Lass mich gehen (Ein spannungsgeladener Thriller mit Ashley Hope - Buch 1) - Kate Bold - kostenlos E-Book

Lass mich gehen (Ein spannungsgeladener Thriller mit Ashley Hope - Buch 1) E-Book

Kate Bold

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Beschreibung

Ashley Hope ist eine durchschnittliche Frau aus den Südstaaten. Sie ist glücklich verlobt und hat ihr ganzes Leben noch vor sich – als dunkle Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit ans Tageslicht kommen. Schon bald findet sie sich in einem Wettlauf gegen die Zeit wieder. Sie muss sich selbst – und ihre Ehe – vor ihrem Ex-Mann retten, der zu einem Serienmörder geworden ist und vor nichts Halt macht, bis er sie wieder bekommt. Ashley hat jahrelang versucht, ihre Vergangenheit und die von Armut geprägte Kindheit, der sie entkommen ist, zu vergessen. Ihr Leben ist endlich ganz normal – und sie hat hart dafür gearbeitet, es so zu gestalten. Ihr zukünftiger Ehemann ist wohlhabend und gut aussehend. Ihr Vorstadthaus ist ein absoluter Traum. Jetzt, wo sie ihren Abschluss in Strafjustiz fast geschafft hat, ist Ashley bereit, ihr Leben endlich zu genießen – mit der Gewissheit, dass ihre Geheimnisse für immer begraben sind. Doch ein Ausflug in ihre ländliche Heimatstadt droht alte Spannungen wieder hervorzubringen. Ihr Polohemd-tragender Ehemann sticht unter den hartgesottenen Menschen von Grundy-County gefährlich heraus. Und nachdem der Besuch auf unangenehme Weise endet, muss Ashley, als sie die schockierenden Nachrichten erhält, feststellen, dass ihre hartnäckige Vergangenheit zurückgekehrt ist. Während das sorgfältig aufgebaute Leben um Ashley herum zu zerbrechen beginnt, findet sie sich in einem Kampf um ihr Leben wieder. Sie wird immer tiefer in ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel hineingezogen. Dieser Killer kennt sie besser als jeder andere und er wird vor nichts zurückschrecken – auch nicht vor Mord –, um sie dorthin zu bringen, wo er sie haben will. Wird ihre Vergangenheit sie endlich für immer einholen? Die ASHLEY HOPE-Serie besteht aus düsteren Kriminalromanen voller Geheimnisse und Spannung, die sich zu einem fesselnden Psychothriller entwickeln. Begleiten Sie die brillante Protagonistin auf der Jagd nach einem Serienmörder, die Sie bis spät in die Nacht fesseln und zum Weiterlesen animieren wird. Fans von Rachel Caine, Teresa Driscoll und Robert Dugoni werden sich in dieses Buch sofort verlieben. Die Bücher #2 und #3 der Serie – LASS MICH RAUS und LASS MICH LEBEN - sind ebenfalls erhältlich.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 377

Veröffentlichungsjahr: 2022

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LASS MICH GEHEN

Kate Bold

Debütautorin Kate Bold hat mit der ALEXA CHASE Mystery Serie drei spannende Bücher auf den Markt gebracht – und es ist noch kein Ende in Sicht. Als begeisterte Leserin und lebenslanger Fan des Mystery- und Thriller-Genres, liebt es Kate von ihren Lesern zu hören. Besucht www.kateboldauthor.com, um mehr über die Autorin zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.

Copyright © 2021 by Kate Bold. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig.

BÜCHER VON KATE BOLD

EIN SPANNUNGSGELADENER THRILLER MIT ASHLEY HOPE

INHALT

PROLOG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

KAPITEL 33

KAPITEL 34

KAPITEL 35

KAPITEL 36

KAPITEL 37

KAPITEL 38

KAPITEL 39

KAPITEL 40

PROLOG

Ethan Barrett nahm das Buch in die Hand und schüttelte die Überreste des Fotos heraus. In den letzten acht Jahren hatte er jeden Tag auf ihr Gesicht gestarrt und jede Stunde gezählt, die sie ihm aus seinem Leben gestohlen hatte. Während seiner bisherigen Gefangenschaft in dem zwei mal drei Meter großen Betongrab – seinem neuen Zuhause im Staatsgefängnis von Tennessee – hatte er viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Außerdem hatte er sieben Kilo an fester Muskelmasse aufgebaut und seinen dunklen Lockenschopf gegen einen knackigen Kurzhaarschnitt eingetauscht.

Er hatte gewartet. Und er hatte geplant.

Man sagte ihm, dass sie nach dem Prozess – nachdem ihre Aussage ihn ins Gefängnis gebracht hatte – weggezogen sei. Sie hat sich ein neues Leben aufgebaut, während er in diesem Höllenloch verrottete.

Als er eine Bewegung hinter sich spürte, griff er nach der Stange und stand auf. Dabei achtete er aber darauf, sich nicht zu schnell zu bewegen. Auf dem Schreibtisch lag jetzt nur noch ein Buch, sonst nichts.

Es war sein Zellengenosse, der durch die offene Tür zum Block kam. Er saß lebenslänglich und hatte ein Kobra-Tattoo im Gesicht. Außerdem war er im Knast dafür berüchtigt, einen rivalisierenden Bandenführer enthauptet zu haben.

Ethan streckte sich zu seiner vollen Größe und machte einen Schritt nach vorne. Sein muskulöser Körper füllte den engen Raum voll aus. Der andere Gefangene blieb kurz stehen und blickte in die Richtung der Toilette.

„Nimm eine Flasche“, befahl Ethan und machte deutlich, dass der Raum derzeit tabu war. Es war ihm egal, ob sein Zellengenosse sich einpisste.

Der Gefangene schwankte unter Ethans stählernem Blick, als würde er seine Chancen abwägen – wahrscheinlich fragte er sich, ob die Gerüchte stimmten, dass Ethan den Kerl aus der Motorradgang in der Waschküche erwürgt hatte –, dann nickte er und trat aus der Zelle.

Ethan wandte sich wieder dem Bild zu. Er hob das Messer und stieß es ihr zuerst in die Kehle. Er schnitt vom Scheitel ihres hübschen blonden Haares über die Stirn zu ihrer Wange und dann weiter zu ihrem Kinn. Er lächelte über sein Werk, schob die Klinge zwischen ihre Brüste und zerschnitt das Foto in zwei Hälften.

Wo auch immer sie hingegangen war, er würde sie finden.

Endlich war die Zeit gekommen, seinen Plan in die Tat umzusetzen.

KAPITEL 1

Bitte lass ihn nicht sterben, dachte Ashley Hope und drückte die Augen fest zusammen, um ihre Tränen zu unterdrücken.

Ihr älterer Bruder Kyle war am anderen Ende der Leitung und informierte sie über den Zustand ihres Vaters. „Der Arzt hat gesagt, es war ein Herzinfarkt“, erklärte er ihr. „Aber sie glauben, dass es ihm im Moment gut geht. In etwa einer Stunde darf ich ihn vom Krankenhaus mit nach Hause nehmen.“

Ashley seufzte erleichtert auf. Mit ihrem Vater verband sie eine besondere Beziehung. Solange sie denken konnte, war er immer ihr größter Unterstützer gewesen. Er war derjenige, der sie ermutigte, ihre Träume zu verfolgen, sie aber auch warnte, wenn er das Gefühl hatte, dass sie sich in die falsche Richtung bewegte. Den Gedanken, ihn zu verlieren, konnte sie nicht ertragen.

„Morgen Mittag sind wir da“, sagte sie ins Telefon und hoffte, dass der Arzt recht hatte und es ihrem Vater wirklich gut ging.

Als ihr Bruder den Anruf beendete, legte sie ihr Handy auf den Frühstückstisch zwischen ihre Schulbücher, ihren Laptop und die Unterlagen aus der Fallakte. Sie wusste, dass sie sich wieder an die Arbeit machen musste, um ihre Abschlussarbeit zu schreiben – es war der letzte Schritt zu ihrem Master-Abschluss in Strafjustiz –, aber sich auf das psychologische Profil eines Serienmörders zu konzentrieren, erwies sich als schwierig, wenn sie an die Gesundheit ihres Vaters dachte.

Sie zuckte zusammen, als das Sicherheitssystem läutete. Es ertönte ein Signal, wenn jemand die Tür zur Garage öffnete. Aber da sie wusste, dass ihr Verlobter, Brett Holbrook, jeden Moment nach Hause kommen würde, widerstand sie dem Drang, ein Messer aus dem Messerblock auf dem Küchentisch zu nehmen. Die Ereignisse des Tages hatten ihre Nerven definitiv überreizt.

„Ash?“, rief Brett.

„Hier drinnen.“

Er ließ seine Aktentasche auf den Fliesenboden fallen und seine Sorge um sie stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er Ashley in seine Arme zog. „Gibt es etwas Neues?“, fragte er.

Obwohl Bretts Beziehung zu ihrer Familie bis zu diesem Zeitpunkt etwas holprig gewesen war, bewies sein Verhalten seit dem Erhalt der Nachricht an diesem Morgen, dass er sich doch um ihren Vater sorgte. Eine Tatsache, die Ashley dazu brachte, ihren zukünftigen Ehemann nur noch mehr zu lieben. Trotzdem wünschte sie sich, er würde ihr erlauben, die Reise allein anzutreten.

„Es ist zu früh, um etwas zu sagen“, antwortete sie. „Der Arzt sagt, dass es ihm im Moment gut geht. Das hängt aber davon ab, ob er auf sich achtgibt. Was er nicht tun wird.“

Ihr Vater hatte seine Kinder immer an die erste Stelle seines Lebens gesetzt. Das Geschäft, das er mit ihrem Onkel Russ teilte, kam danach. Da er viele Stunden arbeitete, um die Rechnungen zu bezahlen, neigte er dazu, seine eigenen Bedürfnisse beiseitezuschieben.

„Kann ich sonst noch etwas tun?“, fragte ihr Verlobter. „Du weißt schon, um die Dinge einfacher zu machen?“

„Wenn du Geld meinst, ... Er wird es auf keinen Fall annehmen. Das ist eine Sache des Stolzes.“

Brett nickte. „Ja, das verstehe ich. Aber es gibt andere Möglichkeiten. Ich könnte für seine medizinische Behandlung aufkommen, ohne dass er es je erfährt.“

Ashley wusste das Angebot zu schätzen, aber genau wie ihr Vater wollte sie das Geld für ihre Familie lieber selbst verdienen, als es von jemand anderem zugesteckt zu bekommen. Selbst, wenn dieser jemand ihr zukünftiger Ehemann war. Gleichzeitig wollte sie nicht, dass ihrem Vater die medizinische Versorgung vorenthalten wurde, die er brauchte. Sie hielt es deshalb für das Beste, die Sache auf sich zukommen zu lassen.

„Es bedeutet mir sehr viel, dass du meinem Vater helfen willst, aber lass uns erst einmal herausfinden, wie viel die Versicherung zahlen wird.“

Brett nickte und blickte dann auf den Tisch. Er rümpfte angewidert die Nase beim Anblick der Tatort-Fotos – neun junge Frauen, die ermordet und mit Handschellen gefesselt in ihren eigenen Betten lagen. „Wann musst du deine Diplomarbeit abgeben?“

„Nicht vor Mittwoch.“ Sie hatte gehofft, sie am Wochenende abschließen zu können, aber jetzt, da sie die Stadt verließen, wurde ihr klar, dass das vielleicht nicht möglich war.

Er umarmte sie noch fester. „Du hast so hart gearbeitet. Ich bin wirklich stolz auf dich“, sagte er und seine braunen Augen leuchteten. „Und ich weiß, dass deine Mutter das auch wäre.“

Eierstockkrebs hatte ihrer Mutter das Leben gekostet, als Ashley erst zwölf Jahre alt gewesen war. Sie erinnerte sich noch an ihr letztes Gespräch. „Behalte deine guten Noten“, hatte ihre Mutter gesagt. „Geh auf die Uni und mach deinen Abschluss.“ Eine Leistung, die keiner ihrer Eltern je vollbracht hatte. Und da sie ihren jüngeren Bruder Shane großziehen und für ihren Vater und Kyle hatte kochen, putzen und sorgen müssen, hatte sie jahrelang befürchtet, dass sie ihr diesen Wunsch nicht erfüllen könnte.

Brett strich Ashley eine Strähne ihres honigblonden Haares aus dem Gesicht und drückte ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen. „Wie konnte ich nur so viel Glück haben? Schönheit und Verstand in einem Paket.“

Sie spürte, wie sich ihr Gesicht dank des Kompliments rötete.

„Hör auf, du machst mich verlegen“, sagte sie. „Und du weißt ganz genau, dass ich die Glückliche bin.“

Das meinte sie auch so. Brett zu treffen war das Beste, was ihr je passiert war. Er hätte jede heiraten können, die er wollte. Und es erstaunte sie immer noch, dass sie diejenige war, die er am Ende gefragt hatte.

„Ich habe Travis draußen gesehen“, erzählte er ihr. „Amanda hat Lasagne gemacht. Sie wollen, dass wir mit ihnen zu Abend essen. Ich dachte, das würde dir helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Und es wäre ein schöner Auftakt für das lange Wochenende.“

Ashley brachte ein Lächeln zustande. „Bei allem, was hier los ist, wäre es wirklich schön, sich etwas zu entspannen und nicht kochen zu müssen.“

Brett holte eine Flasche Merlot aus dem Weinregal, nahm Ashleys Hand und führte sie durch die Hintertür auf die Terrasse. Dann gingen sie über den Rasen. Sie hatten das Haus erst fünf Monate zuvor gekauft, als sie von Chattanooga nach Briarwood, einem wohlhabenden Vorort von Nashville, Tennessee, gezogen waren.

Ehrfürchtig würde das Gefühl wohl am besten beschreiben, das sie empfunden hatte, als sie zum ersten Mal die Schwelle zu dem Haus mit vier Schlafzimmern in der Marigold-Straße überschritten hatte. Ein zweistöckiges Foyer mit einer Wendeltreppe wurde flankiert von einem formellen Esszimmer auf der linken Seite und einem Arbeitszimmer für Brett auf der rechten Seite. Sie war über den glänzenden Hartholzboden geschwebt und an einem Gästebad in ein Wohnzimmer mit hohen Decken vorbeigegangen, das an eine offene Küche angrenzte. Können wir uns das wirklich leisten, hatte sie sich gefragt, während sie mit ihrer Hand über die kühle Granit-Arbeitsplatte gefahren war. Obwohl sie die Antwort bereits kannte – Brett hätte sonst nicht darauf bestanden, dass sie sich das Haus ansah –, erschien ihr nichts davon real.

Als persönlicher Finanzberater bei der Parker-Stone-Vermögensverwaltung hatte Brett die Finanzen der beiden fest im Griff. Aber Ashley würde nie vergessen, wie ihr Leben vor ihrer Verlobung ausgesehen hatte. Damals hatte sie sich mit einem Kredit für das Studium verschuldet, während sie sich nur von Nudeln ernährte und um zusätzliche Schichten im Kaufhaus bettelte. Während der gesamten Zeit, in der sie zusammen waren, hatte Brett ihr immer wieder angeboten, ihr bei ihren Ausgaben zu helfen, aber sie hatte abgelehnt. Als er erfuhr, dass seine Versetzung in die Niederlassung in Briarwood nach fast zwei Jahren Wartezeit endlich genehmigt worden war, hatte er Ashley gebeten, ihn zu heiraten und mit ihm in den Vorort Belle Haven zu ziehen, der in der Nähe seines Elternhauses lag.

Obwohl sie ihr neues Haus gemeinsam gekauft hatten und nun als Familie dort lebten, hatte sie darauf bestanden, ihre Kredite mit dem Geld zurückzuzahlen, das sie selbst verdient hatte, und nicht mit Bretts Geld. Aber, abgesehen von dem Kredit, gehörten die meisten ihrer finanziellen Sorgen jetzt der Vergangenheit an.

Travis Robinson kam ihnen auf den Stufen zu seiner überdachten Veranda entgegen, schob die Tür auf und ließ Ashley zuerst eintreten. Als Rechnungsprüfer bei einer der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Nashville teilte Travis die Faszination von Brett für die Finanzmärkte ebenso wie seine Liebe zum Golf. Die beiden hatten sich schnell angefreundet, weshalb sie seitdem schon mehrere Abende im Haus ihrer Nachbarn verbracht hatten.

Ashley ließ die Männer in der Nähe der Tür plaudernd zurück und umarmte Amanda, wobei sie darauf achtete, ihr nicht zu nahezukommen. Obwohl es erst eine Woche her war, dass sie ihre Nachbarin das letzte Mal gesehen hatte, hätte Ashley schwören können, dass Amandas Bauch um mindestens drei Zentimeter gewachsen war. Und das geblümte Sommerkleid, das sie trug, betonte die Rundung ihres Mittelteils nur noch mehr, die in krassem Gegensatz zu ihrer ansonsten zierlichen Figur stand.

„Womit kann ich dir helfen?“, fragte Ashley und bemerkte den bereits gedeckten Tisch, auf dem neben jedem der vier Teller ein Salat und in der Mitte die Lasagne stand.

„Es ist alles schon fertig. Setz dich einfach hin, ich hole Zander.“

Ashley blickte zu dem kleinen Jungen, der im Wohnzimmer auf der anderen Seite der Balkontür spielte. „Lass mich ihn holen.“

Zander kicherte, als sie ihn aus dem Meer von Spielzeug, das auf dem Boden verstreut lag, herausfischte. „Du wirst ganz schön schwer, kleiner Mann.“ Sein weiches, karamellbraunes Haar streifte ihre Wange und sie nahm den unverwechselbaren Geruch von Keksen und Apfelsaft wahr. Sie fragte sich, wie es sich wohl anfühlen würde, eines Tages ein eigenes Kind zu halten. Da sowohl ihr Studium als auch die Planung ihrer bevorstehenden Hochzeit im Oktober so viel Zeit und Mühe in Anspruch nahmen, hatte sie Brett noch nicht gefragt, wie lange er mit der Gründung einer Familie warten wollte. Aber wenn sie all die anderen Frauen in der Straße mit ihren Kindern sah, hoffte Ashley, dass ihr zukünftiger Ehemann der Idee aufgeschlossen gegenüberstehen würde, ein Baby innerhalb weniger Monate nach ihrer Heirat zu bekommen.

Als sie auf die überdachte Veranda zurückkehrte, war der Wein bereits eingeschenkt und alle hatten Platz genommen. Ihre Gespräche drehten sich um die neue Familie, die auf der anderen Straßenseite eingezogen war. Sie setzte Zander in den Hochstuhl am Ende des Tisches, nahm ihren Platz neben Brett ein und machte sich an ihren Salat.

Travis richtete seinen Blick auf Ashley. „Brett erwähnte, dass ihr über das Wochenende verreisen werdet“, sagte er und es klang halb wie eine Feststellung und halb wie eine Frage.

Ein Schuldgefühl durchfuhr Ashley bei der Frage nach der Reise. Es war schon so lange her, dass sie ihren Vater das letzte Mal besucht hatte – über sieben Monate – und jetzt war er krank. Sie wünschte, sie hätte sich öfter die Zeit genommen, ihn zu sehen.

„Mein Vater hatte einen Herzinfarkt. Wir werden meine Familie besuchen.“

„Es tut mir leid, das zu hören“, sagte Travis mit einem Hauch von Sorge in seiner Stimme. „Wo wohnt denn dein Vater?“

„Nicht weit weg, nur ein paar Stunden östlich von hier“, antwortete Ashley, wobei sie beabsichtigte, vage zu bleiben.

„In welcher Stadt?“, drängte Travis.

Ashley zögerte. „Mettler Ridge.“

Sie bemerkte die Blicke, die zwischen Travis und Amanda ausgetauscht wurden, und spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie kannte die klischeehaften Vorstellungen, die viele Menschen von den Bewohnern der Cumberland-Hochebene und der ländlichen Appalachen im Allgemeinen hatten. Und die Tatsache, dass Mettler Ridge in Laurel County, dem ärmsten Bezirk des Bundesstaates, lag, war nicht gerade hilfreich.

Amanda wischte einen Fleck Tomatensoße von Zanders Kinn und wandte sich dann Ashley zu. „Ich dachte, du bist in Chattanooga aufgewachsen“, erklärte sie und klang schockiert darüber, dass ihre Nachbarin aus dem Hinterland kam.

„Ich habe meinen Bachelor-Abschluss an der Universität in Chattanooga gemacht, aber ich bin in Laurel County geboren und aufgewachsen.“

Ashley spürte, wie sich das Klima veränderte. Es fühlte sich an, als wäre die Temperatur plötzlich um zwanzig Grad gefallen. Genau wie Brett, stammten auch Travis und Amanda aus angesehenen Familien in der Gegend von Nashville und sie schienen davon ausgegangen zu sein, dass Ashleys Familie ebenfalls wohlhabend war.

„Es gibt kein Krankenhaus in Laurel County, nicht wahr?“, fragte Travis.

„Nein. Mein Bruder hat ihn in das in Cedar View gebracht. Es ist das nächstgelegene. Etwa dreißig Minuten vom Haus meines Vaters entfernt.“

Ihr war klar, dass das Fehlen einer medizinischen Einrichtung den Eindruck verstärken würde, dass die Gegend völlig unzivilisiert war.

Amanda war schnell mit den nächsten Fragen bei der Hand, sodass Ashley das Gefühl hatte, verhört zu werden. „Was für einen Beruf übt dein Vater aus?“, erkundigte sie sich, wobei ihr Tonfall andeutete, dass sie vermutete, es handele sich um einen Job, für den man wenig bis gar keine Ausbildung braucht.

„Autoreparatur. Er und mein Onkel haben ihre eigene Werkstatt.“

Das Grinsen, das über das Gesicht ihrer Nachbarin huschte, traf Ashley bis ins Mark. Offensichtlich reichte es nicht aus, dass ihr Vater Miteigentümer eines Unternehmens war. Er war immer noch ein Handwerker und damit in Amandas Welt wahrscheinlich nicht ganz auf der Höhe.

Ashley bewunderte ihren Vater für die Entbehrungen, die er überwunden hatte, um das Geschäft mit ihrem Onkel Russ von Grund auf aufzubauen. Aber der Mut ihres Vaters würde ihre Nachbarn wahrscheinlich nicht beeindrucken.

 „Und was ist mit deinem Bruder? Was macht er?“, wollte Amanda wissen. „Hat er auch einen Abschluss an der Uni in Chattanooga gemacht?“

„Nein“, gab Ashley mit leiser Stimme zu. Wie ihr Vater hatte auch Kyle die Schule abgebrochen, um einen Vollzeitjob anzunehmen. Ihr jüngerer Bruder Shane hatte zwar die Oberstufe abgeschlossen, aber er war nie auf die Uni gegangen. Ashley wollte diese Information jedoch nicht preisgeben. Es ging ihre Nachbarn nichts an. „Er und mein jüngerer Bruder arbeiten beide in der Autowerkstatt.“

Amanda nickte und das überlegene Funkeln in ihren Augen verriet, dass sie das schon vermutet hatte.

Ashley war bereits von Amandas monatlichem Sonntagsbrunch ausgeschlossen worden – einem Treffen für die Frauen mit kleinen Kindern aus der Nachbarschaft, zu denen die meisten Frauen in der Wohngegend gehörten. Sie war sich sicher, dass man sie auch bei vielen anderen Veranstaltungen von der Gästeliste streichen würde, sobald sich ihre Herkunft herumgesprochen hatte. Und sie wusste, dass das bald der Fall sein würde.

In den letzten fünf Monaten hatte sie sich ein paar Mal wie eine Außenseiterin in der Gemeinde gefühlt. Aber sie hatte immer gehofft, dass sich dieser Eindruck bald ändern würde. Jetzt bezweifelte sie, dass sie jemals dazugehören könnte, und sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt nach Briarwood gehörte.

„Ich schätze, in Laurel County gibt es nicht so viele Beschäftigungsmöglichkeiten“, fuhr Amanda fort und behielt die selbstgefällige Miene in ihrem Gesicht.

Brett mischte sich endlich in das Gespräch ein. „Es gibt vielleicht keine Industrie in der Gegend, aber du solltest die Berge sehen – und die Tierwelt – es ist wirklich ein wunderschöner Ort“, sagte er, als müsste er Ashley zu Hilfe kommen. „Und jeder Ort, der einen Menschen wie Ashley hervorbringt, muss einfach toll sein.“

Sie spürte, wie ihr, trotz der sozialen Kälte, warm ums Herz wurde, als Brett ihr zu Hilfe eilte. Sie konnte sich immer auf seine Unterstützung verlassen und sie teilten eine Liebe, die stärker war, als sie es je für möglich gehalten hatte.

Er hatte recht, die Berge waren wunderschön – es gab dichte Laubwälder, zerklüftete, moosbewachsene Klippen und gewaltige Wasserfälle, die in smaragdgrüne Becken stürzten.

Doch so sehr sie sich auch danach sehnte, ihre Familie wiederzusehen und sich zu vergewissern, dass es ihrem Vater wirklich gut ging, so sehr erfüllte der Gedanke an eine Rückkehr sie auch mit einem Gefühl der Angst.

Zuletzt hatte Brett ihren Vater auf ihrer Verlobungsfeier gesehen. Was als einer der glücklichsten Tage in ihrem Leben begonnen hatte, war bald in einem totalen Desaster geendet. Nachdem zu viel Champagner hatten einige ihrer Cousins gegenüber einigen von Bretts weiblichen Verwandten unflätige Bemerkungen gemacht. Was am Ende zu einer handfesten Schlägerei zwischen den Familien geführt hatte. Brett war so aufgebracht gewesen, dass Ashley befürchtet hatte, er würde die Hochzeit absagen, noch bevor der Tag zu Ende gegangen war.

Nachdem sie die Folgen der Schlägerei verdaut hatte, war ihr klargeworden, dass der einzige Weg, den Erfolg ihrer zukünftigen Ehe zu sichern, darin bestand, ihren Verlobten und ihre Familie voneinander fernzuhalten.

Aber jetzt wollte er an Ashleys Seite sein, während ihr Vater vielleicht im Sterben lag. Brett hatte darauf bestanden, sie nach Mettler Ridge zu begleiten – und kein noch so gutes Zureden konnte ihn umstimmen. Ihr schlimmster Albtraum war wahr geworden.

Brett ergriff ihre Hand unter dem Tisch und begegnete ihrem Blick mit einem Blick, der sagte: „Wen interessiert schon, was die anderen denken?“ Sie lächelte und drückte im Gegenzug seine Hand, als ob sie beide gegen den Rest der Welt kämpfen würden. Zusammen waren sie das perfekte Team. Er war alles, was sie sich je von einem Ehemann gewünscht hatte. Und noch mehr.

Ashley wusste, dass sie es nicht verdient hatte, mit einem so wunderbaren Mann verlobt zu sein. Und das nicht nur wegen ihres mangelnden Vermögens.

Die Fehde zwischen ihrem Verlobten und ihrem Vater und ihren Brüdern war nicht der einzige Grund, warum Ashley Brett aus Laurel County fernhalten wollte. Sobald er dort war, fürchtete sie, dass er herausfinden könnte, dass es Dinge in ihrer Vergangenheit gab, von denen sie ihm noch nichts erzählt hatte. Dinge, die zu dunkel waren, um sie in Worte zu fassen.

KAPITEL 2

Ashley konnte sich des Gefühls nicht erwehren, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen, als sich die Silhouette der Berge am Horizont auf der anderen Seite der Windschutzscheibe abzeichnete. Brett zu erlauben, Mettler Ridge zu besuchen, war ein großes Risiko. Sie hatte nicht gut geschlafen und war mehrmals in der Nacht aufgewacht, weil sie sich Sorgen um den Gesundheitszustand ihres Vaters und um die Wahrung des Friedens zwischen ihrem Verlobten und ihrer Familie gemacht hatte. Die daraus resultierende Müdigkeit machte alles nur noch viel schlimmer.

Sie starrte aus dem Beifahrerfenster von Bretts Geländewagen, als sie auf der Autobahn nach Osten fuhren. Dabei zählte sie die Schilder, die „Besuchen Sie Rock City“ und „Kommen Sie nach Ruby Falls“ ankündigten. Als sie bei insgesamt sieben angelangt war, wurden die Werbetafeln am Straßenrand durch Kalksteinwände ersetzt. Es war ein albernes Spiel, aber es half ihr, sich von dem bevorstehenden Besuch abzulenken.

Sie sah Brett an und fragte sich, ob er sich genauso um den Ausgang der Reise sorgte wie sie. Und als ob er ihr Unbehagen spürte, schaute er zu ihr hinüber – sein schokoladenbraunes Haar lugte unter seiner Ralph–Lauren–Mütze hervor. Er zwinkerte ihr zu und legte seine Hand auf ihr Knie. Seine Berührung hatte immer noch die Macht, ihr Herz fast zum Stillstand zu bringen.

Sie lächelte Brett an und hoffte, dass es ihr gelingen würde, zwischen ihm und ihren Verwandten zu vermitteln. Ihr Plan war, seinen Kontakt auf die Mitglieder ihrer unmittelbaren Familie zu beschränken. Sie würde den Besuch kurz halten – höchstens zwei Stunden. Und nachdem sie etwa dreißig Minuten dort waren, würde sie eine Ausrede erfinden, um ihn in die Stadt zu schicken, um etwas zu erledigen. Auf diese Weise blieben ihm nach seiner Rückkehr nur noch etwa fünfzehn Minuten, bevor es Zeit war, sich zu verabschieden.

Sie hasste es, die Zeit mit ihrem Vater so kurz zu halten, aber sie konnte sich keine bessere Alternative vorstellen. Wenn Bretts Besuch vorbei war und er das Gefühl hatte, ihr die nötige Unterstützung gegeben zu haben, würde sie allein nach Mettler Ridge zurückkehren können. Und ihrem Vater zuliebe versprach sie sich, von nun an mindestens einmal im Monat dorthin zu fahren.

Ashleys Ohren dröhnten von dem Höhenunterschied, als sie den Aufstieg zum Berg Mettler begannen. Sie zog zwei Kaugummis aus ihrer Handtasche und reichte Brett einen davon.

„Das wird gegen den Druck helfen“, sagte sie und hoffte, dass das gleichmäßige Kaugummikauen auch ihre Nerven beruhigen würde. Wenn das nicht funktionierte, würde sie sich etwas anderes zum Zählen suchen müssen.

Brett kicherte und deutete auf die vier Meter hohe Figur von Bigfoot, die neben der Autobahn lauerte, als sie für den letzten Abschnitt nach Mettler Ridge auf eine schmalere Straße abbogen. Die schwarze Farbe war abgeblättert und hatte Rostflecken auf dem Metall darunter freigelegt, sodass es aussah, als leide die Kreatur an Räude.

„War diese Statue schon da, als wir das letzte Mal hier waren?“, fragte er.

„Ja. Ich bin überrascht, dass sie dir nicht aufgefallen ist.“ Das Metallmonster war aufgestellt worden, als Ashley gerade einmal fünf Jahre alt war. Sie war sozusagen das Maskottchen von Mettler Ridge. Jetzt war das Schild in der dunstigen Bergluft verrottet.

Genau wie die Stadt, dachte sie.

Brett legte den Kopf schief und lächelte. „Nun, als wir das letzte Mal hier waren, hatte ich nur Augen für meine schöne Verlobte.“

Ashley wusste, dass sein spielerisches Geplänkel höchstwahrscheinlich ein Versuch war, ihre Stimmung aufzulockern – und sie liebte ihn dafür –, aber es würde mehr als nette Worte brauchen, um ihre Anspannung zu lösen.

Als sie in die Stadt einfuhren, begrüßte sie eine Reihe von Koksöfen. Die höhlenartigen, in den Hang gebauten Backstein-Konstruktionen waren in der Zeit des Bergbaus benutzt worden, um die Steinkohle zu brennen und sie in Industriekoks zu verwandeln. Jetzt lagen sie verlassen da und wurden vom Gestrüpp überwuchert. Ashleys Vater hatte oft Geschichten über ihre Vorfahren erzählt, die im späten achtzehnten Jahrhundert für sehr wenig Geld in den Kohleminen gearbeitet hatten. Obwohl auch sie arm aufgewachsen war – der Großteil ihrer Kleidung stammte aus der Spendenbox der Kirche in der Stadt –, taten ihr ihre Vorfahren leid, weil ihr Leben so kurz und hart gewesen war.

Bevor sie in die Hauptstraße einbogen, fuhren sie an einem weißen Haus vorbei, das wie ein Schrotthaufen mit einem durchhängenden Dach aussah. In dem eingezäunten Hof davor lebten mindestens ein Dutzend Babyziegen. Brett lächelte und zeigte auf das Haus, während die Zicklein sich gegenseitig über den Hof jagten. Ihr Blöken war laut genug, um durch das geschlossene Fenster des Geländewagens zu dringen.

„Ich kann nicht glauben, dass sie mitten in der Stadt Ziegen erlauben“, sagte er.

Obwohl die Tiere niedlich waren, zauberte der Anblick kein Lächeln auf Ashleys Gesicht, sondern verursachte ihr Herzschmerzen.

„Als ich etwa zehn Jahre alt war, kaufte mein Vater zwei Zicklein, um sie wegen ihrer Milch zu halten. Ich war ganz verrückt nach diesen kleinen Babys und spielte mit ihnen, wann immer ich konnte. Eines Abends brach ein Luchs in ihren Pferch ein. Er tötete sie beide und schleppte eines von ihnen in den Wald.“

Brett drückte ihre Hand. „Das tut mir leid. Ich schätze, so etwas wird hier wohl öfter passieren.“

Ashley nickte. Der Vorfall hatte sie am Boden zerstört und von da an wollte sie nie wieder Haustiere haben.

Der kürzeste Weg zum Haus ihres Vaters führte sie an Hopes Autoreparatur–Werkstatt vorbei, der Werkstatt, die ihrem Vater und Onkel Russ gemeinsam gehörte. Da es Samstag war, wusste sie, dass ihre Cousins, die für die Schlägerei auf der Verlobungsfeier verantwortlich waren, dort sein würden. Und um die Werkstatt zu umgehen, wies sie Brett den Weg nach Süden in eine andere Straße. Da er nur ein einziges Mal im Haus ihres Vaters gewesen war, nämlich gleich nach ihrer Verlobung, hoffte sie, dass er den Umweg nicht bemerken würde. Zu ihrer Erleichterung bog er, ohne zu fragen, ab und erwähnte die Werkstatt nicht.

Ashley wandte sich vom Fenster ab, als sie den Wohnwagenpark im Norden der Stadt erreichten. Er lag direkt an der Stadtgrenze. Sie wollte den Ort nicht sehen, an dem sie direkt nach ihrem Abitur gelebt hatte. Sie zog es vor, nicht an diese Zeit in ihrem Leben zu denken, und verdrängte die Bilder, die ihren Geist zu übermannen drohten. Sie konzentrierte sich stattdessen auf die Straße, die vor ihr lag.

Als sie auf den Fenton Hill einbogen, säumte ein Eichenbestand beide Seiten der Fahrbahn und bildete ein so dichtes Blätterdach, dass es die Sonnenstrahlen wie ein Baumtunnel abschirmte.

„Als ich aufwuchs, habe ich diesen Teil der Straße immer gehasst“, sagte sie zu Brett. „Ich bin hier nie mit dem Fahrrad durchgefahren. Ich hatte immer Angst, dass etwas aus der Dunkelheit kommt und mich packt.“

Damals wurde sie von ihrem älteren Bruder gehänselt, weil sie Angst hatte, aber jetzt erkannte sie, dass dies ein normales Verhalten für ein kleines Mädchen war, das mit Geschichten über Bigfoot aufgewachsen war. Und auch wenn sie nicht mehr an Monster glaubte – zumindest nicht an die nicht–menschliche Art –, war ihr das plötzliche Fehlen des Sonnenlichts immer noch unangenehm.

Als sie die Allee verließen, tauchte bereits der Briefkasten ihres Vaters auf und der Geländewagen schwankte, als sie die unbefestigte Einfahrt hinauffuhren. Ashley hoffte, dass Brett sich nicht an den feinen Staubkörnern stören würde, die jetzt auf seinem neuen schwarzen Auto landeten. Als sie die hölzerne Brücke erreichten, die über den Bach auf das sechzig Hektar große Grundstück führte, das seit Generationen in der Familie Hope vererbt wurde, verlangsamte er den SUV auf Schritttempo. Und obwohl die verwitterte Konstruktion einsturzgefährdet schien, wusste sie, dass Kyle und Shane die Pfeiler darunter in gutem Zustand hielten.

„Mach dir keine Sorgen um die Brücke“, versicherte sie Brett. „Sie wird halten.“

Sie fuhren weiter durch das Gewirr von Laubwald und dichtem Unterholz und kamen an der Abzweigung vorbei, die zu Kyles Wohnwagen führte. Die Straße schlängelte sich dann nach links auf eine Lichtung hinein. Als sie das Haus erblickte, das ihr Urgroßvater gebaut hatte, überkam Ashley eine Welle des Grauens, die sie dazu brachte, in die entgegengesetzte Richtung laufen zu wollen.

Die Bäume, die auf dem Grundstück gerodet worden waren, waren zu Bauholz für das Haus verarbeitet worden. Die Nachbarn halfen sich gegenseitig beim Bau und der Stein für das Fundament und den Kamin wurde auf dem Land gesammelt. Das kleine Bauernhaus in den Appalachen hatte seit der Zeit ihres Urgroßvaters viele Veränderungen durchgemacht – es gab jetzt Strom und Wasser aus dem Brunnen –, aber die lange schmale Veranda war immer die gleiche geblieben.

Als Ashley aus der Tür des Geländewagens hüpfte, hörte sie ein lautes Bellen, das die Luft zerriss. Ace, der Hund ihres Vaters, rannte auf sie zu und sein Schwanz wedelte freudig hin und her. Sie kniete sich nieder, um ihm den Kopf zu kraulen, und bemerkte, dass ihr Vater aus dem Hinterhof auf sie zukam.

Spencer Hope wirkte um Jahre älter als das letzte Mal, als sie ihn nur sieben Monate zuvor gesehen hatte. Sein Gang war langsam und wirkte unsicher. Sein kastanienbraunes Haar war grauer, als sie es in Erinnerung hatte, und sein einst gesunder Teint war fahl geworden. Seine blauen Augen wirkten matt und eingefallen. Sein Aussehen machte ihr Sorgen. Sie befürchtete, dass der Arzt ihn viel zu früh aus dem Krankenhaus entlassen hatte.

Ashley schlang ihre Arme um den Hals ihres Vaters und atmete den frischen Duft von Kautabak ein.

„Papa, was machst du hier draußen?“, fragte sie mit strenger Stimme. „Du hattest gerade einen Herzinfarkt. Du solltest im Haus sein und dich ausruhen.“

Da sie wusste, wie stur ihr Vater war, hatte sie nicht wirklich erwartet, ihn im Bett zu finden. Aber sie war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, dass er so wieder draußen herumlief.

„Ich glaube, ich werde mich ausruhen, wenn ich tot bin“, sagte er ihr.

„Sag so etwas nicht, Papa.“ Obwohl sie nicht wirklich abergläubisch war, wollte Ashley nicht, dass ihr Vater das Schicksal mit seinen Worten herausforderte.

Brett erschien an Ashleys Seite.

„Hallo, Spencer“, sagte er und bot seine Hand als Geste des Friedens an. „Ich hoffe, du fühlst dich heute schon etwas besser.“

Ashley konnte an den Augen ihres zukünftigen Ehemannes erkennen, dass es aufrichtig gemeint war. Sie hielt den Atem an, wartete auf die Antwort ihres Vaters und befürchtete das Schlimmste.

Spencer starrte auf Bretts ausgestreckte Hand, zögerte einen Moment und schüttelte sie dann kurz. Ashley atmete erleichtert aus. Sie sehnte sich danach, dass ihr Vater und Brett Freunde und nicht nur angeheiratete Familie werden würden. Aber ihr war klar, dass es Spencer aufgrund ihrer Fehler in der Vergangenheit schwerfallen würde, einem Mann ihrer Wahl zu vertrauen. Zumindest, bis sie sich eine Weile kannten.

„Ja. Mir geht es schon besser“, antwortete ihr Vater mit kalten Augen und fester Stimme. „Ich war gerade dabei, das Abendessen vorzubereiten, als ihr aufgetaucht seid.“

Ihr Vater bezeichnete die Mittagsmahlzeit immer als Abendessen und die Abendmahlzeit als Abendbrot.

„Lass mich das für dich machen, Papa. Ich glaube nicht, dass du jetzt kochen solltest“, sagte sie und war besorgt darüber, dass ihr Vater sich zu sehr anstrengte. So, wie er es immer tat.

Brett und Ashley folgten Spencer hinter das Haus zu dem alten Steingrill, der in einem schattigen Bereich am Waldrand stand. Die Ränder der Holzkohle waren bereits weiß von der Hitze. Spencer riss ein paar Rindenstreifen von einem nahegelegenen Nussbaum ab und reichte sie Ashley, bevor er sich in einem Liegestuhl neben dem Grill niederließ. Mit einem Moniereisen hob sie den Rost an und warf die Streifen auf das Feuer. Das Holz verlieh dem Fleisch und allem anderen, was über der Flamme gegart wurde, einen würzigen Geschmack.

Ashley hörte ein Rascheln im Wald und ihre Brüder kamen zwischen den Bäumen hervor. Sie trugen Tarnhemden und Jagdmützen. Kyle trug zwei Schrotflinten, die jeweils mit der Mündung auf den Boden gerichtet waren. Shane folgte ihm dicht auf den Fersen. Er hatte einen Hirsch über die Schultern gelegt. Obwohl Shane jünger war, war er mit seinen 1,90 m einen ganzen Kopf größer als Kyle. Er war auch glatt rasiert, während sein Bruder einen Spitzbart trug. Ashley und Kyle waren beide blond wie ihre Mutter, aber Shane hatte das kastanienbraune Haar seines Vaters geerbt.

„Es wird ja auch Zeit, dass wir dich mal wiedersehen“, sagte Kyle, als er eine Umarmung von seiner Schwester annahm. Dabei kitzelte sein struppiges Haar ihre Stirn.

Ashley liebte ihre Brüder, aber ihre Bindung war nicht mehr so stark wie früher. Je älter sie wurde, desto weniger fühlte sie sich mit ihrer Familie und deren Lebensweise verbunden.

Shane starrte Brett an und sein Kiefer verkrampfte sich.

„Es ist besser, sie nicht so lange von uns fernzuhalten“, sagte er, während er den Bock zu einem Ahornbaum trug, der einige Meter vom Grill entfernt stand.

„Es steht ihr frei, hierher zu kommen, wann immer sie will“, antwortete Brett. „Ich habe nicht versucht, sie davon abzuhalten.“

Ihr Verlobter sagte die Wahrheit. Ashley hätte die Reise schon früher allein antreten können, aber sie hatte sich zu sehr auf ihren Abschluss und ihre Hochzeitspläne konzentriert, weshalb sie sich jetzt schuldig fühlte. Aber sie verstand auch den Grund für die Vermutung ihrer Familie, dass Brett für ihre Abwesenheit verantwortlich war.

„Gebt nicht Brett die Schuld, es ist mein Fehler“, sagte sie zu ihren Brüdern. „Ich weiß, dass ich nicht so oft hier war, wie ich sollte, aber ich habe vor, das zu ändern.“ Und da es ihrem Vater schlecht ging, würde sie das auch tun.

Shane warf ihr einen ungläubigen Blick zu, bevor er den Hirsch auf die Fleischstange hob, die am Ahorn befestigt war. Er sicherte die Hinterbeine in der Luft, während Kyle eine Plane unter dem Bock ausbreitete. Der Kopf des Tieres hing kurz über dem Boden. Ace saß ganz in der Nähe, als würde er auf einen Leckerbissen warten.

Kyle zog ein Messer aus seiner Tasche und schlitzte das Reh auf, indem er am After begann und bis zum Hals hinunter schnitt. Er griff in die Körperhöhle und begann, die inneren Organe herauszuziehen und sie auf der Plane abzulegen.

Ashley warf einen Blick auf Brett. Sein vom Golfplatz gebräuntes Gesicht war blass geworden. Sie folgte seinem Blick zurück zu dem abgeschlachteten Bock, der am Ahornbaum baumelte, während seine Eingeweide darunter lagen, und erinnerte sich, dass er nie auf der Jagd gewesen war.

„Geht es dir gut?“, fragte sie ihn und wünschte, sie hätte gewusst, dass ihre Brüder heute einen Hirsch erlegen wollten. Dann hätte sie Brett rechtzeitig darauf vorbereiten können.

„Ja. Alles in Ordnung“, sagte er mit belegter Stimme.

Kyle und Shane tauschten belustigte Blicke aus, als ob sie Bretts Unbehagen bemerkten. Es war klar, dass sie die Gelegenheit nutzen wollten, um den Stadtjungen im Polohemd und in frisch gebügelten Khaki–Shorts zu verspotten.

„Magst du Reh?“, fragte Kyle ihn, während seine Arme bis zu den Ellbogen mit Blut bedeckt waren.

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete er. „Ich habe noch nie Wild gegessen.“

„Es gibt nichts Besseres als frisches Rehfleisch auf dem Feuer“, sagte Kyle zu ihm.

Brett warf einen Blick auf den Grill und schien zum ersten Mal zu bemerken, dass Kyle und Shane ihr Mittagessen vorbereiteten. Noch mehr Farbe wich aus seinem Gesicht, als ihm übel wurde.

Ashley legte ihre Hand auf Bretts Arm.

„Warum fährst du nicht in die Stadt und holst ein paar Sandwiches aus dem Supermarkt?“, fragte sie ihn, weil es ihr unangenehm war, dass ihre Familie ihn auf diese Weise überrumpelt hatte. Aber sie wollte auch an ihrem Plan festhalten und die Zeit ihres Verlobten mit ihrem Vater und ihren Brüdern begrenzen.

„Ich werde das Wildbret essen, es ist in Ordnung“, sagte er.

Ashley wusste, dass Brett versuchte, sein Gesicht zu wahren, um vor ihrer Familie nicht schwach zu erscheinen.

Shane lächelte. „Bleib hier, bis es dunkel wird. Dann gehen wir zum Frösche fangen runter an den Bach. Wir können dir eine Portion Froschschenkel kochen“, stichelte er.

„Hör auf“, sagte Ashley, die über das Verhalten ihrer Brüder nicht amüsiert war.

Shane fuhr fort: „Ace ist schon etwas in die Jahre gekommen. Aber er kann immer noch ein Opossum fangen. Magst du Opossums? Oder wie wäre es mit einer Klapperschlange?“

„Iltis“, schlug Kyle vor.

„Das reicht“, warnte Ashley ihre Brüder und Wut stieg in ihrer Brust auf.

Sie wandte sich an Brett. „Wir müssen das Reh nicht essen.“

„Das weiß ich“, sagte er. „Aber wenn es niemanden stört, würde ich jetzt gerne auf die Toilette gehen.“

Eine gute Idee, dachte Ashley. „Geh durch die Küche und den Flur entlang. Es ist die erste Tür auf der linken Seite.“

Sie wartete, bis ihr Verlobter im Haus verschwunden war, bevor sie sich an ihre Brüder wandte.

„Was ist nur los mit euch beiden?“, fragte sie. „Könnt ihr nicht einmal versuchen, fünf Minuten lang höflich zu sein? Brett hat sich alle Mühe gegeben, nett zu zu sein, und ihr wollt ihn nur in Verlegenheit bringen.“

„Er ist kein Mann, wenn er nicht ein paar Sticheleien vertragen kann“, sagte Kyle und machte sich bereit, den Bock zu häuten.

Ashley hörte ihren Vater husten. Sie drehte sich um und sah ihn an, um zu sehen, ob er seine Meinung zu dem Streit beitragen wollte.

„Hört auf, euch zu zanken“, schimpfte Spencer.

Immer noch wütend, fuhr Ashley mit ihrer Tirade fort.

„Wenn ihr mich alle wirklich lieben würdet“, erklärte sie, „würdet ihr mir zuliebe versuchen, mit Brett auszukommen. So wie ihr euch verhaltet, könnte er beschließen, dass er mich nicht heiraten will.“

Ihr Vater sah sie an und sein hageres Gesicht war von Sorge gezeichnet.

„Du hast viel größere Probleme als das“, sagte er ihr.

Die Besorgnis in Spencers Augen jagte Ashley einen Schauer über den Rücken.

Sie erinnerte sich an den Tag, an dem ihr Vater Ashley und ihren Brüdern gesagt hatte, dass ihre Mutter krank war und sie an Krebs sterben würde. Der Gesichtsausdruck, den er jetzt trug, war dem von damals verblüffend ähnlich.

Aber sie wusste, dass die Nachricht nichts mit der Gesundheit ihres Vaters zu tun haben konnte. Er hatte bereits gesagt, dass das Problem speziell ihr Problem war und dass es viel schlimmer war als der Konflikt zwischen Brett und ihrer Familie.

Was könnte ihr wichtiger sein, als Brett zu heiraten?

„Sie hat keine Probleme“, sagte Shane und ging zu ihrem Vater hinüber. „Sie hat keine mehr, seit sie sich mit diesem reichen Kerl eingelassen hat.“

Ashley wünschte, ihre Familie könnte verstehen, dass Geld zwar viel half, aber nicht alle Probleme auf magische Weise verschwinden ließ.

„Was ist los, Papa?“, fragte sie. „Was ist passiert?“

Spencer nickte in die Richtung des Liegestuhls neben ihm.

„Setz dich lieber“, sagte er ihr.

Als sie hörte, dass sie die Neuigkeiten nicht im Stehen verkraften konnte, drehte sich ihr der Magen um. Ashley tat wie ihr geheißen und setzte sich auf die Kante des ramponierten Metallstuhls. Dann wartete sie auf die nächsten Worte ihres Vaters.

Er begegnete Ashleys Blick.

KAPITEL 3

Als sie die Worte ihres Vaters hörte – dass ihr Ex–Mann aus dem Gefängnis kam – durchfuhr Ashley ein Anflug von Panik. Wie konnte das wahr sein? Ethan war zu fünfzehn Jahren verurteilt worden und hatte bisher nur acht Jahre abgesessen. Ein Verbrecher seines Kalibers würde niemals vorzeitig entlassen werden. Oder doch?

„Das ist nicht möglich“, sagte sie. „Er hat noch sieben Jahre abzusitzen.“

Ashley hörte, wie die Tür des Hauses knarrte, und blickte auf, um Brett zu betrachten, der aus dem hinteren Teil des Hauses kam.

Eine neue Welle der Beunruhigung überkam sie. Ihr Verlobter hatte keine Ahnung, dass sie schon einmal verheiratet gewesen war. Sie hasste sich dafür, dass sie das Geheimnis vor Brett so lange bewahrt hatte. Sie hatte viele Male versucht, ihm von Ethan zu erzählen – der erste Versuch war am Tag nach ihrer Verlobung gewesen –, aber sie konnte die Worte einfach nicht herausbekommen. Ihre erste Ehe hatte sie so sehr gezeichnet und die Tortur war so schmerzhaft gewesen, dass sie sich nicht dazu zwingen konnte, mit jemandem darüber zu sprechen. Nicht einmal mit dem Mann, den sie liebte. Indem sie diese Zeit in ihrem Leben ignorierte, gelang es ihr, die Erinnerungen daran in die hintersten Winkel ihres Gedächtnisses zu verdrängen und sie dort zu verschließen. Als ob es diese Tage nie gegeben hätte.

Sie konnte nicht zulassen, dass Brett hier und jetzt etwas über ihren Ex-Mann erfuhr. Nicht vor ihrer Familie. Sie würde einen Weg finden, es ihm zur richtigen Gelegenheit zu sagen. Wenn sie allein waren. Und sobald sie das Gefühl hatte, den Herzschmerz noch einmal durchleben zu können.

Ashley rannte über den Hinterhof zum Haus. Sie war fest entschlossen, Brett zu erreichen, bevor ihre Brüder die Gelegenheit hatten, die Neuigkeiten über Ethan auszuplaudern.

„Du kannst vielleicht das Wildbret essen“, sagte sie zu Brett und legte ihre Hand auf seinen Arm, „aber ich kann es nicht. Nicht jetzt. Würdest du also bitte für mich in den Supermarkt fahren und uns ein paar Sandwiches besorgen?“

Ihr Verlobter warf einen Blick über den Hinterhof zu ihren Brüdern und nickte dann zustimmend.

Sie sah zu, wie Brett in den Geländewagen stieg, bevor sie zu ihrer Familie zurückkehrte. Sie hoffte, dass die Neuigkeiten über ihren Ex nicht mehr als ein falsches Gerücht waren, das in der Stadt verbreitet wurde. Lügen, die von Ethans Verwandten in die Welt gesetzt wurden.

„Wie kann Ethan jetzt schon aus dem Gefängnis kommen?“, fragte sie ihren Vater.

„Er ist auf Bewährung raus“, sagte Spencer.

Bewährung? Sie glaubte es nicht. Wenn das wahr wäre, hätte sie als Ethans Opfer dann nicht benachrichtigt werden müssen?

„Woher hast du diese Information?“

„Dein Cousin Clarence hat sich einen neuen Job besorgt. Er ist Vollzugsbeamter drüben im Knast“, erklärte Spencer. „Ich habe es von ihm. Russ hat es mir heute Morgen erzählt.“

Auf Onkel Russ konnte man sich immer verlassen, wenn es um die Wahrheit ging. Clarence hatte früher für das örtliche Polizeirevier gearbeitet und von all ihren Cousins – von all ihren Familienmitgliedern im Allgemeinen – war er der zuverlässigste. Wenn die Nachricht von ihm stammte ...

Sie presste die Augen zusammen und befahl sich selbst, ruhig zu bleiben, obwohl sie jetzt wusste, dass die Information korrekt war.

Shane schaltete sich ein: „Warum hast du es mir und Kyle nicht gesagt?“

„Es wäre das Erste gewesen, was du gesagt hättest, sobald du sie gesehen hättest“, sagte Spencer zu seinem Sohn. „Ich wollte erst noch eine ruhige Minute mit ihr verbringen.“

Ashley kehrte zum Liegestuhl zurück, setzte sich auf die Kante und sah ihren Vater direkt an.

„Hat Onkel Russ dir gesagt, wann die Bewährungsanhörung angesetzt ist?“, fragte sie ihn. „Und wo sie stattfinden wird?“

„Ja. Irgendwann am Dienstag“, sagte Spencer. „Im Gefängnis.“

So bald schon? Sie musste es verhindern. Sie konnte nicht zulassen, dass man dieses Monster wieder auf die Straße ließ.

Ashley erhob sich von ihrem Stuhl. Sie schritt vor dem Grill hin und her und überlegte sich einen Plan. Wenn sie Ethan freiließen, würde er auf der Suche nach ihr die ganze Welt durchqueren. Auch wenn sie während seiner Inhaftierung mehrmals umgezogen war, würde es für ihn nicht schwer sein, sie aufzuspüren. Und wenn er sie gefunden hatte ... Sie wollte sich nicht einmal ausmalen, was er ihr antun würde.

Sollte sie weglaufen? Sollte sie ihren Namen ändern und ihren Verlobten und das Leben, das sie sich so hart aufgebaut hatte, zurücklassen? Ashley liebte Brett mehr, als sie es sich je hätte träumen lassen, und ein Leben ohne ihn schien ihr unerträglich. Aber wie konnte sie bleiben, wenn sie doch wusste, dass ihr Handeln auch Brett in Gefahr bringen könnte?