Tom Prox 146 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 146 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Seit einiger Zeit häufen sich die Schreckensmeldungen. Im Golf von Mexiko ist eine Reihe von Schiffen gesunken, und nahe dem texanischen Galveston werden immer wieder tote Mexikaner angeschwemmt, offensichtlich Opfer dieser Schiffbrüche. Und tote Mexikaner, die gibt es auch im Grenzland von Mexiko und Arizona. Bloß sind diese Toten nicht ertrunken, sondern in der Wüste verdurstet oder sogar ermordet worden.
Für Tom Prox ist schnell klar, dass es einen Zusammenhang geben muss. Wie groß das Verbrechen und die Organisation, die dahintersteckt, aber tatsächlich sind, das kann der Captain der Ghost Squad zunächst nicht einmal ansatzweise ahnen. Schon bald aber soll er am eigenen Leib erfahren, dass diese Gangster vor nichts zurückschrecken. Buchstäblich bis zum Hals und darüber hinaus wird dem Ghostchef dann das Wasser stehen ...

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Inhalt

Cover

Menschenfracht aus Mexiko

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

Vorschau

Impressum

Menschenfrachtaus Mexiko

Von Alex Robby

Seit einiger Zeit häufen sich die Schreckensmeldungen. Im Golf von Mexiko ist eine Reihe von Schiffen gesunken, und nahe dem texanischen Galveston werden immer wieder tote Mexikaner angeschwemmt, offensichtlich Opfer dieser Schiffbrüche. Und tote Mexikaner, die gibt es auch im Grenzland von Mexiko und Arizona. Bloß sind diese Toten nicht ertrunken, sondern in der Wüste verdurstet oder sogar ermordet worden.

Für Tom Prox ist schnell klar, dass es einen Zusammenhang geben muss. Wie groß das Verbrechen und die Organisation, die dahintersteckt, aber tatsächlich sind, das kann der Captain der Ghost Squad zunächst nicht einmal ansatzweise ahnen. Schon bald aber soll er am eigenen Leib erfahren, dass diese Gangster vor nichts zurückschrecken. Buchstäblich bis zum Hals und darüber hinaus wird dem Ghostchef dann das Wasser stehen ...

1. Kapitel

Als Rodrigo Dramo aus seiner tiefen Bewusstlosigkeit erwachte, stand die Sonne schon im Zenit. Verwirrt stierte der Mexikaner auf die Sandkörnchen dicht vor sich und begann, mit bebenden Fingern im Staub der Wüste zu wühlen. Seine Lider brannten. Er spürte, wie ihm die Zunge schwer wie Blei am Gaumen klebte. Ein furchtbarer Durst peinigte ihn.

Ein Weilchen lag er regungslos da und delirierte mit geschlossenen Lidern vor sich hin. Wirre Bilder zogen wie in weiter Ferne an ihm vorbei.

Er sah sich durch die Wüste reiten, sich und die anderen; aber aufrecht und voller Spannkraft. In langer Kette waren sie dahin getrabt, lachend, singend, schwatzend – beseelt mit dem Unternehmungsgeist, der ihnen allen gemein war, um in dem amerikanischen Grenzstaat Arizona Arbeit zu suchen.

Sie wussten, dass die Grenze von verstärkten Einheiten der nordamerikanischen Grenzpolizei scharf überwacht wurde. Sie wussten auch, dass gerade jetzt, in der Baumwollsaison, besonders gut geschulte Beamte darauf achteten, dass sich keine illegalen »Einwanderer« in die Mittelstaaten der Union einschlichen, um dort den einheimischen Arbeitern Konkurrenz zu machen. Das kostete hohe Strafen. Aber sie wollten unbedingt arbeiten, und der hohe Lohn, den die Farmer zahlten, lockte.

So waren sie losgeritten mit einem Anführer, der die Gila-Wüste zu kennen vorgab, auf armseligen Mulis, bepackt mit dem Wenigen, was sie ihr Eigen nannten. Sie hatten viel verkaufen müssen, um dem Yankee seinen »Wegelohn« entrichten zu können.

Rodrigo träumte weiter. Er sah wieder die Sonne untergehen – ganz deutlich sah er den riesigen Feuerball hinter den graugelben Dünen verschwinden. Sekundenlang meinte er sogar, mitten in jenem Zwielicht zu liegen, das bis zum Einbruch der völligen Finsternis die Wüste noch erfüllte. Aber es waren nur die Nebel einer neuerlichen Ohnmacht, die sich vor seine Augen senkten.

Als er erwachte, dachte er weiter nach. Sie waren stundenlang geritten. In der ersten Nacht hatten sie in der Ferne ein Wachfeuer der Grenzpolizei sehen und deswegen selbst kein Feuer anzünden können. Ihr Anführer hatte sich verpflichtet, sie wohlbehalten durch den breiten Sperrgürtel zu bringen, der Arizona von Mexiko trennte und von berittenen Streifen Tag und Nacht kontrolliert wurde.

Die ersten Wassersäcke waren leer getrunken. Am folgenden Tage waren sie weitergeritten, schon etwas schweigsamer, zermürbt von der Sonnenglut. Der ganze Ritt war auf zwei Tage einschließlich möglicher Umwege angesetzt gewesen.

Benommen riss Rodrigo wieder die Augen auf.

Wohin er auch blickte – Sand – Sand – überall Sand! Die sengenden Strahlen der Sonne machten ihm heftige Kopfschmerzen.

Der Mexikaner wälzte sich mühsam auf den Bauch – da wurde es etwas besser. Trotzdem aber verwirrten sich seine Gedanken immer mehr. Wie war das doch gewesen? Nach einer Treibjagd, die amerikanische Grenzreiter auf ihren Trupp veranstaltet hatten, behauptete ihr Führer plötzlich, die Orientierung verloren zu haben.

Wie der Gringo überhaupt von »Weg« hatte reden können, war ihnen die ganze Zeit schleierhaft gewesen, hatte es sich doch schon vorher gezeigt, dass er die Gila-Wüste besser kannte als seine Hosentasche.

Deswegen war auch zuerst kein Argwohn aufgekommen, als er ihnen befohlen hatte, hinter einer schützenden Düne zu lagern und auf ihn zu warten. Erst drei Stunden später, als der Bursche immer noch nicht wieder aufgetaucht war, war ihnen zu klar geworden, dass dieser angebliche Erkundungsritt eine Finte gewesen war.

Und dann hatte es Streit gegeben, wie es in solchen Situationen nicht ausbleiben konnte. Sie hatten getobt, geflucht, geheult und gewimmert. Sie wussten alle, dass sie verloren waren, denn keiner von ihnen kannte die Gegend. Aber jeder hatte genug von den Gefahren der Gila-Wüste gehört, um zu wissen, dass ihnen der sichere Tod drohte, der langsame, qualvolle Tod des Verdurstens.

Rodrigo warf sich keuchend zur Seite und starrte über die Wüste. Aber nichts war zu sehen – nur Sand.

Fieberhaft suchte er in seinen Taschen. Wo war sein Kompass? Hatte er ihn verloren? War er seinen kraftlosen Fingern entfallen, als er zusammengebrochen worden war. Er musterte die Umgebung. Nichts! Matt wischte er sich über seine aufgesprungenen Lippen.

Ohne Kompass war man hier verloren!

Lange blieb Rodrigo Dramo unbeweglich liegen. Plötzlich spürte er einen leichten Luftzug über sich. Ein riesiger Schatten strich dicht über ihn hinweg. Sekundenlang stierte er entsetzt auf einen flachen, struppigen Vogelkopf, stierte fassungslos in ein Paar tückisch funkelnde Augen. Dann war der Spuk vorüber – ein heiseres Krächzen klang auf.

Geier!

Er tastete zur Hüfte. Ekel erfasste ihn. Einen Moment verschwand sogar das unerträgliche Durstgefühl. Beinahe liebevoll glitten seine abgemagerten Finger über die glatte Oberfläche des Revolvergriffes.

Er hatte den Colt aus der Holster gezogen und spähte nun in das wolkenlose Bau des Himmels. Matt schimmerte das tödliche Eisen in seiner Hand.

Schräg über ihm kreiste ein Geier. Rodrigo stierte mit blutunterlaufenen, hasserfüllten Augen angewidert auf den Vogel. Zitternd und schwerfällig hob sich seine Rechte.

Als der Schuss krachte, versuchte der Vogel wegzufliegen. Das Geschoss musste ihn aber getroffen haben. Dann stürzte er zur Erde.

»Kanaille!«, murmelte der Mexikaner wütend. Zugleich fühlte er wieder eine Schwäche und ließ sich einfach zurückfallen. Reglos grübelte er weiter. Wenn er den Stand der Sonne richtig einschätzte, musste es jetzt zwei Uhr sein. Er konnte noch nicht allzu lange hier liegen. Vielleicht drei, höchstens aber vier Stunden.

Rein instinktiv tastete er nach seiner Uhr.

Auch die war verschwunden!

Schrecken durchfuhr ihn. Mit nervös vibrierenden Händen durchwühlte er sämtliche Taschen. Sekunden danach stellte er fest: Auch sein Geld war fort!

Man hatte ihn beraubt!

2. Kapitel

Tom Prox und sein Adjutant hatten sich während der ganzen Fahrt nach Lincon oft genug gefragt, was jenes merkwürdige Telegramm des Zentralamtes bedeuten mochte. Oberst Heart hatte sie vom Bahnhof abholen und sofort zu sich führen lassen.

Nun, nach einer herzlichen Begrüßung, leckte sich der Oberst nachdenklich über die herunterhängenden Enden seines Schnurrbartes, riss ein Fach seines Schreibtisches auf, zerrte einige Aktenbündel hervor und erging sich in längeren Ausführungen.

»Der langen Rede kurzer Sinn, Colonel!« Tom Prox grinste. »Dieses Jahr kennen die Mexikaner plötzlich diese geheimen Wege. Und die Grenzpolizei ist nicht imstande, die illegalen Grenzläufer zu schnappen, nicht wahr?«

»So ähnlich.« Colonel Heart ließ sich leise ächzend in einen der Sessel fallen. »So ähnlich, aber noch nicht ganz. Tatsächlich haben Sie teilweise recht: Nur wenige Illegale werden jetzt noch gestellt. Das liegt aber daran, dass wir die Einheiten der Grenzpolizei sofort um das Doppelte verstärkt haben und dass diese scharfe Streifentätigkeit den Illegalen hart zu schaffen macht. Trotzdem sickern immer neue Trupps in die drei Staaten ein. Die einheimischen Arbeiter beschweren sich fast täglich über die ungebetene Konkurrenz, die für nur die Hälfte des üblichen Tarifs arbeitet. Die Gewerkschaften pusten ins Horn der Landarbeiter, und man droht mit Selbsthilfe. Was das bedeutet, wissen wir aus den Zeiten von Richter Lynch.«

Wieder leckte er über seine Schnurrbartenden. »Nun weiter: Tage nach der Unterhaltung des Chefs mit dem Gewerkschaftsvertreter beginnen sich die Ereignisse zu überstürzen. Inzwischen ist durch die verstärkte Streifentätigkeit der Grenzpolizei der illegale Zuwachs von Süden etwas abgeflaut. Nun aber meldet eine andere Abteilung laufend Leichenfunde an der Grenze. Der Dezernatsleiter kommt zum Vortrag und berichtet, dass es sich bei den Toten nur um Illegale handeln könne, da diese sämtlich mexikanische Papiere in der Tasche hatten. Und das Tolle an der Geschichte: Die Toten wurden sämtlich beraubt – und erschossen. So geschehen nahe des Rio Grande el Norte, auf texanischem Boden und genau gegenüber von Porfirio Diaz.« Der Oberst blickte Tom Prox an, dann fuhr er fort: »Tage später meldet dann eine Versicherungsgesellschaft, dass innerhalb einer knappen Woche vier Dampfer allein auf der Strecke Matamoros–Galveston gesunken sind. Sämtliche Dampfer gehörten demselben Transportunternehmer, waren uralt, aber sehr hoch versichert, und bei jedem der Unglücksfälle gelang es der Besatzung, sich zu retten. Wieder einige Tage danach meldet Brownsville, dass einige Ertrunkene an Land gespült wurden: allesamt Mexikaner. Ohne Wertgegenstände. Auch aus Arizona wurden Leichenfunde gemeldet. Und auch hier wurden die Toten beraubt.«

Eine Weile herrschte Stille. Im Geist fasste Tom Prox das Gehörte zusammen. Dann endlich hob er den Kopf und blickte den Vorgesetzten ernst an.

»Wir haben es mit ausgemachten Gangstern zu tun, die jetzt nach anderen Methoden arbeiten!«

»Und was sind das für Methoden?«

»Man lässt sich von den Arbeitern hohe Beträge zahlen und verspricht ihnen, sie in das Innere des Staates zu bringen, in den sie wollen. Natürlich weiß man, dass das ausgeschlossen ist. Haben die armen Teufel dann ihr Erspartes hergegeben, um den scharfen Maßnahmen der Grenzpolizei zu entgehen, schafft man sie in die Nähe der Grenze, erschießt sie, raubt ihnen die letzten Habseligkeiten und verschwindet.« Prox überlegte kurz.

»Ebenso wird es mit den Schiffen sein, nur verbindet man hier das Menschenschmugglergeschäft mit Versicherungsbetrug. Die schwarze Fracht, wenn wir sie so nennen wollen, wird an Bord der uralten, aber hoch versicherten Seelenverkäufer geschafft und auf hoher See versenkt. So kam es, dass unbekannte Tote mit mexikanischen Papieren bei Brownsville an Land geschwemmt wurden. Lassen Sie die Strömung errechnen, und wir werden ungefähr in der Lage sein, zu bestimmen, wo die Dampfer gesunken sind. Dass die Angaben der Besatzung stimmen, ist unwahrscheinlich. Es ist anzunehmen, dass auf diesen Schiffen gar keine Seeleute fahren. Nur Ausschuss der Menschheit, entlassene Zuchthäusler, gecharterte Berufsverbrecher und so weiter. Was sagst du dazu, Snuffy?«

Sergeant Snuffy Patterson nickte. »Man sieht, wir leben schon ein Weilchen zusammen, Tom. Ich vermute nämlich genau dasselbe!«

3. Kapitel

Wie lange er so gelegen hatte, wusste Rodrigo Dramo nicht. Er kam erst wieder zu sich, als ihm jemand ein feuchtes Tuch auf die Lippen legte. Sofort saugte der Mexikaner gierig die Nässe aus dem Lappen. Seine Lebensgeister begannen sich zu regen. Noch flimmerte es ihm vor den Augen. Er spürte einen unerträglichen Druck auf die Schläfen. In seinem Schädel rumorte es unablässig.

»Hallo, Boy? Hallo!«

Dann meldete sich eine zweite Stimme.

»Er ist jetzt noch zu schwach, Frank! Wir werden warten müssen. Versuch es doch noch mal mit dem Lappen.«

»Hol doch mal die Whiskyflasche, Horace!«, murmelte nun der Erste. »Das ist immer das Beste. Wette, dass es ihm hilft!«

Der Mexikaner vernahm ein Gluckern und spürte gleich darauf wieder das Tuch. Der scharfe Schnaps brannte kurz auf seinen Lippen und beizte heftig das Zahnfleisch. Er hätte aufschreien mögen vor Schmerz, aber sogar dazu war er noch zu schwach. Trotz allem, der Alkohol tat die beabsichtigte Wirkung: Dramo schlug endlich die Augen auf und sah seine Retter an.

Direkt vor ihm kniete Horace Fletcher, der Puncher mit der tiefen Stimme. Er hielt den Lappen in der Rechten und wartete gespannt, ob das von seinem Freund vorgeschlagene Mittel helfen würde. Als er sah, dass der Mex die Augen aufgeschlagen hatte und ihn anstarrte, erhellten sich seine Züge.

»Du hattest recht, Frank! Der Boy gehört zu den Leuten, die seit frühester Jugend Flaschenkind geblieben sind.«

Trotz dieser gespielt unbekümmerten Bemerkung klang aus der Rede des Cowboys doch Besorgnis. Horace Fletcher wusste genau, was für Folgen es haben konnte, wenn jemand stundenlang der glühenden Hitze der Gila-Wüste ausgesetzt gewesen war und wohl schon lange nichts mehr getrunken hatte.

»Wie kommst du hierher, Freund?«, erkundigte sich Frank Holler.

Der Mexikaner schüttelte matt den Kopf. Die Geste sprach Bände – er konnte nicht reden.

»Blödsinn, dass du ihn fragst«, meinte Horace missbilligend. »Er kann noch nichts erzählen. Wir kamen gerade noch zurecht! Der kommt schon über den Berg. Wir wollen ihn jetzt auf meinen Gaul packen und sehen, dass wir zur Farm kommen.«

Rodrigo Dramo stöhnte vor Schmerz, als ihn die beiden Puncher unter die Schultern fassten und auf den Rücken des Pferdes legten. Während des ganzen Rittes ächzte er verhalten vor sich hin.

Der Farmer Stafford hockte eben über seinen Büchern, als die beiden Cowboys mit der ungewöhnlichen Last auf den Hof trabten. Er vernahm das Getrappel der Hufe und warf einen Blick aus dem Fenster.

Charles glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Zuerst dachte er, das leblose Menschenbündel vor Horace sei einer seiner Boys, der vielleicht bei der Arbeit in den Korrals verunglückt war. Er riss das Fenster auf und beugte sich weit über die Brüstung.

»Was ist geschehen?«

Horace schaute empor und erkannte den Chef. Er zuckte die Schultern.

»Wir wissen es selbst noch nicht, Boss«, antwortete er breit. »Ein Mex ist es! Wir kamen gerade noch rechtzeitig. Mit letzter Kraft hat er nach den Geiern geschossen, wir fanden einen der Aasvögel nicht weit von ihm entfernt. Als wir den Schuss krachen hörten, ritten wir ...«

Stafford winkte ungeduldig ab.

»Schon gut«, rief er. »Schafft ihn in eins der Fremdenzimmer und holt King. Vergesst nicht, ihm zu sagen, dass er seinen Pflasterkasten mitbringen soll!«

King, der Vormann der Ranch Staffords, hatte niemals studiert. Er sprach kein Wörtchen Latein und wusste kaum, wie es im Innern eines Hörsaals aussah. Dafür wusste er im Innern des menschlichen Körpers umso besser Bescheid. Die Anatomie des Menschen war eines seiner Spezialgebiete. King kannte die meisten Krankheiten, ihre Ursachen und die Bekämpfungsmethoden. Für die Leute auf der einsam gelegenen Farm war er mit seinen Kenntnissen eine wertvolle und unschätzbare Hilfe.

King kam sofort und machte sich an die Untersuchung.

»Wie lange wird er so noch liegen, Lew?«, wollte Stafford wissen.

King überlegte kurz. »Wenn alles gutgeht, müssen wir damit rechnen, dass er acht Tage braucht. Er wird jetzt heftiges Fieber bekommen, vielleicht auch fantasieren. Danach wird er in einen todähnlichen Schlaf fallen. Es dürfte immerhin einige Wochen in Anspruch nehmen, ehe er wieder vollkommen bei Kräften ist.«

Eine halbe Stunde nach der Untersuchung des Kranken preschte einer der Cowboys in rasendem Galopp zur nächsten Telegrafenstation, um die Behörden über das Auffinden des Mexikaners zu benachrichtigen.

4. Kapitel

Drei Tage nach diesen Ereignissen hatten sich die Wogen der Erregung immer noch nicht geglättet. Entlang der ganzen Küste von Brownsville bis Galveston herrschte Panikstimmung.

Der »Galveston-Observer« erschöpfte sich in langatmigen Vorwürfen gegen die Regierung und die neuen Verordnungen, welche die armen illegalen Zuwanderer gezwungen hatten, sich verbrecherischen Elementen anzuvertrauen, um so ins Innere des »gelobten Landes« zu gelangen. Dagegen wiederum liefen die Gewerkschaftsblätter Sturm und wiesen darauf hin, dass Tausende Einheimischer erwerbslos geworden seien, seit die mexikanischen Illegalen sich auf den Farmen für weit niedrigere Tarife verdingten.

So standen die Dinge, als drei Tage nach dem Anschwemmen der ertrunkenen Mexikaner ein merkwürdig gekleideter Gent in die kleine Hafenbar »Zur flotten Nixe« trat. Aus dem Innern des Lokals, welches in den Abendstunden immer gut besucht war, schlug ihm erregtes Stimmengewirr entgegen, das von Gelächter unterbrochen wurde.

Der Mann schüttelte den mit einem feierlichen Zylinder geschmückten Schädel und stakte steifbeinig die Kellertreppe hinunter. Unten angekommen, zog er würdevoll seine Kopfbedeckung und ließ sich an einem der runden Tische nieder.

Die Geste mit dem Zylinder und das ganze Aussehen des Fremden ließ die Gespräche der Männer augenblicklich verstummen. Sekundenlang starrten die Matrosen, Fischer und Hafenarbeiter entgeistert auf den neuen Besucher. Dann brach ein Lachen los wie ein Orkan.

»Männchen, du hast dich wohl verlaufen!«, meinte ein untersetzter Seemann, und sein koboldhaftes Gesicht verzog sich zu einem amüsierten Grinsen. »Hier ist die Bar ›Zur flotten Nixe‹ – und kein Beerdigungsinstitut!«

Unter dem Toben der Anwesenden näherte sich der feiste Wirt dem komischen Gast. Eusebio Machio war mexikanischer Abstammung, besaß aber die Schenke bereits seit Jahren und zählte längst zu den alteingesessenen Bewohnern von Galveston. Nur sein gelbliches Gesicht und die großen, blitzenden Ohrringe ließen erkennen, wo seine Wiege gestanden hatte.

»Der Señor wünschen?«

In diesem Moment herrschte vollkommene Ruhe. Jeder spitzte die Ohren, um zu hören, was sich der Gent im karierten Paletot, den gestreiften Hosen und den Lackschuhen bestellen würde.

»Ein Glas Milch, wenn es recht ist!«, bestellte der Gast kleinlaut. »Und geben Sie bitte einen tüchtigen Esslöffel Bienenhonig hinein!«

»Milch, hahaha!«, meckerte der kleine Seemann. »Er säuft tatsächlich Kuhsaft wie ein richtiger Säugling!«

Solche und ähnliche Zurufe flatterten von allen Seiten auf den unbekannten Gent hernieder, der sich jetzt sogar am Gespräch beteiligen zu wollen schien. Er zerrte ein Monokel hervor, klemmte es entschlossen vor sein linkes Auge und musterte die Leute wie einen Haufen dressierter Mantelpaviane.

»Das, was Ihr Kuhsaft nennt, Kleiner, ist sicher das nahrhafteste Getränk, was es gibt«, sagte er im Ton eines Reklamechefs. Er nahm das Einglas wieder ab, erhob sich halb und machte einen Kratzfuß. »Übrigens, wenn die Herrschaften gestatten, mein Name ist Hyronimus Sebastus Knickebein!«