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Als ein Onkel, von dem er noch nie gehört hat, stirbt und ihn zum Alleinerben macht, begibt sich Caleb Todd in die Kleinstadt Dark Hollow. Während er mehr über die Vergangenheit seiner Familie und die Legende, die sie umgibt, erfährt, wird er rasch in ein Geheimnis hineingezogen, das sich als zunehmend merkwürdig entpuppt. Henry Allan, der Sheriff von Dark Hollow, hat ein eigenes Geheimnis: Er ist ein Werwolf. In einer Stadt, die von Okkultem und ihrer eigenen düsteren Vergangenheit besessen ist, hat er die Ruhe und den Frieden gefunden, nach denen er gesucht hat – jedenfalls bis Caleb Todd in die Stadt fährt und geradewegs in Henrys Auto hinein. Henry fühlt sich sofort zu ihm hingezogen, und Mann und Wolf sind sich einig, dass Caleb ihm gehören soll. Sie müssen sich nur noch mit einem möglichen Mord, einem rachsüchtigen Geist und der Tatsache, dass Caleb sich für hetero hält, auseinandersetzen. Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Länge: rund 63.000 Wörter
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Epilog
ÜBER JANE WALLACE-KNIGHT
LESEPROBE:
Der verhexte Wolf
Als ein Onkel, von dem er noch nie gehört hat, stirbt und ihn zum Alleinerben macht, begibt sich Caleb Todd in die Kleinstadt Dark Hollow. Während er mehr über die Vergangenheit seiner Familie und die Legende, die sie umgibt, erfährt, wird er rasch in ein Geheimnis hineingezogen, das sich als zunehmend merkwürdig entpuppt.
Henry Allan, der Sheriff von Dark Hollow, hat ein eigenes Geheimnis: Er ist ein Werwolf. In einer Stadt, die von Okkultem und ihrer eigenen düsteren Vergangenheit besessen ist, hat er die Ruhe und den Frieden gefunden, nach denen er gesucht hat – jedenfalls bis Caleb Todd in die Stadt fährt und geradewegs in Henrys Auto hinein.
Henry fühlt sich sofort zu ihm hingezogen, und Mann und Wolf sind sich einig, dass Caleb ihm gehören soll. Sie müssen sich nur noch mit einem möglichen Mord, einem rachsüchtigen Geist und der Tatsache, dass Caleb sich für hetero hält, auseinandersetzen.
Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt.
Länge: rund 63.000 Wörter
JANE WALLACE-KNIGHT
Der verhexte Wolf
Dark Hollow 1
Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene
ME AND THE MUSE PUBLISHING
www.meandthemuse.com
Copyright © der englischen Originalausgabe „The Witch and the Wolf“:
Jane Wallace-Knight
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe und veröffentlicht von:
Me and the Muse Publishing – Sage Marlowe
Hohenstaufenring 62, 50674 Köln, 2020
Copyright © Cover Design: Sinfully Sweet Designs
Übersetzt von: Betti Gefecht
URHEBERRECHTLICH GESCHÜTZT:
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Wäre „Mitten im Nirgendwo“ auf einer Landkarte verzeichnet, dann wäre das exakt der Punkt, an dem Dark Hollow sich befindet. Die Straße, die in die kleine Stadt hinein führte, wurde nur von vereinzelten Straßenlampen und der dünnen Sichel des abnehmenden Mondes beleuchtet. Die Wälder zu beiden Seiten der Straße wimmelten von nächtlichem Leben, still und für das menschliche Auge nicht zu entdecken.
Es wäre eine friedvolle Szenerie gewesen, wenn auch ein wenig gruselig, würde nicht Caleb Todd mit seinem Wagen hier entlang fahren.
„And I would walk five hundred miles and I would walk five hundred more …“ Caleb sang aus voller Kehle zur Musik aus dem Autoradio, während er die einsame Straße entlang raste. Es wurde spät, und aufgrund der Jahreszeit war es bereits seit Stunden dunkel. „Just to be the man who walked a thousand miles to fall down at your door.“
Sein sieben Jahre alter Labrador Frost winselte auf dem Rücksitz zu Calebs Gesang.
„Ach, sei still, du. Das Einzige, was im Radio läuft, sind irgendwelche alten Knacker, die über Sport oder Religion reden, und das hier“, erklärte Caleb seinem Hund, der lediglich seufzte und den Kopf auf seinen Pfoten ablegte. Caleb hatte oft das Gefühl, der Hund würde sein Verhalten missbilligen.
Er hatte seit Meilen kein anderes Auto gesehen, und selbst das GPS seines Smartphones hatte Mühe, eine Route zu der entlegenen Kleinstadt zu finden. Caleb und Frost waren fast den ganzen Tag über gefahren und hatten nur einige Male am Straßenrand Halt gemacht, um die Glieder zu strecken und zu pinkeln. Vom langen Sitzen bekam Caleb langsam Rückenschmerzen.
„Du kannst dich da hinten wenigstens ausstrecken“, sagte Caleb zu Frost. Der Hund sah wieder auf und neigte den Kopf in dem Versuch, sein Herrchen zu verstehen.
Caleb schaute in den Rückspiegel und sah seinem Hund in die dunkelbraunen Augen. Schließlich seufzte er und schaltete das Radio aus. „Bitte sehr. Jetzt zufrieden?“
Frost schaute ihn nur weiterhin mit missbilligendem Blick an.
Eigentlich hatte Caleb nie einen Hund gewollt. Er war nicht so ein Typ. Nicht einmal als Kind hatte er seine Mutter jemals um einen Hundewelpen angebettelt, wie es eigentlich alle Kinder irgendwann taten.
Eines Abends, als er von seiner Schicht im Künstlerbedarfladen seiner Tante nach Hause fuhr, hatte er den damals fünfjährigen Frost angefahren. Außer sich vor Schock und überwältigt von Schuldgefühlen hatte er den Hund sofort in die nächste Tierklinik gebracht und war die ganze Nacht dort geblieben. Nachdem er eine gepfefferte Rechnung bezahlt und erfahren hatte, dass Frost nicht gechippt war, hatte er sich einverstanden erklärt, ihn bei sich aufzunehmen, bis ein passendes Zuhause für ihn gefunden werden konnte. Zwei Jahre später, und er wartete noch immer. Nur würde er Frost jetzt nie wieder abgeben. Es war traurig, wenn man darüber nachdachte, aber Caleb war sich ziemlich sicher, dass der Hund sein bester Freund war.
Nachdem seine Mutter starb, als er gerade acht Jahre alt war, zog er zu seiner Tante Ruth. Seinen Vater hatte er nie gekannt, und so hatte er geglaubt, Tante Ruth wäre seine einzige noch lebende Verwandte. Bis vor zwei Tagen, als ihn eine Frau anrief und erklärte, dass er als einziger Erbe im letzten Willen eines Mannes namens Clyde Todd aufgeführt war.
So hatte Caleb erfahren, dass er einen Onkel hatte.
Und das war auch der Grund, warum er nun unterwegs in die kleine Stadt Dark Hollow war, wo seine Mutter und seine Tante aufgewachsen waren. Als Caleb seiner Tante vom Tod ihres Bruders erzählt hatte, war sie für fünf Minuten in Schweigen verfallen, bevor er ihr gesagt hatte, er würde nach Dark Hollow fahren. Dann hatte sie in ihrer typisch dramatischen Art reagiert. Sie hatte sich strikt geweigert, ihm irgendetwas über seinen Onkel zu erzählen, und ihm verboten, dorthin zu fahren, als wäre er immer noch zehn Jahre alt. Weder seine Tante Ruth noch seine Mutter hatten je über ihre Kindheit gesprochen, aber er wusste, dass sie bereits im Teenageralter von zuhause fortgegangen waren. Ruth war ein paar Jahre älter als Calebs Mutter, und als seine Mutter noch vor ihrem Highschool-Abschluss mit ihm schwanger geworden war, hatten die zwei ihre Sachen gepackt und waren durchgebrannt. Seine Mutter und Tante Ruth sprachen kaum je über die Familie. Caleb wusste nur, dass ihre Mutter sie früh im Stich gelassen hatte, worauf ihr Vater dem Alkohol verfallen war.
Immer, wenn er an seine Tante Ruth dachte, schien sie im selben Moment auch an ihn zu denken. Sie nannte es ihre besondere Verbindung. Und obwohl er sich gerade über sie ärgerte, musste er lächeln, als wie auf Kommando sein Telefon klingelte – er wusste bereits, dass sie es war. Ein Teil von ihm hätte sie in einem kurzen Anflug von Trotz am liebsten hängen lassen und ihr nicht geantwortet. Aber schließlich war sie alles, was ihm von seiner Familie noch geblieben war. Außerdem wollte er wirklich gern mehr über Dark Hollow erfahren.
Er nahm sein Telefon vom Beifahrersitz, wappnete sich für das Gespräch und nahm den Anruf an.
„Hi, Tante Ruth“, begrüßte er sie. Die Erinnerung an ihren Gesichtsausdruck, als er ihr gesagt hatte, dass er fahren würde, ob es ihr nun gefiel oder nicht, bevor er aus der Wohnung stürmte, war noch frisch in seinem Kopf.
„Caleb, bist du schon da?“, fragte Ruth. „Es gefällt mir gar nicht, wenn du im Dunkeln fährst.“
Ihre Sorge um ihn trotz des letzten Streits brachte ihn zum Lächeln. „Ich habe unterwegs ein paar Pausen eingelegt. Aber ich glaube, ich bin fast da.“
„Ich habe ein schlechtes Gefühl im Bauch“, sagte Ruth. „Du solltest lieber umkehren und heimkommen. Du hast doch letzte Nacht keinen Traum gehabt, oder?“
Caleb machte sich nicht einmal mehr die Mühe, die Augen zu verdrehen. Seine Tante war schrecklich abergläubisch und hörte auf Bauchgefühle und Träume. Seit jener Nacht, in der seine Mutter gestorben war, hatte Caleb regelmäßig schlechte Träume, und manchmal hingen sie ihm noch eine Weile nach und machten ihn nervös. Seine Tante war diesbezüglich ziemlich exzentrisch und fragte ihn oft, ob seine Träume sich um bestimmte Dinge drehten. Einmal hatte sie sogar ein Rendezvous mit einem Mann abgesagt, weil Caleb etwas Schlechtes von ihm geträumt hatte.
„Nein“, antwortete er mit einem Seufzen. „Und ich werde nicht umkehren und wieder heimfahren, nachdem ich schon so weit gekommen bin.“
„Schön“, sagte sie schnippisch. „Aber ich habe heute Morgen drei neue graue Haare gezählt, und daran bist nur du schuld.“
Dieses Mal verdrehte er die Augen.
„Ach, komm mir jetzt nicht mit deinen Haaren. Hast du dich inzwischen beruhigt? Bist du bereit, mir von Dark Hollow zu erzählen?“
Ruth war so eingeschnappt gewesen, als er losgefahren war, dass er nichts aus ihr herausbekommen hatte, außer dass es ein schrecklicher Ort war und sie nie wieder dorthin zurück wollte. Und wäre er nicht im Testament seines Onkels erwähnt worden, hätte Caleb vielleicht nachgegeben und wäre geblieben, nur um sie zu beruhigen. Aber meistens siegte einfach seine Neugier.
„Da gibt’s nichts zu erzählen. Es ist eine langweilige, alte Stadt mit langweiligen, alten Leuten“, sagte sie. „Abgesehen von denen, die unsere Familie wegen etwas hassen, das vor Hunderten von Jahren passiert ist.“
„Moment mal. Was?“, unterbrach Caleb sie. „Im Ernst?“
Ruth stieß ein Seufzen aus. „Die Leute waren damals dumm und schoben alles auf Götter und Dämonen. Sie versuchten, deine Urgroßmutter und ihre Schwester aus der Stadt zu vertreiben, weil sie dachten, die beiden hätten einen Kult gegründet.“
„Oh Mann“, jammerte Caleb. „Bin ich etwa auf dem Weg in eine dieser gruseligen, zurückgebliebenen Kleinstädte, wo sie keine Fremden mögen und jeden Neuankömmling Satan opfern oder sowas?“
„Gütiger Gott, Junge, du und deine Fantasie“, sagte Ruth. Caleb schüttelte den Kopf über diese Ironie. „Du liest zu viele Bücher.“
„Na gut. Schön. Aber falls ich doch geopfert werde, dann hast du dir das ganz allein zuzuschreiben. Und du musst dich um Frost kümmern.“
Als er seinen Namen hörte, grummelte der Hund und drehte den Kopf weg. Frost und Ruth hatten eine interessante Beziehung zueinander. Sie benahmen sich, als könnten sie einander nicht ausstehen, aber Caleb hatte oft gesehen, wie Ruth Frost unter dem Tisch Leckerchen zusteckte. Und er hatte auch bemerkt, dass Frost Tante Ruth beschützte. Dennoch – jedes Mal, wenn er Frost bei ihr ließ, schauten beide darüber sehr missmutig drein, weshalb Caleb beschlossen hatte, den Hund auf seine Reise mitzunehmen.
„Oh, ich bin sicher, dir wird nichts passieren. Clyde hat sein ganzes Leben in Dark Hollow gewohnt, oder nicht? Und ihm ist nichts Schlimmes zugestoßen … außer, na ja … die Anwältin, die dich anrief, hat nichts über die Todesursache gesagt, oder?“, fragte Ruth, die offenbar noch immer versuchte, ihm seinen Ausflug madig zu machen.
„Na klar. Und du fragst dich, woher ich meine blühende Fantasie habe“, erwiderte Caleb mit einem übertriebenen Augenrollen, das sowieso niemand sah. „Und? Wirst du mir jetzt endlich sagen, wieso du noch nie vorher erwähnt hast, dass ich einen Onkel hatte?“
Ruth antwortete nicht gleich, und Caleb hatte das Gefühl, es wäre ihr unangenehm, über den Mann zu reden. „Das ist alles schon so lange her, und wir standen uns nicht nahe.“
„Das ist es? Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?“, fragte Caleb.
„Nicht alles geht dich etwas an, junger Mann“, maßregelte Ruth ihn in einem Ton, der bedeutete, dass diese Unterhaltung beendet war.
Caleb hätte das Schild nach Dark Hollow fast übersehen. Er nahm die Kurve viel zu scharf und entschuldigte sich im Geiste bei Frost. „Wir sind fast da, glaube ich. Ich rufe dich morgen wieder an.“
„Okay“, antwortete sie, obwohl es ihr zu widerstreben schien, aufzulegen. „Pass auf dich auf, Liebes.“
„Mach ich“, sagte er. „Hab’ dich lieb.“
Er beendete den Anruf und warf erleichtert sein Telefon auf den Beifahrersitz. Nach wenigen Minuten tauchte ein großes Schild auf, worauf stand: „Willkommen in Dark Hollow – wir werden dich verzaubern!“
Caleb runzelte die Stirn und fragte sich, was zur Hölle das bedeuten sollte. Wahrscheinlich hätte er den Ort vor seiner Abreise erst einmal googeln sollen, aber er war ziemlich eilig aufgebrochen. Das ominöse Schild lenkte ihn so sehr ab, dass er das andere Auto gar nicht sah, das plötzlich auf der Straße auftauchte, bis er auf das Heck auffuhr.
Caleb blieb, wo er war – die Stirn auf dem Lenkrad, während der Sicherheitsgurt ihm in den Hals schnitt – und wartete darauf, dass sein Gehirn erfasste, in welchem Zustand sein Körper sich befand und was gerade passiert war. Bevor er dazu kam, eventuelle Verletzungen zu registrieren, erfasste sein Bewusstsein das Blinken von rotem und blauem Licht. Als er aufblickte und in das grelle Licht blinzelte, stellte er fest, dass der Wagen, in den er gekracht war, ein Polizeifahrzeug war.
„Oh, Scheiße“, fluchte er. „Verfluchte Kacke.“
Eine vertraute, feuchte Nase berührte seinen Arm, und er zuckte erschrocken zusammen. Erst da fiel ihm wieder ein, dass Frost bei ihm im Auto war.
„Frost!“, rief er, richtete sich auf und riss den Kopf herum, um seinen Hund anzusehen. Die Bewegung verursachte einen scharfen Schmerz in seinem Nacken, aber er ignorierte das – er musste nach seinem Tier sehen. „Hey, Kumpel, alles in Ordnung? Es tut mir so leid.“
Frost schien nicht verletzt zu sein, aber Caleb fand dennoch, dass es das Beste wäre, den Hund untersuchen zu lassen. Er hoffte nur, dass es in dieser kleinen Stadt eine Tierklinik gab, denn er war wirklich nicht in der Verfassung, jetzt noch irgendwo anders hinzufahren.
Er zuckte ein zweites Mal zusammen – und schrie auf, weil das wirklich wehtat – als jemand die Autotür aufriss.
„Gottverdammt, für einen Tag habe ich mich jetzt wirklich oft genug erschreckt“, sagte Caleb und fasste sich ans Herz. Dann schaute er den Fremden an und erstarrte auf der Stelle.
Er fragte sich, ob er sich vielleicht den Kopf angeschlagen hatte, denn der Mann, der vor ihm stand, sah mehr nach einem Unterwäsche-Model aus als nach einem Hüter des Gesetzes. Er war groß mit breiten Schultern, hatte dunkles Haar und einen perfekt geformten, markanten Kiefer. Und er trug eine eng sitzende Uniform mit einem Sheriffstern auf der Brusttasche. Er sah nicht einfach nur gut aus, er war absolut umwerfend, wie ein Disney-Prinz, der drauf und dran war, Calebs Herz im Sturm zu erobern. Was für einen heterosexuellen Mann wie Caleb ein äußerst seltsamer Gedankengang war, aber da er möglicherweise einen Hirnschaden erlitten hatte, beschloss er, nicht weiter darüber nachzudenken.
„Heiß“, sagte Caleb, aber eigentlich hatte er „Hi“ sagen wollen.
„Wie bitte?“, sagte der Fremde mit finsterer Miene.
Da stimmte etwas nicht. Disney-Prinzen hatten keine finsteren Mienen.
„Ähm … es ist heiß heute“, stammelte Caleb hastig. Es stimmte nicht. Eigentlich war es heute sogar ziemlich kalt. „Wow, Mann, ist das heiß.“
„Was zur Hölle ist mit Ihnen los?“, fragte der Sheriff. „Sind Sie nicht bei Trost? Sie sind mir gerade direkt hinten in den Wagen gefahren.“
Okay, das war nicht ganz, wie sich Caleb die Herzeroberungs-Szene vorgestellt hatte.
„Schreien Sie mich nicht an, ich bin verletzt“, erklärte Caleb. Seine Stimme klang weinerlicher, als ihm lieb war. Er machte Anstalten auszusteigen, aber der Mann hob die Hand und hielt Caleb behutsam an Ort und Stelle.
„Sie sollten sich nicht bewegen“, sagte Sheriff Heißer Typ. „Es wird aber eine Weile dauern, bis der Krankenwagen hier ist. Wie schlimm sind Sie verletzt?“
„Ich weiß nicht. Ich mache mir mehr Sorgen um meinen Hund“, sagte Caleb.
Der Sheriff wandte sich kurz von ihm ab, um die Tür zum Rücksitz zu öffnen. In Sekunden war Frost aus dem Wagen und kam zu Caleb. Er humpelte leicht dabei, und als er hochsprang und seine Vorderpfoten auf Calebs Bein legte, sah Caleb ein wenig Blut.
„Oh Gott, Kumpel, es tut mir so leid“, sagte Caleb zu seinem Hund, obwohl der Labrador ihm das Gesicht leckte.
„Hören Sie“, sagte der Sheriff. „Ich kann Sie beide zum örtlichen Tierarzt fahren, und ich kann meine Freundin bitten, uns dort zu treffen. Sie ist Ärztin. Falls sie sagt, dass Sie in ein Krankenhaus gehören, werde ich Sie selbst hinfahren. Das nächste Hospital ist in Clearspring und liegt zwanzig Meilen zurück in der Richtung, aus der Sie gekommen sind.“
Wenn man bedachte, dass die Unterhaltung damit angefangen hatte, dass Caleb ihm in den Wagen gefahren war und Sheriff Heißer Typ ihn einen Idioten genannt hatte, war der Mann wirklich nett. Und das war schließlich auch sein Job, nahm Caleb an, aber trotzdem … Caleb wusste das zu schätzen.
„Danke“, sagte er. „Wie ist Ihr Name?“
Ihn im Kopf Sheriff Heißer Typ zu nennen, war gefährlich. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es ihm tatsächlich herausrutschte.
„Ich bin Sheriff Allen“, antwortete der Mann. „Henry.“
Caleb nickte. „Henry, das ist ein guter, starker Name … abgesehen von dem Arschloch-Henry, Henry der Achte, stimmt’s?“
Henry runzelte die Stirn und zog sanft den Hund weg, sodass der nicht länger halb über Caleb lag. Dann hielt er vor Calebs Gesicht zwei Finger hoch.
„Wie viele Finger?“, fragte er.
„Zwei. Oh … Sie denken, ich hätte eine Gehirnerschütterung, ja? Nein, ich bin tatsächlich nur ein Idiot“, sagte Caleb. „Kein Filter zwischen Gehirn und Mund.“
Henry hob eine Augenbraue auf die Art, wie Caleb es bisher nur bei The Rock gesehen hatte. Es sah aus, als würden seine Mundwinkel amüsiert zucken, aber vielleicht verzog er auch nur das Gesicht.
„Okay, sagen Sie mir, wo es wehtut“, forderte Henry ihn auf.
Caleb neigte prüfend den Kopf und spürte ein Ziehen, das zuvor nicht da gewesen war, aber es war nicht schlimmer als der steife Hals, den er manchmal bekam, wenn er komisch geschlafen hatte. Bis zu seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr war alles lustig und locker gewesen, aber dann ging es los: Erst entwickelte er eine Laktoseintoleranz, dann Heuschnupfen, und verschiedene Teile seines Körpers fingen ohne offensichtlichen Grund einfach an wehzutun.
Jede Wette, dass Sheriff Heißer Typ ein perfektes Exemplar der Spezies Mensch war. Wahrscheinlich joggte er jeden Tag und aß Kohl.
„Mein Nacken schmerzt etwas“, antwortete Caleb ihm. „Aber ansonsten ist alles in Ordnung, glaube ich. Zum Glück bin ich nicht sehr schnell gefahren.“
Den letzten Satz fügte er in der Hoffnung hinzu, der Sheriff möge nicht denken, er hätte das Gesetz gebrochen.
„Gut“, sagte Henry mit einem Nicken. „Ich möchte, dass Sie jetzt aus Ihrem Fahrzeug aussteigen. Versuchen Sie, Ihren Kopf so ruhig wie möglich zu halten. Sehen Sie einfach geradeaus. Haben Sie mich verstanden?“
Caleb antwortete mit einem Nicken. Was genau das Gegenteil von dem war, was Henry ihm gesagt hatte – wie ihm dank des stechenden Schmerzes, den das verursachte, umgehend klar wurde.
„Großer Gott“, murmelte Henry, der bereits begann, an Caleb zu verzweifeln. In der Regel kannten Leute Caleb schon ein wenig länger, um an diesen Punkt zu geraten. „Vielleicht sollten wir doch auf den Krankenwagen warten.“
„Nein, nein“, beharrte Caleb, der nicht länger hier ausharren wollte, da sein Hund verletzt war. „Sehen Sie? Ich tue, was Sie sagen. Ich bewege nicht meinen Kopf.“
Langsam stieg er aus dem Auto und widerstand dem Drang, sich umzudrehen, um sein Telefon vom Beifahrersitz zu nehmen. Stattdessen fummelte er blindlings danach und steckte es sich in die Gesäßtasche. Als er schließlich vor seinem Wagen stand, musste er sich zusammenreißen, um nicht aufzublicken. Henry war größer als er selbst, und breiter gebaut. Er war wie Prinz Eric aus Die kleine Meerjungfrau, aber so, als wäre Prinz Eric im Krieg gewesen und hätte Dinge gesehen, die kein Mann je sehen sollte.
„Waren Sie in der Armee?“, platzte Caleb heraus und bewies einmal mehr, dass zwischen seinem Gehirn und seinem Mundwerk wahrhaftig kein Filter existierte.
„Nein“, sagte Henry. „Wieso?“
„Ach, nur so. Hey, mein Gepäck ist im Kofferraum.“
Caleb ignorierte den seltsamen Blick, den der Sheriff ihm zuwarf, und ließ sich von ihm zum Polizeiauto eskortieren. Abgesehen von einem kaputten Rücklicht und ein paar Kratzern sah es gar nicht so übel aus.
„Ich hole Ihre Sachen.“
„Oh mein Gott, mir fällt erst jetzt auf, dass ich Sie gar nicht gefragt habe, ob Sie verletzt sind“, sagte Caleb, der sich wie ein Arschloch vorkam, weil er nur an sich selbst gedacht hatte – und das, obwohl er der Unfallverursacher war.
Henry half ihm auf den Beifahrersitz des Polizeiwagens, bevor er antwortete: „Es geht mir gut. Ich war nicht einmal im Wagen.“
Er brachte Calebs Taschen aus seinem Wagen zum Polizeiauto, dann ging er noch einmal zurück, um Frost zu holen. Der Hund war gegenüber Fremden oft misstrauisch, ließ sich aber anstandslos von Henry auf dessen starke Arme heben. Abwesend sinnierte Caleb darüber nach, wie schön sich das anfühlen musste.
Nachdem er Frost auf dem Rücksitz abgelegt hatte, stieg Henry auf der Fahrerseite ein.
„Was meinen Sie damit, Sie waren nicht im Wagen?“, fragte Caleb. „Was haben Sie denn gemacht? Haben Sie einfach mitten auf der Straße angehalten und Ihr Auto stehen gelassen?“
„Nein“, widersprach Henry entrüstet. „Ich stand am Straßenrand, und meine Warnblinker waren an. Dass Sie sie nicht gesehen haben, deutet eher darauf hin, dass Sie nicht auf die Straße geachtet haben.“
Er hatte seine Polizistenstimme eingeschaltet, bei der man sich auch ohne direkte Anschuldigung sofort getadelt fühlte. Es erinnerte Caleb an seine Tante Ruth.
„Warum mussten Sie denn hier mitten im Nirgendwo rechts ranfahren?“, fragte Caleb, der es für das Beste hielt, nicht auf die Bemerkung des Sheriffs einzugehen. Es war besser, das Gespräch konzentrierte sich auf Henry.
Henry seufzte und nahm sein Funkgerät. „Ich muss den Vorfall melden, damit jemand anderes hier rausfährt. Es wurde etwas Verdächtiges im Wald gesehen.“
„Etwas Verdächtiges?“, wiederholte Caleb, der plötzlich neugierig wurde. „Was, sowas wie eine Leiche oder so?“
Nicht zum ersten Mal in dieser Nacht schaute Henry ihn an, als wäre er ein Idiot. Vielleicht würde der Sheriff später einmal, wenn er an ihre Begegnung zurückdachte, Mitleid mit ihm haben und einfach annehmen, dass Caleb irgendeine Art Hirntrauma erlitten hatte.
„Nein, ein alter Mann hatte nichts Besseres zu tun, als den Fund von ein paar Zweigen zu melden, die jemand so arrangiert hat, dass sie einem Symbol aus einer alten Stadtlegende ähneln, das ist alles“, antwortete Henry. „Die Einheimischen hier glauben an jede Menge abergläubischen Unsinn, wegen der Geschichte der Stadt.“
Das machte Caleb sogar noch neugieriger als ein möglicher Mord. „Was meinen Sie damit? Was für eine Geschichte?“
Henry hielt den Finger hoch, damit Caleb die Klappe hielt, während er das Sheriffbüro kontaktierte.
„Hey Boss“, ertönte eine Frauenstimme. „Charlie wettet um einen Zwanziger gegen mich, dass die verdächtigen Aktivitäten im Wald nur ein paar dumme Kids waren, die sich ein bisschen zu sehr auf das Festival in zwei Wochen freuen. Ich wette dagegen, dass es das örtliche Altenzentrum war, die da draußen eine Orgie gefeiert haben. Also, wer von uns hat recht?“
Henry stieß einen Seufzer aus, der aus tiefster Seele zu kommen schien. „Clara, ich bin sicher, dass es gar nichts ist. Nur ein paar Zweige auf dem Boden, die aussehen sollen wie das Pentagramm aus der Legende.“
Calebs Neugier war nun auf dem Höhepunkt. Oh, er hätte Dark Hollow vor Fahrtantritt wirklich googeln sollen!
„Verdammt, das klingt eher nach den Kids als nach der Orgie“, sagte Clara. „Sieht so aus, als wäre ich um einen Zwanziger ärmer.“
„Hör zu, ich brauche einen Abschleppwagen an meinem jetzigen Standort.“
„Hast du ’ne Autopanne, Boss?“
„Nein … jemand hat meinen Wagen gerammt“, erklärte Henry mit einem Blick aus dem Augenwinkel zu Caleb. „Ich nehme den Mann mit, damit er ärztlich untersucht werden kann. Es könnten auch ein paar Glasscherben herumliegen, die zusammengefegt werden müssen. Ich hatte keine Gelegenheit, mir die verdächtigen Zweige anzusehen, aber damit Mr. Millston uns nicht weiter nervt, solltest du Charlie herschicken, damit er die Sache untersucht. Sag ihm, er soll ein paar Fotos machen.“
Es folgte eine Sekunde Schweigen, dann fing Clara an zu lachen. „Jemand hat deinen Wagen gerammt, während du draußen im Wald nach ein paar Zweigen gesucht hast?“
„Freut mich, dass ich dir den Verlust von zwanzig Dollar versüßen konnte“, sagte Henry sarkastisch.
Anstatt auf weitere Antwort zu warten, schaltete Henry mitten in Claras gackerndem Lachen ab und steckte das Funkgerät zurück in die Halterung. Sofort öffnete Caleb den Mund, um Fragen nach der sogenannten Legende zu stellen, aber erneut hob Henry den Finger.
Der Sheriff nahm sein Handy und rief jemanden namens Beth an. Nach dem, was Caleb von diesem Gespräch mitbekam, musste es sich um die Ärztin handeln, die Henry erwähnt hatte. Während Henry telefonierte, drehte sich Caleb um, so gut er konnte, um nach Frost zu sehen. Er streckte seine Hand nach hinten, und der weiße Labrador leckte kurz an seinen Fingern.
„Okay, sie wird sich mit uns dort treffen“, sagte Henry und zog damit Calebs Aufmerksamkeit wieder auf sich.
Caleb wartete, bis der Wagen rollte und sie unterwegs in die Stadt waren, bevor er einen neuen Versuch unternahm, mit dem Sheriff zu sprechen. „Also …“
Henry warf ihm einen Blick zu. „Was?“
„Sie sagten etwas über eine Legende“, erinnerte Caleb ihn.
„Oh, nur so eine alberne Geschichte unter den Einheimischen“, sagte Henry abwehrend.
„Oh mein Gott, Ihnen muss man ja jedes Wort aus der Nase ziehen“, beschwerte sich Caleb frustriert. „Nun erzählen Sie schon!“
Henry seufzte erneut. „Vor langer Zeit gab es einen großen Hexenprozess … im Jahre 1783, glaube ich. Die Stadt wurde von einigen unglücklichen Ereignissen heimgesucht; es gab Missernten, totes Vieh, und einige Kinder verschwanden spurlos. Damals war die offensichtliche Erklärung dafür natürlich Hexenwerk.“
„Oh ja, macht Sinn“, sagte Caleb sarkastisch.
So etwas wie der Anflug eines Lächelns zuckte um Henrys Mundwinkel. „Jedenfalls nahmen sie einen Haufen Frauen gefangen, die sie für Hexen hielten, und verbrannten alle bis auf eine: Sarah Todd. Der Legende nach versuchte man, sie ebenfalls zu verbrennen, aber sie fing kein Feuer. Schließlich erhängten sie die Frau an einem Weidenbaum, der in der Nacht zuvor vom Blitz getroffen worden war, und sie starb.“
Caleb sog die Geschichte auf wie ein nasser Schwamm. Er liebte gute Schauergeschichten. Erst als Henry aufhörte zu reden, fiel ihm der Name der Frau auf.
„Sarah Todd?“, fragte er. „Das ist ja schräg. Wir haben denselben Nachnamen.“
Ihm entging nicht, wie Henrys Hände sich um das Lenkrad verkrampften. „Sie sind nicht verwandt mit Clyde Todd, oder?“
„Doch. Anscheinend ist – war – er mein Onkel,“ antwortete Caleb. „Aber ich habe ihn nie getroffen.“
„Seine Beerdigung haben Sie verpasst“, informierte Henry ihn.
„Wann war die Beerdigung?“, fragte Caleb. „Ich habe buchstäblich vor zwei Tagen zum ersten Mal von ihm gehört, als mich eine Anwältin anrief.“
„Die Beerdigung war vor zwei Tagen“, sagte Henry. „Üblicherweise wird danach das Testament verlesen.“
„Und wer hat die Beerdigung ausgerichtet?“, fragte Caleb. „Ich nahm an, da ich im Testament erwähnt bin, obwohl er mir nie begegnet ist, dass er niemanden sonst hatte.“
„Soweit ich weiß, hat Clyde seine Beerdigung selbst arrangiert“, antwortete Henry. „Stand alles genau in seinem letzten Willen. Wie ich gehört habe, waren lediglich drei Leute anwesend.“
Das kam Caleb seltsam vor. Wer plante denn schon seine eigene Beerdigung? Außer, er hatte gewusst, dass er bald sterben würde.
„Ich weiß nicht einmal, wie er gestorben ist“, sagte Caleb. „Ich glaube, ich war so schockiert, dass ich vergaß, danach zu fragen.“
Henry holte tief Luft, wie um sich zu wappnen. „Tut mir sehr leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber Ihr Onkel hat sich das Leben genommen.“
Caleb war dem Mann nie begegnet, und bis vor zwei Tagen hatte er nicht einmal von dessen Existenz gewusst, trotzdem wurde ihm bei dem Gedanken ganz kalt und ein wenig übel. Er wusste nichts über Clyde Todds Leben, aber dass er einen Neffen, den er nie kennengelernt hatte, als Erben eingesetzt hatte, bedeutete wahrscheinlich, dass er niemanden sonst hatte. Caleb fragte sich unwillkürlich, ob sein Onkel, hätte er von dem Mann gewusst und hätte er ihn aufgesucht und eine Beziehung zu ihm aufgebaut, vielleicht nicht so verzweifelt gewesen wäre, dass er Selbstmord beging.
„Alles in Ordnung?“ Henrys Frage riss Caleb aus seinen finsteren Gedanken. Die Stimme des Sheriffs war tief und beruhigend.
„Ja“, sagte Caleb rasch. „Nur ein bisschen traurig.“
„Sie hatten einen ziemlich miesen Abend, hm?“, fragte Henry, der offenbar Mitgefühl empfand.
Caleb konnte sich nicht davon abhalten, den Kopf zu drehen, um den Sheriff anzusehen. „Ich hatte schon schlimmere.“
Henry wandte sich ihm zu und hob wieder diese eine Augenbraue. Caleb fragte sich, ob es eine angeborene Fähigkeit war, oder ob er diesen speziellen Gesichtsmuskel zusammen mit all den anderen in seinem wohlgeformten Körper trainierte.
Der Gedanke an Henry als Baby brachte ihn zum Lächeln … wie er in seiner Wiege lag und jedes Mal, wenn seine Mama ihm nicht schnell genug das Fläschchen gab, missbilligend eine Augenbraue hochzog.
„Sie sind ein seltsamer Mann, Caleb“, sagte Henry schließlich.
„Oh Scheiße, habe ich das gerade etwa laut gesagt?“, fragte Caleb. Das passierte ihm öfter. Kein Filter. Mal wieder.
„Was laut gesagt?“, fragte Henry, immer noch mit hochgezogener Braue.
Caleb entspannte sich sichtlich. „Ach, nichts.“
Er beschloss, lieber nicht ins Wespennest zu stechen, indem er fragte, wieso Henry ihn für seltsam hielt. Es erschien ihm sicherer, nicht zu wissen, was der Mann wirklich von ihm dachte.
Die Fahrt in die Stadt verlief die meiste Zeit über schweigend. Die Nachwirkungen des Schocks von dem Unfall in Kombination mit der langen Fahrt führten bei Caleb schließlich zu Erschöpfung. Er wünschte, er könnte jetzt einfach zu der Pension fahren, wo er ein Zimmer gebucht hatte, zwei Aspirin schlucken und schlafen. Wäre Frost nicht gewesen, hätte er das wahrscheinlich auch getan.
In der Stadt kamen sie an einem Buchladen namens Es war einmal… vorbei, und Caleb musste darüber lächeln. Er war ein eifriger Leser und nahm sich vor, das Geschäft zu besuchen, während er in der Stadt war. Gleich daneben befand sich ein Café namens Gebräu, und auf dem Schild waren ein Hexenkessel und ein Besen zu sehen.
„Drollig“, sagte Caleb.
Henry folgte seinem Blick zu dem Gebäude. „Ja, Dark Hollow ist ganz verrückt nach allem, was mit Hexerei zu tun hat, besonders um diese Jahreszeit.“
„Was meinen Sie damit?“
„Die Stadt feiert jedes Jahr ein Fest, das Hexenfestival. Eigentlich ist es hauptsächlich ein Jahrmarkt, aber mit einem gewissen Motto. Die Schule des Ortes führt jedes Jahr ein Theaterstück über das Schicksal von Sarah Todd auf“, erzählte Henry. „Letztes Jahr wurde beschlossen, dass es zu gewalttätig ist, wenn ein junges Mädchen so tut, als stürbe es, während es an einem Baum aufgehängt ist, deshalb haben sie das Stück geändert, und nun bereut die Hexe und schwört Satan ab.“
Henry wirkte nicht besonders beeindruckt davon.
„Ach du Schande. Klingt lustig.“
„Oh ja, es ist der Höhepunkt des Jahres für mich“, sagte Henry voller Sarkasmus, worüber Caleb grinsen musste. „Die Geschichtspuristen waren nicht froh über die Änderung. Ich musste sogar eine Prügelei verhindern.“
„Also, diese Sarah Todd, war sie eine Verwandte von mir?“
„Ich fürchte, ja“, sagte Henry. „Ich hörte einige Leute davon reden, dass es nun, da Clyde tot ist, zum allerersten Mal keinen Todd in der Stadt gibt. Und da sind Sie nun.“
„Da bin ich nun“, stimmte Caleb zu. Als Henry den Wagen vor der Tierklinik parkte, kam Caleb ein Gedanke. „Moment mal. Die Pension, in der ich ein Zimmer reserviert habe, heißt Der Weidenbaum. Bitte sagen Sie mir, dass das nichts mit dem Baum zu tun hat, an dem Sarah Todd erhängt wurde!“
Henry verzog das Gesicht, und mehr brauchte Caleb nicht als Antwort. „Wie ich schon sagte, die Stadt ist besessen von ihrer Geschichte.“
„Bei Ihnen hört sich das so an, als wären Sie nicht von hier.“
Henry schaltete den Motor ab und löste seinen Sicherheitsgurt. „Bin ich nicht. Ich bin vor drei Jahren aus Texas nach Dark Hollow gekommen, um für den Sheriff einzuspringen, der kurz zuvor gestorben war. Es sollte nur vorübergehend sein, aber am Ende bin ich geblieben.“
Der Gedanke, sich an dem Ort aufzuhalten, wo seine Vorfahrin ermordet worden war, war irgendwie ziemlich schräg, aber Caleb hatte nicht vor, lange zu bleiben. Er fing an zu verstehen, warum seine Tante Ruth diesen Ort so hasste.
Die Tierklinik war eindeutig geschlossen. Ein einziges Auto stand auf dem Parkplatz, die Lichter waren fast alle aus und die Jalousien heruntergezogen.
„Joy wohnt über der Klinik. Sie ist die Tierärztin hier“, erklärte Henry, nachdem er ums Auto herumgegangen und Caleb herausgeholfen hatte. Caleb war ziemlich sicher, dass er keine Hilfe brauchte, aber als Henry erst seine Hände auf ihm hatte, konnte Caleb sich nicht überwinden, irgendetwas zu tun, um ihn zu stoppen. „Gehen Sie schonmal zur Tür. Ich hole den Hund.“
Henry hatte irgendetwas an sich … er war so sicher und stark, dass Caleb entspannter war, als er eigentlich sein sollte, wenn man bedachte, was ihm passiert war und was er gerade erst über seine Familie erfahren hatte.
Als Caleb nach der Türklinke griff, schwang die Tür auf und enthüllte eine attraktive Frau Ende Vierzig, gekleidet in eine pinkfarbene Arztmontur mit aufgedruckten Cartoon-Zeichnungen von Hunden und Katzen. Caleb mochte sie auf der Stelle.
„Sie müssen Joy sein“, sagte er. „Danke, dass Sie das hier machen.“
„Ist mein Job“, antwortete sie mit einem beruhigenden Lächeln.
Sie hielt ihnen die Tür auf, dann ging sie voran in den Behandlungsraum. Frost lag so bequem in Henrys Armen, wie es nur ging.
„Wollen ihr mir erzählen, was passiert ist?“, fragte Joy, während Henry Frost behutsam auf den Untersuchungstisch legte.
„Wir hatten einen kleinen Autounfall“, erklärte Henry. „Doc ist auf dem Weg hierher.“
Joy nickte, während sie beruhigend ihre Hände über Frosts Körper gleiten ließ, vom Kopf bis zum Schwanz. „Du bist ein prachtvoller Junge, nicht wahr?“
Frost war ein ziemlich entspannter Hund; man konnte praktisch alles mit ihm machen. Er saß ganz brav da und ließ die Zunge aus dem Maul hängen, während die Tierärztin ihn untersuchte.
„Weiße Labradore sind selten, aber eigentlich sind es gelbe Labradore. Die Züchter suchen die blassesten aus und züchten aus ästhetischen Gründen das Gelbe weg“, sagte Joy. „Er muss Sie ein hübsches Sümmchen gekostet haben.“
„Eigentlich ist er mir vor zwei Jahren vors Auto gelaufen“, erzählte Caleb ihr. „Und dann habe ich ihn irgendwie adoptiert. Das klingt jetzt, als wäre ich ein furchtbarer Hundehalter, aber es ist wirklich erst das zweite Mal, dass er wegen meines Fahrstils verletzt wurde.“
Joy lächelte ihn freundlich an. „Nein, ganz und gar nicht. Unfälle passieren, und er sieht nicht aus, als würde es ihm an etwas mangeln. Also, er hat einen kleinen Schnitt oben auf seiner Pfote, aber das muss nicht einmal genäht werden. Er hat auch keine Schmerzen, wenn ich sein Bein abtaste. Kein Anzeichen für einen Bruch oder auch nur eine Zerrung.“
Erleichtert kratzte Caleb seinen Hund hinter dem Ohr, wo Frost es besonders gern hatte. Bevor Caleb dazu kam, seiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, klopfte es leise an der Tür. Joy rief eine Aufforderung, einfach hereinzukommen, und eine Frau in schwarzer Motorradlederjacke betrat den Raum. Sie hatte einen wilden Schopf roter Locken.
„Hey Doc, danke fürs Kommen“, begrüßte Henry sie.
„Du schuldest mir was“, sagte die Ärztin. „Ich war gerade auf dem Weg, mein Date für heute Abend abzuholen.“
Mit diesen Worten gab sie Joy einen raschen Kuss auf die Wange. Caleb machte sein kürzlich erlittenes Trauma dafür verantwortlich, dass er mehrere Sekunden brauchte, um zu begreifen, dass die Ärztin von Joy gesprochen hatte.
„Oh, Sie sind ein Paar?“, platzte er heraus. „Dann habe ich den Abend für Sie beide ruiniert.“
Joy lächelte ihn an. „Hören Sie nicht auf Beth. Unser Date hätte aus einem Essen zum Mitnehmen und der letzten Staffel von American Horror Story bestanden.“
„Ich weiß eben, wie man einer Frau einen schönen Abend bereitet“, sagte Beth mit einem Lächeln in Calebs Richtung. „Aber während meine bessere Hälfte sich um Ihren Hund kümmert, lassen Sie mich Ihren Hals untersuchen, ja?“
„Okay, sicher“, sagte Caleb. „Vielen Dank, dass Sie das tun. Aber ich glaube wirklich, da ist nichts, was eine Nacht guter Schlaf nicht wieder in Ordnung bringen würde.“
„Ist das Ihre professionelle Meinung?“, fragte sie sarkastisch.
Caleb ließ sich von ihr aus dem Raum zurück in die Rezeption führen. Sie tastete seine Schultern und seinen Nacken ab, forderte ihn auf, langsam den Kopf zu drehen und hierhin und dorthin zu bewegen, und fragte, wo es wehtat. Außerdem drückte sie auf seinen Magen und hob und drehte seine Arme, um zu sehen, wie weit er sie bewegen konnte.
„Nun, ich glaube, es ist alles in Ordnung“, sagte Beth. „Lassen Sie es einfach ruhig angehen, und falls es morgen früh nicht besser ist, vereinbaren Sie einen Termin in meiner Praxis.
---ENDE DER LESEPROBE---