die taubesetzten Sträucher des Hochwaldes.

In weiter Ferne schrie ein Vogel, ein zweiter antwortete, dann ein dritter. Ein Tannenhäher duckte sich auf einem Zweig, er äugte zu den hoch oben in den Lüften kreisenden Adlern empor. Er schrie warnend, dann schwang er sich in die Luft und strich im niedrigen Flug durch das im Wind wiegende Grün der Tannen.

An einem Windbruch neben dem Wildpfad stand ein kleines Antilopenrudel. Die graziösen Tiere zupften an den würzigen Blättern der wilden Himbeersträucher.

Plötzlich horchte eines der Tiere auf.

Seine großen Lauscher spielten, die geweiteten Nüstern sogen witternd die Luft ein, und in den großen, sanftmütigen Lichtern stand weniger Schreck als Neugierde. Ein leises Fiepen ließ nun auch die anderen Tiere aufhorchen, dann warfen alle, wie an einer Schnur gezogen, die braunen Körper mit einem eleganten Schwung herum und verschwanden ohne allzu große Hast im Wald.

Zwei Pferde brachen, eines hinter dem anderen, auf dem Wildpfad zwischen den Hecken hervor. Sie wieherten verhalten, als sie das Wasser des Flusses witterten, dessen Rauschen ihre Reiter nun ebenfalls hören konnten.

Auf dem kleinen Plateau, auf dem der Wildpfad endete, zügelte der vordere mit leichtem Anziehen seine drahtige Stute. Wie in Gedanken fuhr er sich mit der Hand über das struppige, dunkle Haar und blickte in die Tiefe auf das Flussbett hinunter.

Der nachfolgende große Rapphengst drückte sich neben seine Artgenossin, stieß ihr leicht mit dem Kopf gegen den Hals und schnaubte sie zärtlich an. Seine Reiterin musste darüber hell lachen, dann warf sie gleichfalls einen Blick in das Tal.

Das hagere, wettergegerbte Gesicht des noch verhältnismäßig jungen Mannes war nachdenklich, und eine schmale Falte zog sich über seine Stirn. Das Mädchen warf ihm einen verstohlenen Blick zu, sagte aber nichts, sondern rückte ihren breiten Ledergurt zurecht, an dem in verkürztem Riemen ein Holster hing, aus dem der Elfenbeinkolben eines Colts lugte.

Sie trug die gleichen mit bunten Fransen verzierten Lederhosen wie ihr Begleiter, und über ihrem hellen Hemd lag ein gleichfalls mit Bändern geschmückter Lederjanker, über dem ein rotes Dreiecktuch vorn von einer Goldschnalle gehalten wurde. Das Mädchen war ohne Zweifel eine Schönheit. In ihrem klugen, braungebrannten Gesicht fielen die grün schimmernden Augen auf, die einen seltsamen Kontrast zu dem eigenartig rötlichen Haar bildeten.

»Welch ein tiefer Frieden!«, sagte sie tief aufatmend voller Andacht zu ihrem Begleiter.

»Und doch trügt der Schein«, erwiderte der ein wenig ironisch. »Der Wald ist erfüllt mit ewigem Krieg und dem Kampf um die nackte Existenz seiner Kreaturen. Eines frisst das andere. Die da oben sowohl«, er deutete zu den immer noch im Himmelsblau kreisenden Adlern, »wie die Füchse auf der Erde und die kleinsten Raubtiere, die Haselmäuse und Maulwürfe, im dichten Waldboden.«

»Sie tun es, um ihr eigenes Dasein zu fristen. Sie töten, um selbst zu leben. Nur uns Menschen bleibt es vorbehalten, aus anderen Motiven zu töten«, erwiderte sie.

»Womit wir zum Zweck unseres Teufelsrittes gekommen wären.« Tom Prox, der Chef der Ghost Squad, lachte und warf er einen Blick zur Sonne. »In drei Stunden haben wir Mittag. Nick Overley wollte heute am Flussknick sein, wenn die Sonne am höchsten steht. Wir müssen uns also beeilen, denn es dürfte etwas schwierig werden, von hier hinunterzukommen. Dann sah er noch kurz in die Tiefe und zog ein Papier aus der Tasche. Er strich es glatt und studierte die darauf mit Bleistift eingezeichnete rohe Skizze.

»Links von diesem Plateau führt ein Serpentinenweg, den einst die Indianer angelegt haben sollen, in den Canyon hinunter. Nach Nicks in Indianerart gefertigter Zeichnung endet der Weg unweit einer Creekmündung in den Fluss. Die Stelle hat er als Treffpunkt bestimmt. Es ist schon Indianerland und damit für Bleichgesichter Sperrgebiet.« Er lächelte. »Nur scheinen sich einige von ihnen in letzter Zeit nicht mehr danach zu richten«, fügte er wie zur Erklärung seines Lächelns hinzu.

Sie fanden den Serpentinenweg ohne Schwierigkeiten. Er war keineswegs so steil, wie Tom Prox befürchtet hatte, doch er war durch das Geröll und die vielen Kehren für Pferde und Reiter gleich ermüdend. So waren sie denn auch sehr zufrieden, als sie endlich das Ufer des monoton dahinrauschenden Stromes erreicht hatten.

Tom Prox und seine Agentin glitten aus den Sätteln und streiften ihren Tieren die Zaumzeuge herunter. Die Stute und der Hengst stampften über die blank geschliffenen Kieselsteine zum Flussbett und sogen mit Behagen das kristallklare Wasser ein.

»Wer ist eigentlich dieser Nick Overley, Tom?«, fragte Ruby Long, während sie auf zwei großen Felssteinen saßen und sich dem Genuss ihrer Zigaretten hingaben.

»Einer von jenen alten Trappern, die heute fast ausgestorben sind«, erklärte der Ghostchef. »Er muss schätzungsweise schon an die Achtzig sein, denn er lebte hier am Rande der Painted Desert bereits, bevor dieses Gebiet zum Indianerreservat erklärt wurde. Nick ist weit über Arizona hinaus eine bekannte Figur. Er stellt so eine Art Verbindungsmann vom Governor zu den Indianerstämmen dar. Man könnte ihn auch den Indianer-Sheriff nennen, auch wenn er ihnen offiziell nicht viel zu sagen hat, denn auf ihrem Land bestimmen sie selbst. Es muss schon etwas ganz Besonderes vorliegen, denn Nick ist kein Freund vom Papierkrieg und außerdem ein Mann, der seine Sache selbst vertritt. Auf der Skizze hier sind einige ... damn'!«, unterbrach sich Tom, als der Donner eines Schusses von den Canyonwänden widerhallte. Auf den hell peitschenden Büchsenschuss folgte ein dumpfes Grollen, dann war es wieder still.

Tom Prox hatte mit einem Pfiff die Pferde herangeholt. Hastig streiften sie ihnen das Zaumzeug über und saßen rasch auf.

Hier unten in der Tiefe des Canyons gab es keinen Pflanzenwuchs, nur große Felsbrocken und feines Kieselgeröll. Die Pferde kamen daher nur mühsam vorwärts, rutschten ständig aus, und der Lärm, den die auf die Steine schlagenden Eisen machten, übertönte sogar noch das Rauschen des Wassers.

»Es wird wohl besser sein, wenn wir absteigen«, meinte Tom Prox. Er schwang sich aus dem Sattel und ließ den Zügel hängen. Ruby folgte seinem Beispiel. Einen Augenblick lauschte er noch, dann griff er entschlossen nach der im Sattelschuh steckenden Büchse.

»Mir gefällt die Sache nicht«, sagte er verhalten. »Dem Klang nach kamen die Schüsse genau von dort, wo wir hinwollen.«

Ohne die Pferde ging es bedeutend schneller vorwärts. Größere Felssteine sowie vorspringende, wild zerrissene Wände gaben ihnen eine gute Deckung.

»Dort vorn muss die Creekmündung liegen«, meinte Tom Prox plötzlich. »Wir sind ...« Er brach ab, hetzte über die Steine. Trotzdem war er nicht schnell genug. Der Mann, der sich unweit des Flussufers über einen dunklen Gegenstand gebeugt hatte, der sich von den hellen Steinen abhob, fuhr herum. Es flammte auf, und der heransurrenden Kugel entging der Ghostchef nur dadurch, dass er sich blitzschnell zu Boden warf. Er spürte den Luftdruck des über ihn hinwegzischenden Geschosses.

Es donnerte abermals. Diesmal hatte die Agentin gefeuert. Da sie aber nur den Colt zur Verfügung hatte, ging angesichts der Entfernung auch ihre Kugel daneben. Bevor Tom Prox seine Büchse in Anschlag gebracht hatte, war der Mann zwischen den zahlreichen Felsbrocken verschwunden. Sie hörten noch Hufschlag, der rasch verklang.

Als Tom Prox dann neben dem Toten stand, atmete er unwillkürlich auf, wenn er sich auch seiner Erleichterung etwas schämte. Denn wenn es auch nicht Nick Overley war, wie er zunächst befürchtet hatte, so lag vor ihm doch ein Mensch, dem nicht mehr zu helfen war.

Es war ein Indianer. Sein blauschwarzes Haar war im Nacken zu einem Knoten verschlungen. Eine blutgerötete Strähne hing ihm bis auf die linke Brust herab. Der Mann musste sofort tot gewesen sein. Sein bronzefarbenes Gesicht war so friedlich, als ob er schliefe. Nur die geöffneten, starren Augen passten nicht dazu.

»Der Mörder muss etwas bei ihm gesucht haben«, meinte Tom, als Ruby neben ihm stand. Das bräunliche Lederhemd des Toten war aufgerissen und halb nach außen gedreht. Auch die großen Taschen des Lederkittels waren leer. Der Inhalt, ein Taschenmesser, ein kleiner Lederbeutel, ein Zinkkamm und eine alte Kupfermünze, lagen auf dem Boden verstreut. Sogar die schmalen, flachen Lederschuhe, die mit mehreren Endgliedern der Klapper von Klapperschlangen verziert waren, hatte der Mörder seinem Opfer ausgezogen.

»Der arme Teufel«, meinte Ruby Long gedrückt. »Daher auch der dumpfe Donner.« Sie deutete auf eine vorsintflutliche Kentucky-Büchse, die neben dem Toten lag.

»Er konnte damit gegen die weittragende Winchester nichts ausrichten«, nickte Tom. »Er muss völlig ahnungslos hier gestanden haben. Vermutlich hat ihm der Täter bereits aufgelauert, denn ein Indianer lässt sich sonst so leicht nicht überraschen. Diese Naturkinder haben nicht nur ein äußerst feines Gehör, sondern auch einen angeborenen Instinkt für Gefahr.«

»Ist das nicht die Stelle, an der wir mit Nick Overley zusammentreffen sollten?«, fragte Ruby.

»Das ist ja das Sonderbare! Ich kann einfach nicht verstehen, warum Nick nicht gekommen ist. Was wollte dieser Indianer hier? Er gehört zu den Pima. Dem Stirnband nach kann es gut ein Tarahumara sein. Die Pima gliedern sich nämlich in viele Einzelstämme.«

Einem plötzlichen Einfall folgend, löste Tom das breite perlenbesetzte, weiße Lederband von der Stirn des Toten. Seine Finger glitten an dem inneren Rand entlang.

»Da haben wir's ja!«, entfuhr es ihm überrascht, und er zog einen Papierstreifen heraus. »Eine Botschaft! Ich kenne die Sitte der Indianer, so etwas im Stirnband zu tragen. Der Mörder jedoch wusste das nicht, was einen bestimmten Schluss zulässt.«

Er hatte das Papier auseinandergefaltet. Es waren nur wenige Worte darauf gekritzelt, doch er brauchte lange, bevor er sie entziffert hatte, und auch dann gaben sie ihm nur wenig Aufschluss.

»Das begreife ich nicht so recht«, meinte er stirnrunzelnd. »Nick scheint diesen Mann geschickt zu haben, um uns zu ihm zu führen. Er schreibt hier, soweit ich es entziffern kann: ,Kann leider selbst nicht kommen ... Schlange im heiligen Berg in Gefahr. Vorsicht vor Mann mit sanftem Blick ... Suhahamas gelber Pfeil als Geleit ... Vertrauen. Nick.' Kannst du daraus etwas machen, Ruby? Es scheint, als müsse Nick irgendetwas beschützen. Aber eine Schlange ...«

»Demnach ist der tote Indianer Suhahama gewesen. Wir sollten ihm Vertrauen schenken.«

»Richtig, es ist symbolisch. Denn Suhahama heißt auf Indianisch ungefähr ,der Vertrauenswürdige'. Aber was soll das mit dem gelben Pfeil?«

»Sieh doch mal dort, Tom!« Sie wies auf eine kleine, wie eine Ledertrommel geformte Hülle, aus der ein Pfeilschaft ragte. Die Spitze steckte im Köcher, und das herausragende Pfeilende war mit kurz gestutzten, gelbgefärbten Federn dicht besetzt.

»Der Farbe nach ein Jagdpfeil der Pima! Natürlich, das ist die Lösung: Der Pfeil stellt so etwas wie einen Geleitbrief dar, für den Fall, dass sein Träger auf fremde Stämme gestoßen wäre. Fassen wir also zusammen: Als Nick Overley mir den Brief schickte, in dem er um ein Treffen hier am Colorado-Knick bat, wusste er bereits von irgendeiner Gefahr. Inzwischen muss sich diese Gefahr verstärkt haben. Deshalb konnte er nicht selbst kommen, sondern schickte den armen Teufel hier, der uns zu ihm bringen sollte. Bleibt nur noch der geheimnisvolle Satz: ,Vorsicht vor dem Mann mit dem sanften Blick.' Dieser scheint hier nun sein Opfer gefunden zu haben. Ich sah von ihm nicht mehr als gerade noch die hochgerissene Büchse.«

»Er war gut mittelgroß und trug Cowboykleidung mit auffällig großen Radsporen«, ergänzte Ruby. »Mehr war auf die Entfernung nicht zu erkennen.«

»Mexikanische Radsporen trägt in Arizona jeder dritte Cowboy«, meinte Tom ärgerlich. »Wir werden nachher nach Hufspuren suchen, viel herauskommen wird bei dem Steinboden allerdings nicht. Zunächst aber wollen wir das hier ...« Er brauchte den Satz nicht zu beenden, Ruby Long wusste auch so, was geschehen musste.

Es wurde eine traurige, recht beschwerliche Arbeit. Endlich fügten sie die letzten Steine auf den länglichen, niedrigen Hügel, unter dem der Indianer Suhahama seine letzte Ruhe gefunden hatte.

»Seine Stammesbrüder werden ihn später holen, um ihn nach ihrem Ritus zu bestatten, damit er zu ihrem Heiligen Geist eingehen kann. Der ist bei den einzelnen Stämmen verschieden. Die einen gehen zu Manitu ein, die anderen reisen in die ewigen Jagdgründe, wieder andere glauben an Naturgottheiten, sogar an die Sonne.«

»Und im Grunde meinen doch alle damit nur den Allmächtigen Schöpfer, denke ich«, versetzte Ruby verhalten. »Und was machen wir jetzt, Tom?«

»Wir reiten ins Indianerland, Ruby. Nur darfst du mich nicht fragen, wohin dort, denn darauf wüsste ich dann keine Antwort. Ich bin noch nie in diesem Gebiet gewesen und weiß nur, dass die Painted Desert ungefähr zweihundert Quadratkilometer groß ist. Mitten in dieser Wüstenlandschaft gibt es aber fruchtbare Täler und Weideland, Hügel und Berge. Und dort wohnen die Stämme der Pima, friedliche, aber auch recht kriegerische. Wir müssen versuchen, über sie zu Nick Overley zu gelangen.«

Bevor die Sonne unterging, hatten die Ghosts den Canyon verlassen. Tom Prox zog seinen Taschenkompass zurate.

»Von San George aus sind wir immer südöstlich geritten. Jetzt müssen wir uns genau nach Osten halten, bis der Hochwald von dem Wüstengebiet abgelöst wird. Wir werden in dieser Richtung auf den Oberlauf des Rio Grande stoßen, der schon in New Mexico liegt. Teufel noch mal, welch ein Zufall!« Er zog den Zügel an.

»Ist dir nicht gut, Tom?«, spöttelte Ruby.

»Erinnerst du dich an den Auftrag, den Snuffy und Ben bekamen?«, erwiderte Tom.

»Ja, eine recht langweilige Sache.« Sie nickte. »Die beiden sollten einen Regierungsbeauftragten begleiten. »Der Lange war sehr empört darüber und erklärte, er wäre doch kein Babysitter.«

»Stimmt. Es ist ein Gelehrter, der irgendwelche geologischen oder ethnologischen Untersuchungen anstellen will. Er hat Vollmachten vom Gouverneur, war aber wohl noch nie im Westen, daher hielt man höheren Ortes einen Polizeischutz für erforderlich. Daran ist nichts Besonderes. Originell ist nur, dass sie genau uns eigentlich entgegenkommen müssen, denn sie sollen ihren Schützling ja an der Ostgrenze der Painted Desert treffen.«

»Merkwürdig. Meinst du, dass da mit unserer Sache vielleicht ein Zusammenhang besteht?«

»Kann es mir nicht denken.« Tom schüttelte den Kopf. »Es ist nur kurios, dass wir theoretisch mitten im Wüstengebiet auf sie stoßen könnten. Das wäre dann so, als stöberte man eine Stecknadel in einem Heuhaufen auf. Wir wollen aber jetzt sehen, dass wir eine geschützte Stelle finden, die Sonne steht schon tief.«

»Wir haben in den vergangenen sechs Monaten in Middlesix nur einen einzigen Fremden zu Gesicht bekommen, Gents«, erklärte der Sheriff des kleinen, an der Ostgrenze des Staates Arizona gelegenen Ortes missmutig. Er saß fröstelnd, nur mit einem Nachthemd bekleidet, über das er malerisch eine bunte Decke drapiert hatte, auf einem Stuhl in seinem Office. Der Überfall durch die beiden nächtlichen Besucher, die plötzlich an seinem Bett gestanden und sich als Angehörige der Special Police ausgewiesen hatten, steckte ihm noch in den Knochen.

Er goss sich aus der neben der Lampe stehenden Flasche sein Glas randvoll und stürzte den Inhalt auf einen Zug hinunter. Der scharfe Brandy trieb ihm zwar das Wasser in die Augen, verbesserte aber seine Laune wenigstens etwas.

»Um mich zu fragen, hätten sie sich, weiß Gott, auch eine andere Tageszeit aussuchen können«, fügte er grollend und mit gerunzelter Stirn hinzu.

»Ghosts kommen nur bei Nacht«, meinte einer der Besucher grinsend. »Aber mal weiter! Erzählen Sie uns doch ein bisschen mehr über diesen Fremden!«

»Was soll es da schon geben?« Ham Colltert zuckte die Achseln, und sein breitflächiges Gesicht verzog sich ärgerlich. »Es war ein ruhiger, älterer Mann mit weißem Haar. Mehr ein Gentleman, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er hatte einen kleinen Spitzbart und eine Brille mit dicken Gläsern. So was bekommt man bei uns nicht alle Tage zu sehen. Er sah nach einem Quäker aus, war aber wohl keiner, denn er trank Whisky, wenn auch mit Soda verdünnt, aber von Buttlers Bestem! Er wohnte vier Tage in dessen Gasthof ,Zum wiehernden Hengst'.«

»Und wissen Sie, was der Mann mit dem Ziegenbart in Ihrem hübschen Städtchen wollte, Mr. Colltert?«

»Er hat erklärt, dass er hier auf jemanden warten würde.«

»Aha! Und verriet er Ihnen auch, auf wen?« Snuffy Patterson, der hagere Sergeant der Ghost Squad, stieß seinen Freund und Kollegen, den behäbigen Ben Closter, vielsagend an. Die beiden hatten es sich auf dem knarrenden Ledersofa im Office bequem gemacht.

»No, das tat er nicht.« Der Sheriff schüttelte den Kopf. »Ich fragte ihn ausdrücklich nach dem Woher und Wohin, wie man das so tut, wenn sich wirklich mal ein Fremder hierher verirrt ... weniger aus dienstlichen Gründen als aus reiner Neugier. Sie werden das vielleicht verstehen, Gents.« Er lachte, schenkte die Gläser abermals voll und war jetzt wohl endlich richtig wach. »Bei uns ist selten was los. Wenn da mal einer kommt, dann will man auch wissen ...«

»Sie fragten den Fremden also nach dem Woher und Wohin?«, unterbrach Patterson den recht schwatzhaft veranlagten Amtsgewaltigen von Middlesix ungeduldig. »Er wird Ihnen darauf sicher eine Antwort gegeben haben. Was erwiderte er denn auf Ihre Fragen?«

»Er gab mir nur bereitwilligst über das Woher eine Auskunft«, versetzte der Sheriff, über die Unterbrechung leicht verärgert. »Er stammt aus dem Osten. Ich glaube, er sagte was von Cincinnati und war mit der Bahn bis Fort Wingate gekommen. Sie wissen doch, dass dieses Kaff noch drüben in New Mexico liegt. Über die Grenze und bis Fort Defiance hatte er die Kutsche genommen und war dann mit einem Mietwagen weitergefahren. Wie schon erwähnt, wohnte er drüben in Buttlers Gasthof. Es ist der Einzige, den wir hier haben ... Vier Tage blieb er hier, wurde immer unruhiger und ritt dann weiter. Um ganz genau zu sein: Er ist gestern ganz in der Frühe aufgebrochen.«

»Er ist fortgeritten?«, meinte Patterson verblüfft. »Woher hat er denn den Gaul genommen?«

»Er hatte sich drei Pferde von Buttler gemietet. Der Keeper unterhält auch einen Store und einen kleinen Reitstall. Das rentiert sich, weil sich viele bei uns keine eigenen Gäule halten. Warum sollten sie es auch tun? Gäule brauchen Pflege und Futter. Und wir haben hier genug andere Arbeit.«

»Damned, Ihre Einwohner interessieren uns jetzt wenig«, schnaubte der Lange. »Erzählen Sie mir lieber, wohin der Mann wollte.«

»Da fragen Sie mich nun wirklich zu viel.« Sheriff Colltert zuckte die Schultern. »Er hat mir weder gesagt, wohin er wollte, noch, warum er hier bei uns überhaupt aufkreuzte. Ein freier Bürger kann ja auch machen, was er will. Wir leben in einem freien Land und da ...«