Tom Prox 98 - Alex Robby - E-Book

Tom Prox 98 E-Book

Alex Robby

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Beschreibung

Alle glauben an ein tragisches Unglück, bloß die Tochter des Opfers nicht. Elaine Bennett ist felsenfest davon überzeugt, dass ihr Vater, einer der erfolgreichsten Rancher von West-Texas, nicht durch einen unglücklichen Sturz seines Pferdes ums Leben gekommen, sondern kaltblütig ermordet worden ist. Allein, es fehlen der jungen Frau jegliche Beweise für diesen Verdacht.
Bennett aber ist nicht das einzige "Unfallopfer". Auch zwei befreundete Cowboys haben ihr Leben auf ungewöhnliche Weise verloren, sodass Tom Prox das Geschehen untersuchen soll. Schon bald findet sich der Captain der Ghost Squad in einem brutalen Weidekrieg zwischen Rinder- und Schafzüchtern wieder, der sich zu einem Flächenbrand auszubreiten droht ...


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Inhalt

Cover

Spiel mit dem Feuer

Aus dem Wilden Westen

Vorschau

Impressum

Spiel mit dem Feuer

Von Alex Robby

Alle glauben an ein tragisches Unglück, bloß die Tochter des Opfers nicht. Elaine Bennett ist felsenfest davon überzeugt, dass ihr Vater, einer der erfolgreichsten Rancher von West-Texas, nicht durch einen unglücklichen Sturz seines Pferdes ums Leben gekommen, sondern kaltblütig ermordet worden ist. Allein, es fehlen der jungen Frau jegliche Beweise für diesen Verdacht.

Bennett aber ist nicht das einzige »Unfallopfer«. Auch zwei befreundete Cowboys haben ihr Leben auf ungewöhnliche Weise verloren, sodass Tom Prox das Geschehen untersuchen soll. Schon bald findet sich der Captain der Ghost Squad in einem brutalen Weidekrieg zwischen Rinder- und Schafzüchtern wieder, der sich zu einem Flächenbrand auszubreiten droht ...

Drei recht unterschiedlich aussehende Männer saßen in dem mehr als nüchternen Amtszimmer, durch dessen Fenster die Strahlen der Nachmittagssonne Kreise und Kringel auf den gescheuerten und mit weißem Sand bestreuten Fußboden malten.

Die schlanke Gestalt des Chefs der Ghost Squad lehnte lässig in einer Ecke des Ledersofas, während sein Sergeant Patterson, hoch aufgerichtet, in der anderen saß. Seine hagere Figur erschien so noch länger, als sie es ohnehin schon war.

Der dritte Mann war von gedrungener, eher bulliger Erscheinung. Auf seiner linken Brustseite blinkte immer dann, wenn er sich beim Sprechen auf seinem knarrenden Stuhl bewegte und seine Worte mit weit ausholenden Gesten lebhaft unterstrich, ein Sheriffstern.

»Im nächsten Monat werden es nun genau fünf Jahre sein, dass ich hier in Farland Village Sheriff geworden bin, Captain«, erklärte er brummig, und sein Stiernacken bildete zwei scharfe Falten, als er den Kopf reckte. »Der Distrikt, der zu meinem Bereich gehört, ist, wie Sie wissen, einer der größten von West-Texas. Fünf große Ranches mit weitem Weideland gehören dazu, dann noch die Steppe und die Waldungen oben an der Pecos-Schleife. Es gibt kaum ein ruhigeres, friedlicheres Fleckchen Erde, um ...«

»Ruhiges und friedliches Fleckchen Erde nennt der Mann das?« Sergeant Patterson lachte belustigt. »Hast du das gehört, Chef? Und überall liegen Leichen herum.«

»Lass das, Snuffy«, erwiderte Tom Prox mit einer ärgerlichen Handbewegung.

»In meinem Distrikt liegen keine Leichen herum, Sergeant«, empörte sich Sheriff Buster Yallington wütend.

»So? War etwa der Mann an der Kreuzung der Davis-Alpine-Straße keine Leiche? Und die beiden Cowboys, die man am Ufer fand, hatten sich auch nicht mehr gerührt, nachdem sie schätzungsweise vier Tage ...«

»Streitereien können mal vorkommen. Es steht fest, dass die beiden Boys sich gegenseitig ...«, antwortete der Sheriff.

»Das nehmen Sie an«, unterbrach ihn Tom Prox. »Es handelt sich übrigens nicht um diese Fälle. Grenzkrieg gibt es nun leider überall einmal, wo Groß-Ranches aufeinanderstoßen, so bedauerlich das auch ist. Aber finden Sie nicht selbst, dass es in Ihrem so friedlichen Distrikt in letzter Zeit recht unfriedlich geworden ist, Yallington?«

Der Sheriff zögerte einen Augenblick und wischte sich mit diesem riesigen, roten Sacktuch den Schweiß aus dem Gesicht.

»Das hat aber nichts damit zu tun, dass sich Desperados bei uns eingenistet haben sollen, Sir«, erklärte er dann erregt. »Daran sind nur die Zehntausende von Wollköpfen schuld, die dieses übergeschnappte Girl von der Always-first-Ranch in das Rinderland gebracht hat. Wollköpfe im Rinderland – ich bitte Sie, Gents! Elaine Bennett hat die Ranch nicht umsonst ›always first‹, also ›immer zuerst‹, genannt. Seitdem sich George Bennett, ihr Vater, vor einem halben Jahr beim Sturz vom Gaul das Genick brach, benimmt sie sich wie eine Furie. Dabei ist sie noch keine siebzehn, und ihr Onkel, Julian Mort Frensham, hat jetzt beantragt, sie in einem Heim unterzubringen. Der hat die Schwester von George Bennett, Gloria, zur Frau und sitzt auf der Hightwood-Ranch, die sein Schwager seinerzeit von der Bennett-Ranch abgetrennt hat.«

»Das hat nichts mit unserer Sache zu tun«, schnaubte der lange Patterson ärgerlich. »Familiengeschichten der Rancher interessieren uns nicht. Wir haben Beweise, dass ...«

»Du bist in letzter Zeit so hitzig geworden, Snuffy«, mahnte Tom Prox. »Wieso behaupten Sie, Sheriff, dass sich das siebzehnjährige Mädchen wie eine Furie benimmt?«

»Weil es steif und fest überall erklärt, sein Vater sei nicht durch einen Unfall ums Leben gekommen, sondern ermordet worden! Elaine hat von mir verlangt, ich sollte das untersuchen.«

»Und haben Sie das getan?«

»Natürlich nicht. Weil es da nichts zu untersuchen gab. Der Vormann Semper Upfield war Zeuge, wie der Gaul seines Bosses strauchelte, sich überschlug und Bennett unter sich begrub. Ein Unglück. Aber das Girl, das übrigens damals gar nicht hier, sondern auf einer Schule im Osten war, muss von anderen aufgeputscht worden sein.

Elaine wehrte sich auch dagegen, dass ihr Onkel vorläufig, das heißt bis zu ihrer Mündigkeit, die Verwaltung der großen Ranch übernahm.« Er lachte, und tupfte sich wieder den Schweiß ab. »Sie verlangte sogar ihre Mündigkeitserklärung, was natürlich abgelehnt wurde.«

»Wieso ist das so natürlich?«, fragte der Ghostchef verwundert. »In besonderen Fällen kann doch eine Ausnahme gemacht werden.«

»Aber bei diesem Riesenbesitz? Die Always-first-Ranch – ein zu verrückter Name, die meisten sagen auch weiter Bennett-Ranch –, hält mehr als viertausend Longhorns, dazu eine Pferdeherde von nahezu tausend Köpfen. Und dass das Girl übergeschnappt ist, hat es ja bewiesen. Lässt eines Tages mehr als zehntausend Wollköpfe auf die Ranch treiben! Kein Mensch weiß, woher die Kleine überhaupt das Geld hatte, diese Herde zu bezahlen. Aber Tatsache ist's, die Viecher sind da!«

»In Mittel-Texas haben einige Ranches es auch schon mit der Schafzucht versucht«, warf Tom Prox ein. »Vielleicht hat es dabei harte Auseinandersetzungen gegeben. Wie stellen sich denn die anderen Rancher dazu?«

»Das ist es eben. Seit diese blökenden Wollköpfe hier angekommen sind, herrscht offener Krieg im Distrikt. Die meisten Rancher toben und haben sogar schon gedroht, die Hammel und Schafe abzuknallen. Das sollte ihnen aber bei der Menge verdammt schwerfallen.« Yallington lachte finster. »Semper Upfield, der Vormann der Bennett-Ranch und zwanzig Jahre die rechte Hand seines Bosses, hat die großen Schafherden samt den Hirten – die meisten von denen sind Peones aus Mexiko –, widerspruchslos, übernommen, obwohl er ein Rindermann ist. Aber man sagt, der alte Bennett hätte sich selbst schon mit dem Gedanken getragen, Schafe einzuführen, er sei nur darüber gestorben.«

»Schafe auf Rinderland?« Snuffy zog nach seiner Gewohnheit heftig in der Nase hoch. »Was sagen denn die Cowboys der Bennett-Ranch dazu?«

»Ein Teil hat sofort den Job aufgegeben, obwohl sie nirgends einen besseren finden können. Schafe würden ihnen zu sehr stinken, haben sie erklärt. Na, Sie wissen ja, wie Rindermänner über Wollköpfe denken.«

»Und nun sitzt das Girl auf der Ranch und muss seine Schafe verteidigen?«

»Wo denken Sie hin, Sir? Ihr Onkel hat als ihr Vormund einen Gerichtsbeschluss in Sankt Antonio erwirkt, um das verrückte Frauenzimmer vorläufig in eine Erziehungsanstalt einweisen zu können. Aber tun Sie das mal, wenn keiner weiß, wo sie steckt. Wie auch immer, ich kann Ihnen versichern, dass ich meinen Distrikt bis in den letzten Winkel kenne. Es ist ausgeschlossen, dass sich bei mir irgendwelches Gesindel eingenistet hat. Der weitaus größte Teil des Gebietes ist ja auch Ranchland. Nur weiter oben am Pecos sind das Waldgebirge und der anschließende Prärieteil Regierungsland.

Aber eine Kontrolle gibt es auch dort. Zum einen kommt mein Hilfssheriff gelegentlich dorthin, und zum anderen liegt dort das große, zur Hightwood-Ranch gehörige Sägewerk.«

»Ein Sägewerk?« Tom Prox horchte auf. »Davon wusste ich noch gar nichts.«

»Ist auch erst neueren Datums, seit man für diesen Teil des Waldes Schlagrechte vergeben hat. Frensham hat sie sich gesichert. Der ist ja wohl auch mehr Holzhändler als Rindermann und stammt übrigens aus dem Osten.« Ein Hauch von Überheblichkeit war nicht zu überhören gewesen in der Stimme des Sheriffs. »Es gibt am Fluss ein Camp für die Waldarbeiter und Sägemüller. Seit das existiert, geht einmal wöchentlich im Anschluss an die Postkutsche aus Davis auch eine andere weiter hinauf über das Weideland und durch den Hochwald bis zum Pecos. – Aber sprachen Sie nicht von Schmuggel, Sir? Da kann ich Sie beruhigen. Womit sollte in unserem Distrikt schon Schmuggel getrieben werden? Wir liegen ja auch viel zu weit von der Grenze entfernt, auf keinen Fall glaube ich daran ...«

»Lassen wir das.« Der Ghostchef war nicht so recht bei der Sache. Er erhob sich und schüttelte dem Sheriff zum Abschied die Hand. »Und zu niemandem ein Wort, Yallington!«

»Ist doch selbstverständlich, Sir, bin ja kein Klatschmaul!«, sagte der Sheriff, ein wenig verärgert über diese Verdächtigung.

»Und erhalten Sie sich weiter Ihr ruhiges, friedliches Erdfleckchen mit den vielen herumliegenden Cowboys, die nicht mehr aufwachen, Yallington«, spottete der Lange, bevor er die Tür hinter sich schloss. Die Verwünschung, die der Sheriff hinter ihm her schmetterte, quittierte er mit einem wohlgefälligen Grinsen.

»Warum ärgerst du den Mann so, Snuffy?«, brummte Tom ärgerlich, während sie über die Straße zu dem einzigen Saloon von Farland Village hinübergingen. »Der Mann hat Kummer genug und wird bald noch viel mehr haben, wenn mich nicht alles täuscht.«

»Ich finde das, was wir erfahren haben, recht mager«, meinte Patterson unsicher. »Vielleicht hat er recht, und wir sind doch auf der falschen Fährte.«

»Der Mann, der mit dem Schuss im Rücken an der Kreuzung der Davis-Alpin-Straße aufgefunden wurde, war Harry Limmer, Agent der Zollfahndung, einer der fähigsten Beamten. Er war einer großen Waffenschmuggelaffäre auf der Spur. Allerdings weiß seine Dienststelle leider auch nicht, wie er ausgerechnet hierher nach Südwest-Texas kam. Sein letzter Bericht deutete darauf hin, dass eine Spur nach Flanders am Rio Grande del Norte führte. Der Bericht kam damals aus Fort Worth, und das liegt knapp siebenhundert Meilen nördlich von Flanders! Aber die Stelle, wo er gefunden wurde, liegt wiederum gute vierhundert Meilen östlich davon. Schwer zusammenzubekommen. Niemand weiß, was den Mann veranlasst hat, hierher, ins Rinderland, zu kommen. Man kann höchstens annehmen, dass er einer heißen Spur folgte, dabei aber erkannt und dann niedergeschossen wurde.«

»Was werden wir tun?«

»Zunächst versuchen, ein saftiges Steak zu bekommen«, scherzte Tom. Er konnte damit den Freund aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er keineswegs zum Scherzen aufgelegt war.

Mit dem Steak wenigstens sollten sie es dann auch tatsächlich gut treffen. Das Fleisch und die Beilagen waren über jeden Zweifel erhaben, und demzufolge besserte sich auch ihre Laune schnell.

»Ich weiß noch nicht, was ich tun werde«, meinte Tom nachdenklich, während sie noch bei einem Gläschen Whisky saßen und gelangweilt auf die Gäste im Saloon blickten. »Auf jeden Fall wollen wir morgen erst einmal zur Herz-Ass-Ranch, deren Boys den toten Limmer an der Wegekreuzung fanden. Ich verspreche mir zwar nicht viel davon, aber vielleicht hat der eine oder andere doch etwas zu berichten, was nicht im Protokoll steht.«

»Blau wie zehn Fuhrknechte«, stellte Patterson etwas unmotiviert fest und deutete ungeniert auf einen durch den Raum torkelnden Mann.

Der Bursche mochte Ende zwanzig sein. Er hatte ein an sich nicht unsympathisches, wenn auch hartes Gesicht, das aber jetzt durch die scharfen Stirnfalten und die etwas herabgezogenen Mundwinkel finster erschien. An seiner abgewetzten Cowboykleidung fielen die beiden langen Sechskant-Colts auf, die in Holstern an verkürzten Riemen staken.

»Aus Waco, Austin oder da herum«, stellte Tom Prox fest.

»Da du aus dieser Gegend stammst, musst du es ja wissen«, spottete der Lange. »Sieht mir sehr nach Revolvermann aus.«

»Möglich wär's.« Tom nickte gerade in dem Moment, als der Mann auf ihren Tisch zusteuerte und vor ihnen stehen blieb.

»He, Texasboys! Macht, dass ihr aus diesem Lande fortkommt«, stieß er in texanischem Dialekt hervor. »Schlechte Gegend hier für ehr ... ehrliche Rindermänner. Ich sag nichts weiter als Woll ... äh ...« Er musste wiederholt ansetzen, bevor er das Wort »Wollköpfe« endlich heraus hatte. »Wollköpfe und ... ein Ass im Ärmel ... ein Ass, Boys, denkt daran! Kreuz ... Kreuz-Ass ist Trumpf, dann seid ihr ... futsch ... ganz futsch. Der gu ... gute Pe ... Peter ist auch fi ... fa ... futsch ist er.«

Er schwankte und wäre gefallen, wenn Patterson nicht zugegriffen hätte.

»Denkt dran, Texasboys, futsch seid ihr ... futsch ... so, und jetzt reite ich.« Er machte sich mit einer überraschenden Energie los. »Ich reite!« Damit schoss er wie ein Pfeil durch den Raum auf die Pendeltür zu und verschwand.

»Weit kommt der nicht, und in den Sattel schon gar nicht!« Der lange Sergeant lachte.

»Sag das nicht, Snuffy.« In den harten, blaugrauen Augen des Betrunkenen hatte irgendetwas gelegen, das den Ghostchef verblüfft hatte.

Sie zahlten und suchten ihr Zimmer im oberen Stockwerk auf. Das dudelnde Orchestrion war deutlich zu vernehmen, während sie den Gang entlang gingen.

Tom schloss auf und wollte die Klinke niederdrücken. Zu seiner Verwunderung aber gab sie nur sehr schwer nach, obwohl er sich genau erinnern konnte, dass sie vorher sehr leicht gegangen war. In einer plötzlichen Eingebung zog er die Hand zurück.

»Irgendetwas stimmt hier nicht«, meinte er nachdenklich. »Warte hier, Snuffy, lass aber die Pfoten von der Klinke. Kann sein, dass ich mich irre, aber ich habe so ein komisches Gefühl ...«

»Ich hab auch so ein Gefühl, endlich in die Falle zu klettern«, knurrte der Lange missmutig. »Willst du etwa vom Verandadach aus durch das Fenster?«

»Du merkst auch alles, Langer.« Damit verschwand Tom Prox. Ihm war wie dem Freund aufgefallen, dass ihr Zimmerfenster über dem Dach der Veranda lag.

Vorsichtig schlich er die Treppe hinunter, dann an der Mauer entlang bis zur Veranda. Es war ein Kinderspiel, an den starken Hölzern des hohen Weinspaliers auf das Dach zu gelangen. Lautlos glitt er zum Fenster. Es war halb geöffnet.

Tom lauschte, zu hören war nichts. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das diffuse Nachtlicht. Das Zimmer war zweifellos leer. Nur der Tisch, der vorher in der Mitte des Raumes gestanden hatte, war verschoben und lehnte direkt an der Tür. Der Mann, der das arrangiert hatte, musste das Zimmer durch das Fenster verlassen haben.

Tom Prox schwang sich hinein. Was zu ihrem Empfang vorbereitet worden war, ließ sich nun leicht feststellen. Der Ghostchef pfiff anerkennend durch die Zähne und machte sich vorsichtig an die Arbeit. Endlich schob er den Tisch weg und öffnete die Tür.

»Na, was ist?«, fragte der Lange, ließ aber sofort ein »Donnerwetter« folgen, als er die Gegenstände auf dem Tisch sah. »Eine der modernsten Maschinenpistolen der Army.«

»Das war allerdings die einzige Dummheit, die die Burschen begangen haben«, lautete Prox seltsame Erwiderung. »Aber sonst, alle Achtung: Sie haben die MP so auf dem Tisch festgebunden, dass ihr Lauf genau auf die Türfüllung gerichtet ist. Die Klinke ist mit dem auf Dauerfeuer gestellten Abzugsbügel so raffiniert verbunden, dass, sobald die Klinke niedergedrückt wird, das Ding losrattern und aus dem hinter der Tür im Gang Stehenden ein Sieb macht!«

»Aber dusselig waren sie dennoch. Sie hätten dafür sorgen müssen, dass die Klinke sich nach wie vor leicht hätte niederdrücken lassen«, bemerkte Patterson.

»Wie man's nimmt, Snuffy. Die Banditen wollten wahrscheinlich erreichen, dass wir beide gemeinsam auf die Klinke drückten und dadurch auch beide genau vor der Tür gestanden hätten. Nur in diesem Falle konnten sie sicher sein, dass es uns zugleich erwischen würde. Das wäre ihnen auch geglückt, wenn ich mich nicht daran erinnert hätte, dass die Türklinke sich zuvor sehr leicht hat bewegen lassen.«

»Ganz raffiniert ausgedacht.« Der Lange konnte eine gewisse Anerkennung nicht leugnen.

»Ich weiß nicht ... an sich war es dumm von ihnen«, versetzte Tom. »Durch den Anschlag wissen wir nun, dass wir auf der richtigen Fährte sind. Allein schon die Militärwaffe beweist das. Unsere Gegner haben eben mit keiner Panne gerechnet und geglaubt, uns auf diese Tour mit tödlicher Sicherheit erledigen zu können.«

»Um ein Haar wären wir auch futsch gewesen und dann ... futsch! Das hat doch der Kerl gesagt, der an unseren Tisch kam? ,Futsch seid ihr ... futsch.' Der Bursche wusste also, dass uns eine Falle gestellt worden war, wenn er sie nicht sogar selbst gestellt hat!«

»Das kann ich mir eigentlich nicht denken, Snuffy«, erwiderte Tom Prox. »Wenn er der Täter war, hätte er uns nicht gewarnt. Immerhin ...« Tom überlegte. »Der Mann fragte doch die am Nebentisch, wie viele Meilen es von Farland Village bis nach Fort Davis sind?«

»Stimmt! Und der Cowboy, den er fragte, meinte, so an die fünfzig Meilen. Meinst du, dass der Bursche tatsächlich nach Fort Davis geritten ist?«

»Möglich. Es kann natürlich auch Bluff gewesen sein.«

»Reiten wir also auch nach Fort Davis«, schlug Patterson vor. »Wir packen uns den Kerl und stellen ihm ein paar Fragen. Hab doch gleich den Riecher gehabt, dass das ein Revolvermann ist.«

Der Ghostchef musste lachen. »Ich dachte, du hättest so ein Gefühl, endlich in die Falle zu klettern, Snuffy«, meinte er dann. »No, wir werden jetzt nicht reiten, sondern uns erst einmal richtig ausschlafen. Bis Fort Davis sind es allerhand Meilen, und unsere Gäule haben einen anstrengenden Tag hinter sich. Der Mann entwischt uns nicht. Außerdem ist es möglich, dass wir heute Nacht noch weitere interessante Erlebnisse haben.«

»Meinst du, dass man noch ähnliche Scherze mit uns versuchen wird, wenn man merkt, dass dieser Witz mit der MP uns nur zu einem müden Lächeln bringen konnte?«

»Möglich wäre es, wenn ich auch nicht daran glaube. Ich nehme eher an, der ... oder auch die Burschen, die hier am Werk waren, werden der festen Überzeugung sein, dass das Attentat gelungen ist. Warum sollten sie dann noch warten, auf die Gefahr hin, den Verdacht auf sich zu lenken? Trotzdem werden wir auf der Hut sein und abwechselnd wachen. Morgen in der Frühe reite ich dann nach Fort Davis.«

»Moment mal! Wieso reitest du? Ich denke, wir reiten nach Fort Davis«, knurrte der Lange argwöhnisch mit zusammengekniffenen Augen.

»Einer genügt, Snuffy. Ich reite auch weniger wegen dieses Burschen nach Fort Davis. Ich möchte mir über den dortigen Polizei-Telegraphen ein paar Auskünfte einholen. Außerdem brauchen wir Hilfe. Wir können doch nicht überall sein. Die Story, die der Sheriff aufgetischt hat, gibt mir zu denken. Ich bin in längstens drei Tagen zurück. du kannst hier inzwischen Land und Leute genauer studieren.«

»So was habe ich gern! Aber als kleinerer Gehaltsempfänger muss man eben immer den Dreck ausklauben«, schimpfte der Lange erbost. »Und ich sehe wirklich nicht ein, warum wir da wieder mit anderen den Kuchen teilen sollen?«

»Hau dich jetzt in die Flohkiste, Boy! Ich übernehme die erste Wache. Da wir die Tür leicht verrammeln können, brauchen wir nur auf das Fenster und das Verandadach zu achten. Ich wecke dich, wenn es Zeit ist.«

»Okay. Da muss man also wieder mit umgeschnalltem Coltgürtel pennen.« Der Lange warf sich gestiefelt und gespornt auf das knarrende Bett und war im Umsehen eingeschlafen.

Tom Prox rückte sich einen Stuhl an das Fenster.

Um diese frühe Nachmittagsstunde herrschte in der hinter der Hotelhalle gelegenen Bar eine dämmrige Stille. Der Keeper lehnte gelangweilt hinter dem Tresen. Seine Aufmerksamkeit galt dem einzigen Gast, der, vor sich hin murmelnd, in einer Nische im Hintergrund saß und einen dicken Brummer beobachtete, der unermüdlich den mit Kandisstücken gefüllten Glasballon umkreiste. Würde der nun den nächsten Whisky bestellen – das wäre dann wohl der achte oder neunte –, bevor sich das schillernde Tierchen abermals auf dem trügerischen Glas niedergelassen hatte?

Gast und Brummer waren umgehend uninteressant für den Keeper, als eine Frau in einem eleganten Reitkostüm die Bar betrat und an einem kleinen, halb zwischen den Kübel-Palmen versteckten Tischchen Platz nahm.