Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes - Michael Schenk - E-Book

Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes E-Book

Michael Schenk

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Beschreibung

Mit der zwölfteiligen Saga um die Pferdelords entsteht die faszinierende Chronologie eines Reitervolkes. Im Verlauf der Abenteuer entwickeln sich Kultur und Technik der beteiligten Völker, vom einfachen Signalspiegel hin zum optischen Präzisionsinstrument, der Dampfmaschine und, im letzten Abenteuer, sogar dem Luftschiff. Die Pferdelords begegnen bestehenden und untergegangenen Königreichen, den Elfen des Waldes und denen der See, Zwergen, Sandbarbaren, fliegenden Lederschwingen und krebsartigen Irghil, immer wieder bedroht von den Orks des schwarzen Lords und seinen gestaltwandlerischen Magiern. Die Pferdelords lassen eine faszinierende Welt entstehen und unterhalten mit Action, Spannung und Humor. Hier liegt die Reihe nun erstmals in einer vom Autor überarbeiteten und ergänzten e-Book-Ausgabe vor. Jedes Abenteuer ist in sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 670

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Michael Schenk

Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Vorwort, Hinweis Register und Karten

Kapitel 2 Die Nachtläufer des Todes

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60 Karte „Pferdelords – Die Völker“

Kapitel 61 Karte „Julinaash“

Kapitel 62 Personenregister

Kapitel 63 Einige Maßeinheiten und Definitionen

Kapitel 64 Vorschau auf "Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes"

Impressum neobooks

Kapitel 1 Vorwort, Hinweis Register und Karten

Michael H. Schenk

Die Pferdelords 09

- Die Nachtläufer des Todes -

Fantasy-Roman

© Überarbeitete Neuauflage Michael Schenk 2020

Die Leserschaft der Serie „Die Pferdelords“ wird im ersten Roman eine große Nähe zu den Verfilmungen von „Der-Herr-der-Ringe“ feststellen. Dies war eine Bedingung des damaligen Verlages, meine auf zwölf Bände festgelegte Reihe überhaupt zu veröffentlichen, da man sich dadurch einen größeren Umsatz versprach. Ich stand also vor der Wahl, nicht veröffentlicht zu werden oder mich dieser Forderung zu stellen. Ich entschied mich für meine „Pferdelords“ und nahm einen raschen Genozid an ihren ursprünglich gedachten Feinden, den Walven, vor, um diese durch die Orks zu ersetzen. Man möge mir diesen Eigennutz verzeihen, doch damals war dies der einzige Weg, meine Pferdelords in den Sattel zu heben.

Die Pferdelords bieten detailreiche und spannende Abenteuer, in der die Völker mit ihrer jeweils eigenen Geschichte und Kultur zum Leben erweckt werden. Wem die tatsächlichen oder scheinbaren Wiederholungen von Beschreibungen in den Bänden auffallen, der wird feststellen, dass sie die Entwicklung der Völker und ihrer Siedlungen aufgreifen, denn bei den insgesamt zwölf Bänden handelt es sich um eine Chronologie. Im Lauf der Zeit entsteht aus dem Tauschhandel eine Währung, aus dem schlichten Signalfeuer ein kompliziertes optisches Instrument, man entdeckt das Schießpulver und die Dampfmaschine sowie schließlich sogar das Luftschiff. Man begleitet den Knaben Nedeam, der schon bald als Schwertmann und Reiter und schließlich sogar als Pferdefürst an der Seite seiner Freunde steht. Man begleitet den ehrenhaften Orkkrieger Fangschlag und auch dessen hinterlistigen Gegenspieler Einohr.

Meine Leser begegnen alten und neuen Völkern, doch selbst jenen, die man zu kennen glaubt, gewinne ich manche neue Seite ab.

Es erwartet Sie also eine spannende Saga um mein Pferdevolk und ihre Freunde und Feinde.

Die Pferdelords-Reihe:

Pferdelords 01 – Der Sturm der Orks

Pferdelords 02 – Die Kristallstadt der Zwerge

Pferdelords 03 – Die Barbaren des Dünenlandes

Pferdelords 04 – Das verborgene Haus der Elfen

Pferdelords 05 – Die Korsaren von Um´briel

Pferdelords 06 – Die Paladine der toten Stadt

Pferdelords 07 – Das vergangene Reich von Jalanne

Pferdelords 08 – Das Volk der Lederschwingen

Pferdelords 09 – Die Nachtläufer des Todes

Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes

Pferdelords 11 – Die Schmieden von Rumak

Pferdelords 12 – Der Ritt zu den goldenen Wolken

Die vorliegende Neuauflage der e-Books wurde von mir überarbeitet, ohne deren Inhalte zu verändern. Begriffe wurden vereinheitlicht und die Romane durch überarbeitete oder zusätzliche Karten ergänzt.

Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen

Michael H. Schenk

Hinweis:

Kapitel 60: Karte der Völker, der Pferdelords-Reihe

Kapitel 61: Detailkarte "Julinaash"

Kapitel 62: Personenregister

Kapitel 63: Einige Maße und Definitionen

Kapitel 64: Vorschau auf "Die Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes"

Kapitel 2 Die Nachtläufer des Todes

Der Fluss spendete Leben.

Er entsprang aus einer kleinen Quelle tief im Süden. Sein Weg führte durch das gewaltige Gebirge des Noren-Brak, von der Hochmark des Pferdevolkes durch das Reich der Zwerge, teilte die nördliche Öde von Rushaan, bis er das Kaltland erreichte. Kein Mensch hatte den Verlauf des Flusses Eten jemals von seinem Ursprung bis zu jener Stelle verfolgt, an dem er in das Kaltmeer mündete. Er war reich an Fischen und stillte den Durst. Entlang seines mächtigen Stroms erblühte das Land. Von seinen Ufern ausgehend schob sich das üppige Grün der Pflanzenwelt tief in das Land hinein. Die Laute der Tiere und das Summen der Insekten erfüllten die Luft.

Der Fluss war die Grenze.

Er teilte das Land in den Westen und den Osten, und er teilte das Volks Julinaashs. Der Fluss war die Grenze. Nur selten wurde er überquert, und Misstrauen und Hass waren dabei die ständigen Begleiter.

Das namenlose Dorf lag im Süden des Landes Julinaash, weit genug entfernt von den Städten Julinaar und Ataraan und dem Hass, der dort herrschte. Es war eine kleine Siedlung, und nie verirrte sich jemand dorthin.

Die Häuser schienen sich an das Ufer des Flusses zu schmiegen. Klein und zweckmäßig, und doch auch in einer verspielt wirkenden Weise erbaut, die große Handwerkskunst offenbarte. Aus Lehm gebrannte Eckpfeiler bildeten die tragenden Stützen für die hölzernen Wände. Farbige Ornamente und Schnitzereien gaben jedem der Bauten eine individuelle Note. Geschwungene Vordächer gingen in pyramidenförmige Dächer über. Irdene Gefäße mit bunten Pflanzen hingen von den Dachkanten herab und verströmten einen betörenden Duft. Die kleinen Fenster waren rund und mit bestem Klarstein versehen, doch die hölzernen Blenden hatte man jetzt, zur Zeit des Tageslichtes, fest verschlossen. Keine Tür stand offen und lud zum Betreten eines Hauses ein. Kein Rauch kräuselte sich aus den Kaminen.

Die Häuser standen entlang des Ufers. In dem klaren Wasser waren Schwärme von Fischen zu erkennen. An einem hölzernen Steg lag ein kleines Boot vertäut. Es wirkte zierlich und war reich mit Schnitzwerk versehen. Ein kurzer Mast ragte empor, doch kein Segel war daran befestigt. Kein Fischer fuhr hinaus, um seinem Tagwerk nachzugehen.

Nicht jetzt, in der Helligkeit des Tages.

Zwischen den Häusern standen mächtige Bäume, deren ausladende Äste Schatten spendeten und einen großen Teil des Dorfes in ewiges Dämmerlicht zu hüllen schienen. Ein Stück von den Gebäuden entfernt erhoben sich sieben gleichförmige Hügel. Dicht bewachsen mit Gras und kleinen Büschen. Pfade waren mit steinernen Platten ausgelegt und führten zu ihnen hinauf. Auf ihren höchsten Punkten erhoben sich steinerne Säulen. Sieben Säulen, die sorgfältig bearbeitet waren. Die feinen Reliefs zeigten die Geschichte eines Volkes, und die Inschriften nannten seine Bestimmung.

Jenseits des namenlosen Dorfes und der sieben Hügel begann der Dschungel, mit all der Vielfalt seines üppigen Lebens.

Nichts schien sich in dem kleinen Ort zu regen.

Bis auf eine Bewegung an einem der Häuser.

Die einsame Gestalt einer Frau trat hervor und schien kurz zu zögern, bevor sie in das Licht des Tages trat. Nur wenig Sonne fiel durch das dichte Blattwerk der Bäume, und die Bewegungen der Äste zauberten irrlichternde Muster auf den Boden.

Langsam, bedächtig trat die Frau hinaus.

Es war eine Frau von unvergleichlicher Schönheit. Die Ebenmäßigkeit ihrer Gesichtszüge und die Proportionen ihres Körpers mussten einen Betrachter unwillkürlich an die Vollkommenheit eines elfischen Wesens erinnern. Das lange Gewand schien ihre Figur zu umschmeicheln, und der kleine Stab, den sie an ihrem Gürtel trug, bewegte sich im Takt ihrer Schritte.

Sie war Gajath, und es spielte keine Rolle, ob dies ihr Name war oder ihren Rang bezeichnete. Sie war die Einzige und Letzte ihrer Art und doch fern jeglicher Einsamkeit. Auch wenn das namenlose Dorf so leblos schien, so war es doch von Leben erfüllt.

Gajath blickte zu den Ästen der Bäume empor. Die Schatten wanderten, und bald würde sich die Nacht über das Land Julinaash senken. Ihr Blick ging zwischen den Bäumen hindurch zu den sieben Hügeln. Die Hügel mit ihren sieben Säulen waren in der Form eines Halbkreises errichtet worden, und die untergehende Sonne tauchte die Säulen in goldenes Licht. Die Schatten der Säulen wurden länger, und je tiefer die Sonne glitt, desto näher kamen sich diese Schatten. Gajath musste sich beeilen, denn wenn sie sich berührten, war die Zeit gekommen.

Sie beschleunigte ihre Schritte und ihre Hand tastete nach dem kurzen Stab, löste ihn vom Gürtel. Unter ihrer Berührung begann er sanft zu schimmern. Ein bläuliches Licht, durchsetzt von schwarzen Schlieren.

Gajath erreichte den Punkt, an dem sich die Schatten der sieben Säulen nun trafen, und hob den Stab in ihrer emporgereckten Hand. „Schewar, deine Dienerin und Gebieterin ruft dich.“

Es war die Zeit des Zwielichts, in der Tag und Nacht sich begegneten. Zu hell, um die Sterne schon erkennen zu können, zu dunkel, um die Konturen der Umgebung noch klar zu sehen.

Von der Spitze des Stabes schien sich eine blaue Wolke zu lösen. Sie wuchs und verdichtete sich. Aus dem Blau wurde Schwarz. Nebel schienen zu wallen.

„Schewar, deine Dienerin und Gebieterin ruft dich“, wiederholte Gajath, und ihre Stimme klang fordernder.

Der wallende Nebel schien einen Körper zu formen. Erst undeutlich, doch dann traten die Konturen zunehmend hervor. Eine Gestalt, einem Menschen ähnlich und doch vollkommen anders, wurde sichtbar. Das Wesen trug keine Kleidung und sein Leib war von kurzem graubraunem Fell bedeckt. Arme und Beine waren zu lang für ein menschliches Wesen und mit Krallen bewehrt. Der Schädel war langgezogen und spitz auslaufend. Scharfe Reißzähne wurden sichtbar, als die Kreatur den lippenlosen Mund öffnete.

„Schewar hört die Dienerin des Volkes und die Gebieterin der Rudel.“ Die Stimme klang weich und freundlich und schien so gar nicht zum Äußeren der Kreatur zu passen. „Ist es an der Zeit?“

Gajath lächelte sanft. „Es ist an der Zeit.“

Schewar schloss für einen Augenblick die Augen. Die seitlichen Nickhäute schoben sich über die waagrechten Schlitzpupillen, die in einem hellen Grün schimmerten. „Endlich ist die Zeit gekommen. Wir haben lange gewartet. Sehr lange, Gajath.“

„Ich habe nicht weniger lange gewartet“, erinnerte die Dienerin und Gebieterin. „Doch der Plan der Alten war gut. Keiner der Menschen erinnert sich noch an das, was vor so vielen Jahrtausendwenden geschah. Wir hingegen, wir haben nichts vergessen. Die Macht der Menschen vergeht, und das Volk der Nachtläufer steht nun vor neuer Blüte.“

„Es ist an der Zeit“, stimmte Schewar zu.

„Ja, es ist an der Zeit.“ Gajath senkte den Stab und steckte ihn wieder an den Gürtel. „Die Rudel der sieben Hügel sind stark. Nun werden sie ihr Land wieder in Besitz nehmen. Dennoch müssen wir vorsichtig sein, Schewar.“

„Kein sterbliches Wesen ist eine Gefahr für die Rudel der Nachtläufer“, erwiderte die Rudelführerin. „Der Tod kann uns nichts mehr anhaben.“

„Die Menschen haben die alten Zeiten vergessen, aber wir haben diesen Fehler nicht begangen.“ Gajaths Blick war mahnend.

„Wir meiden das Licht der Sonne“, erwiderte Schewar leicht verärgert.

„Das meine ich nicht.“ Die Dienerin und Gebieterin deutete mit einer unbestimmten Bewegung um sich. „Noch bestreifen die Menschen unser Land. Einer unserer Kundschafter ist nicht zurückgekehrt. Du weißt, was das bedeuten kann.“

Die Schlitzpupillen Schewars wurden zu kaum wahrnehmbaren Strichen. „Die Kundschafter sind erfahren. Sie meiden das Tageslicht. Und wenn die Menschen einen von ihnen entdeckt hätten, so wären sie getötet worden.“ Das Wesen strich sich in einer menschlich wirkenden Geste über die Schnauze. „Es sei denn …“

„Es ist nur einer, der nicht zurückkam. Aber es könnte bedeuten, dass einer der Menschen sich an die alten Legenden und die Waffen der Vorzeit erinnerte.“ Gajath trat an die Rudelführerin heran und strich zart über deren Schnauze. „Wir dürfen keinen Fehler begehen. Nicht jetzt, da unsere Zeit endlich gekommen ist. Bevor die Rudel der Nachtläufer in der Dunkelheit ausschwärmen, müssen wir die Menschen sorgfältig ausspähen. Wir wissen, was uns zur Gefahr werden kann, und wenn wir es finden, werden wir seine Besitzer töten. Nichts darf uns aufhalten, denn unsere Zeit ist gekommen.“

Schewar schnurrte erfreut unter der sanften Berührung und nickte dann. „Keine Sorge, Dienerin und Gebieterin, nichts wird uns aufhalten.“

Kapitel 3

Rushaan, die nördliche Öde.

Einst eines der sieben mächtigen Menschenreiche, war es vor vielen Jahrtausenden unter den magischen Schlägen der Sonnenfeuer vergangen. Auch sein Wissen und die Macht seiner Flugwagen und Paladine hatten es nicht vor der Magie des Reiches Jalanne schützen können. Die Menschen waren vergangen, und die zerstörten und verfallenden Siedlungen Rushaans kündeten vom einstigen Stolz und Niedergang des Reiches. Doch die schwarz schillernden Krater der Vernichtung wurden zunehmend von der Natur überwuchert, die sich langsam zurückholte, was der Mensch ihr einst genommen hatte. Noch immer gab es weite Landstriche, in denen der Boden steinig und unfruchtbar war. Felsböcke und andere Tiere fristeten dort ein bescheidenes Dasein.

An einigen Stellen erhoben sich die Wachen Rushaans. Mächtige Festungen aus Metall, die aus drei eiförmigen Türmen bestanden, die eine runde Scheibe trugen und aus deren Mitte ein viertes, ungleich größeres Gebilde in Form eines Eis aufragte. Die Mächtigen Lanzen der Festungen hatten jeden körperlichen Feind verbrannt, und die Paladine hatten das Reich bestreift und seine Grenzen geschützt. Die tragischen Wesen hatten ihre Aufgabe auch noch erfüllt, als ihre Herren längst vergangen waren. Im Kampf gegen die Orks hatte das Pferdevolk den Paladinen zur Seite gestanden, und nun, nachdem der Pass zum Reich der Finsternis verschüttet war, hatten die einstigen Herren der Öde endlich ihren Frieden gefunden.

Pferdevolk und Zwerge hatten eine neue Festung am Pass des Eten erbaut und schützten damit die Nordgrenze der freien Reiche. Rushaan war erneut zur Öde und zum Niemandsland geworden. Nur gelegentlich bestreiften kleine Scharen der Pferdelords den südlichen Bereich, um sicherzustellen, dass von dort keine Gefahr drohte.

Doch Rushaan war noch immer reich an Bodenschätzen, und niemand erhob Anspruch auf diesen Reichtum. Niemand, außer einer wagemutigen Gruppe von Zwergen, welche die Einsamkeiten und die Schauergeschichten, die sich noch immer um die Öde rankten, nicht abschrecken konnten.

„Es ist eine unwürdige Arbeit für einen aufrechten Schürfer“, brummte Parnuk verdrießlich und trieb die Hacke in den harten Boden. Einer seiner Bartzöpfe kam ihm dabei in die Quere. Der Zwerg gab erneut einen missmutigen Laut von sich und legte die Manneszierde des Zwergenvolkes über seine Schulter zurück. „Harter Fels, der unter den Schlägen eines Zwergenhammers zerbirst, umgeben von den Tiefen unserer Höhlen … Ha, da liegt die Bestimmung eines echten Zwerges.“ Er lockerte das Erdreich und zog es zur Seite. „Stattdessen buddeln wir hier im Dreck der Öde. Es ist eines Schürfers unwürdig, sage ich.“

Der Zwerg neben ihm nickte zustimmend. „Du hast recht, alter Freund. Wenn es wenigstens um gutes Erz oder kostbare Kristalle ginge. Aber, nein, wir graben nach wertlosem Gold. Ich weiß wirklich nicht, was die Menschen an diesem Zeug finden. Schön, es glänzt ansehnlich und ist witterungsbeständig. Doch man kann kein passables Werkzeug daraus schmieden. Viel zu weich, dieses Gold.“

„Hört auf zu murren.“ Die mahnende Stimme kam von Maratuk. Er war einer der ältesten und erfahrensten Krieger der gelben Kristallstadt. Seine Bartzöpfe trugen die Strähnen hohen Alters. Sorgfältig geflochten hingen sie vor seiner Brust herab. Nur im Kampf wurden die Zöpfe im Nacken verknotet, damit das Blut des Feindes sie nicht beschmutzte oder sie sonst wie Schaden erlitten. Über Maratuks breiten Schultern ragten die Stiele seiner Kampfäxte auf, die auf dem Rücken in Futteralen steckten.

„Du hast gut reden.“ Parnuk richtete sich auf und stützte sich für einen Moment auf seine Hacke. „Als Axtschläger musst du ja auch nicht im Dreck herumwühlen.“

„Jemand muss auf euch achten, wenn ihr im Boden der Öde grabt“, lachte Maratuk auf.

„Hier gibt es keine Gefahr“, murmelte der andere Schürfer. „Nur Felsböcke und heftige Stürme, doch gegen die braucht es keine Kampfaxt. Du könntest also ruhig mit anpacken. Umso schneller sind wir fertig.“

Maratuk schüttelte den Kopf. „Dies ist die Öde Rushaans. Mag sein, dass die Gefahr durch die Paladine gebannt ist. Sie brannten ja jeden, der es wagte, in die Öde vorzustoßen. Dennoch ist es meine Pflicht, über eure Sicherheit zu wachen. Dies ist fremdes Land, und wir sind weit weg von der Sicherheit unserer Grenze.“

„Ja“, giftete Parnuk, „und nur, damit wir im Dreck nach wertlosem Gold wühlen.“

„Die Zeiten ändern sich.“ Maratuks Stimme klang ruhig und belehrend. „Selbst für uns Zwerge gewinnt das Gold an Wert. Ihr wisst ganz genau, die Menschen prägen daraus ihre goldenen Schüsselchen und handeln damit. Die Zeiten, in denen wir unsere Kristalle gegen das Brot der Menschen tauschten, sind vorbei. Heute geben die Menschen uns Gold und kaufen unsere Kristalle, damit sie daraus glänzenden Tand für ihre Weiber fertigen können.“

Parnuk spuckte aus. „Ja, und wir nehmen das Gold der Menschen und geben es ihnen wieder zurück, damit wir dafür Brot erhalten.“

„So ist es.“

Der Schürfer seufzte. „Dann können wir ihnen ebenso unsere Kristalle geben, und sie geben uns dafür wieder Brot. So, wie es immer war. Dann bräuchten wir jetzt nicht das Gold aus dem Boden zu kratzen.“

Der Axtschläger wippte leicht auf den Fersen. „Mit Gold lässt sich jede Ware handeln, Schürfer. Das ferne Königreich von Alnoa hat wachsenden Bedarf an goldenen Schüsselchen, doch sie haben nicht so viel Gold in ihrem Boden. Also graben wir es aus und geben es ihnen.“

„Für Brot.“

„Und andere Dinge.“ Maratuk war nun sichtlich genervt.

„Diese Alnoer sind verrückt, wenn du mich fragst.“ Erneut rutschte einer von Parnuks Zöpfen nach vorne, und der Schürfer schlug seine Hacke wütend in den Boden, um sich die Enden seiner Manneszierde endlich auf den Rücken zu knoten. „Wenn man nichts zum Tausch hat, dann kann man nicht handeln. Wenn die Alnoer also nicht genug Gold haben ...“

Maratuk stieß ein leises Grollen aus. „Selbst unsere Freunde vom Pferdevolk fertigen inzwischen eigene goldene Schüsselchen. Hältst du auch sie für verrückt?“

„Alle Menschen sind verrückt.“ Parnuk nahm seine Hacke wieder auf. „Die einen mehr, die anderen weniger. Unsere Freunde mit den grünen Umhängen sind sicherlich weniger verrückt, als die Alnoer. Dennoch …“

„Dennoch wirst du unserem guten König Folgschaft leisten und das Gold Rushaans aus seiner Erde kratzen.“ Maratuk deutete um sich. „Stell dir einfach vor, es sei kostbares Erz oder eine wundervolle Kristallsäule. Dann fällt es dir leichter.“

„Kostbares Erz, wundervolle Kristallsäule.“ Parnuk spuckte abermals aus. „Ich wollte wahrhaftig, es wäre so.“

Der andere Schürfer räusperte sich. Er hatte seine Arbeit ebenfalls unterbrochen, um dem Disput der beiden zu lauschen. „Wir sind weit weg von zu Hause, fern unserer Kristallstadt. Die Einsamkeit der nördlichen Öde zerrt an unseren Bartzöpfen, guter Herr Maratuk. Das macht uns verdrießlich.“

Maratuk nickte bedächtig. „Keinem von uns gefällt es, hier zu sein. Zumal unsere Freunde, die Pferdelords, hiervon nichts wissen dürfen. Ihre Scharen bestreifen den Süden, doch der Rest Rushaans ist Öde, in der niemand etwas verloren hat.“

„Hätte eine Streifschar des Pferdevolkes nicht zufällig dieses große Goldvorkommen gefunden, wären wir ja auch nicht hier“, stellte Parnuk fest.

„Ah, dann sind es jetzt wohl die Pferdelords, die Schuld an deiner ungeliebten Arbeit haben?“ Maratuks Augen verengten sich.

Der andere Schürfer hob beschwichtigend die Hände. „Lasst den Streit, ihr guten Herren. Das ist eines Zwerges nicht würdig. Wie es unser guter König Hendruk Hartschlag schon sagte: Geht hinaus in die Öde, grabt so viel Gold aus, wie eure Lasten tragen können, und kehrt zurück.“

„Und lasst euch nicht erwischen“, fügte Parnuk hinzu. „Die Pferdelords wären nicht begeistert, wenn sie uns hier anträfen. Es verstößt gegen die Unberührbarkeit Rushaans.“

„Die Pferdelords streifen unten im Süden“, beruhigte der andere. „Bis hier herauf kommen sie nicht.“

„Bah, jene Schar, die das Gold fand, kam bis hier herauf.“

Axtschläger Maratuk versuchte, sich zu beherrschen. Parnuk war ein guter Schürfer. Einer der besten der gelben Kristallstadt Nal´t´hanas, die im westlichen Teil des Noren-Brak verborgen lag. Alle Städte der Zwerge lagen gut geschützt im Inneren der Berge, in gewaltigen Höhlen, in denen man die Pyramiden der Städte erbaut hatte. Jede der Städte war von einer Kuppel aus fünfseitigen Kristallelementen umgeben. Sie schützten vor dem Flammenatem der Feuerbestien, die in den Tiefen der Erde lebten und gelegentlich zur Oberfläche vordrangen. Es war eine Eigenheit der Zwerge, dass jede Stadt ihre Kuppel aus andersfarbigen Kristallen errichtete, davon leiteten sich die Bezeichnungen des Zwergenvolkes ab. Doch von den Städten der kleinen Herren waren nur zwei geblieben, und die gelbe Kristallstadt Nal´t´hanas hatte noch immer unter den Folgen einer alten Katastrophe zu leiden. Durch ein Erdbeben war ein Teil der Höhle eingestürzt, hatte die Kuppel teilweise zerschlagen und viele Bewohner getötet. Auch wenn sich die tapferen Zwerge nun langsam von diesem Schicksalsschlag erholten, so litten sie doch manchen Mangel, vor allem da ihre Arbeitskraft auch benötigt wurde, um die nördliche Grenze am Pass des Eten zu schützen. König Hendruk Hartschlag hatte daher die Gelegenheit ergriffen, als er von den leicht zugänglichen Goldvorkommen in der Öde erfuhr. Fünfundzwanzig Zwerge hatte der König nach Norden geschickt, damit sie das Gold heimlich abbauten. Heimlich, damit das Pferdevolk nicht erfuhr, dass die Zwerge nach Rushaan eindrangen. Für König Hartschlag war es eine Frage der Ehre. Das Pferdevolk hätte bereitwillig geholfen, wenn es vom Mangel der Stadt erfuhr, doch die Zwerge waren zu Recht Stolz darauf, ihre Probleme stets aus eigener Kraft zu lösen. So hatte man die fünfundzwanzig Besten entsandt. Eine Zehn an Axtschlägern und fünfzehn Schürfer, die sich nun schon seit drei Monden in der Öde aufhielten. Drei volle Monde. Es war kein Wunder, dass die Männer sich nach den geliebten Bergen und der Nähe ihres Volkes sehnten. So hatte Maratuk durchaus Verständnis für die Nörgeleien des Schürfers Parnuk.

„Wir haben schon viel Gelbmetall aus dem Boden geholt“, sagte der Axtschläger mit versöhnlich klingender Stimme. „Bald sind unsere Traglasten voll, und dann können wir uns auf den Heimweg machen. Zurück zu unseren Frauen, zu schmackhaftem Pilzbrei und feurigem Blor, der uns Seele und Magen wärmen wird.“

„Brot und Hornviehfleisch sind mir lieber“, gestand der andere Schürfer ein. „Doch der Blor … Ah, er würde mir auch jetzt Seele und Magen erwärmen.“

Parnuk trieb seine Hacke wieder in den Boden. „Ja, unser Vorrat an gegorenem Pilzsaft war rasch am Ende.“ Er warf dem anderen einen scharfen Blick zu. „Einige waren ja ein wenig maßlos in seinem Genuss.“

Der Schürfer grinste und schlug Parnuk versöhnlich gegen den Arm. „Dafür hast du auch nicht so starkes Schädelbrummen bekommen. Aber Maratuk hat recht. Ein oder zwei Tageswenden noch, dann haben wir genug und können die Öde endlich verlassen.“

Parnuk hörte am Klang, dass er einen Brocken Gold gefunden hatte. Einen großen Brocken. „Jedenfalls haben wir unser heutiges Tagewerk vollbracht. Mein Magen schleift schon am Boden. Höchste Zeit, dass wir etwas essen.“

Die beiden anderen sahen zu, wie Parnuk das Gold freilegte.

„Würdest du dich nicht so tief bücken, dann würde dein Magen auch nicht am Boden schleifen“, spottete der andere Schürfer. Er sah, wie Parnuks Gesicht sich rötete, und machte rasch eine entschuldigende Geste.

Sie waren alle gereizt, und es war tatsächlich höchste Zeit, die Öde zu verlassen. Im Land eines vergangenen Volkes zu arbeiten, war nicht nach dem Geschmack des kleinen Volkes.

Auch an anderen Stellen wurde gegraben und Gold gefördert. Es lag hier ungewöhnlich dicht unter der Oberfläche, und es war leicht, es zu schürfen. Leichter, als einen Gang durch hartes Felsgestein zu treiben. Dennoch, jeder der Schürfer hätte das tote Land der Öde gerne gegen ein Stück heimatlichen Felsgesteins getauscht.

Vielleicht war dies der Grund, warum man bei der Errichtung des provisorischen Lagers mehr Aufwand betrieben hatte, als erforderlich gewesen wäre. Die Zwerge benötigten vor allem Schutz vor den gefährlichen Eisregen und Stürmen. Ein gut befestigter Unterstand hätte hierzu ausgereicht, doch das hätte dem handwerklichen Geschick und Stolz des kleinen Volkes nicht entsprochen.

Das meiste Material hatte ihnen die Öde selbst geliefert, auch wenn das Gold in einer der unwirtlichen Gegenden lag. Es gab Büsche und sogar einige Bäume, die den Zwergen als Feuerholz dienten, und es gab Steine und Felsen im Übermaß. Niemand beherrschte die Arbeit eines Steinmetzen so gut wie ein Zwerg, und innerhalb kürzester Zeit hatten die fleißigen Wesen ein zweckmäßiges Lager errichtet.

Es besaß die Grundform eines gleichseitigen Fünfecks. Die Zwerge liebten diese Form, und wann immer sie die Möglichkeit hatten, wandten sie diese an. Ob in den Kristallsegmenten ihrer Städtekuppeln, den Säulen, welche die Decken ihrer Höhlen und Stollen stützen, den Gängen oder den Bodenplatten, in allem fand sich das Fünfeck wieder. Selbst ihre Schilde und die Schneiden ihrer Äxte waren fünfseitig.

Das Lager wurde von einer Mauer umgeben, die einem Menschen bis zum Bauchnabel gereicht hätte und es einem Zwerg ermöglichte, gerade noch über die Oberkante hinweg zu sehen. An den Eckpunkten des Fünfecks standen Säulen, auf denen breite Auflagen befestigt waren. Was dann folgte, glich den Kuppeln der Zwergenstädte, auch wenn statt fünfeckiger Kristallplatten Stein verarbeitet worden war. Der Bau wirkte kompakt und stabil, und die Zwerge waren zuversichtlich, dass er vor einem Eisregen schützen würde. Sie unterschätzten diese Gefahr nicht, denn vor einem knappen Jahr war eine Streifschar der Pferdelords von einem solchen Regen überrascht worden. Es hatte zwei Tote und mehre Verletzte gegeben. Wenn die Zwerge schon kein schützendes Höhlendach über sich hatten, so wollten sie doch den bestmöglichen Schutz genießen, und dafür hatten sie gesorgt. Die Steinplatten der Kuppel waren so ineinandergefügt, dass sie sich gegenseitig abstützten und einem Bombardement aus Eisgeschossen standhalten sollten.

Das Innere des Lagers bestand aus einem einzigen Raum. In der Mitte eine große Feuerstelle, außen, entlang der Wände, die Schlafstätten. In der Nähe der Schürfstelle verlief ein kleiner Bach, sodass es genug Trinkwasser gab. Neben dem Eingang des Lagers waren Brennholz und die bisherige Ausbeute der Schürfer gestapelt. Eine Aussichtsplattform erhob sich auf mehreren Streben über die Kuppel und bot den Wachen guten Ausblick über das umgebende Land.

Maratuk blickte zu dieser Plattform hinauf und nickte zufrieden, als er bemerkte, dass der Posten aufmerksam war. Der erfahrene Axtschläger hatte in den vergangenen Monden nichts entdecken können, das für die Zwerge eine Gefahr bedeutet hätte. Die Felsböcke mieden die Nähe des Lagers, nachdem einige von ihnen in den Mägen der kleinen Herren gelandet waren. Dennoch wiegte sich Maratuk nicht in Sicherheit. Es war nur ein unbestimmtes Gefühl einer möglichen Gefahr, doch sein langes Leben hatte ihn gelehrt, auf seine Instinkte zu vertrauen.

Er nickte den Schürfern zu und ging zu dem Turm hinüber.

„Etwas zu sehen?“, rief er hinauf.

Der Axtschläger oben beugte sich ein wenig vor und stütze sich dabei auf eine der hölzernen Streben. „Natürlich. Jede Menge fleißiger Schürfer.“

Maratuk nickte. „Halte dennoch die Augen offen.“

Die Wache zuckte die breiten Schultern. „Dies ist die Öde, Maratuk, da werde ich meine Augen schon offen halten. Kannst du es riechen?“

„Was soll ich riechen?“

Der andere wies über das Land. „Schnee. Heute zur Nachtwende wird er fallen.“

Maratuk sog prüfend die Luft ein. „Du hast recht. Nun, der Winter ist nahe. Gut, dass wir hier bald fertig sind und wieder nach Nal´t´hanas zurückkehren können. Gib den Männern das Zeichen, damit sie das Tagwerk beenden. Wir sollten uns auf die Nacht vorbereiten.“

Der Posten nickte und stieß einen schrillen Pfiff aus. Wenig später begannen sich die Schürfer mit ihren Werkzeugen und der Tagesausbeute am Lager zu versammeln. Bevor es an die Zubereitung des Mahls ging, setzten sich die Schürfer zusammen und überprüften ihre Werkzeuge. Wo eine Hacke stumpf geworden war, wurde sie sorgfältig nachgearbeitet, der Sitz des Stiels auf seine Festigkeit überprüft.

„Felsbockeintopf“, seufzte Parnuk, als er den Deckel des Kessels anhob. „Mir hängt er schon zum Halse heraus, der Felsbockeintopf.“

Dermus, einer der anderen Schürfer, lachte auf. „Ich kann mich entsinnen, wie sehr du dich auf Felsbock gefreut hast, als wir in die Öde kamen. Damals hing dir der Pilzbrei zum Halse heraus.“

„Wenn man drei Monde fast nur dasselbe in den Bauch bekommt, dann braucht man viel Kraft, um es noch herunterzuwürgen“, erwiderte Parnuk. Er sah sich im Kreis der anderen um. „Hat noch jemand eine Krume Brot übrig?“

„Nur etwas Käse“, gestand einer. „Du wirst allerdings deinen Meißel benötigen, um ihn zu zerlegen. Er gewinnt im Alter an Geschmack, jedoch auch an Härte.“

Parnuk trat seinen Anteil am Eintopf ab, und das Stück Käse wechselte seinen Besitzer.

Die Männer aßen schweigend. In der Zeit nach der Ankunft in der Öde hatten sie oft miteinander geplaudert und gescherzt, aber die Eintönigkeit und das fremde Land stumpften ihre Sinne ab. Die zehn Axtschläger legten fest, wer in dieser Nacht die Wache halten würde, dann begaben sich die übrigen zur Ruhe. Einer relativen Ruhe, denn selbst die Wache auf ihrem erhöhten und einsamen Posten konnte das Schnarchen einiger der Schläfer hören.

Mit dem ersten Sonnenlicht erhoben sich die Zwerge und traten aus dem Lager, um sich am nahen Bach den Schlaf aus den Augen zu reiben.

Maratuk zog fröstelnd die Schultern zusammen. „Verdammt, es hat tatsächlich geschneit.“

Der Mann, der ihm dies prophezeit hatte, nickte. „Wie ich es gesagt habe. Allerdings hätte ich nicht geglaubt, dass so viel davon fallen würde. Er liegt eine gute Handspanne hoch.“

Einer der Schürfer fluchte leise. „In der Kälte zu arbeiten, das macht mir nichts aus. Bewegung hält warm, wie ihr wisst. Aber der Schnee ist schlecht. Da werden wir nasse und klamme Finger bekommen.“

„Wickelt ein paar Tuchstreifen um die Hände“, riet Maratuk. „Das wird helfen.“

Es war an der Zeit, wieder nach Süden aufzubrechen. Maratuk war froh, dass sie das Lager bald abbrechen konnten. Er hatte den Winter nie besonders gemocht. In den Höhlen der Zwerge war man von den Jahreszeiten unabhängig, wenn man davon absah, dass Lichtsäulen und Luftschächte im Winter sorgsam von Schnee und Eis befreit werden mussten. Doch das war eine Angelegenheit von wenigen Zehnteltagen, und danach konnte man in die Geborgenheit der Berge zurückkehren.

Wie jeden Morgen machte der Axtschläger seine Runde um das Lager. Manchmal fand man die Spur eines Felsbocks, und dann konnte es sich lohnen, einen Jagdtrupp hinauszuschicken. Raubtiere hatten die Zwerge bislang noch nicht gesichtet und auch keine Fährten von ihnen entdeckt. Maratuk erwartete also keine Überraschungen, als er seinen Gewohnheiten nachging. Als erfahrener Jäger achtete er normalerweise darauf, ob etwas seinen Abdruck in weicherem Boden hinterlassen hatte oder ein Stein zur Seite gedrückt worden war. Nun, da Schnee lag, war das überflüssig, denn jede Fährte würde überdeutlich zu erkennen sein.

Maratuk stieß ein erstauntes Brummen aus, als er die Spur fand.

Er ging in die Hocke und tastete die Ränder mit den Fingerspitzen ab. Dann wandte er sich dem Lager zu und stieß einen leisen Pfiff aus. Nach wenigen Augenblicken stapften zwei der anderen Axtschläger heran.

„Was ist los? Bist du wieder einem kapitalen Felsbock auf der Fährte?“

Der alte Axtschläger richtete sich auf und schüttelte den Kopf. „Was immer diese Spur hinterlassen hat, es war sicherlich kein Felsbock. Seht es euch selbst an, Männer.“

Auch sie betasteten die Ränder der Abdrücke. „Es ähnelt dem Abdruck eines Menschen, aber die Ränder sind seltsam unscharf.“

„Größer als ein gewöhnlicher Mensch.“

„Ein Rundohr der Orks?“

„Nein, ich kenne die Abdrücke, die ihre Kampfstiefel hinterlassen. Ebenso die Stiefelspuren der Menschen. Dies ist keines von beiden. Bedenkt die Unschärfe an den Rändern. Als wäre der Fuß an den Seiten mit Pelz oder Fell bewachsen gewesen.“

Einer der Axtschläger zupfte nachdenklich an seinen Bartzöpfen. „Ja, das ist wahr. Aber wenn wir oder die Menschen im Winter gefütterte Stiefel tragen, dann befindet sich das Fell innen, damit der Fuß gewärmt wird. Und es gäbe einen klaren Abdruck der Stiefelsohle.“

„Richtig.“ Maratuk strich sich über das Kinn. „Dieses Wesen war größer als ein Mensch. Wenigstens, was seine Füße angeht. Und die sind ausgesprochen behaart.“

„Ein Pelzbeißer?“

„Die Größe würde diesem Raubtier entsprechen, aber es läuft auf vier Beinen und richtet sich nur zum Angriff auf die Hinterbeine auf.“

„Was du sagst, gefällt mir nicht, Maratuk“, gestand einer der Axtschläger ein. „Somit schleicht etwas durch die Öde, das wir noch nicht kennen, nicht wahr?“

Maratuk nickte und sah die Gefährten ernst an. „Es schleicht nicht nur durch die Öde, sondern es beobachtet unser Lager. Seht euch den Verlauf der Fährte an. Sie führt um das Lager herum und dann wieder nach Norden zurück.“

„Mir gefällt immer weniger, was du da sagst.“

„Glaubst du, mir gefällt es?“ Der alte Axtschläger blickte nach Norden. Es hatte aufgehört zu schneien und die Landschaft war mit Schnee bedeckt. Die Fährte hob sich deutlich ab, doch sonst war nichts zu erkennen. „Vielleicht war es wirklich ein Raubtier, das zufällig auf unser Lager stieß, es ein wenig beschnüffelte und sich dann wieder verzog. Aber wir müssen damit rechnen, dass es zurückkehren könnte und bei uns nach Beute sucht.“

Einer der Kämpfer leckte sich über die Lippen. „Dann werden wir unsere Augen noch weit besser offen halten, als bisher. Sollen wir den anderen Bescheid sagen?“

Maratuk schüttelte den Kopf. „Nur unseren Axtschlägern. Ich will die Schürfer nicht beunruhigen. Sie sind schon gereizt und nervös genug. Halten wir die Augen offen und die Äxte bereit. In zwei Tageswenden werden wir die Öde ohnehin wieder verlassen.“

Der Tag verlief ohne besondere Vorfälle, und Maratuks anfängliche Anspannung ließ ein wenig nach. Erst gegen Abend wuchs sie erneut, zumal leichter Schneefall einsetzte. Er wählte den erfahrensten Mann aus, um den Turm zu besetzen, und schärfte ihm ein, auf jede Auffälligkeit zu achten.

Die Schürfer bemerkten die Nervosität der Axtschläger nicht und ebenso wenig, dass diese ihre Äxte stets griffbereit hielten. Maratuk aß nur wenig, und es dauerte lange, bis er in dieser Nacht endlich Schlaf fand.

Er erwachte kurz vor Tagesanbruch. Es war das Bedürfnis, welches ihn im zunehmenden Alter des Öfteren in der Nacht plagte. So erhob er sich, bemüht, die anderen nicht zu wecken, und verließ den Bau des Lagers. Schneeflocken trieben in sein Gesicht, und er schirmte die Augen ab, als er zur Turmplattform hinaufsah. Die Wache war auf ihrem Posten und winkte ihm kurz zu. Maratuk trat näher und sprach mit leiser Stimme.

„Ich werde mich ein wenig umsehen. Sei also nicht zu eilig, wenn du deine Bolzen löst.“

Die Wache tippte grinsend gegen die Bolzenschleuder, die sie am Waffengurt trug. „Und du entferne dich nicht zu weit, Maratuk. Denk an die Fährte, die wir fanden.“

Der alte Axtschläger wischte etwas Schnee aus seinen Augen. „Ja, ich werde darauf achten.“

Er stapfte ein Stück durch den Schnee und entfernte sich langsam vom Lager. Eigentlich hatte er sich nur erleichtern wollen, doch die Worte des anderen Axtschlägers hatten ihn daran erinnert, dass sich etwas Unbekanntes in der Öde befand. Er ärgerte sich über sich selbst. In jüngeren Jahren wäre ihm das nicht passiert. Da wäre seine Sorge um die anderen Zwerge niemals vom Drücken seiner Blase verdrängt worden. Langsam wurde er alt. Vielleicht zu alt, um dem Volk noch als Axtschläger zu dienen. Seine Zöpfe trugen ja bereits die Farben des hohen Alters, aber seine Zähne waren noch in Ordnung. Wenigstens die meisten davon. Er konnte sie noch immer kräftig in ein Stück Fleisch hineintreiben und musste sich nicht mit Pilzbrei begnügen.

Maratuk achtete auf die Umgebung und vor allem darauf, ob sich im Schnee die Spur eines anderen Wesens abzeichnete. Schließlich bemerkte er, wie weit er sich inzwischen vom Lager entfernt hatte.

Seufzend trat er an einen der kleineren Felsen, um sich endlich zu erleichtern.

Er war gerade dabei, seine Hose wieder zu schließen, als er ein leises Geräusch hörte.

Lauschend verharrte er. Hatte er sich getäuscht?

Nein, da war es wieder.

Maratuk schloss hastig seine Kleidung und zog eine seiner Äxte aus dem Rückenfutteral. Er versuchte, den Ursprung des Geräusches zu bestimmen. Es war ein dumpfer Laut gewesen. Der Axtschläger trat behutsam in den Schnee. Nein, Schritte hätten ein leises Knirschen hervorgerufen. Der Laut war anders gewesen. Wie von einem Sturz oder einem … Schlag?

Die andere Hand glitt an die zweite Axt und zog sie hervor. Maratuk lauschte mit angespannten Sinnen. Der Schneefall dämpfte alle Geräusche, und doch glaubte er, einen leisen Schrei aus dem Lager zu hören.

Der alte Axtschläger unterdrückte einen Fluch und lief los, so schnell es der Schnee und seine kurzen Beine erlaubten. Warum hatte er sich nur so weit vom Lager entfernt? Er hätte seine Hose ebenso direkt hinter dem Bau herablassen können.

Nun waren deutlich Schreie zu hören.

Schreie des Entsetzens, des Zorns und der Todesnot.

Maratuk rannte und konnte bereits die Kuppel des Lagers erkennen, als die Stille einsetzte.

Er verharrte entsetzt.

Unschlüssig lauschte er und seine Hände krampften sich um die Stiele seiner Äxte.

Nichts war zu hören, außer seinem heftigen Atem.

Das war nicht gut.

Nein, es war sogar ein sehr schlechtes Zeichen.

Seine Gefährten waren überfallen worden, daran gab es keinen Zweifel. Hätten sie den Feind bezwungen, dann wäre ihnen Maratuks Abwesenheit aufgefallen, und er müsste die Stimmen hören, mit denen sie nach ihm riefen.

Niemand rief nach ihm.

Er starrte zu der Kuppel hinüber, die im Schneetreiben kaum zu erkennen war. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung, bereit, seine Äxte in Blut zu tauchen. Er wusste, dass er niemandem mehr beistehen konnte, doch er musste in Erfahrung bringen, wer für die Bluttat verantwortlich war. Schnee bedeckte ihn, und Zwerge waren ohnehin von kleiner Statur, das mochte ihm helfen, sich vor den Blicken der Mörder zu verbergen.

Schließlich war er nahe genug, um Einzelheiten erkennen zu können.

Gestalten bewegten sich am Lager. Viel zu groß, um Zwerge zu sein, und zu viele, um gegen sie zu kämpfen. Maratuk sah sofort, dass es sich um fremde Wesen handelte. Plumpe Gestalten, von Kopf bis Fuß mit dichtem Fell bedeckt. Dennoch war offensichtlich, dass es sich nicht um Tiere handelte. Sie hatten Wachen aufgestellt und durchsuchten systematisch das Lager, einige sprachen miteinander. Maratuk konnte die Laute nicht verstehen.

Wer waren diese Wesen und woher kamen sie?

Warum hatten sie die friedlichen Zwerge überfallen und gnadenlos abgeschlachtet?

Maratuk sickerten Tränen über die Wangen, und sie gefroren in seinem Bart. Er hatte seinen Freunden nicht helfen können, konnte sie nicht einmal rächen.

Seine gedrungene Gestalt straffte sich.

Dennoch durften diese Bestien nicht ungestraft davonkommen.

Der alte Axtschläger wandte sich ab.

Er musste den Kriegern in der Nordfeste die Kunde von der Bluttat bringen. Wer immer dafür verantwortlich war, Männer würden ausrücken und die Täter bestrafen. So begann der alte Zwerg den langen Weg nach Süden, um die schreckliche Neuigkeit zu überbringen.

Kapitel 4

Das rotbraune Wams war dick gefüttert, und der grüne Umhang der Pferdelords reichte bis hinab auf den Boden und bestand aus schwerer Wolle. Dennoch zog der Mann ihn enger um seine Schultern und fröstelte. Der Wind war beißend und kalt. Tief unter sich sah er den Pass des Eten, der sich von der Hochmark nach Norden erstreckte, bis er an der Südgrenze Rushaans endete.

Der Pass glich einer Schlucht, die tief in die Berge schnitt, und er war gut zu passieren. Für die Augen Nedeams war wichtig, dass er sich leicht verteidigen ließ. Ein gutes Bollwerk konnte hier selbst ein starkes Heer für lange Zeit aufhalten. Früher war die Festung Eternas im Tal der Hochmark das nördlichste Sperrwerk des Pferdevolkes gewesen. Doch nie war ein Feind von Norden vorgedrungen. Die Elfen und die Paladine Rushaans hatten das verhindert. Nun waren beide vergangen. Während die Elfen zu den Neuen Ufern aufgebrochen waren, hatten die Paladine endlich ihren Frieden gefunden. So lag zwischen der Öde und der Hochmark des Pferdevolkes nur noch die gelbe Kristallstadt Nal´t´hanas. Die Stadt der Zwerge war jedoch zu schwach, um einen massierten Angriff aufzuhalten. So hatten sich die kleinen Herren und das Pferdevolk dazu entschlossen, am Nordende des Passes des Eten eine neue Festung zu errichten. Diese Nordfeste stand bereits und sicherte nun die Grenze. Ihre Mauern schützten den Pass vor einem Überraschungsangriff. Aber der Pass war viele Tausendlängen lang, und auch der schnellste Reiter brauchte Tage, um ihn zu durchqueren. Zeit, die kostbar war, wenn die Nordfeste Verstärkungen benötigte.

Aus diesem Grund musste die Festung in das Signalsystem der freien Völker eingebunden werden. Als der Mann in dem grünen Umhang noch ein Knabe gewesen war, hatte eine lange Kette von Signalfeuern die Städte und Festungen des Pferdevolkes miteinander verbunden. Ihre Feuer waren bei Gefahr entzündet worden und hatten die Pferdelords zu den Waffen gerufen. Diese Signalfeuer hatten bis tief in den Süden, in das ferne Königreich von Alnoa gereicht.

Inzwischen waren die Stapel aus ölgetränktem Brennholz und Brennstein gewichen und durch andere Hilfsmittel ersetzt worden. Große metallene Schüsseln, die das Sonnenlicht reflektierten und die mit Blenden versehen waren, sodass man eine Reihe unterschiedlicher Signale übermitteln konnte. In der Nacht entzündete man starke Brennsteinlampen, deren Licht von den Spiegeln übertragen wurde.

Die Signalstationen wurden stets an den höchsten Punkten errichtet. In den Städten und Festungen nutzte man dafür hohe Türme. Doch im Gebirge des Noren-Brak und entlang des Passes des Eten konnte man solche Türme nicht errichten. Der Fleiß des Zwergenvolkes hatte es nun ermöglicht, eine Lösung zu finden und jene zehn Zwischenstationen zu bauen, welche die Signalverbindung gewährleisteten.

Deswegen war der Mann an diesem Ort und versuchte, trotz des beißenden Windes zu lächeln. Man erwartete es von ihm, denn er war Nedeam, der Erste Schwertmann der Hochmark des Pferdevolkes. Er war es, der das Banner seiner Herrin Larwyn in den Kampf führte, wenn ein Feind die Grenzen bedrohte.

Nedeam war von durchschnittlicher Größe und schlank, und sein langes blondes Haar lugte unter dem Nackenschild des Helmes hervor. Darin ähnelte er vielen Männern des Pferdevolkes. Doch er trug nicht die gerade Klinge der Schwertmänner, sondern die leicht gekrümmte eines Elfenschwertes. Es war die Dankesgabe des Hauses Deshay, dem Nedeam und seine Gefährten im Kampf gegen Orks und Graue Magier beigestanden hatten. Er war nun achtunddreißig Jahre alt, und seine Augen hatten ferne Länder gesehen. Sein Herz hatte dabei Freude und Schmerz erfahren. In den Jahren seines Lebens waren Freunde vergangen und neue an seine Seite getreten. Aber er hatte auch die Liebe seines Lebens gefunden. Llaranya, die Tochter des Elfen Jalan-olud-Deshay. Eine Frau und Kriegerin, die sein Leben teilte und im Kampf an seiner Seite stand.

Auch jetzt stand sie neben ihm, gehüllt in den zartblauen Umhang des elfischen Volkes. Während die Elfen normalerweise weißblondes Haar ihr Eigen nannten, fiel das von Llaranya lang und schwarz über ihren Rücken. Ihr ebenmäßiges Gesicht zeigte ein sanftes Lächeln, während ihre Blicke den Pass entlangschweiften.

„Es ist wunderschön“, sagte sie leise.

„Es ist kalt“, erwiderte Nedeam und zuckte mit einem entschuldigenden Lächeln die Schultern. „Wahrhaftig, meine Geliebte, ich wünschte mir, wir hätten eine angenehmere Jahreszeit für diesen Ritt gewählt.“

„Es ging nicht früher.“ Sie ergriff seine Hand. „Dies ist die letzte Signalstation, und sie wurde jetzt erst fertiggestellt.“

Neben ihnen reckte sich eine kleine Gestalt empor. Sie trug nicht die kniehohen Stiefel des Pferdevolkes, sondern derbes Schuhwerk, welches bis knapp über die Knöchel reichte. Das Wams war knielang und dick gefüttert. Es leuchtete in intensivem Blau und war mit zahlreichen Stickereien aus Metallfäden versehen. Kleine Kristallscheiben waren auf einer Seite der Brust an das Leder genäht. Der breite Gürtel hielt einen schweren Hammer und einen Meißel sowie eine Tasche mit Schreibmaterial. Es war das Festgewand des Ersten Steinschlägers der gelben Kristallstadt Nal´t´hanas. Allruk trug es voller Stolz, und er hatte auch allen Grund dazu. Der Zwerg gehörte zu den fähigsten Baumeistern und Steinmetzen seines Volkes, und er hatte den Bau der Nordfeste sowie der zehn Signalstationen geleitet.

Allruk schien die Bemerkung der schönen Elfin als Kritik aufzufassen. „Wir arbeiteten so rasch, wie es nur eben ging, Hoher Herr Nedeam und Hohe Frau Llaranya.“

„Entschuldige, guter Herr Allruk, der Fleiß Eures Volkes ist uns wohl bekannt.“ Nedeam legte dem kleinen Herrn anerkennend die Hand auf die Schulter. „Und Euer Werk, guter Herr, ist wohlgelungen.“

„Das will ich auch meinen“, erwiderte Allruk ohne jegliche falsche Bescheidenheit. „Es war eine schwierige Arbeit, doch ich hatte fleißige und kundige Hände, die sie vollführten.“ Er trat an die Brüstung der Plattform und schlug gegen den Stein. „Alles in zweierlei Maßen, Hoher Herr und Hohe Frau, alles in zweierlei Maßen. Menschen und Zwerge sollen alles gut gerichtet vorfinden.“

„Ich kann mir gut vorstellen, wie schwierig das war.“ Nedeam sah sich um und musterte die Plattform und ihre Installationen.

Die Schlucht des Passes zog sich in einer leichten Kurve von Süden nach Norden. Es gab zahlreiche Klippen und Felsformationen, die sie gelegentlich verengten, bevor sich der Weg wieder verbreiterte. Es war daher ein Problem gewesen, die Signalstationen so zu errichten, dass sie untereinander Sichtkontakt halten konnten. Dazu hatten die Zwerge, mit ihrem unnachahmlichen Gespür für Fels, genutzt, was ihnen das Gebirge bot. An einigen Stellen waren die Oberkanten von Klippen geglättet und die Felsen zusätzlich mit steinernen Säulen abgestützt worden. An anderen Orten hatten sich die Zwerge förmlich in den Berg hineingegraben und eine geeignete Höhlung geschaffen. Gleichgültig, welche Schwierigkeiten sich dem kleinen Volk dabei in den Weg gestellt hatten, die meisterlichen Handwerker hatten sie bewältigt.

Alle zehn Signalstationen bestanden aus einer großen Plattform, die nicht nur das Signalgerät, sondern auch ein kleines Unterkunftsgebäude für die drei Wachen trug. Diese Männer versahen ihren einsamen Dienst einen vollen Zehntag lang, bevor sie abgelöst wurden. Die erforderlichen Vorräte an Nahrung und Wasser mussten sie selbst auf die Plattform tragen. Zu jeder der Plattformen führte eine steinerne Treppe hinauf, die in den Felsen geschlagen oder über tragenden Säulen errichtet worden war.

„Ja wahrhaftig, ihr Zwerge habt Großartiges vollbracht“, bestätigte Nedeam.

Allruk reckte sich erneut und schüttelte dann lächelnd den Kopf. „Seht es mir nach, Hoher Herr Nedeam, doch ihr Pferdemenschen mögt kundig im Reiten eurer Pferde sein, doch vom Handwerk der Zwerge versteht ihr nur wenig. Nichts für ungut, doch glaubt mir, Hoher Herr, Ihr habt keine Vorstellung davon, was unsere Hände hier geleistet haben.“ Allruk klopfte abermals auf die Brüstung und trat dann zurück, um auf die Plattform und die obersten Stufen der Treppe zu zeigen. Wie nicht anders zu erwarten, herrschte die fünfeckige Form vor, die das kleine Volk so sehr liebte.

„Einige der Plattformen wurden in zweihundert Längen Höhe über dem Pass errichtet. Ihr wisst ja, Hoher Herr und Hohe Frau, jede der Plattformen muss zu jener vor und jener hinter ihr Verbindung halten. Und, das gebe ich zu bedenken, wir Zwerge haben darauf geachtet, dass dies auch für den Fall gilt, dass eine der Signalstationen ihren Dienst nicht versehen kann.“ Er zuckte die Schultern. „Bei aller Zwergenkunst könnte doch eine Signalschüssel zu Bruch gehen oder ein Steinschlag oder Erdrutsch die tragende Plattform beschädigen. Oh, wir Zwerge haben vorgesorgt, so gut es eben ging. Ihr wisst, gerade jetzt im Winter kann Wasser in Gesteinsspalten gefrieren und den Felsen auseinandersprengen. Uns ist das wohlbekannt, und manchmal nutzen wir es zu unserem Vorteil, wenn wir unsere Stollen in die Berge treiben. Doch bei den Signalstationen haben wir jede Spalte sorgfältig aufgefüllt und sie geglättet. Wahrhaftig eine enorme Arbeit.“

Allruk strich sich zufrieden über die langen Bartzöpfe und wippte leicht auf seinen Fersen. „Arbeit, wie sie nur das Zwergenvolk bewältigen kann. Seht euch die Brüstung der Plattformen an. Sie musste für Zwerge und Menschen tauglich sein. So haben wir sie unten gemauert und oben mit metallenen Streben versehen.“ Er lächelte freundlich. „Die Streben sind ein Werk eurer Schmiede in der Hochmark, wie ich gerne zugebe. Auf das Bearbeiten von Metall versteht sich das Pferdevolk fast so gut wie das unsere.“

Der Erste Steinschläger stampfte mit dem Fuß auf den Boden der Plattform. „Jede Platte ist fest gefügt. Die Stufen der Treppen wurden besonders angefertigt, damit eure Füße ausreichend Halt finden.“

„Ihr meint unseren großen Füße“, stellte Llaranya fest und schenkte dem Zwerg ein Lächeln, das Männerherzen zum Schmelzen bringen konnte.

Allruk errötete ein wenig. „Verzeiht, ich wollte Euch nicht beleidigen, Elfenfrau. Aber das Maß unserer Treppenstufen ist für Menschen oder Elfen ein wenig … unbequem.“

„Ich sehe, Erster Steinschläger Allruk, Ihr habt beim Bau der Nordfeste und der Signalstationen wirklich an alles gedacht“, sagte Nedeam freundlich.

„Ah, Ihr müsst erst die Feste sehen, Pferdelord.“ Allruks Augen tränten ein wenig. Dies konnte bei Zwergen ein Zeichen der Trauer oder des höchsten Glücks sein, vielleicht war es auch nur eine Folge des scharfen Windes. „Obwohl wir Zwerge eher unter der Erde bauen, hat auch dort unsere Handwerkskunst Unglaubliches vollbracht.“

„Hm, dessen bin ich mir sicher.“ Nedeam musterte den Zwerg nachdenklich. Was war mit Allruk los? Seine besondere Betonung der geleisteten Arbeit seines Volkes war ungewöhnlich. Nedeam hatte das unangenehme Gefühl, dass der Baumeister die Pferdelords in der Schuld der Zwerge sah. Oder ihnen dieses Empfinden aufdrängen wollte. Aber warum?

Er sah Llaranya an und zwinkerte ihr zu. „Ich denke, wir sollten uns nun auf den Weg zur Nordfeste machen. Man wird uns schon sehnsüchtig erwarten.“

Die Elfin blickte in den Pass hinunter. Unten standen zwei volle Beritte der Schwertmänner. Ihre Umhänge und die beiden Wimpel bewegten sich leicht im Wind. Die Männer hatten geduldig abgewartet, während sie und Nedeam mit Allruk den Signalposten besucht hatten. In der Schlucht war es nicht so kalt wie auf der zugigen Plattform. Dennoch würden die Männer froh sein, wenn es endlich weiterging.

„Vor allem die beiden Beritte werden sicher erwartet“, stimmte Llaranya zu. „Immerhin sind sie die Ablösung für jene, die dann in die Hochmark zurückkehren können. Es ist ein einsamer Dienst, dort oben in der Festung.“

„Und ein wichtiger Dienst“, schaltete sich Allruk ein. „Den wir Zwerge und ihr Menschen voller Stolz gemeinsam versehen.“

„In der Tat.“ Nedeam ging voraus und konzentrierte sich auf die Stufen der Treppe.

Die zweihundert Reiter unten in der Schlucht waren Schwertmänner. Sie waren die Elite der Kämpfer und verstanden sich auf den Umgang mit Stoßlanze und Schwert ebenso wie auf den treffsicheren Umgang mit dem Bogen. Das Pferdevolk hatte stets um sein Land kämpfen müssen und war dabei nicht immer siegreich gewesen. Als es noch im Westen gelebt hatte und seine Marken noch gegeneinander kämpften, war es von den Barbaren des Dünenlandes aus der Heimat vertrieben worden. Die Besiedlung der neuen Marken hatte zur Einrichtung eines besonderen Wehrsystems geführt. Jeder Pferdefürst einer Mark, der Hohe Lord, unterhielt eine ständige Wache an Kämpfern, für deren Ausbildung, Ausstattung und Unterhalt er verantwortlich war. Dies waren die Schwertmänner, deren Umhänge in der Kennfarbe ihrer Mark gesäumt und deren Rosshaarschweife an den Helmen in der Farbe ihres Pferdefürsten eingefärbt waren. Alle anderen Männer des Pferdevolkes konnten den freiwilligen Pferdelords beitreten. Auch sie trugen den grünen Umhang der Kämpfer des Pferdevolkes, allerdings ohne den farbigen Saum. Sie führten an Waffen, was sich für den täglichen Gebrauch ebenso verwenden ließ wie für den Kampf. Diese Männer bevorzugten Axt und Bogen, wurden jedoch einmal im Jahr in der Handhabung der Lanze unterwiesen. Es gab auch Männer, die sich dem Kampf verweigerten und den Eid der Pferdelords nicht leisteten. Niemand dachte deswegen schlecht von ihnen, auch wenn sie nie das Grün des Pferdevolkes trugen. Diese Männer waren es, die mit den Frauen die einsamen Gehöfte, die Weiler oder die Städte verteidigten, wenn die Pferdelords in den Krieg ritten.

Es war ein langer Abstieg hinunter in die Schlucht, und Allruk betonte bei jeder einzelnen Stufe die Leistungen der Zwerge. Nedeam achtete kaum auf die Worte, sondern versuchte den Sinn hinter ihnen zu verstehen. Es konnte nur einen Grund für dieses eifrige Selbstlob geben – die Zwerge, oder zumindest Allruk, wollten ein Entgegenkommen vom Pferdevolk erwirken. Dieser Gedanke beunruhigte den Ersten Schwertmann der Hochmark, denn das entsprach keineswegs den sonstigen Gepflogenheiten des kleinen Volkes.

Scharführer Arkarim kommandierte die Ablösung für die Nordfeste. Erleichtert winkte er den Pferdehalter heran, der Nedeams und Llaranyas Reittiere zu ihnen führte. Den starken und kampferprobten Hengst Duramont und Llaranyas weiße Stute Fallan.

„Ihr seid zufrieden, Hoher Herr Nedeam?“, fragte er mit leiser Stimme.

Nedeam schwang sich in den Sattel und nickte. „Sehr. Diese zehn Stationen garantieren uns eine schnelle Nachrichtenverbindung zwischen der Nordfeste und Eternas.“

„Ihr solltet erst die Festung sehen.“ Arkarim wies nach Norden. „Ihr habt sie ja nur während des Baus zu Gesicht bekommen. Ihr werdet überrascht sein, welche Leistung dort vollbracht wurde.“

Nedeams Gesicht verfinsterte sich ein wenig. „Heute scheint mir wirklich jeder die Leistungen der kleinen Herren unter die Nase reiben zu wollen.“

Den Zwergen lag das Reiten nicht besonders. Doch in diesem Fall musste sich Allruk der Notwendigkeit fügen. Man hatte ein besonders ruhiges Pferd für ihn ausgesucht, und ein Schwertmann half dem kleinen Mann in den Sattel hinauf. Obwohl die Steigbügel hoch geschnallt waren, hatte Allruk alle Mühe, ausreichend Halt zu finden. Dennoch ließ es sein Stolz nicht zu, dass einer der Pferdelords neben ihm ritt und ihn stützte.

Die beiden Beritte trabten langsam nach Norden, mit Arkarim und Nedeam an der Spitze. Arkarims langer dreieckiger Wimpel mit der blauen Einfassung der Hochmark flatterte im sanften Reitwind. Nedeam hatte nie als Scharführer einen solchen Wimpel geführt. Er war ein gewöhnlicher Pferdelord gewesen und vom Beschluss des verstorbenen Pferdefürsten Garodem überrascht worden, die Nachfolge des früheren Ersten Schwertmannes Tasmund anzutreten. Nedeam hatte gezögert, denn es war ein Unterschied, ob man im Kampf als Pferdelord in der Angrifflinie ritt oder als Erster Schwertmann die Verantwortung dafür trug. Schließlich hatte er das Banner der Hochmark angenommen, auch wenn er es sich nicht angewöhnen konnte, es, wie es eigentlich der Tradition entsprach, selbst zu führen. Stattdessen wurde es von einem erfahrenen Schwertmann getragen, der im Kampf nicht von Nedeams Seite wich. Dieser Ritt galt jedoch nicht der Schlacht, und so stand das rechteckige Banner im Saal der Burg von Eternas.

Staub wallte unter den Hufen der Pferde auf und legte sich über Tiere und Reiter. Während in den vorderen Reihen noch die kräftigen Farben des Pferdevolkes sichtbar waren, erschienen die nachfolgenden zunehmend in einem eintönigen Graubraun.

Arkarim wandte sich halb im Sattel. „Erster Beritt hinter den zweiten zurückfallen“, befahl er.

Nedeam nickte. Es war nur gerecht, dass die Reiter abwechselnd den Staub der anderen zu schlucken bekamen. Arkarim kümmerte sich um das Wohl seiner Männer, und das zeichnete einen guten Scharführer aus. Ebenso wie die Tatsache, dass er kein Sonderrecht für sich in Anspruch nahm. Der Scharführer ließ sich ebenfalls zurückfallen, und Nedeam folgte seinem Beispiel.

Während der vordere Beritt wartete, zog der andere an ihm vorbei. Llaranya, die mit einigen Schwertmännern am Ende der Formation gesprochen hatte, kam an Nedeams Seite, und dieser musste unwillkürlich lächeln. Sie war wie die anderen auch mit Staub gepudert, nur ihr elfischer Umhang, der aus einem besonderen Material gewebt war, strahlte in seinem frischen hellen Blau. Ihre Augen blitzten, während sie die Wasserflasche vom Sattelhorn nahm und sich den Mund ausspülte.

„Gelegentlich vermisse ich die grünen Wälder meines Volkes“, gestand sie ein. „Dieser Staub ist grässlich. Er kriecht unter die Kleidung und knirscht zwischen den Zähnen.“

„Wir sind bald in der Nordfeste“, tröstete Arkarim. „Dort werdet Ihr ein erfrischendes Bad nehmen können, Hohe Frau.“

Nedeam bemerkte bei diesen Worten eine gewisse Wehmut in den Augen des Scharführers und konnte sich den Grund dafür sehr gut denken. Als die Clans des Pferdevolkes noch gegeneinander gekämpft hatten, da war es den Ersten Schwertmännern, im Gegensatz zu den anderen Schwertmännern, gestattet worden, sich mit einem Weib zu verbinden und eine Familie zu gründen. Dies war keine Geste guten Willens der einstigen Pferdefürsten gewesen, sondern hatte einen ganz pragmatischen Hintergrund. Auf diese Weise versicherte sich der Herr einer Mark der bedingungslosen Treue seines Ersten Schwertmannes, denn er hielt dessen Familie als Geisel. Die anderen Schwertmänner hingegen sollten nicht durch sorgenvolle Gedanken an ihre Liebsten abgelenkt werden. Diese Zeiten waren vorbei, doch die Tradition hatte sich gehalten. Während Nedeam als Erster Schwertmann eine Frau haben durfte, war dies den anderen versagt. Wollten sie ein Weib ehelichen, mussten sie den Dienst beim Pferdefürsten aufgeben. Einige der Männer, unter ihnen auch Arkarim, konnten ihre geliebten Frauen daher nur heimlich treffen. Nedeam empfand dies als Ungerechtigkeit und hoffte darauf, dass das Pferdevolk diese alte Sitte bald aufgab. Aber es war schwer, sich gegen die alten Bräuche aufzulehnen. Zu tief waren sie im Bewusstsein der Menschen verankert.

Llaranya lächelte den Scharführer an. „Danke für Eure Freundlichkeit, guter Herr Arkarim. Ich hoffe doch sehr, dass ein solches Bad uns alle erfrischen wird.“

Arkarim bemerkte den Blick, den Nedeam ihm zuwarf. „Ich werde einmal nach dem guten Herrn Allruk sehen“, meinte er und zog sein Pferd herum. „Nicht dass er uns so kurz vor dem Ziel doch noch vom Pferd fällt.“

Nedeam folgte dem Kampfgefährten und Freund mit den Blicken und sah dann seine Elfin an. „Die grünen Wälder“, sagte er nachdenklich. „Vermisst du die Wälder oder die Wesen deines Volkes?“

Sie legte die Hand über seine. „Sei unbesorgt, Nedeam, du weißt, dass ich dich von Herzen liebe. Ja, manchmal sehne ich mich nach dem Klang der Wälder und nach den Stimmen der elfischen Häuser. Doch mein Herz ist nicht einsam, Nedeam, und wenn ich mich den feinsinnigen Gedanken der Elfen hingeben möchte, so habe ich Lotaras und Leoryn und das elfische Haus in der Hochmark. So klein es auch sein mag“, fügte sie auflachend hinzu.

„So, so, feinsinnige elfische Gedanken“, brummte er. „Das hört sich so an, als könntest du mit mir keine feinsinnigen Gedanken austauschen.“

Sie strich über seine Hand. „Du vermagst dein Schwert vortrefflich zu schwingen, doch im Schwingen der Worte bist du weniger gewandt.“

„Ich bin ein Pferdelord und kein elfischer Philio… Phil…“

„Philosoph“, half sie aus. „Ich liebe dich dennoch.“

Sie beugte sich im Sattel zu ihm und ihre Lippen trafen sich, was Nedeam wieder mit der Welt versöhnte. Für eine Weile ritten sie Hand in Hand nebeneinander.

„Feinsinnige Worte.“ Nedeam seufzte leise. „Mich plagen schwere Gedanken, meine Liebe.“

Sie drückte seine Hand leicht. „Du trägst große Verantwortung für die Hochmark. Gerade jetzt, da die Herrin der Mark, die Hohe Dame Larwyn, erkrankt ist.“

„Der Tod ihres Gemahls Garodem, der Verrat und Mordversuch durch ihren Sohn Garwin und dann die Sorge um die Mark …“ Nedeam nickte betrübt. „Das bedrückt sie sehr und zehrt an ihrer Kraft.“

„Es ist die Eigenheit von euch Menschen, mit der Zeit dahinzugehen und zu verwelken.“

Er erwiderte ihren Blick. „Ich weiß, was du für unsere Liebe auf dich nimmst.“

Llaranya lächelte sanft. „Wenn die Zeit einmal gekommen ist, werde ich von jenen Augenblicken zehren, die wir gemeinsam erlebten.“

Ihre Hand legte sich auf den Umhang über ihrer Brust und Nedeam wusste, dass sie dort jene Kette berührte, die er ihr erst vor Kurzem geschenkt hatte. Die Umhänge der Pferdelords wurden mit dem Symbol des Pferdevolkes verschlossen. Es hatte die Grundform eines Hufeisens und seine Enden zeigten zwei nach außen blickende Pferdeköpfe. Diese Spangen waren gut handtellergroß und bestanden aus reinem Gold. Zwei lederne Schlaufen waren in den Umhängen vernäht, die über die Pferdeköpfe geschoben wurden und den Umhang geschlossen hielten. An Llaranyas Umhang hatte die Spange die Form eines Baumes und verkörperte so ihre Abstammung vom elfischen Haus des Urbaums. Sie hatte die Spange niemals ausgetauscht, und Nedeam konnte das gut verstehen, war es doch eine Erinnerung an ihren Ursprung. So hatte er mit eigener Hand eine goldene Kette mit einem kleineren Symbol des Pferdevolkes für sie angefertigt. Er hatte nicht das handwerkliche Geschick eines Kunstschmiedes, doch es war eine Gabe der Liebe und Llaranya trug sie seitdem über ihrem Herzen. Die Unsterbliche hatte einst lange gezögert, sich ihrer Gefühle zu dem sterblichen Nedeam hinzugeben, denn der Pferdelord würde altern und eines Tages von ihr gehen. Dass sie dies dennoch auf sich nahm, war ein Zeichen ihrer innigen Liebe.

Immerhin hatte das Schicksal ihnen zur Seite gestanden. Als Nedeam einst mit einem Grauen Magier kämpfte und diesen mit Llaranyas Hilfe bezwang, da hatte das Wesen im Todeskampf einige seiner Fähigkeiten auf den jungen Pferdelord übertragen. Nedeams Wunden heilten nun wesentlich schneller als bei einem gewöhnlichen Menschen, und die Kreatur hatte ihm einen Teil ihrer Langlebigkeit vermacht. Hinzu kam die Fähigkeit, anhand einer magischen Aura die Stimmungen eines Lebewesens zu erkennen. Leider besaß Nedeam nicht das Können, diese Gaben zu kontrollieren, doch für ihn und die Elfin war es ein willkommenes Geschenk, welches ihnen zusätzliche Jahre des Glücks versprach. Obwohl er nun achtunddreißig Jahre zählte, wirkte er körperlich wie ein Dreiundzwanzigjähriger.

Dennoch war das Thema dem Ersten Schwertmann der Hochmark unangenehm, und er versuchte, das Gespräch wieder in andere Bahnen zu lenken.

„Immerhin scheinen die Marken nun etwas Ruhe zu finden.“ Er entzog ihr seine Hand und zählte auf. „Die Grenze hier oben im Norden ist nun durch die Nordfeste geschützt. Der Pass von Merdoret im Osten, der durch die Weißen Sümpfe führt, wird von Pferdefürst Bulldemut und seinen Pferdelords bewacht. Ich hörte, dass man gelegentlich Lederschwingen über den Bergen sieht. Feedana und ihre Schwingen werden dazu beitragen, dass die Orks des Schwarzen Lords nicht in die Ostmark einmarschieren. Wenn sie es versuchen, dann werden sie wohl über den Süden vordringen müssen.“

„Über das Reich von Alnoa“, stimmte Llaranya zu. „Es ist stark und wird sich zu wehren wissen.“