Tom Prox 123 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 123 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Ein Zug verschwindet, einfach so. Buchstäblich in Luft aufgelöst zu haben scheinen sich Lok, Waggons, Fahrgäste und Personal während eines der schwersten Blizzards, die die Gegend um den Donnerpass je erlebt hat. Und als wäre das nicht schon Tragödie genug, befand sich an Bord dieses Zuges einer der einflussreichsten Wirtschaftskapitäne der USA, der Stahlmagnat M. B. Marshall. Er war auf dem Weg zu einer kurzfristig einberufenen Konferenz einiger Großindustrieller, die hinter den Kulissen mitentscheiden über Wohlstand und Zusammenarbeit der Völker. Wollte also jemand Marshall aus dem Weg haben? Wenn ja, warum? Und welche Rolle spielen eigentlich die wenig vertrauenerweckenden Männer der "Bären-Ranch"?
Dass zudem das seltsame Örtchen Fort Whoop up von einem noch seltsameren Sheriff regiert wird, scheint angesichts all dieser drängenden Fragen für Tom Prox und seine Ghosts zunächst nur eine Petitesse zu sein ...


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Inhalt

Cover

Der Geisterzug vom Yuba-Tal

Vorschau

Impressum

Der Geisterzugvom Yuba-Tal

Von Alex Robby

Ein Zug verschwindet, einfach so. Buchstäblich in Luft aufgelöst zu haben, scheinen sich Lok, Waggons, Fahrgäste und Personal während eines der schwersten Blizzards, die die Gegend um den Donnerpass je erlebt hat. Und als wäre das nicht schon Tragödie genug, befand sich an Bord dieses Zugs einer der einflussreichsten Wirtschaftskapitäne der USA, der Stahlmagnat M. B. Marshall. Er war auf dem Weg zu einer kurzfristig einberufenen Konferenz einiger Großindustrieller, die hinter den Kulissen mitentscheiden über Wohlstand und Frieden.

Wollte also jemand Marshall aus dem Weg haben? Wenn ja, warum? Und welche Rolle spielen eigentlich die wenig vertrauenerweckenden Männer der »Bären-Ranch«?

Dass zudem das seltsame Örtchen Fort Whoop up von einem noch seltsameren Sheriff regiert wird, scheint angesichts all dieser drängenden Fragen für Tom Prox und seine Ghosts zunächst nur eine Petitesse zu sein ...

1. Kapitel

Der Streckenläufer klopfte auf den Schraubenkopf der Verbindungslasche, die ihm verdächtig lose schien. Er hakte den Schraubenschlüssel vom Traggurt und zog damit die Mutter fester. Schwer atmend richtete er sich auf und wischte den Schweiß von der Stirn. Die Luft war entsetzlich heiß und drückend.

Bug Warrlis beschattete die Augen mit der Hand und sah zum Himmel empor. Er stutzte. Das winzige Wölkchen mit dem giftig gelben Rand kannte er nur zu gut, es kündete einen Blizzard an. Wenn dieser seinen Weg über den Donnerpass nahm, war er verloren. Eilig raffte er sein Werkzeug zusammen und stolperte über die Bohlen des glitzernden Schienenstranges bergab.

Der dem Streckenwärter unterstehende Abschnitt war wegen der zahllosen Schleifen berüchtigt. Fast frei schienen sie über den auf viele hundert Meter abfallenden Schluchten des südlichen Hanges der Sierra Nevada zu schweben. Das eiserne Band schmiegte sich dabei eng an den alten Goldgräberpfad, der einst der einzig gangbare Durchbruch durch das Yuba-Tal gewesen war.

Warrlis lief um sein Leben. Unweit der Stelle, an der er soeben die Verbindungslasche nachgezogen hatte, stand der »Totenstein der Hundert«. Der Steinhügel war zum Gedächtnis an die hundert Mann errichtet worden, die an dieser Stelle einem Blizzard zum Opfer gefallen waren. Das aber lag lange zurück.

Das Wolkengebilde begann sich bedrohlich zu verändern. Es wurde rasch größer und schob sich schwarz und drohend vor die Sonne. Die bleischwere Luft stand still, und alles Leben war wie erstorben.

Bug Warrlis keuchte. Er hastete nun schneller über die Schwellen.

Endlich – das Wellblechhäuschen der Blockstelle tauchte hinter der Kehre auf. Er hatte gerade die Tür aufgerissen, als der erste pfeifende Windstoß über den Donnerpass kam. Ein Klagen und Heulen setzte ein, als würden in der Luft Gespenster miteinander ringen.

»Bist ihm gerade noch entwischt, dem verdammten Blizzard, Bug«, meinte der Blockstellenwärter Sam Miller mit ernster Miene und half Warrlis, als dieser die starke Bohlentür, gegen die der Sturm drückte, zu schließen versuchte.

»Der hätte gereicht, um mich wegzuwischen«, erwiderte Bug, als die Tür endlich zu war. Dann ließ er sich ausgepumpt auf einen Hocker sinken. »Ich war oben auf dem Kamm. Der Teufel soll die verdammte Strecke holen!«

»Das sagst du seit Jahren jeden zweiten Tag, immer, wenn du beim Donnertreck warst.« Der Blockstellenwärter grinste und reichte dem anderen eine Flasche. »Nimm einen, Bug! Es ist mein guter Selbstgebrauter.«

»Gut ist er«, lobte der Streckenläufer, nachdem er getrunken hatte. »Aber er kratzt verteufelt.«

»Alles Gute ist nie beisammen.« Miller nahm ein Signalhorn und eine zusammengerollte rote Flagge von der Wand.

»Du willst doch wohl bei diesem Sturm nicht hinaus? Um diese Zeit kommt ja kein Zug!«

»Natürlich nicht«, erwiderte der Blockwärter und hängte Horn und Flagge wieder an ihren Platz. »Weiß selbst nicht, wie ich plötzlich darauf kam.«

Der Sturm war inzwischen zum Orkan angewachsen. Das Wellblechhaus bebte in seinen Grundfesten. Dichte Wasserschwaden klatschten gegen die dicken Glasfenster, als würde einer aus Eimern dagegen schütten. Es war so finster geworden, dass sich die Männer nicht mehr erkennen konnten.

Ein helles Klicken ... langsam begann sich die Scheibe des Telegrafenapparates zu drehen. Tick ... tick ... tick ... tick. Der Farbstift drückte Striche und Punkte auf den schmalen Papierstreifen, der sich am Boden schlängelte.

»Auch das noch«, brummte Bug Warrlis verdrossen. »Um diese Zeit haben sie doch sonst nie ...«

»Der Zug ... ich meine, vielleicht haben sie einen Zug zu melden.« Der Blockstellenwärter griff hastig nach der Papierschlange. »Wo sollte jetzt ein Zug herkommen?«

Der Apparat stand mit einem kurzen schnarrenden Ton still. Miller riss den Streifen ab und trat ans Fenster.

»Damn ... Bug, zünde die Lampe an! Nicht einmal hier kann man was erkennen.«

Als die Petroleumlampe angesteckt war, las Miller murmelnd die Nachricht ab.

»Ich habe recht gehabt, Bug«, fuhr er laut fort. »Blockstelle vier meldet einen Sonderzug.« Er sah auf die große Wanduhr. »In fünf Minuten muss er durchkommen.«

»Möchte wissen, wie du das geahnt hast.« Der Streckenläufer grinste. »Hell and devil! Ein Sonderzug! Das ist, solange ich in diesem verdammten Abschnitt arbeite, noch nicht vorgekommen.«

Sam Miller griff zum zweiten Mal nach dem Horn und nach der Notflagge. Es waren Geräte, mit denen er nach der Vorschrift vor dem Häuschen stehen musste, wenn ein Zug vorüberbrauste.

Als die fünf Minuten fast um waren, öffnete er die Tür. Der Sturm riss sie ihm fast aus der Hand, und sie schlug donnernd gegen das Wellblech.

Der Regen hatte nachgelassen, und es war stockfinster. Der Blizzard heulte.

Plötzlich tauchten oben am Kamm zwei feurige Lichter auf.

»Der Zug kommt!«, brüllte der Streckenläufer. Seine Worte wurden ihm wie aus dem Mund gerissen.

Mit rasender Schnelligkeit näherten sich die glühenden Punkte, dann war das feuerspeiende Ungeheuer, eine speziell für die Sierra gebaute Berglokomotive, heran und auch schon wieder vorbei. Noch eine kurze, blendende Lichtreihe, dann sank wieder die Dunkelheit über die Männer, die sich dicht an die Hütte gedrängt hatten. Nur die drei großen, roten Schlusslichter waren noch zu erkennen.

»Damn – nur zwei Klubwagen!«, rief Bug Warrlis überrascht. Er wollte noch etwas hinzufügen, stattdessen aber schrie er entsetzt auf: »Die Schlusslichter, Sam – sie sind fort!«

Die drei roten Lichtpunkte waren plötzlich wie weggewischt – und hätten doch noch da sein müssen!

Der Streckenläufer kannte den Schienenweg genau. Bis zur unteren Schleife war die Strecke von der Blockstelle aus einzusehen. Bis dorthin brauchte der Zug, der Express »City of San Francisco«, mehr als fünf Minuten, von denen kaum eine vergangen sein mochte.

Der Blockstellenwärter sagte nichts, aber auch er starrte mit verzerrtem Gesicht in die Dunkelheit, als könnte er damit die drei verschwundenen Lichtpunkte wieder herbeizaubern. Als nichts geschah, sprang er mit einem Satz in das Blockhaus und raste zum Telegrafen. Mit fliegenden Händen schaltete er den Strom ein und drückte auf die Taste.

Bug Warrlis war ihm gefolgt und hatte die Tür zugeschlagen. Nach dem kreischenden Lärm der tobenden Elemente, der sie soeben noch umgeben hatte, wirkte die Stille fast unwirklich.

»Reno meldet sich nicht«, sagte Sam Miller und wurde totenblass.

»Versuch es mit Colfax, Sam!«

Wieder hämmerte der Blockwärter auf den Griff der Taste.

»Es ist zwecklos«, erklärte er dann matt. »Der Blizzard muss beide Leitungen zerstört haben.«

»Der Zug ist unterhalb der verlorenen Weiche in die Tiefe geweht worden.«

»Wir können nichts tun, Bug«, wehrte Miller ab, als sich der andere den breiten Gurt mit dem Werkzeug wieder umschnallte.

»Ich will wenigstens versuchen, den zerrissenen Draht zu finden. Wir müssen eine Verbindung bekommen, um einen Hilfszug ...«

»Der käme jetzt doch nicht über den Pass.« Miller schüttelte den Kopf.

»Egal, versuchen müssen wir es.«

»Okay! Es soll keiner sagen können, wir hätten nicht alles getan, was in unserer Macht liegt. Wollen uns die Arbeit teilen, Bug. Versuch du, den Leitungsbruch zu finden! Ich werde bergab gehen. Weiß dort besser mit der Leitung Bescheid.«

»All right, machen wir es so!« Bug Warrlis nickte. »Wer zuerst geflickt hat, geht zur Blockstelle zurück und verständigt die nächste Station. Mann, was für ein Unglück!«

Wenig später brachen sie auf. Der Blizzard war vorüber, aber der Sturm tobte immer noch so heftig, dass die Männer nur mit Mühe vorwärts kamen. Das Dunkel lichtete sich etwas, das Gewölk riss auf.

Die riesige Maschine des Hilfszuges keuchte die weite Schleife zum Donnerpass empor.

»Wir haben gleich die Höhe vor der Blockstelle fünf überwunden«, erklärte der Lockführer dem neben ihm stehenden Zugführer. »Dann geht es ...« Seine weiteren Worte gingen in drei Detonationen unter.

Der Lokführer riss den Dampfhebel zurück und betätigte die Luftdruckbremse. »Knallkapseln! Schätze, wir haben den Sonderzug schon«, brüllte er durch den Lärm des zischenden Dampfes.

»Voraus auf der Kamm-Höhe steckt eine rote Flagge«, rief der Heizer und deutete nach vorn.

Im selben Augenblick sahen sie den Mann, der ihnen, wild die Arme schwenkend, über die Schienen entgegenstolperte.

Oberingenieur Carrighar sprang mit einem Satz von der mit kreischenden Bremsen haltenden Lok. Die Arbeiter hängten ihre Köpfe aus den Fenstern.

»Was ist?«, rief der Oberingenieur dem keuchenden Mann zu.

»Die Telegrafenleitung ist unterbrochen!«, schrie dieser schon von weitem.

»Sie sind der Streckenläufer?«

»Seit sechs Jahren auf diesem verfluchten Abschnitt, Sir.«

»Wo steht der Sonderzug? Reden Sie, Mann?« Carrighar war ungeduldig.

»Das weiß ich nicht.« Der Streckenläufer schilderte hastig das Erlebnis an der Blockstelle. »Erst hier auf der Kamm-Höhe fand ich die Unterbrechung der Leitung.«

»Damn ... Warum haben Sie sie nicht sofort geflickt, Mann? In Black Ville steht die ,City of San Francisco' und kann nicht weiter.«

»Flicken Sie mal eine Leitung, wenn zwanzig Meter herausgeschnitten sind!«, erwiderte Bug Warrlis gekränkt.

»Herausgeschnitten?« Carrighar sah den Mann verblüfft an. Dann erst ging ihm die Bedeutung dieses Wortes auf. »Ein Verbrechen also?«

»Ganz sicher! Denn auch der stärkste Blizzard schneidet Drähte nicht mit einer Zange durch.« Der Streckenläufer nickte, wie um seine Aussage zu untermauern. »Und ich fresse einen Besen, wenn die Schnittstellen nicht von einer Zange herrühren, Sir. Deswegen blieb ich hier und legte die Warnsignale aus.«

»Das einzig Richtige, was Sie tun konnten.« Der Oberingenieur handelte schnell und entschlossen: »Eine Kabelrolle vom Gerätewagen! Drei Mann bleiben hier und flicken die Leitung! Los, Mann! Rauf auf die Maschine!« Dieser Befehl galt dem Streckenläufer.

Der Zug fuhr weiter. Kurz darauf hielt er ein zweites Mal vor dem Wellblechhäuschen.

Bug Warrlis war mit einem Sprung aus dem Führerhaus. Als der Oberingenieur im Türrahmen erschien, stand der Streckenläufer bereits am Morseapparat und hämmerte auf die Taste.

»Sam Miller ist noch nicht zurück, und Block sechs meldet sich ebenfalls nicht«, erklärte er besorgt.

»Also weiter!«

Der Zug setzte sich abermals in Bewegung.

»Fahren Sie langsam«, mahnte Carrighar. »Zwischen hier und Blockstelle sechs muss der Sonderzug stecken. Vermutlich finden wir den Blockwärter beim Zug.«

Warrlis zuckte ungläubig die Achseln. »Es sind allerhand Meilen bis sechs«, murmelte er mehr für sich.

Die Strecke führte in langen Windungen abwärts. Geländerlose Brücken überspannten tiefe Schluchten, und oft fielen die Steilwände mehrere hundert Meter ab. Die Räder rasselten über eine Weiche, ein verrotteter Prellbock glitt vorbei.

»Die verlorene Weiche«, erklärte der Streckenläufer.

Der Oberingenieur nickte. Er kannte aus der Streckenkarte die Stelle, die beim Bau der Strecke mit einem Ausweichgleis für die Arbeitszüge versehen worden war.

Abermals wurden die Detonationen von Knallkapseln hörbar. Die Bremsklötze legten sich an die Räder, und schon stand der Zug.

»Dort steckt Millers Flagge!«, schrie Bug Warrlis und hastete über die Bohlen. »Damn ...!« Er stoppte und starrte entgeistert auf die Strecke. An einer Seite war das glitzernde Band unterbrochen. Eine Schiene fehlte.

Kurz darauf wimmelte es am Gleis von Männern. Einige lagen am Bahnkörper und starrten in die dunkel dräuende Schlucht hinunter.

»Der Zug ist in die Tiefe gestürzt«, stammelte der Streckenläufer.

Oberingenieur Carrighar erwiderte nichts, sondern zog seinen jungen Gehilfen zur Seite. »Was halten Sie davon, Buster?«, fragte er.

»Der Blizzard muss den Zug von den Schienen geweht haben. Er wird unten in der Schlucht liegen. Man kann es von hier oben nicht erkennen, weil die Felsvorsprünge und die Wildwasser den Blick behindern.«

»Der Blizzard!«, wandte Carnighar höhnisch ein. »Er hat also vorher sorgfältig die zwei Schienenverbindungen gelöst und durch Herausschneiden von mehreren Metern Draht auch noch die Telegrafenverbindungen nach beiden Seiten unterbrochen?« Er wandte sich ab und gab mehrere knappe Befehle.

Die unterbrochene Verbindung war bald wiederhergestellt. Ein Morseapparat wurde zwischengeschaltet, und Carrighar gab eine ausführliche Meldung durch. Dann wandte er sich an den Streckenläufer, der eben angelaufen kam: »Wir müssen das Gleis räumen. Ist die Weiche, an der wir vorbeikamen, intakt?«

»Sam Miller ist nicht zu finden, Sir«, stammelte Bug Warrlis verwirrt, ohne auf die Frage zu antworten.

»Zum Teufel mit Ihrem Miller! Wieso ist er nicht zu finden? Er hat doch die Kapseln auf die Schienen gelegt.«

»Vielleicht ist er in die Schlucht gestürzt, als er nach dem verschwundenen Zug sehen wollte.«

»Wir können uns erst später um ihn kümmern. Jetzt müssen wir unter allen Umständen die Durchfahrt frei machen. Ich habe einen Reparatur-Zug angefordert, der die Strecke wiederherstellt. Wie ist das nun mit dem Abstellgleis? Sie müssen doch wissen, ob ...«

»Solange ich hier Dienst mache, ist die verlorene Weiche nie benutzt worden, Sir«, unterbrach ihn der Streckenläufer. »Es ist nur noch ein kurzes Abstellgleis vorhanden, das völlig verrostet und von Unkraut überwuchert ist.«

»Trotzdem müssen wir es versuchen und den Zug in die Ausweiche drücken. Für drei Wagenlängen wird es wohl reichen.«

Stampfend und klirrend setzte sich der Hilfszug. Nur einige Arbeiter blieben an der Unglückstelle zurück.

»Schön sieht es nicht aus«, gab der Oberingenieur zu, als er neben der verrotteten Weiche stand und auf das verrostete Nebengleis sah, das sich, in einem engen Bogen hart an der Felswand verlaufend, im hohen Unterholz verlor. Wo die dichten Büsche begannen, stand ein auf die Gleise geschraubter Prellbock. »Wenn wir die Weiche in Gang bekommen, reicht es für unseren Zug bis zum Prellbock.«

»Die Weiche ist in Ordnung«, erklärte einer der Arbeiter, der sich an ihr zu schaffen machte. Er löste den Sicherungsbügel. Nun griff ein zweiter zu, und mit vereinten Kräften gelang es, die quietschenden Eisenzungen in Bewegung zu bringen. Vorsichtig schoben sich die Wagen über die morschen Bohlen auf das Abstellgleis. Die Hauptstrecke war für den Reparatur-Zug frei.

Der Reiter, der seit Stunden auf dem holprigen Fahrweg durch den dichten Tannenwald geritten war, zügelte seinen Gaul, als auf einer Lichtung überraschend eine Ansiedlung vor ihm auftauchte.

Ben Closter, den fülligen Sergeanten der Ghost Squad, konnte so leicht nichts erschüttern. Aber die seltsamen Gebilde, die er jetzt als menschliche Behausungen vor sich liegen sah, entlockten ihm doch einen erstaunten Ausruf.

Der ›Ort‹ bestand aus regellos in die Gegend gesetzten windschiefen Blockhütten, die von verwahrlosten Gärten und verfallenen Zäunen umgeben waren. Inmitten dieser Buden reckte sich ein hoher, aus starken Baumstämmen roh zusammengefügter Palisadenzaun. Dahinter ragten mit Schießscharten versehene Flachdächer hervor. Im Vordergrund stand ein vierkantiger Holzturm.

»Das ist also Fort Whoop up? Es sieht auch verdammt so aus«, murmelte Ben Closter vor sich hin. ›Whoop up‹, das bedeutete auf indianisch ›Rausch‹. Der Ghostsergeant trieb seinen Gaul an und ritt an den Baracken vorbei. Weder Menschen noch Tiere waren zu sehen.

Der Weg endete an einem starken, in die Palisade eingelassenen Bohlentor, das zur Verwunderung Ben Closters geschlossen war. Neben dem Tor hing vor einer Metallplatte ein starker Knüppel. Über dem Eingang war ein verwaschenes Brett angebracht, auf das in verschnörkelten Buchstaben ›Fort Whoop up‹ gemalt war.

Ben Closter schlug mit dem Knüppel mehrmals auf das Blech. Es dröhnte weithin. Nach einer Weile öffnete sich eine Klappe in der Tür.

»Was soll das?«, meldete sich jemand, der nicht zu sehen war.

»Wollte zu Sheriff Stone in Fort Whoop up«, erklärte der Sergeant kurz.

Die Klappe schloss sich wieder. Die Tür knarrte in den Angeln, und der Ghostsergeant sah einen verwitterten Riesen mit ungepflegtem Bart vor sich.

»Kommen Sie rein, Stranger«, brummte der mürrisch. »Haben Sie Schnaps bei sich?«

»Damn, Sie gehen aber ran, Kleiner!« Ben Closter grinste. »Aber meinetwegen!« Er langte eine Flasche aus der Packtasche und strich liebevoll darüber. »Habe sie mir in Windson besorgt, bevor ich los ritt«, meinte er dann und reichte sie dem Riesen.

»Mehr haben Sie nicht?«

»Na, hör mal, Boy! Es dürfte wohl für einen Willkommenstrunk reichen. Bin doch kein herumreisender Schnapshausierer.«

»Dann ist es gut.« Der Riese nickte plötzlich freundlich und schlug die Flasche hart gegen den Zaun, sodass sie zersplitterte.

»Hell and devil! Bist du wahnsinnig, Mann?«, brüllte Ben Closter empört.

»Die Einfuhr von Schnaps ist hier verboten, Sir«, erklärte der Riese ungerührt. »Sie können zum Sheriff weiterreiten. Gleich links neben dem Turm ist das Office.« Er schloss das dabei kreischende Tor.

Vor dem Haus, an dem ein blecherner Sheriffstern hing, kletterte Ben Closter aus dem Sattel, band seinen Gaul an die Stange und stieg die zwei Stufen empor. Von einem neben der Tür zum Office angebrachten Brett stutzte er. »Ablage für Colts« stand mit riesigen Buchstaben darüber. Der Ghost schüttelte den Kopf und stieß die Tür auf.

»Hands up!«, rief eine tiefe Stimme. Der Sergeant sah in die Mündung eines riesigen Schießeisens und erblickte dahinter einen kleinen Kinderkopf.

»Lass den Unfug, Bengel!«, meinte Ben lächelnd. »Wo ist dein Daddy?«

Aber schon krachte es. Die Kugel zischte an dem Ghostsergeanten vorbei und schlug in die Bohlen hinter ihm ein. Ben Closter hob hastig die Arme. »Leg das verdammte Ding weg, du Lümmel!«, schrie er. »Dir müsste man den Hintern ...« Weiter kam er nicht, denn der Mund blieb ihm vor Überraschung offen.

Ein kleines Männchen trippelte hinter dem Tisch hervor, in der Hand immer noch den großen Colt. Mit einer raschen Bewegung zog der Kleine ihm die Waffen aus den Holstern und feuerte sie mit einem kräftigen Schwung durch das offene Fenster.

»Es steht nämlich draußen angeschrieben!«, röhrte die tiefe Stimme. Erst jetzt sah Ben Closter den Sheriffstern auf der Brust des Kleinen.

»Du bist ... Sie sind der Sheriff?«

Der Zwerg nickte. »Was kann ich für Sie tun, Stranger?«

»Jetzt könnte ich erst mal einen Whisky vertragen, aber leider ist der gute Stoff, den ich bei mir hatte, draußen in die Erde gesickert.«

»Im Fort Whoop up herrscht Alkoholverbot, Stranger«, erklärte der Sheriff milde. »Auch sollten Sie nicht fluchen, es ist eine hässliche Angewohnheit. Und zu fluchen ist in Fort Whoop up ebenfalls verboten, Stranger. Sie müssen sich danach richten!«

»Aber atmen darf man doch wohl, wie?« Ben Closter ließ sich auf einen Schemel fallen und zog ein zerdrücktes Zigarettenpäckchen hervor. Doch ehe er das Stäbchen anzünden konnte, wurde es ihm von dem Kleinen sanft aus dem Mund genommen.

»Warum wollen Sie die gute Waldluft verpesten, Stranger? Es ist nicht erlaubt, in Fort Whoop up zu rauchen.«

»Damn ... jetzt reicht es mir aber!« Der sonst so gutmütige Sergeant kam in Fahrt. »Ich bin Sergeant Ben Closter von der Special-Police. Ich frage den Teufel danach, was bei Ihnen erlaubt oder verboten ist.«