Tom Prox 140 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 140 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Am Golf von Mexiko passieren Dinge, die zunächst nicht zu erklären sind. Verwickelt darin sind auch zwei konkurrierende Ranches, von denen auf der einen, der Shipwreck-Ranch, der dandyhafte James Power seinem Vater Jonathan die Führung streitig machen will, während auf anderen, der Plenty Calves-Ranch, mit Denise Bressart eine junge Frau das Sagen hat. Als einige Cowboys der Shipwreck-Ranch sowie ein alter Schwarzer ermordet werden, sind weder Motiv noch Täter erkennbar. Stattdessen aber treibt ein gespenstischer, in Seeräubertracht gekleideter Reiter des Nachts sein Unwesen, und schnell macht das Gerücht vom Geist des Torture Harry, einst blutrünstiger Pirat am Golf, die Runde und verbreitet Angst und Schrecken.
Die Policemen der Ghostsquad mögen zwar ein "Ghost" im Namen führen, an Geister aber glauben Captain Tom Prox und seine beiden Sergeanten selbstverständlich nicht. Vielmehr hat Prox schon bald einen handfesten Verdacht, wer hinter den Verbrechen stecken könnte, allein, es fehlt nach wie vor jedes Motiv. Dann aber werden Denise Bressart und ihre beste Freundin entführt, und für die Ghosts beginnt ein unerbittliches Rennen gegen die Zeit ...

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Inhalt

Cover

Der Turm des Schreckens

Vorschau

Impressum

Der Turmdes Schreckens

von Alex Robby

Am Golf von Mexiko passieren Dinge, die zunächst nicht zu erklären sind. Verwickelt darin sind auch zwei konkurrierende Ranches, von denen auf der einen, der Shipwreck-Ranch, der dandyhafte James Power seinem Vater Jonathan die Führung streitig machen will, während auf anderen, der Plenty Calves-Ranch, mit Denise Bressart eine junge Frau das Sagen hat. Als einige Cowboys der Shipwreck-Ranch sowie ein alter Schwarzer ermordet werden, sind weder Motiv noch Täter erkennbar. Stattdessen aber treibt ein gespenstischer, in Seeräubertracht gekleideter Reiter des Nachts sein Unwesen, und schnell macht das Gerücht vom Geist des Torture Harry, einst blutrünstiger Pirat am Golf, die Runde und verbreitet Angst und Schrecken.

Die Policemen der Ghostsquad mögen zwar ein »Ghost« im Namen führen, an Geister aber glauben Captain Tom Prox und seine beiden Sergeanten selbstverständlich nicht. Vielmehr hat Prox schon bald einen handfesten Verdacht, wer hinter den Verbrechen stecken könnte, allein, es fehlt nach wie vor jedes Motiv. Dann aber werden Denise Bressart und ihre beste Freundin entführt, und für die Ghosts beginnt ein unerbittliches Rennen gegen die Zeit ...

Ein flüchtiger Beobachter wäre kaum auf den Gedanken gekommen, dass Alabama Henric Washington diese irdische Welt für immer verlassen haben könnte. In dem zerfurchten Gesicht des alten, schwarzen Mannes stand ein so friedliches Lächeln, als wäre er soeben erst in Schlaf gesunken. Der Tote schien im Schatten der Trauerweide, deren Zweige sich in dem leichten Seewind leise wiegten, einen wundervollen Traum zu träumen.

George Ceelison, der Sheriff von Eastshore City, war aber kein flüchtiger Beobachter. Seine harten grauen Augen hatten schon vom Sattel aus das kleine, runde Loch auf der Stirn des Alten entdeckt. Als er dann neben dem Toten kniete, erblickte er die wenigen, bereits angetrockneten Blutstropfen, die sternförmig von dem Loch auf der Stirn ausgingen und auf der schwarzen Haut kaum zu erkennen waren.

Die Ursache des Todes des Schwarzen, der einst im Leben so stolz auf seinen langen, klangvollen Namen gewesen war, stand also fest. Umso rätselhafter war der Grund, weswegen dieser harmlose Alte sein Leben hatte lassen müssen.

Von Jugend auf war er ein armer Teufel, aber ein stets fröhlicher Mensch gewesen. Er hatte sich mehr schlecht als recht durch Baumwollpflücken auf der Fine Cotton-Farm ernährt und in jedem Jahr einen Job beim Rinderbrennen auf der Plenty Calves-Ranch angenommen. Wenn es irgendwo galt, einen Zaun zu streichen oder einen Brunnen zu mauern, hatte man ihn ebenfalls geholt. Und im Winter besohlte er Reitstiefel und vernietete Sporenräder.

»Old Alabama«, wie er allgemein genannt wurde, war im ganzen Distrikt bekannt und beliebt. Selbst die »Schwarzenhasser« unter den weißen Bewohnern dieses Landesteiles von Süd-Texas an der Ostküste des Golfs von Mexiko hatten mit ihm eine Ausnahme gemacht.

Sie hatten ihn nicht einen »alten, stinkenden Nigger«* genannt, wie dies sonst üblich war, sondern er hieß allgemein auch bei ihnen der »Fine black Man«, was bei der Einstellung der Südstaatler den Schwarzen gegenüber schon etwas bedeuten wollte.

Während der Sheriff den Toten untersuchte und ihm die wenigen Habseligkeiten aus den Hosentaschen holte, standen mehrere Cowboys der Shipwreck-Ranch, einer riesigen Besitzung, deren eine Grenze die sehr lange Meeresküste bildete, schweigend daneben.

Beim Aufspüren einiger versprengter Rinder hatten sie den Toten unter der Trauerweide gefunden und den Sheriff durch einen Expressreiter benachrichtigt.

Jetzt hatten sie die Stetsons von den Köpfen gezogen, und ihre Füße scharrten verlegen im gelben Sande. Aus ihren ernsten Gesichtern war mehr als nur die Erschütterung über diese völlig unverständliche Mordtat zu lesen, denn in ihren Augen glomm auch maßlose Wut und unbändiger Hass.

»Yeah, Boys, Old Alabama ist nicht mehr zu helfen«, meinte der Sheriff verhalten und richtete sich auf. »Es muss meiner Schätzung nach erst heute Morgen in der Frühe passiert sein, denn sonst ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Das war auch nicht erforderlich, denn die glühenden Sonnenstrahlen, die auf die Männer hernieder brannten und ihnen den Schweiß aus den Poren trieb, besagten genug.

«,Fine black Man' war beim Strandgut sammeln«, erklärte einer der Cowboys und deutete mit der Hand auf die schweren Bohlen, Rundhölzer und Bretter, die unweit von ihrem Standort am Strand säuberlich aufgestapelt waren.

Bevor der Sheriff etwas erwidern konnte, wurde Hufschlag hörbar. Zwei Reiter erschienen zwischen den Hecken oben am Rande des steilen Hanges; sie zügelten ihre Gäule und drückten sie dann, schräg zu dem mit niedrigen Büschen und hohen Strandhaferbüscheln bewachsenen Hang reitend, hinunter zu der kleinen Gruppe.

Die Cowboys hatten den Kreis geöffnet und den Pferden Platz gemacht.

»So eine verdammte Schweinerei!«, brachte der ältere der beiden mit einem Blick auf den Toten am Boden heraus. Er war groß und breitschultrig und hatte ein bulliges Gesicht, dem ein beachtlicher Schnauzbart etwas Martialisches gab.

Jonathan Power, der Besitzer der Shipwreck-Ranch, war als ein kriegerischer und leicht »explosiver« Mann bekannt.

»Wie konnte denn das passieren?« Die Frage grollte tief aus der behaarten, breiten Brust hervor, die das weit geöffnete Hemd zu sprengen drohte. Er nahm den Stetson ab, und die Silberfäden in seinem dunklen Haar glitzerten in der Sonne.

»Wenn ich wüsste, wie es passiert ist, wäre mir wohler«, knurrte Sheriff Ceelison keine Spur liebenswürdiger als der Rancher. »Ich wüsste dann nämlich auch, wo ich den Täter zu suchen hätte.«

»Vom Suchen zum Finden ist aber noch ein weiter Weg, Mr. Ceelison«, höhnte Power unmutig. »Bis jetzt haben Sie ja nicht mal die Kerle gefasst, die in den vergangenen drei Monaten zwei von meinen Boys aus den Stiefeln holten und den armen Buggy Lister zum Krüppel schossen.«

»Dabei liegt die Plenty Calves-Ranch nur zwei Reitstunden von seinem Office in Eastshore City entfernt«, spottete der Begleiter des Ranchers. Er war wesentlich jünger, ihm aber, bis auf die Silberfäden im Haar und den Schnauzbart, wie aus dem Gesicht geschnitten.

»Bringen Sie mir den Beweis, Mister Power, dass die Täter auf der Plenty Calves-Ranch zu suchen sind«, murrte der Sheriff wütend zurück. »Die Tatsache allein, dass sich die Boys Ihrer Ranch und die von der Plenty Calves gegenseitig nicht riechen können, reicht nicht aus!«

»Es weiß aber jeder im Lande, dass ...«

»Shut up, James!«, unterbrach ihn der Rancher wütend. »Und nimm gefälligst deinen verdammten Mexdeckel ab, wenn du vor einem Toten stehst!«

Sein Sohn biss sich auf die Lippen, denn das verstohlene Grinsen einiger Cowboys war ihm nicht entgangen, und er nahm gehorsam den breitrandigen Sombrero aus feinstem Panama-Stroh ab.

Im Unterschied zum recht salopp gekleideten Vater trug James eine hautenge Hose nach Farmerart, nur dass diese nicht aus Stoff, sondern aus weichem Leder bestand.

Sein Hemd war aus gelblicher Rohseide, und darüber trug er eine kurze Saffianlederweste. Die großen Radsporen an den gelben Reitstiefeln, deren Schäfte in der Sonne blitzten, waren aus Silber. Auch der Coltgürtel aus breitem Büffelleder war ringsum mit Silberplättchen verziert.

»Was nun, Sheriff?«, fragte der alte Rancher.

»Kann nichts weiter tun, als Sie bitten, mir ein Packpferd zu leihen«, erwiderte Ceelison achselzuckend. »Werde den Toten mit in die Stadt nehmen.«

»Die Shipwreck-Ranch hat doch selbst einen Friedhof«, knurrte der Rancher. »Es ist von je her üblich, dass diejenigen, welche am Strand gefunden werden, dort bestattet werden.«

»Ein Schwarzer auf unserem Friedhof, Vater?«, sagte James Power verwundert und zugleich verächtlich.

»Braddy und Hall, packt an und hebt mir den Alten auf den Gaul!«, befahl der Rancher kurz, ohne auf die Worte seines Sohnes zu achten.

Zwei Cowboys sprangen herbei und nahmen den bereits erstarrten Körper des Toten vom Boden auf; aber erst, als noch zwei andere zugriffen, gelang es ihnen.

Jonathan H. Power musste über enorme Kräfte verfügen, er hielt den sicher nicht leichten Körper so vor sich im Sattel, als gehörte er einem Kind.

»Go on, Goldfox!« Der Hengst, ein starker, knochiger Goldfuchs, setzte sich so vorsichtig in Bewegung, als wüsste er um die traurige Last auf seinem Rücken.

»Macht, dass ihr zur Herde zurückkommt«, fuhr der junge Power die noch unschlüssig umherstehenden Cowboys an. »Hoffentlich haben Sie wenigstens einige Spuren gefunden, die auf den Täter schließen lassen, Sheriff«, wandte er sich dann an diesen.

»Wo sollten hier Spuren herkommen, Mister Power?«, grunzte der Sheriff missmutig. »Wenn wirklich welche zu finden waren, dann haben sie die Gäule Ihrer Cowboys verwischt. Sieht doch hier wie in einer Rodeo-Arena aus!« Er stampfte zu seinem Pferd. »So long!«, grüßte er, saß auf und ritt davon.

»Und so was wird von unseren Steuern bezahlt!«, meinte einer der Cowboys verächtlich.

Kurze Zeit darauf lag der Ort wieder still und verlassen in der brütenden Sonne. Die am Strand entlanglaufenden Wellen klatschten monoton auf den Sand und verliefen sich wieder, um neuen Wellen Platz zu machen.

Knapp eine halbe Meile von dem nun einsam am Strand der Bucht zurückgebliebenen Holzhaufen stieß die Küste mit einer langgestreckten Halbinsel weit in die Lagune vor, sie dadurch in zwei Hälften teilend.

Die Lagune war nicht sehr breit, aber dicht bewachsen, und hinter einem tiefen, dem Meer vorgelagerten Schilfgürtel stand das Riedgras fast mannshoch. Viele kleinere Gruppen von Erlen und Weiden wechselten mit dichten Büschen und Hecken ab.

Mitten in dieser fast undurchdringlichen, urwaldähnlich anmutenden Vegetation lag eine kleine Lichtung, auf der zwei Pferde, eine drahtige braune Stute und ein schwarzer, feuriger Rapphengst weideten. Am Rande der Lichtung lagen im Schatten eines Baumes die Sättel und das Zaumzeug der Tiere.

Die zu den beiden Gäulen gehörenden Reiter hockten auf einem Boden umgestürzten Erlenstamm und blickten durch eine lichtere Stelle im Schilf zu dem Strandteil herüber, auf dem es so eben noch so lebhaft zugegangen war.

»Ein wahrer Segen, dass die Landsheriffs keine Lehrgänge in Kriminalistik absolvieren müssen.« Tom Prox, der Chef der Ghost Squad, strich sich über sein dunkles, strubbeliges Haar und lachte.

»Ich finde, dass das ein großer Fehler ist, Tom«, versetzte Ruby Long missmutig. Und weil sie ihren Kopf dabei schüttelte, funkelte ihr in einem seltsamen Tizianrot leuchtendes Haar wie ein Feuerbrand in der Sonne.

»Der Mann hat sich bis jetzt nicht einmal die Mühe gemacht, nach der Patronenhülse zu suchen. Von Spurensicherung hat der Bursche wohl noch nichts gehört.« In ihren grün schillernden Augen stand eine Missbilligung, über die der Ghostchef sich amüsierte.

»Eben«, meinte Tom lächelnd. »Die Patronenhülse habe ich nämlich in meiner Hosentasche, Ruby. Wenn der Sheriff auf den Gedanken gekommen wäre, die Gegend auch nur auf eine Viertelmeile im Umkreis abzusuchen, hätte er todsicher auch die Hufspuren unserer Gäule finden müssen. Dann wäre es aber mit unserem Inkognito aus gewesen, liebe Kollegin.«

»Und weshalb musste der arme Schwarze sterben, Tom?«, fragte sie verhalten.

»Das ist schwer zu sagen.« Tom Prox zuckte die Schultern. »Es muss im Morgengrauen geschehen sein, denn als wir ihn fanden, war er ja noch warm. Das lässt einen gewissen Schluss zu, wenn ich mich da auch täuschen kann.«

»Sie haben immer so eine nette Art, alles ganz deutlich auszudrücken«, spottete Ruby.

»Ich kann es bisher nicht deutlicher sagen, weil ich selbst noch im Dunkeln tappe, Ruby. Was kann einen alten Mann wie diesen Schwarzen bewogen haben, vor Tau und Tag an den Strand zu gehen? Zum Strandgut sammeln braucht man Tageslicht, und eilen tut so was auch nicht, denn was einmal angeschwemmt wurde, bleibt liegen.«

»Sie sind also überzeugt, der Ermordete wusste etwas? Jemand war dahintergekommen und machte ihn mundtot, damit er sein Wissen nicht weitergeben konnte?«

»Ich möchte eher annehmen, er kam jemand in die Quere, der vorbeugen wollte, dass der Schwarze etwas erfuhr. Immerhin ein kleiner, aber bedeutsamer Unterschied!«

»Das verstehe ich nicht, Tom«, gab die Agentin ehrlich verwundert zu.

»Um das zu erklären, ist es nötig, daran zu denken, was wir bereits wissen und weswegen wir herkamen, Ruby.«

»Wegen der rätselhaften Todesfälle doch.«

»Das auch. Zweifellos kamen hier mehrere Menschen, Cowboys einer Ranch, auf recht üble Weise ums Leben. In zwei Fällen war es glatter Mord und in einem Fall ein Mordversuch. Das ist die eine Sache, Ruby.«

»Und Sie sind überzeugt, dass das andere Ereignis an der Küste damit in Zusammenhang steht?«

»Herrgott, Sie wollen aber auch immer alles ganz genau wissen.« Tom Prox lächelte. »Ich wünschte, ich könnte Ihre Fragen ebenso genau beantworten.«

»Ich nehme an, dass das Schiff nur einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen ist.«

»Wenn es sich um eines der kleinen Küstenschiffe gehandelt hätte, wäre ich derselben Ansicht. Aber die ,President Abraham Lincoln' ist immerhin ein Steamer von achttausend Tonnen! Das Brückenpersonal so eines Schiffes fällt so leicht keiner optischen Täuschung zum Opfer.« Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, bot der Agentin ein Stäbchen an und bediente sich dann selbst.

»Wollen noch einmal rekapitulieren, was wir wissen; wenig genug ist es ja«, meinte er, nachdem ihre Zigaretten brannten.

»Im vorigen Monat, in einer Neumondnacht, kam die ,President Abraham Lincoln' auf der Reise von New Orleans nach Galveston in einigen Seemeilen Abstand hier an der Küste vorbei. Der Wachoffizier und der Rudergänger sahen beide zur selben Zeit plötzlich deutlich die Lichtzeichen des Leuchtturms von Galveston. Die beiden wunderten sich zwar darüber, denn der Berechnung nach musste das Schiff noch gut fünfzig Seemeilen vor Galveston stehen.« Tom schüttelte den Kopf.

»Der Brückenoffizier glaubte aber an eine jener Stromversetzungen, wie sie an dieser Küste häufig vorkommen, wechselte den Kurs und hielt auf das Leuchtfeuer zu. Als dann die Leuchtzeichen plötzlich ausblieben, wurde es dem Mann unheimlich, und er weckte den Kapitän.« Der Ghostchef nahm einen kurzen, aber tiefen Zug seiner Zigarette.

»Dieser ließ kurzerhand Anker werfen, und das war sein Glück. Der Anker fasste nämlich schon bei acht Faden Grund, und fünf Faden Tiefgang hat der Steamer. Als es dann hell wurde, erkannte der Kapitän, dass das Schiff gerade einmal zwei Meilen vor dieser Bucht ankerte. Hätte er nur wenige Minuten später die Maschinen gestoppt, wäre es zu spät gewesen. Der Schlick hätte das aufgelaufene Schiff nicht wieder freigegeben.«

»Aber wo sollte denn das Lichtzeichen hergekommen sein? Und die Behauptung der Reederei, es wäre ein Anschlag auf ihren Dampfer nur des Namens wegen gewesen, ist doch absurd.«

»Nicht mal, Ruby.« Tom Prox schüttelte ernst den Kopf. »Es gibt nicht wenige Menschen hier in den Südstaaten, für die der Name unseres einstigen Präsidenten Abraham Lincoln so etwas wie ein rotes Tuch ist.«

»Mein Gott, und dabei sind die Sezessionskriege seit fast sechzig Jahren vergessen!«

»Für einen Kreis von Südstaatlern eben nicht, Ruby. Sie können es Lincoln nicht verzeihen, dass er die Sklaverei abgeschafft hat!«

»Merkwürdig ist es schon, dass wir hier einen ermordeten Schwarzen fanden. Wenn es sich wirklich um Fanatiker handelt, die ...«

»Stopp, Ruby, keine falschen Schlüsse!«, wehrte der Ghostchef ab. »Die ermordeten Cowboys und auch der, den man aus dem Hinterhalt zum Krüppel schoss, waren keine Schwarzen. Sie stammten aus Texas, und der Angeschossene sogar aus Eastshore City, einem Ort, der unweit der Küste liegt.«

»Und Sie glauben, es könnte sich auch um zwei völlig voneinander getrennte Fälle handeln?«

»Weib, dein Name ist Neugierde.« Tom Prox grinste. »Ich weiß weder, wie jemand es fertigbrachte, die abgezirkelten, rhythmischen Lichtzeichen des Leuchtturms von Galveston hier einfach nachzuahmen, noch, ob damit wirklich bezweckt war, den Steamer auflaufen zu lassen. Wie soll ich da wissen, ob der Mord an dem Schwarzen damit zusammenhängt? Jedenfalls ist Ihnen doch klar, dass dieser Mord unser Vorhaben ändert?«

»Wir wollen die Shipwreck-Ranch nicht mehr besuchen ...? Übrigens, ein recht sonderbarer Name.«

»Er ist nur bezeichnend für die Lage und das Alter dieser Ranch. An dieser Küste hier sollen doch mehr Schiffswracks aus vergangenen Zeiten liegen, als ein Mensch Haare auf dem Kopf hat. Einst sollen sich hier Hunderte von Schlupfwinkeln für Piraten und Schmuggler befunden haben. Dieser Küstenstrich habe viel Blut gesehen, sagt man.«

»Eine feine Gegend!« Ruby Long schüttelte sich unwillkürlich. »Aber meine Frage ist immer noch nicht beantwortet«, fügte sie ungeduldig hinzu.

»Nein, wir werden die Ranch nicht besuchen«, erklärte Tom. »Die Sache scheint schwieriger zu liegen, als ich annahm. Wir werden auch allein nicht damit fertig werden. In diesem Lande geistern Gespenster herum, und die werden wir auf dieselbe Art bekämpfen.« Er erhob sich von dem Stamm, auf dem er gesessen hatte. »Wir werden jetzt jeder ein paar Stunden schlafen, Ruby, denn die Nacht wird anstrengend werden.«

»Hoffentlich klappt es mit dem Schiff.«

»Es bestände nur eine Möglichkeit, dass es nicht klappen könnte, wenn Sturm aufkäme. Aber danach sieht es nicht aus. Sie können die ersten fünf Stunden schlafen, danach bin ich dran.«

Wenig später lag Ruby Long im Schatten einer Hecke und schlief. Tom Prox saß nachdenklich auf einem der Sättel. Fünf Stunden später war es umgekehrt.

Eine gute Stunde vor Mitternacht weckte die Agentin, wie vereinbart, den Ghostchef. Es war gut, dass er schon am Tage einen schmalen Trampelpfad zur Spitze der Halbinsel ausgetreten hatte, denn da der im ersten Viertel stehende Mond noch nicht am Himmel stand, gaben nur die flimmernden Sterne ein diffuses, durch die leichten über dem Wasser lagernden Nebelschwaden gedämpftes Licht.

»Hier«, meinte Tom Prox endlich. »Ein Glück, dass die anrollenden Wogen an der Spitze der Landzunge den Schilfwuchs verhindern. Ich hoffe, dass auch kein Schlick das Boot an der Landung hindert.«

»Wenn sie uns überhaupt finden, Tom«, bemerkte die Agentin.

»Wie sie es genau machen werden, weiß ich auch nicht. Aber das Hafenamt versicherte mir, Punkt null Uhr würde die ,President Abraham Lincoln' zwei Seemeilen von hier vor der Küste stehen und ein Boot schicken.«

»Wenn nur die Schnaken nicht wären«, schimpfte Ruby Long und klatschte sich ärgerlich die Plagegeister aus dem Nacken fort.

»Sie haben eben zu süßes Blut«, spottete er. »Das wissen auch die kleinen ... hören Sie!«, unterbrach er sich.

Durch das gleichförmige Rauschen der gegen die Küste anrollenden Dünung klang ein neues, rhythmisches Geräusch, das rasch zunahm.

»Das sind doch Ruderschläge, Tom! Wollen wir nicht ein Wachshölzchen anzünden?«

»Erst abwarten. Es wäre besser, wenn es auch ohne ginge.«

Vom Wasser her kam ein lang gezogener Ruf. Der Ruderschlag war verstummt.

»Ahoi ...!«, rief es noch einmal.

»Ahoi ... hier!«, gab Tom Prox zurück.

Die Ruder setzten wieder ein. Wenig später tauchte ein dunkler Schatten aus den Nebelschwaden auf. Ein halblautes Kommando ertönte, dann setzte der Bug eines Bootes mit leichtem Knirschen auf den Sand.

»Geben Sie mir Ihre Hand, Sir!«, forderte eine Gestalt aus dem Boot. »Holly gee ... das ist doch auch ein Girl!«, meinte der Mann verwundert.

Die Ghosts hatten kaum im Boot festen Fuß gefasst, als dieses auch schon wieder abstieß.

»Ich sehe nichts von dem Schiff«, meinte Ruby Long verwundert zu Tom Prox.

»Der Steamer liegt ohne Positionslichter vor Anker, Madam«, erklärte der Steuermann, neben dem sie saßen. »Befehl vom Käpt'n«, fügte er zur Erklärung hinzu.

Der Steuermann musste einen sechsten Sinn haben; er schien direkt auf den Dampfer zuzuhalten. Jedenfalls stand die Schiffswand plötzlich vor ihnen. Das Boot legte an dem heruntergelassenen Fallreep an.

Der Schiffsführer des »President Abraham Lincoln«, Kapitän Mark Riket, dem sie kurz darauf in seiner Kajüte gegenübersaßen, war ein durch einen beachtlichen Backenbart ausgezeichneter älterer Seebär.

Bevor er nach dem Händeschütteln ein Wort verlor, goss er zunächst einmal zwei große Whiskygläser mit goldgelbem Bourbon voll, dann füllte er ein Dessertglas mit einem dickflüssigen, smaragdfarben schimmernden Likör.