Tom Prox 144 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 144 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Tom Prox hat das Böse wahrlich schon in den düstersten Schattierungen kennengelernt, sodass man meinen sollte, kein noch so abgefeimter Verbrecher könne den Captain der Ghost Squad noch schocken. Dann aber geraten Prox, seine beiden Sergeanten, Snuffy Patterson und Ben Closter, sowie Spezialagentin Ruby Long an einen wahren Teufel. Ein Mann, der bereit ist, für sein Ziel, ein geradezu fantastisches Vermögen zusammenzuraffen, jeden Preis zu zahlen und gar einen ganzen Landstrich zu entvölkern.
Und so optimistisch der Ghostchef sonst in den verzwicktesten Situationen auch bleiben mag, diesmal kommen selbst ihm größte Zweifel, ob er den skrupellosen Gangster noch stoppen kann. Denn diesmal geht es nicht um Stunden und auch nicht im Minuten. Nein, nur eine Handvoll Sekunden bleibt Prox, will er ein geradezu ungeheuerliches Verbrechen doch noch verhindern ...


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Inhalt

Cover

Die Lunten brannten schon

Vorschau

Impressum

Die Luntenbrannten schon

Von Alex Robby

Tom Prox hat das Böse wahrlich schon in den düstersten Schattierungen kennengelernt, sodass man meinen sollte, kein noch so abgefeimter Verbrecher könnte den Captain der Ghost Squad noch schocken. Dann aber gerät er an einen wahren Teufel. Denn dieser Mann ist bereit, für sein Ziel, ein geradezu fantastisches Vermögen zusammenzuraffen, jeden Preis zu zahlen und gar einen ganzen Landstrich zu entvölkern.

Und so optimistisch der Ghostchef sonst in den verzwicktesten Situationen auch bleiben mag, diesmal kommen selbst ihm größte Zweifel, ob er den skrupellosen Gangster noch stoppen kann. Denn diesmal geht es nicht um Stunden und auch nicht im Minuten. Nein, nur eine Handvoll Sekunden bleibt Prox, will er ein geradezu ungeheuerliches Verbrechen doch noch verhindern ...

»872 meldet sich zum Rapport, Sir!«

Der weißhaarige Mann blickte auf und sah den in strammer Haltung vor seinem Schreibtisch stehenden Sträfling durch die randlosen Brillengläser prüfend an. Er schlug den Deckel eines dünnen Aktenstücks auf und entnahm ihm einen Bogen.

»Nehmen Sie Platz, Fensinger!«, forderte er gleichmütig.

Der Mann mit der gestreiften Jacke und der Nummer 872 hob den Kopf. In den Augen des nicht unfreundlichen Gesichts, dem ein kleines Zierbärtchen auf der Oberlippe etwas Verwegenes gab, leuchtete es auf. Der Mann setzte sich.

»Der Gnadenausschuss hat Ihrer vorzeitigen Entlassung zugestimmt«, fuhr der Gefängnisdirektor fort. »Einmal wegen guter Führung und – nun, Sie kennen den Inhalt Ihrer Eingabe. Der bedauerliche Unfall Ihres Vaters wurde berücksichtigt. Was werden Sie nach Ihrer Entlassung tun?«

»Wie ich in der Eingabe ausführte, Sir. Wir haben eine Wald-Ranch und ein Sägewerk. Da mein Vater gelähmt ist, muss ich mich um beides kümmern.«

»Das war wohl auch für den Entscheid des Ausschusses maßgeblich.« Der Direktor drückte auf den Klingelknopf. Als gleich darauf ein Aufseher ins Arbeitszimmer trat, erhob er sich.

James Fensinger stand gleichfalls auf.

»Mr. Fensinger wird entlassen!« Der Direktor reichte dem Aufseher den Schein. »Man sagt bei uns besser nicht ›auf Wiedersehen‹, Mister Fensinger«, wandte er sich dann mit einem leichten Lächeln an diesen und hielt ihm die Hand hin. »Ich wünsche Ihnen aber für die Zukunft alles Gute. Ich hoffe, Sie haben aus dem ... hm ... Aufenthalt hier bei uns gelernt.«

»Danke für den Wunsch, Sir. Ich habe viel gelernt, Sir.« Der Mann, der durch den Gnadenakt aus einer Nummer wieder zu einem Mister geworden war, verzog keine Miene.

Die Formalitäten waren rasch erledigt. Er wechselte in der Kleiderkammer die Sachen und trat dann im Büro an die Schranke.

Der Inspektor musterte die elegante Reitkleidung. Die hochhackigen Stiefel, an denen Radsporen blitzten, und der um die Hüften geschlungene, breite Coltgürtel aus Büffelleder erregten seine besondere Aufmerksamkeit.

»Wohin geht die Reise, Fensinger?«, brummte er missmutig.

»Für Sie bin ich Mr. Fensinger, Inspektor«, berichtigte der Gefragte. »Wald-Ranch im Bezirk Roughworld, über Globe. Liegt in Arizona.« Es war Hohn, denn der Countysheriff-Sitz Globe lag nur knapp fünf Meilen von Phoenix, der Residenz des Gouverneurs von Arizona, und damit vom Zuchthaus entfernt.

»Gute Führung endet meist mit der Entlassung.« Der Inspektor nickte. Er wies auf die Gegenstände auf der Brüstung. »Sie können Ihre Sachen einstecken. Die sechshundert Dollar und fünfundsiebzig Cents müssen Sie gesondert quittieren.«

»Meine Colts fehlen«, stellte James Fensinger fest.

»Die Waffen wurden als Tatwerkzeuge eingezogen. Das Urteil wurde Ihnen zugestellt. Sie sollten in Zukunft besser auf solche Mordwerkzeuge verzichten.«

»Ersparen Sie sich Ihre Ratschläge, Inspektor. Ich kann Ihnen im Übrigen diesen weisen Vorschlag nur zurückgeben.« Fensinger warf einen ironischen Blick auf den großen Colt am Gürtel des Inspektors.

»Das könnte euch so passen«, quetschte der Inspektor durch seinen Schnauzbart. »Melden Sie sich am Tor!« Für ihn war damit die Hausakte des Sträflings James Fensinger, Nummer 872, geschlossen.

»Ich sage mit Absicht nicht auf Wiedersehen«, meinte der Pförtner, als er die schwere Eisentür aufschloss.

»Ihr seid, von eurem Boss angefangen, sämtlich schreckliche Witzbolde«, erwiderte der Entlassene mit einem Grinsen.

Er zuckte unwillkürlich zusammen, als das Tor hinter ihm mit dumpfem Krachen zufiel.

»Mich seht ihr nicht wieder, habe tatsächlich viel gelernt«, murmelte er höhnisch. »Gelernt, wie man es machen muss. Will nun sehen, ob Coppy Wort gehalten hat.«

Er schlenderte die Fahrstraße zu dem eine Meile entfernt liegenden Ortsrand herunter.

»Zur goldenen Freiheit« stand über der Pendeltür eines einstöckigen, windschiefen Hauses. Ohne zu zögern, schob sich James Fensinger durch die Tür.

In dem dämmrigen Raum saßen nur zwei Männer. Sie waren völlig in ihr Spiel vertieft und ließen ihre Würfelbecher auf den Tisch krachen. Der Keeper, der hinter dem Tresen hantierte, sah kurz auf, als Fensinger herantrat.

»610 hier?«, fragte dieser kurz.

»Im Hinterzimmer. Durch den Gang, die Tür hinter der Küche.« Der Mann fuhr gleichmütig mit dem Gläser putzen fort.

Als James Fensinger die Tür öffnete, sahen die drei Männer, die beim Kartenspiel gesessen hatten, verwundert auf.

»Euer künftiger Boss!«

Einer der drei sprang auf. »Endlich, 872.« Er grinste.

»Ich habe die verdammte Zahl lange genug gehört«, fauchte Fensinger wütend.

»Kann ich verstehen.« Das Grinsen des Revolvermannes Coppy Woodlong verstärkte sich.

»Ihr nehmt also den Job an?«

»Wäre ich sonst mit meinen Kumpels hier? Habe in den drei Monaten, die ich vor dir herauskam, schwer geschuftet. Du wärst ja sonst nicht hier, wenn ich nicht deinen Alten ...«

James Fensinger unterbrach ihn mit einer Handbewegung.

»Coppy hat euch gesagt, worum es geht, Boys?«, wandte er sich an die beiden anderen Männer, deren auf beiden Seiten bis in die Kniekehlen herunterhängende, überschwere Revolver deutlich erkennen ließen, welcher Sorte Menschen sie gleich ihrem Kumpanen Coppy zuzurechnen waren.

»Ich sagte ihnen, dass ihre Eisen blank bleiben würden. Das war Musik in ihren Ohren«, antwortete Coppy Woodlong.

»Wir vermieten unsere Colts an den, der am besten zahlt«, ergänzte einer der Revolvermänner schlicht.

»Okay, an Geld wird es nicht fehlen.« James Fensinger nickte ihnen zu. »Hast du den Mann bestellt? Ich sehe ihn nicht, Coppy«, wandte er sich an diesen. Er sah plötzlich besorgt aus.

»Alles erledigt. Erst habe ich das mit deinem Alten besorgt, dann die Boys hier herangeholt und dann den Mann aufgestöbert, der als Nummer 900 dein Zellennachbar war.« Der finstere Ausdruck, der plötzlich auf dem Gesicht Fensingers lag, störte ihn wenig.

»Dieser Gentleman ist ja zu vornehm, sich in dieser Bruchbude hier herumzudrücken. Mr. Lefty Ballister erwartet dich seit einer Woche im Grand-Hotel am Gouvernement-Platz.«

James Fensinger atmete auf. »Besorge mir Colts, Coppy! Ich komme mir mit den leeren Holstern nackt vor.«

»Habe auch daran gedacht.« Coppy Woodlong langte zwei große Revolver aus dem an der Wand stehenden Kleiderschrank.

James Fensinger drehte prüfend die Trommeln und versenkte dann die Colts zufrieden in den Holstern. Er zog sich einen Stuhl an den Tisch.

»Hört zu, Boys«, dämpfte er die Stimme. »Wenn mein Plan gelingt, werden wir alle bald reich, sehr reich sein. Und dass er gelingt, dafür sollen eure Eisen sorgen.«

»Und wem gilt es, Boss?«, fragte Ham Jebson, ein Mann mit auffällig stechenden, tückischen Augen.

»Allen, die nicht für mich sind«, versetzte Fensinger etwas vage. »Und die Rancher werden das gewiss nicht sein, keiner.« Er lachte heiser. »Wir werden sie ausräuchern, aufkaufen, ihre Tränken vergiften. Vor allem die Bergsee-Ranch der Diamonds, die muss ich haben, dann werden sie alle im Roughworld-Bezirk aus meiner Hand fressen – alle!«

Ein böses Leuchten stand in den Augen des Mannes, der erst vor knapp einer Stunde wegen guter Führung aus dem Zuchthaus entlassen worden war.

Louis Carpenter machte den Job als Kutscher der wöchentlich von Phoenix über Globe zu dem kleinen Bergort Roughworld verkehrenden Postkutsche nun schon an die acht Jahre. Da seine Frau mit den beiden halbwüchsigen Kindern in Globe wohnte, wo es eine Übernachtungsstation auf der zweitägigen Reise gab, sah er seine Familie zwar selten, aber er behauptete lachend, das würde »die Liebe stärken«.

Auch an diesem Morgen, da er mithilfe des Keepers vor der Wirtschaft in Roughworld die vier Gäule zur Rückfahrt nach Phoenix vor die Postkutsche spannte, freute er sich schon auf den Zwischenaufenthalt in Globe.

»Ich habe für Mary einen ganzen Korb Walderdbeeren mit, Broderick«, meinte er zu seinem weißhaarigen Helfer. »Das alte Mädchen und die Gören werden sich freuen. Es gibt nirgends so schöne Beeren wie in eurem Wald.«

»Du sagst es!« Broderick Carley lachte. »Was will denn Henner noch?« Er sah verwundert auf einen breitschultrigen Mann mit dunklem Backenbart, der mit zwei Ledersäcken herankeuchte.

»Hätte es fast vergessen. Der alte Trapper war hier. Soll dir wieder die Säcke für seinen Händler in Phoenix mitgeben, Louis.«

»Weiß Bescheid.« Der Kutscher nickte. »Damn, der eine Sack von dem Oldtimer ist schwer«, schimpfte er, während er die Säcke im Wagenkasten verstaute. »So, noch einen Abschiedsdrink, dann geht die Post ab.« Er stampfte durch die Pendeltür ins Haus.

Der Mann, der, hinter einem Lattenzaun an der Main Street verborgen, die Vorgänge vor der Wirtschaft interessiert beobachtet hatte, lief eilig hinter den Häusern entlang bis zu einer Mulde, wo ein Gaul graste. Er zog hastig den Sattelgurt an, schwang sich hoch und preschte auf einem Heckenweg davon, dem Hochwald zu.

Wenig später rasselte die Postkutsche die Main Street herunter. Die ausgeruhten Pferde rissen eine Zeit lang das schwere Fahrzeug in gestrecktem Galopp mit sich und wurden erst langsamer, als die eingleisige Fahrstraße zu steigen begann.

Für Louis Carpenter gab es nicht viel zu tun. Die Gäule kannten den Weg allein und sorgten schon in eigenem Interesse dafür, dass die breiten Räder in der Spur blieben. Der Weg stieg im Hochwald stärker an, bis zum Pass herauf waren es vier Kehren, welche die Pferde im Schritt nehmen mussten. Diese zwei Stunden waren es, in denen Carpenter stets den versäumten Morgenschlaf nachzuholen pflegte, sofern er nicht zufällig einmal einen Passagier neben sich hatte, den er über die Einsamkeit dieses Gebirgswaldstückes hinwegtrösten müsste.

Das gleichmäßige Stampfen der Pferde und das Rumpeln der Räder schläferten den Kutscher ein. Er sah die beiden Männer nicht, die plötzlich rechts und links aus den Büschen brachen und den Vorspannpferden in die Zügel fielen. Erst als die Kutsche mit einem Ruck stand, fuhr er auf.

»Hello, was ist ...?« Weiter kam Louis Carpenter nicht. Er spürte einen Schlag gegen die Brust und wankte. Mit einem dumpfen Gepolter landete der vornüber stürzende Körper auf der Deichsel zwischen den unruhig schnaubenden Stangenpferden.

Einige Stunden später, als die Sonne schon hoch im Mittag stand, bog Jasper Stewart, der Vormann der Hightwood-Ranch, vergnügt vor sich hin pfeifend, vom Ranchweg in die Passstraße ein. Als er um die Kehre kam, stutzte er. Ein Stück weiter stand die Postkutsche mitten auf der Fahrstraße. Die Gäule davor dösten mit gesenkten Köpfen. Von dem Kutscher war nichts zu sehen.

»Sonderbar. Louis ist ja heute verdammt spät dran«, murmelte Jasper Stewart. »Hello, Louis! Wo bist du denn?«, rief er laut, als er neben dem Fahrzeug hielt. »Damn, Louis! Mach doch keinen Unsinn«, fügte er hinzu, als keine Antwort kam.

Plötzlich sah er es – zwischen den Pferden auf der Deichsel lag Carpenter! Der Mann ist übel gestürzt, das war sein erster Gedanke. Wie der Blitz war er aus dem Sattel.

Erst als er den Kutscher vor Anstrengung keuchend zwischen den geduldig stehenden Pferden hervorgezogen hatte, sah er auch den dunkelroten, an den Rädern schwarzen Fleck, der sich auf der Brust des Toten ausgebreitet hatte.

Nachdem der Vormann den schon starren Körper behutsam ins Gras am Weg gebettet hatte, schwang er sich in den Sattel und jagte im Höllentempo in den Ort hinunter.

Broderick Carley hatte über vierzig Jahre einen Job als Weidereiter auf der Hightwood-Ranch gehabt, die wegen ihrer Pferdezucht weit über Arizona hinaus bekannt war.

Dem Rancher Mitch Jonas Tongastone war das Ausscheiden seines tüchtigen Zureiters und Vormanns recht ungelegen gekommen. Es gab keine Tierkrankheit, bei der der krummbeinige Weidereiter nicht einen Rat wusste. Er war daher froh, dass er ihn wenigstens hatte überreden können, im Bezirk zu bleiben.

Der »Grand-Roughworld-Saloon«, wie sich das Etablissement etwas großspurig nannte, erfreute sich großer Beliebtheit. Die Weidereiter scheuten selbst einen oft viele Stunden langen Ritt nicht, um ein paar Drinks im Saloon zu nehmen und sich dabei gratis ein paarweise Ratschläge über die Viehzucht im Allgemeinen und die von Pferden im Besonderen geben zu lassen.

Der Name »Roughworld« für das winzige Nest in den Bergen war recht bezeichnend. So rau die Landschaft in den zerklüfteten Gebirgsausläufern mit den zahlreichen, unzugänglichen Schluchten war, so rau waren auch die Menschen, die hier lebten. Sogar die Tiere, die Longhorn-Rinder der Goldbuckle-Ranch und die feurigen Bergpferde der Hightwood-Ranch, schienen in dieser urwüchsigen Natur ungebärdiger als in anderen Viehzuchtgegenden.

Cowboys und Horseteamer wussten davon ein Lied zu singen. Die ungebändigte Kraft ihrer Tiere bereitete ihnen oft erheblichen Kummer und kostete viel Schweiß.

So sprach sich denn auch an diesem Nachmittag der Vormann der Hightwood-Ranch über seine Sorgen gegenüber Broderick Carley aus. Die fünf Weidereiter, die mit ihm in den Ort gekommen waren, und mehrere Ortsansässige, die nach ihrer Gewohnheit ihre Nachmittagsdrinks nahmen, hörten sich die Ratschläge des erfahrenen alten Züchters aufmerksam an.

»Ich kenne den Nachwuchs von ›Singing Bird‹ gut, Boy«, meinte dieser schmunzelnd, »und bin der Meinung, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt. Will damit sagen: der ,Schnelle Pfeil' kommt eben nach seinem Erzeuger ›Singing Bird‹. Der ›Singende Vogel‹, wie wir den Wildhengst genannt hatten, besaß noch viel von dem Blut seiner wilden Vorfahren. Auch ›Singing Bird‹ duldete bei seinen Stuten weder einen fremden Hengst noch das Dazwischenfunken von Menschen. Ich bin mit dem Wildling trotzdem gut ausgekommen, wenn es auch dabei manchmal hart auf hart ging.«

»Was soll ich aber tun, wenn er mit Hengsten Streit anfängt?«

»Lass ihn, Jasper. So hast du zugleich einen zuverlässigen Wächter. Der Wildhengst scheut selbst den Silberlöwen nicht und zeigt dem die Hufe.«

»Der ,Schnelle Pfeil' hat erst neulich zwei Longhorn-Bullen, die von der Goldbuckle zu uns herüberwechselten, um das Futter im Blue Spring Valley zu kosten, mit verdammt harten Hufschlägen wieder über die Grenze zurückgetrieben«, gab Jasper Stewart vergnügt zu.

»Na also!« Der Keeper nickte. »Du kannst solch einen Wächter in eurem Bergtal im Hochwald gut brauchen. Besonders, seitdem hier jetzt diese ...« Er brach mit finsterem Gesicht ab.

Die Anwesenden machten plötzlich verkniffene Mienen. Jeder von ihnen wusste, worauf der alte Mann anspielte.

»Man sollte den ,Schnellen Pfeil' vor die Postkutsche spannen, Fellows«, knurrte der backenbärtige Schmied mit tiefer Bassstimme. »Wenn das geschehen wäre, hätte er vielleicht den Überfall verhindern können.«

Broderick Carley sah den spottlustigen Schmied Henner Barger missmutig an und schnaubte durch die Nase.

»War an dem Postkutschenüberfall nichts Lustiges, Henner«, rügte er ärgerlich. »Louis Carpenter hat er das Leben gekostet. Der Mann hinterlässt eine Frau und zwei unmündige Kinder.«

»Damn, so meinte ich das nicht«, grunzte der Schmied. »Ihr wisst, dass ich mit Louis befreundet war. Wenn man nur eine Ahnung hätte, wer den armen Teufel auf dem Gewissen hat.«

»Man wüsste es, wenn man darauf käme, weshalb die Post überfallen wurde, Kinder«, piepste der Mann neben dem Schmied. »Geschah nicht ohne Grund, Kinder. Nicht ohne Grund.«

Sonst lachten die Männer über die hohe Fistelstimme des Schneiders Adam Sugar; genau, wie sie sich über seine ständige Anrede »Kinder« und die stets Wiederholung seiner letzten Worte amüsierte. Heute aber blieben ihre Gesichter steinern.

»Wir werden schon dahinterkommen«, mischte sich ein jüngerer Mann ein. Auf seiner Brust blitzte der Hilfssheriffstern. »Aber du, Adam, kümmere dich nicht um ungelegte Eier!«

»Seitdem man dich hier zum Hilfssheriff gemacht hat, bist du ein richtiger Wichtigtuer geworden, Ed Mills«, keifte der Schneider empört. »Und bisher hat dein Vorgesetzter Buck Sunshine als Sheriff verdammt wenig Erfolg gehabt.«

»War ja auch in den fünfzehn Jahren, die Buck Sunshine hier in Roughworld Sternträger ist, nie etwas los«, höhnte der Schmied. »Jetzt allerdings kann er sich mehr Gedanken machen. Zum Beispiel, welcher Art wohl die gute Führung war, wegen der irgendein Irrsinniger einen gewissen Mann vorzeitig aus dem Zuchthaus entließ. Buck sollte sich auch den Kopf zerbrechen, welchen Revolverlohn die Schießer erhalten, die dieser gewisse Mann mit der guten Führung mitgebracht hat ...« Er brach – verwundert über die starren Blicke der Männer – ab, drehte sich um, und sein Gesicht erstarrte.

»Yeah, hier steht der gewisse Mann mit der guten Führung, Henner Barger!«, erklärte der auf der Türschwelle stehende James Fensinger zischend. »Und weshalb ich die drei Gents halte, sollst du sofort erfahren. Gebt es ihm, Boys!«

Die kurze, kalte Aufforderung galt den drei, mit finsteren Gesichtern hinter ihm stehenden Männern. Ihre in Stulpenhandschuhen steckenden Rechten hingen hinter den Kolben ihrer schweren Colts, bereit zum Zufassen und zum blitzschnellen Ziehen.

Zwei warfen nun ihre kreuzweise über die Hüften geschnallten Gürtel ab und schoben sich grinsend auf den Schmied zu.

»Stopp!« Der Donner zweier Schüsse riss dem hinter dem Tresen hervor stürzenden Keeper die Worte von den Lippen.

Der Schmied griff sich ächzend an die Schulter, wankte und rutschte dann an der Thekenwand hinunter. Der Ausdruck der ungläubig geweiteten Augen verwandelte sich in Schmerz und Wut. Seine Coltkugel war in die Holzdecke gefahren. Der neben Fensinger stehende Mann war um den Bruchteil einer Sekunde im Ziehen schneller gewesen.

»Sie sahen, dass es Notwehr war, Hilfssheriff«, gellte die Stimme Fensingers durch die plötzliche Stille. »Henner Barger zog zuerst und schlug auf den waffenlosen Ham Jebson an. Coppy Woodlong musste schießen. Barger wollte keinen ehrlichen Faustkampf.«

»Ehrlicher Faustkampf – zwei gegen einen?«, grollte der Keeper, während er sich besorgt über den Verwundeten beugte. »Es war eine niederträchtige Herausforderung! Barger hatte keine Chance.«

James Fensinger grinste nur. Der Revolvermann Woodlong stieß den Colt in das tief hängende Holster zurück und tat das Gleiche.

»Keine Angst, der Mann verdaut die Kugel«, höhnte er.

»Wer schoss?« Die Pendeltür war aufgeflogen. Der Mann im Türrahmen überflog die bewegungslos stehenden Männer, sein Blick fiel auf den am Boden Liegenden. Sheriff Buck Sunshine stutzte. Sein faltiges Gesicht unter dem dunklen, von Silberfäden durchzogenen Haar zuckte. »Also, wer hat Barger erschossen?«, fragte er.

»Tot ist er nicht, obgleich es nichts ausgemacht hätte, denn er zog zuerst«, erklärte Fensinger. »Erst beleidigte er meine Leute und mich. Dann hatte er Angst vor deren Abreibung. Fragen Sie Ihren Gehilfen, wie es war, Sheriff.«

»Yeah, stimmt«, gab dieser auf den fragenden Blick seines Bosses hin zu. »Henner Barger zog einwandfrei zuerst ...«

»Musst auch sagen, dass ihm zwei von den Burschen ans Leder wollten, Mills«, warf Jasper Stewart empört ein. »Die verdammten Schießer ließen Barger keine andere Möglichkeit!«

»Damn, sag das Wort noch einmal! Sag es, du Rossäpfelkratzer!«, grollte Woodlong. »Sag es doch, Mann!«, wiederholte er, und seine behandschuhte Rechte hing über dem Coltkolben in der Luft.

»Raus! Alle raus!«, brüllte Carley mit Stentorstimme wütend dazwischen. Seine Augen schossen Blitze. »Der Mann braucht Ruhe und muss versorgt werden. Mein Lokal ist geschlossen!«

Die Männer drückten sich wortlos an dem Sheriff vorbei durch die Tür und verschwanden.

Der Keeper schnitt dem Verwundeten mit einem Messer schnell das Hemd auf und untersuchte die Wunde.