Ganz für Familie - Erwin Sittig - E-Book

Ganz für Familie E-Book

Erwin Sittig

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Beschreibung

Ganz für Familie bietet für jedes Familienmitglied die richtige Geschichte. Wer möchte, kann in die Welt der Märchen eintauchen oder die reale Welt erleben. Ebenso können die Eltern entscheiden, ob sie lieber im Alltag anderer herumstöbern oder sich durch die utopischen Geschichten ein Stückchen Fantasie ins Haus holen. Zum großen Teil sind die Geschichten humorvoll angelegt. Doch auch tiefgründige Betrachtungen sollen zum Nachdenken anregen.

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Erwin Sittig

Ganz für Familie

Kurzgeschichten für Klein und Groß

märchenhaft, realistisch und utopisch

© 2020 Erwin Sittig

https://erwinsittia.de

Illustration Cover: Erwin Sittig

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-347-07774-4

Hardcover:

978-3-347-07775-1

e-Book:

978-3-347-07776-8

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

1. RotkäppchenKategorie: Kinder / Märchen

2. Hanna und die SchokobienenKategorie: Kinder / Märchen

3. Die Jagd nach der MückeKategorie: Kinder / realistisch

4. Drachen, flieg mit mirKategorie: Kinder / fantastisch

5. Der wahre FroschkönigKategorie: Kinder / Märchen

6. Rettet die GeisterKategorie: Kinder / fantastisch

7. Klaus und Santa ClausKategorie: Kinder / fantastisch

8. UnsichtbarKategorie: Kinder / Märchen

9. Linde - Ein BaumlebenKategorie: realistisch / Kinder / Erwachsene

10. Durch dick und dünnKategorie: realistisch / Kinder / Erwachsene

11. Späte ErkenntnisKategorie: realistisch-fantastisch / Erwachsene

12. Warum gerade ichKategorie: realistisch / Erwachsene

13. Tödliche SicherheitKategorie: utopisch / Erwachsene

14. Die StrafeKategorie: utopisch / Erwachsene

15. Die Last der VergangenheitKategorie: utopisch / Erwachsene

16. Nur etwas LebenKategorie: utopisch /Erwachsene

Rotkäppchen

Jeder kannte das kleine Mädchen, das, ob Sommer oder Winter, ständig ihr rotes Käppchen trug. Sie hieß Fridolinetta. Ihre Eltern hatten sich immer einen Jungen gewünscht und schon vor der Geburt den Namen Fridolin ausgesucht. Als das Baby auf die Welt kam, schauten sie mehrmals nach, ob es wirklich ein Mädchen ist. Sie waren darauf nicht vorbereitet und die Hebamme wollte unbedingt den Namen des neugeborenen Kindes wissen, um die Geburtsurkunde auszufüllen. Ihnen fiel kein Mädchenname ein und so grübelten sie viele Stunden, während die Hebamme solange wartete.

Endlich kam den Eltern die Idee, das Kind Fridolinetta zu nennen. Als die ihren Namen erfuhr, fing sie sofort an zu schreien und konnte sich lange nicht beruhigen.

Jahre später kam die Zeit, da Fridolinetta den Fimmel mit dem roten Käppchen bekam. Ständig trug sie es auf dem Kopf herum. In der Schule erfand dann ein frecher Knabe den Spitznamen Rotkäppchen.

Rotkäppchen freute sich so über ihren neuen Namen, dass sie jedem der sie danach fragte, „Rotkäppchen“ zur Antwort gab. Dass sich Rotkäppchen über diesen Namen nicht ärgerte, störte den Jungen sehr und er begann, sie wieder Fridolinetta zu nennen. Doch das half nichts. Der neue Name war im Gedächtnis des gesamten Ortes wie eingebrannt. Es ging sogar so weit, dass die ganze Verwandtschaft, woher sie auch kamen, Fridolinetta Rotkäppchen nannten.

Rotkäppchen hatte eine Oma, die tief im Walde wohnte und gern mal ein Gläschen Wein trank. Nun traf es sich, dass der Oma der Wein ausgegangen war und die kleine Verkaufsstelle im Wald wegen Bauarbeiten geschlossen war. Da die Oma aber immer zittrige Hände bekam, wenn sie längere Zeit auf ihren Wein verzichten musste, rief sie bei Rotkäppchens Mutti an und bat sie, eine Kiste von dem leckeren Rotwein vorbeizubringen. Da die Mutter keine Zeit hatte, beschloss sie, ihre Tochter zur Oma zu schicken. Sie hatte einen Kuchen gebacken und packte auch davon etwas ein. Rotkäppchen stellte die Kiste Wein und das Körbchen mit dem Kuchen in ihren kleinen Handwagen und wollte sich auf den Weg machen. Die Mutter hielt es für nötig, dem Mädchen ein paar Ratschläge mit auf den Weg zu geben.

„Rotkäppchen“, sagte sie „du weißt, wie gefährlich es im Wald ist. Gehe nicht vom Wege ab. Du weißt, dass der Förster schon alt ist und nicht mehr richtig sehen kann. Er könnte dich leicht mit einem Reh verwechseln und die Weinflaschen zerschießen. Also pass auf.“

Rotkäppchen verdrehte die Augen. Sie war es leid, ständig die Belehrungen der Mutter anzuhören, so dass sie nicht mehr zuhörte.

„Außerdem“, fuhr die Mutter fort „wurden kürzlich Wölfe im Walde gesehen. Es sollen furchtbare Quatschtanten sein. Lass dich von ihnen nicht aufhalten. Oma braucht den Wein dringend. Als sie mit mir telefonierte, zitterte sie so stark, dass das Telefon ständig gegen ihre Brille schlug und ich kaum verstehen konnte, was sie wollte.“

„Ich will schon alles Recht machen“, sagte Rotkäppchen und zog singend in den Wald hinein.

Ein paar Stunden Weg lagen vor ihr, so dass sie beschloss, sich zu beeilen. Es dauerte nicht lange und Rotkäppchen hörte, wie sich Wolfsgeheul näherte. Die Mutter hatte sie zwar vor dem Gequatsche der Wölfe gewarnt, sie kannte dies aus alten Märchen, aber sie hatte vergessen, zu erwähnen, dass sie auch sehr verfressen sind. Also spazierte Rotkäppchen sorglos weiter. Ein paar Kreuzungen später tauchte er schließlich auf.

„Guten Tag, Fridolinetta“, rief der Wolf.

Damit hatte er verspielt. Nie hätte er den ihr so verhassten Namen benutzen dürfen.

„Ich heiße Rotkäppchen“, antwortete sie schnippisch und würdigte den Wolf keines weiteren Blicks.

Der Wolf folgte ihr jedoch. Je länger er Rotkäppchen beobachtete, umso mehr lief ihm vor Appetit das Wasser im Maul zusammen. Sollte er seinen Appetit sofort stillen?

Er nahm sein Gespräch wieder auf.

„Wo willst du eigentlich hin, Rotkäppchen?“

„Zu Oma“, antwortete sie kurz und hüllte sich dann in Schweigen.

Da kam dem Wolf eine Idee.

„Rotkäppchen“, säuselte er „siehst du nicht die herrlichen Pilze im Wald stehen? Vielleicht würde sich deine Oma darüber freuen, wenn du ihr ein paar davon mitbringst.“

Sie überlegte. Das ist gar keine schlechte Idee. Da Omas Verkaufsstelle geschlossen war, könnte es sein, dass sie das Konservenessen satthat und sich über frische Kost freut. Sie ließ den Wagen stehen und ging vom Wege ab, um die Pilze einzusammeln.

Darauf hatte der Wolf nur gewartet. Nachdem Rotkäppchen aus seinem Blickfeld verschwunden war, stürzte er sich sofort auf die Kiste Rotwein. Wenn er gewusst hätte, wie der Wein auf die Oma gewirkt hat, hätte er vielleicht die Pfoten davon gelassen. Doch er war dumm und wollte unbedingt an den Wein herankommen.

Vergeblich mühte er sich, die Weinflaschen aufzubekommen. Er hatte keinen Korkenzieher dabei und musste endlich einsehen, dass er allein mit seinen Zähnen nichts ausrichten kann.

Er beschloss, auf die Kleine zu warten.

Der Anblick der Flaschen ließ das Wasser in Strömen im Maul zusammenlaufen, so dass Rotkäppchen bei ihrer Ankunft einen stark sabbernden Wolf vorfand.

Sie setzte den Weg fort. Der Wolf folgte ihr.

„Wo wohnt eigentlich deine Großmutter“, fragte der Wolf.

Sie erzählte es ihm, damit sie ihre Ruhe hatte. Plötzlich hatte er es sehr eilig. Er verabschiedete sich und war blitzschnell verschwunden.

Rotkäppchen machte sich keine weiteren Gedanken darüber und zog weiter.

Der Wolf aber ahnte, dass die Oma einen Korkenzieher hat. Sonst würde ihr das Mädchen sicher keinen Wein bringen. Er beeilte sich, um noch vor Rotkäppchen dort anzukommen.

Der Wolf klopfte an ihre Tür.

„Wer ist da“, rief die Großmutter.

„Ich bin es, das Rotkäppchen“, antwortete er.

„Du bist nicht Rotkäppchen, die hat eine viel lieblichere Stimme.“

Der Wolf überlegte. Was könnte die Oma dazu bewegen, die Tür zu öffnen?

„Ich habe Wein mitgebracht“, säuselte er.

Als die Oma hörte, dass ihr geliebter Rotwein endlich da war, vergaß sie sofort, dass die Stimme nicht Rotkäppchen gehörte. Schnell stand sie auf und öffnete ihm. Der Wolf trat ein und schlang sie, ohne ein Wort zu sagen, mit einem Happs hinunter. Er hatte zwar keinen Appetit auf Omas, aber um an den Wein heranzukommen, musste er die Großmutter verstecken, denn jeden Moment würde Rotkäppchen hier sein. Das sicherste Versteck war sein Bauch.

Er legte sich ins Bett der Großmutter, setzte ihre Nachtkappe und ihre Brille auf und wartete auf Rotkäppchen.

Kurze Zeit später klopfte es an der Tür.

„Komm rein Rotkäppchen, die Tür ist offen“, krächzte der Wolf.

Sie wusste, dass die Oma sie erwartet, und betrat unbesorgt die Stube.

Sie trat ans Bett und schaute sich ihre Oma in Ruhe an. Sie war kaum wiederzuerkennen.

Schrecklich, was der Alkohol aus einem Menschen machen kann, dachte Rotkäppchen, der die Probleme der Oma bekannt waren.

Doch da sie sich nicht so recht an den Anblick gewöhnen konnte, nervte sie die Oma mit ein paar Fragen.

„Großmutter, warum hast du so eine tiefe Stimme?“ „Meine Kehle ist so rau, weil schon lange kein Wein mehr im Haus ist.“

„Aber Großmutter, warum hast du so einen dicken Bauch?“

Er war wirklich sehr auffällig, zumal die Oma im Bauch des Wolfes zu zappeln begann, weil es so ungemütlich war.

Der Wolf antwortete: „Damit der Wein in mich hineinpasst, den du mir mitgebracht hast.“

„Und warum hast du so große Augen, Großmutter?“, fuhr Rotkäppchen fort.

„Damit ich die Etiketten auf den Flaschen besser lesen kann“.

„Und warum hast du so ein dickes Fell?“

„Weil meine Mutter mit mir immer so viel geschimpft hat“.

„Aber Großmutter, warum hast du so große Ohren?“

„Damit meine Brille nicht herunterfallen kann.“

„Warum hast du aber so eine entsetzlich große Nase?“

„Damit ich besser popeln kann“, antwortete der Wolf und lachte sich über seinen Witz kaputt.

Dabei kamen seine Pfoten zum Vorschein.

„Omilein, warum hast so komische Hände?“.

„Damit ich dich besser packen kann“, rief er und hielt das arme Rotkäppchen mit seinen Krallen fest. Jetzt fiel ihr auch der seltsame Mund auf und sie fragte ängstlich:

„Warum hast du aber so eine entsetzlich, großes Maul?“

„Das sagt man aber nicht zu seiner Großmutter“, erwiderte der Wolf.

„Dafür fresse ich dich jetzt.“

Und er riss seine Schnauze auf und stopfte auch noch das Rotkäppchen hinein.

Im Bauch begann ein großes Gezeter.

„Aua, pass doch auf, wo du hintrittst“, schimpfte die Großmutter.

„Entschuldige Omi“, sagte Rotkäppchen „kannst du nicht mal Licht machen?“

Dem Wolf war egal, was sich die beiden zu erzählen hatten. Ihn interessierte jetzt nur noch der Wein. Er suchte sich den Korkenzieher heraus, öffnete eine Flasche und trank sie in einem Zuge aus.

Im Bauch hörte man wieder Geschrei:

„Igitt, was soll denn die Schweinerei?“

Der Wein wirkte langsam und er wurde müde. Er legte sich ins Bett und fing fürchterlich an, zu schnarchen.

Der Förster kam vorbei und hörte die ungewöhnlichen Geräusche. Er wollte nach dem Rechten sehen und trat ein, weil auf das Klopfen niemand reagierte.

Als er zum Bett kam, bemerkte er auch das komische Aussehen der Alten.

„Bist du es, Großmutter?“, rief er.

Aus dem Bauch antwortete eine Stimme: „Kannst du mich etwa sehen?“

„Aber selbstverständlich sehe ich dich“, erwiderte er.

„Ich bin doch nicht blind“, setzte er hinzu und beschloss, sich endlich eine neue Brille zu besorgen.

„Dann hol` uns hier raus, du Trantute“, schimpfte die Oma.

Jetzt erst war er sich sicher, dass ihn seine Augen nicht täuschten. Er hatte den Wolf vor sich. Die Großmutter musste sich also im Bauch des Wolfes befinden.

Schnell nahm er Omas Schere und schnitt den Bauch auf, wobei er sich wieder Meckereien der Oma anzuhören hatte, der er aus Versehen in den Po gepiekt hatte.

Dann sprangen Rotkäppchen und ihre Oma quietschfidel heraus. Sie waren von oben bis unten mit Rotwein bekleckert und stanken auch danach.

Trotzdem wurde erstmal gefeiert. Oma und der Förster tranken eine Flasche Rotwein und Rotkäppchen aß den Kuchen. Dann sammelte Oma ihre vielen leeren Weinflaschen zusammen und stopfte sie dem Wolf in den Bauch. Anschließend wurde er sorgfältig zugenäht. Sie trugen den Wolf hinaus und gingen schlafen, nachdem sie den Förster verabschiedet hatten.

Als der Wolf erwachte, stellte er fest, dass bei jedem Schritt, den er machte, sein Bauch so laut zu klirren anfing, dass es meilenweit zu hören war. Er wusste allerdings nicht, dass es leere Flaschen waren.

Seit der Zeit hat er nie mehr jemanden fressen können, da er mit dem Glockengeläut sein Kommen immer rechtzeitig ankündigte und die Tiere schnell davonliefen.

So kam es, dass der gierige Wolf letztendlich verhungerte.

Und wieder mal war der Alkohol an allem schuld.

Hanna und die Schokobienen

Das Leben im Dorf schlich im immer gleichen Trott dahin.

Jeder kannte jeden, die Sonne ging täglich an der gleichen Stelle auf, und es war schon etwas Aufregendes, wenn mal der Bus ein paar Minuten Verspätung hatte.

Der Wind pfiff wie immer durch die undichten Fenster und Hanna kuschelte sich nochmal ins Bettchen, um den kleinen Rest Wärme zu retten, der sich in ihrer mit Gänsefedern gefüllten Zudecke versteckt hatte. Sie hatte sich schon lange bei ihren Eltern über das undichte Fenster beschwert, doch deren Ohren hatten offenbar besseres zu tun, als ihr zuzuhören. Selbstverständlich waren alle anderen Zimmer wohlig warm, so dass es keinen Grund gab, etwas zu unternehmen, da bekanntlich Kinder immer übertreiben.

Dabei war es ihrer Mutter ebenso ergangen, als sie noch im Haus ihrer Eltern wohnte. Sie war damals aus Protest mit ihrer Schwester unter die Treppe gezogen, ohne dass sich darunter eine Kammer befand. Jeder, der daran vorbeilief, sah sie dort liegen. Sie hatten ihr Bettzeug geschnappt und schliefen dort auf den Fliesen, bis sich ihr Vater erbarmte und den Umbau des Kinderzimmers in Angriff nahm.

Stolz hatte ihre Mutter immer wieder davon berichtet.

Aber heute war sie erwachsen und hatte Mühe, die Sprache der Kinder zu verstehen.

Hanna hatte keine Lust, es ihrer Mutter nachzumachen und ebenfalls unter die Treppe zu ziehen. Es wiederholte sich ohnehin schon alles im Dorf, so dass auch diese Wiederholung sie langweilen würde.

Missgelaunt schlenderte Hanna die Treppe hinunter. Ganz leise war der Ruf ihrer Mutter ans Ohr gedrungen, dass das Frühstück fertig sei. Ein magischer Ruf, der etwas Freude erhoffen ließ, falls es heute etwas Besonderes zum Naschen gäbe.

Vorsichtig lugte sie um die Ecke, um den Frühstückstisch zu mustern. Die Kinnlade fiel hinunter und mit diesem entstellten, langen Gesicht marschierte sie in die Küche ein. Wieder gab es gesundheitsbewusstes Essen. Hanna konnte den übertriebenen Ernährungstick ihrer Mutter nicht verstehen.

Obst, Körnerbrot oder ­brötchen, Müsliriegel, Bienenhonig und Milch, das waren die Sachen, die bei keinem Frühstück fehlten.

Langweilig. Immer nur das Gleiche. Hannas Anregung, mal Schokolade, ein paar Gummibärchen oder wenigstens etwas anderes in der Richtung auf den Tisch zu stellen, überhörten sie genauso, wie ihren Wunsch, das Fenster abzudichten.

„Was ziehst du für ein Gesicht“, beschwerte sich ihre Mutter. „Du könntest so hübsch sein, wenn du etwas lächeln würdest.“

„Ich ziehe kein Gesicht“, konterte Hanna. „In meinem Zimmer zieht es. Vielleicht hat es auch an meinem Gesicht gezogen. Dafür kann ich nichts.“ Und sie schob zusätzlich die Unterlippe vor, wobei sie den Honig anstarrte.

Hanna merkte sofort, dass ihre Mutter sie wieder nicht verstanden hatte, oder besser gesagt, es nicht wollte.

„Soll ich dir ein Honigbrötchen schmieren?“, hörte sie ihre Mutter, die den Blick auf den Honig zum Anlass nahm, vom Thema abzulenken.

„Ich mag diesen Honig nicht. Ich mag nur Schokohonig.“

„Leider gibt es keine Schokobienen, mein Schatz, sondern nur Honigbienen.“

„Es gibt sehr wohl Schokobienen. Es gibt ja auch Schokokühe.“

„Die Kühe sind ja auch gescheckt und geben darum Milch und keinen Honig. Hast du schon mal eine gescheckte Biene gesehen?“

Doch so leicht war Hanna nicht auszutricksen. Sie war immerhin schon sechs Jahre alt und würde nächstes Jahr zur Schule kommen.

„Es gibt aber Zebras, die sind auch gestreift und geben Milch.“

„Aber keinen Honig.“

„Aber die gescheckten Bienen könnten den Schokohonig geben.“

Jetzt verlor ihre Mutter doch langsam die Nerven, während ihr Vater nur amüsiert vor sich hin grinste.

„Wenn du mir eine gescheckte Biene zeigst, kriegst du auch deinen Schokohonig, aber solange isst Du den Honig von den gestreiften Bienen. Und jetzt ist Schluss mit der Diskussion!“

„Eine lebendige?“

„Ja, eine lebendige. Was soll ich dir schmieren?“

„Ein Honigbrötchen.“

Schlagartig besserte sich Hannas Laune. Das würde sicher nicht schwer sein, eine gefleckte Biene zu finden. Bloß weil ihre Mutter noch keine gescheckte Biene gesehen hat, bedeutete das lange nicht, dass es sie nicht gäbe. Ihre Eltern hatten nicht mal Zeit, sich um ihr undichtes Fenster zu kümmern, da würde ihnen eine fleckige Biene schon gar nicht auffallen und wenn sie gleich auf ihrer Nase säße. Außerdem gibt es zum Beispiel Kreuzottern, von denen sie ebenfalls nie eine gesehen haben.

Die Erwachsenen waren schon albern. An Kreuzottern glauben sie, doch an gescheckte Bienen nicht.

Aber nicht mehr lange. Hanna wird sie finden, die Bienen mit Flecken drauf und dann würde sie endlich ihren Schokohonig bekommen.

Den ganzen Tag lief Hanna im Dorf herum, schaute in jede Blüte, in jeden Strauch und untersuchte jede Ecke, wo ein leises Summen zu hören war. Es waren aber immer diese blöden, gestreiften Bienen. Langweilig. Hanna wäre aber nicht Hanna, wenn sie jetzt schon aufgeben würde. Vermutlich waren sie etwas scheu, oder sie ernähren sich von anderen Sachen. Na klar, schließlich sollen sie ja Schokolade produzieren und keinen ollen Honig, den jeder hat. Vielleicht sollte sie dort suchen, wo die braungescheckten Kühe leben. Die fressen bestimmt nicht das Gleiche, wie die schwarz-weiß-gescheckten. Sicherheitshalber rief sie weiterhin ein paar Mal nach den Schokobienen, aber sie wurde von ihnen sicher genauso wenig verstanden, wie von ihren Eltern.

Sie hatten vor einiger Zeit einen Ausflug gemacht, der sie etwas weiter weggeführt hatte. Die Richtung wusste sie noch. Dort gab es diese braunen Kühe, die angeblich Schokomilch herstellen.

Der Weg war weit, die Zeit knapp. Sie suchte sich ein altes Marmeladenglas heraus, stach mit Papas Schraubenzieher einige Löcher in den Deckel und stopfte es zusammen mit ein paar Bananen und einigen Brötchen in ihren Rucksack. Dann schwang sie sich auf ihr Fahrrad und radelte davon.

Zum Glück lebte sie nicht im Gebirge, dann wäre es bestimmt eine kurze Reise geworden, aber so ging es gut voran. Die Sonne strahlte, als würde sie Hanna für ihre tolle Idee belohnen wollen und der Wind kraulte ihr langes Haar, was fast schöner war, als das Streicheln von Mama und Papa. Vielleicht empfand sie es nur so, weil ein wahnsinnig spannendes Abenteuer auf sie wartete und sie ihrer Mutter beweisen kann, dass es Schokobienen gibt. Am meisten freute sie sich auf den Schokohonig, der bald jeden Tag, auf dem Frühstückstisch, den dummen alten, langweiligen, gelben Honig auslachen würde.

Hin und wieder rief sie nach den Schokobienen, in der Hoffnung, dass eine von ihnen ihre Sprache spräche und zufällig, wie sie, einen kleinen Ausflug macht. Doch sie war nicht traurig, als niemand antwortete, denn sie war noch weit von ihrem Ziel entfernt.

Hanna schoss an den alten, roten Backsteinhäusern vorbei und winkte den Omas, Opas und Kindern zu, die sich davor tummelten, und wurde noch fröhlicher, wenn ihr alle freundlich zurückwinkten. Und obwohl die es gar nicht wissen wollten, rief sie ihnen zu, dass sie auf dem Weg sei, die Schokobienen zu suchen, was die Menschen mit einem ausgelassenen Lachen belohnten.

Nachdem sie schon ein paar Stunden gefahren war, rief ihr ein altes Mütterchen zu:

„Warte Kleines, du brauchst nicht weiter zu suchen, ich habe eine Schokobiene. Wenn du willst, kannst du sie haben.“

„Ja?“, Hanna konnte ihr Glück nicht fassen. Sie bremste so kräftig, dass sie fast gestürzt wäre, und kehrte zum Haus der alten Frau zurück, die inzwischen hinter der Tür verschwunden war. Aufgeregt kramte sie ihr Marmeladenglas hervor und schraubte schon den Deckel ab, um ihren Schatz darin zu verstauen.

Doch die Enttäuschung war riesengroß, als die Frau mit einer kleinen Schokoladenbiene auftauchte, die in goldenes Papier eingewickelt war und schwarze Streifen auf dem Körper aufwies. Wenn sie wenigstens gefleckt gewesen wäre, hätte sie ihren Eltern zeigen können, dass auch andere Menschen gescheckte Bienen kennen - aber so war sie gar nichts Wert. Das Mütterchen verstand nicht, dass das Mädchen ohne ihre Nascherei weiterfuhr und vor sich her murmelte: „Die ist ja gestreift. Ich hasse gestreifte Bienen.“

Die gute Laune war dahin. Die Sonne wurde lästig, da sie wegen der Anstrengungen zu schwitzen begann. Der Wind hätte besser von hinten pusten sollen, um sie anzuschieben. Alle waren gegen sie. Aber jetzt erst recht. Hanna ahnte, warum die Erwachsenen keine Schokobienen kannten, weil sie nicht daran glauben wollen. Den lieben Gott hatte auch noch keiner gesehen und trotzdem erzählten Oma und Opa und manchmal auch Mama von ihm. Sie suchen sich einfach aus, was ihnen gefällt und da sie Schokohonig nicht gern essen, glauben sie nicht an Schokobienen. Genau so wird es sein. Sie ärgerte sich, dass sie einen kleinen Moment an der Schokobiene gezweifelt hatte.

Inzwischen wurde es schummrig. Sie hatte bisher keine einzige braune Kuh gesehen. Wie lange sie noch brauchen würde, konnte sie nicht einschätzen. Aber sie wollte auch niemanden fragen, da sicher keiner verstehen würde, was ein kleines Mädchen zu dieser Zeit allein in einer fremden Gegend zu suchen hatte. Sie steuerte ein Wäldchen an, das ihr Schutz vor der Kälte versprach. Die Dunkelheit kam schneller als gedacht und die Bäume über ihr nahmen ein weiteres Stück von dem spärlichen Mondlicht weg.

Trotzdem freute sie sich, dass der Mond bei ihr war. Dadurch konnte sie erkennen, wo sich ein Moosteppich gebildet hatte, so dass sie etwas weicher lag. Wie schön wäre es, jetzt eine Decke zu haben. Sie hatte damit gerechnet, die Schokobiene schneller zu finden, so dass ihr der Gedanke, eine Zudecke mitzunehmen, niemals gekommen wäre. Zum Glück hatte sie sich eine Jacke eingesteckt, mit der sie sich jetzt notdürftig zudeckte.

Es war eine eigenartige Stille im Wald. Aus der Ferne hörte sie ein paar Frösche, die sich bemühten, sie in den Schlaf zu singen und das sanfte Rascheln der Zweige tat sein Übriges. Sie hatte keine Angst und schlief mit dem Gedanken an die Schokobienen ein.

Die Vögel standen ziemlich früh auf. Ihr Trällern hallte im ganzen Wald wieder und Hanna stimmte mit ein, wobei sie versuchte, die Melodie ihres Lieblingssängers nachzuahmen. Sie hatte im ersten Moment ihr Zimmer mit dem zugigen Fenster herbeigesehnt, da ihr etwas kalt war, aber der Gesang der Vögel entschädigte sie für die unsanfte Nacht, die sie in allen Knochen spürte. Sie lief zum Waldrand, wo sie die wärmenden Sonnenstrahlen aufsaugte, und aß alle Bananen auf einmal auf, die sie im Rucksack fand.

Sie versuchte ein weiteres Mal, die Schokobienen zu rufen, lauschte eine Weile und wollte schon weitergehen, als sie hinter sich eine Stimme hörte.

„Was möchtest Du von mir? Warum schreist du denn den ganzen Tag herum?“

Hanna drehte sich um, doch es war nichts zu erkennen, was zu ihr gesprochen haben könnte.

„Hallo? Zeige dich, ich kann dich nicht sehen.“

„Bist du blind? Ich bin genau vor dir. Hast du etwa nicht gewusst, dass wir so klein sind?“

Hanna musste sich sehr konzentrieren, um die kleine Biene zu erkennen, die vor ihr in der Luft schwebte. Und wenn sie sich nicht täuschte, war sie gefleckt.

„Wer bist du?“

„Ich bin Biene Bumm, eine Schokobiene. Du hast mich doch gerufen.“

Langsam bewegte sich Hanna zu ihrem Rucksack und tastete nach dem Marmeladenglas, ohne Biene Bumm aus den Augen zu lassen.

„Lass das ja sein, sonst steche ich dich!“, warnte die Biene.

„Bist du nur gekommen, um mich einzusperren?“

„Nnnein, i i ich wollte nur ….. Meine Mutti sagt … Ach quatsch, na klar wollte ich dich fangen, denn du würdest doch kaum freiwillig mitkommen, oder?“

„Natürlich nicht. Warum sollte ich?“

„Meine Mutti glaubt nicht, dass es Euch Schokobienen gibt. Wenn ich es ihr aber beweise, bekomme ich morgens immer Schokohonig.“

„Das ist auch gut so, dass die Menschen uns nicht kennen. Sonst würden sie uns genau wie den dummen Honigbienen das Essen klauen und uns mit billigem Ersatzfutter abspeisen. Niemals werde ich mit dir mitkommen.“

„Aber es gibt doch schon Schokohonig.“

„Nein, nein. Das ist nur geschmacklose Schokocreme, die die Menschen selbst machen.“

„Komm doch mit“, bettelte Hanna. „Du musst ja nicht verraten, wo ihr wohnt. Du sollst dich ja nur zeigen und dann kannst du wieder nachhause fliegen.“

„Das ist mir viel zu gefährlich. Vielleicht frisst mich unterwegs ein Vogel oder die Menschen schlagen nach mir. Nein ich bleibe lieber hier.“

Hanna begann zu weinen. All ihre Träume von einem zauberhaften Frühstück mit Schokohonig zerplatzten. Es machte ihr nichts aus, dass es nur geschmacklose Schokocreme sein soll, sie schmeckt trotzdem traumhaft.

„Hör auf zu heulen, Kleine. Ich werde dir helfen. Wir können nämlich etwas zaubern, nur darum haben uns die Menschen noch nicht entdeckt. Ich werde dich jetzt kurz stechen und dann wirst du dich selbst in eine kleine Schokobiene verwandeln und kannst zu deiner Mutti fliegen. Zeige dich nur kurz. Es ist sehr gefährlich, lebensgefährlich für dich. Willst du es wagen?“

Hanna überlegte. Was soll ihr schon passieren? So eine Biene ist schnell, wendig und kann sich mit ihrem Stachel gut verteidigen. Aber halt.

„Müssen die Bienen nicht sterben, wenn sie gestochen haben und der Stachel im Opfer steckenbleibt?“

Biene Bumm beruhigte sie.

„Bei uns Schokobienen ist das anders. Du vergisst, dass wir besondere Bienen sind, die zaubern können.“

„Kann ich dann auch zaubern?“

„Nein, tut mir leid. Du bist, auch wenn du dann so aussiehst, keine Schokobiene.“

„Schade. Das wäre toll gewesen. Aber wenn das so gefährlich ist, als Biene nachhause zu fliegen, kannst du mir nicht wenigstens drei oder vier Zauberwünsche schenken, um mich zu verteidigen?“

„Na gut. Ausnahmsweise. Aber zwei Wünsche müssen reichen. Überlege dir gut, was du dir wünscht. Wenn du deinen Wunsch laut aussprichst, wird es geschehen.“ Darauf stach Biene Bumm Hanna in den Arm und augenblicklich sackte sie nach unten, da sie vergessen hatte, mit den Flügeln zu schlagen. Um so schöner war es, als sie wieder aufstieg und dann neben Biene Bumm schwebte.

„Übrigens woher wusstest du, dass die Schokobienen gescheckt sind?“

„Weiß doch jedes Kind“, prahlte Biene Hanna und flog davon.

War das ein tolles Gefühl, durch die Lüfte zu fliegen. In rasender Geschwindigkeit zog die Landschaft unter ihr dahin. Sie sah wesentlich gewaltiger aus, als vorher, was sicher an ihrer ungewohnt kleinen Größe lag.

Hanna flog zur Landstraße, da sie Angst hatte, sonst nicht nachhause zu finden. Hier fuhren riesige Fahrzeuge. Die erzeugten einen solchen Wind, dass Hanna aufpassen musste, nicht mitgerissen zu werden. Folglich hielt sie ein wenig Abstand zur Straße und freute sich bei jedem Flügelschlag, ihren Eltern etwas näher zu kommen.

Plötzlich entdeckte sie in der Ferne ein Fahrzeug, das ihr bekannt vorkam. Es war ein rotes Motorrad. Das Komische war, dass es ganz langsam fuhr. Schnell flog sie näher heran und tatsächlich, ihr Herz vollführte einen kleinen Freudenhüpfer. Auf dem Motorrad saßen Oma und Opa Humpi. Sie drehten ihre Köpfe in alle Richtungen, als ob sie etwas suchen. Was war mit ihnen los? Sonst fuhren sie immer recht flott durch die Gegend. Hanna hatte es geliebt, wenn ihr Opa die Maschine herausholte und eine kleine Spritztour mit ihr unternahm. Sie kam sich wie ein Kosmonaut vor, sobald sie sich den Motorradhelm überstülpte. Doch so langsam sind sie nie gefahren, nie.

Aber natürlich. Wie konnte Hanna das nur vergessen. Immerhin war sie die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen. Ihre Eltern und die Großeltern mussten sich große Sorgen um sie machen. Sie suchen Hanna.

Nichts leichter als das. Die Sorge konnte sie ihnen nehmen. Sie flog vor Opas Gesicht und rief ihm zu: „Hallo, Opi, hier bin ich. Ihr müsst keine Angst um mich haben.“

Es war gar nicht so einfach, rückwärts zu fliegen und gleichzeitig laut rumzubrüllen.

War Opa taub? Statt ihr zuzuhören, versuchte er ständig, sie mit der Hand wegzuschieben. Ist ja nichts Neues. Nie hörte ihr jemand zu. Vielleicht verstand er sie nicht, weil der Helm so dick ist. Also schrie sie noch lauter und flog noch dichter an Opis Gesicht heran. Doch der wurde nun ungeduldig und schlug mit der Hand nach ihr, so dass sie nur mit Müh‘ und Not ausweichen konnte. Dann geriet sie in den Sog des Motorrads, das auf einmal beschleunigte und letztendlich landete Hanna im Straßengraben zwischen den Gräsern.

Erschreckt und erschöpft lehnte sie sich an den Halm, an dem sie sich soeben gestoßen hatte. Traurig folgte sie mit den Augen dem Motorrad, das hinter dem nächsten Hügel verschwand.

Sollte sie ihm hinterherfliegen? Ihr fiel wieder ein, dass sie eine Biene war und die Menschen deren Sprache nicht verstehen können. Aber war sie nicht eine Zauberbiene?

Sie brauchte sich nur zu wünschen, dass sie wie ein Mensch sprechen kann, und schon wäre ihr Problem gelöst. Doch sie muss gut überlegen. Was ist, wenn Bienen nur so leise reden, dass die Leute sie trotzdem nicht hören. Dann wäre ein Wunsch vertan und sie hatte doch nur zwei. Außerdem hatte Biene Bumm sie gewarnt, dass der Flug nachhause lebensgefährlich sei. Wahrscheinlich würde sie ihren Zauber brauchen, um sich zu retten.

„Tut mir leid, Oma und Opa Humpi. Ihr müsst noch etwas warten. Ich werde Papa mit dem Auto hinterherschicken.“

Und sie flog zügig weiter, um die Sorgen der Großeltern ein wenig zu verkürzen. So schön das Fliegen anfangs auch war, es fiel ihr immer schwerer. Sie war es gewohnt, sich mit den Beinen vorwärts zu bewegen, doch hier hatten die Arme die Hauptarbeit zu leisten. Außerdem ist die Strecke verhältnismäßig viel länger geworden, da sie jetzt wesentlich kleiner war. Trotzdem kam sie schneller voran, als mit dem Fahrrad. Dafür musste sie größere Pausen einlegen, da die Flügel lahm wurden. Zusätzlich bekam sie Hunger und Durst.

Sie war froh, den ersten Bauernhof zu erreichen. Noch mehr freute sie sich, dass die Leute im Freien saßen und den Frühstückstisch gedeckt hatten. Essen im Überfluss. Sie brauchte sich nur hinsetzen und den Rüssel hineintauchen. Sogar der leckere Honig von den gestreiften Bienen stand auf dem Tisch.

Hanna stürzte sich mutig in die Leckereien, doch bevor sie landen konnte, schlug eine Hand nach ihr. Wieder gelang es ihr nur knapp, auszuweichen. Das Unglück wollte es, dass sie sich dabei dem nächsten Menschen näherte, der ebenfalls nach ihr schlug. Nachdem sie bei weiteren Landeversuchen wiederum attackiert wurde, ging sie zum Angriff über, da sie wusste, dass viele Leute vor Bienen Angst haben.

Doch Hanna wurde in ihrer Wut zu unvorsichtig, so dass sie einen kräftigen Hieb des kleinen Jungen abbekam und sie benebelt durch die Luft torkelte. Kaum kam sie etwas zu sich, sah sie auch schon den Bengel auf sich zustürzen, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihr den Garaus zu machen. Nur knapp entging sie seinem Fußtritt und flog in panischer Angst davon.

Zornig wünschte sie lauthals dem Jungen einen Bienenstich in die Nasenspitze, so dass die so stark anschwellen solle, dass er nichts mehr sehen könne. Sie lachte sich halb krumm, als sie sah, wie ihr Wunsch Wirklichkeit wurde. Gleich darauf wurde ihr mit Schrecken bewusst, dass sie einen Zauber unsinnig verschleudert hatte. Und trotzdem wollte ihre Schadenfreude nicht vergehen.

Ihr Hunger quälte sie immer noch und sie schaute sich auf dem Hühnerhof um. Musste sie tatsächlich mit dem schmutzigen Wasser vorliebnehmen und mit dem Brei, der dort für das Federvieh herumstand? Sie hatte keine Wahl.