Lassiter 2603 - Marthy J. Cannary - E-Book

Lassiter 2603 E-Book

Marthy J. Cannary

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Beschreibung

Lesen Sie die vierte Folge des Lassiter-Fünfteilers!

Lassiter geriet in die Fänge eines skrupellosen Börsenspekulanten und befindet sich auf der Flucht. Das Pflaster in New York ist zu heiß, um dort erneut gegen seine Feinde anzutreten.
So verschlägt es den großen Mann in die Appalachen, wo er auf eine ehemalige Informantin der Brigade Sieben trifft. Was diese zu berichten hat, stürzt Lassiter in ein Abenteuer ungeahnten Ausmaßes. Und es beschert ihm einen Verbündeten, mit dem er am wenigsten gerechnet hat.
Doch die Mission, die sich Lassiter auferlegt hat, ist größer als erwartet. Und auch Florence Warne, nun im Auftrag von Brody Graham unterwegs, legt härtere Bandagen an, um ihren verhassten Gegner endgültig ins Jenseits zu befördern!


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Seitenzahl: 134

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Tödliche Gier

Vorschau

Impressum

Tödliche Gier

von Marthy J. Cannary

Die bezaubernde Mrs. Cherry stand höchstens vier Schritte von Cipriano Ferrandini entfernt. Sie hatte gleichermaßen sanfte wie wache Augen, eine gerade und schön geformte Nase und geradezu betörende Lippen. Eine Südstaatenschönheit, wie es sie nur diesseits der Mason-Dixon-Linie gab.

»Was wollten Sie sagen?«, fragte sie und lächelte Ferrandini an. »Sie müssen sich vor mir nicht zurücknehmen, Sir.«

Der Korse legte sein Friseurbesteck beiseite und wusch sich die Hände. »Ich wollte sagen, Ma'am, dass Lincoln sterben muss.« Er trocknete sich die Hände ab. »Und sollte es notwendig sein, sterben wir mit ihm.«

»Sie sprechen von einem Attentat?«, fragte Mrs. Cherry. »Ich muss gestehen, dass mich Ihre Entschlossenheit beeindruckt.«

Ferrandini neigte das Haupt. »Bald ist Lincoln in Baltimore. Er wird unsere Entschlossenheit zu spüren bekommen.«

Harrisburg, 22. Februar 1861

Der hinkende Mann mit der Wollkappe, dem zerschlissenen Mantel und dem dicken Schal um den Hals hatte keinerlei Ähnlichkeit mit jener honorablen Persönlichkeit, die in Kürze als sechzehnter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt werden sollte. Er lief gebückt, um seinen hohen Wuchs zu verbergen, und blickte Kate Warne aus starren Augen an.

»Mr. Lincoln?«, flüsterte Kate und bot dem künftigen Präsidenten den Arm. Sie musste sicherstellen, dass jedermann in Abraham Lincoln ihren invaliden Bruder sah. »Kommen Sie, ich bringe Sie an Bord.«

Der künftige Präsident war über Kates Anwesenheit entzückt. »Es scheint mir bisher ohne Beispiel, dass zu den Vorkehrungen einer Präsidentschaft eine so charmante und pflichtbewusste Frau gehört.«

Kate sah sich am Bahnsteig um und überging Lincolns Kompliment. »Sie müssen zusteigen, Sir. Es gibt ein Schlafabteil, das ich in Philadelphia reserviert habe.« Sie streifte Lincoln mit einem flüchtigen Blick. »Ich habe den Schaffner mit einem ganzen Dollar bestochen, damit er Sie in der Nacht ungestört lässt.«

Sie liefen hintereinander den Gang hinunter, bis sie die halboffene Abteiltür erreichten. Lincoln zog abermals den Kopf ein, trat ins Innere des Wagenabteils und setzte sich auf die Bank in Fahrtrichtung. Er schien erschöpft zu sein und nahm die Kappe ab. »Sie müssen mir Gesellschaft leisten, Ma'am? Sie handeln im Auftrag von Plums, nehme ich an?«

Der Deckname von Allan Pinkerton lautete Plums, während die Detektei Lincoln mit Nuts benannt hatte. Die Namen führten zu einigermaßen komischen Telegrammen, etwa wenn Pinkerton ausrichten ließ, dass Plums –also die Pflaumen – die Nüsse –also Nuts – in Empfang genommen hätten. Eine solche Meldung hätte Kate nun aufgeben können, musste es jedoch nicht, nachdem Pinkerton bereits über alles Wissenswerte informiert war.

Sie war Pinkertons erste weibliche Agentin.

Die Bekanntschaft des berühmten Gründers der Pinkerton Detective Agency hatte sie mit dreiundzwanzig Jahren gemacht. Sie war in Pinkertons Büro marschiert, hatte betont, dass sie eine Witwe sein, und als Agentin für ihn von Nutzen wäre. Pinkerton hatte gezögert und gesagt, dass es nicht üblich sei, eine Frau in diesem Beruf zu beschäftigen. Sie hatte gekontert, dass eine Frau Geheimnisse herausbekäme, die einem Mann natürlicherweise verschlossen blieben.

Kate hatte ihre Gelegenheit bekommen.

Schon einige Monate nach ihrer Unterhaltung mit Pinkerton war sie nach Alabama entsandt worden. Sie hatte sich mit der Ehefrau eines Gauners gutgestellt, der die Adam's Express Co. um fünfzigtausend Dollar erleichtert hatte. Kate hatte nicht nur ein Geständnis erwirkt, sondern einen Großteil der Beute zurückgeholt.

Inzwischen saß Kate neben Abraham Lincoln.

Sie hatte sich für Pinkerton als Mrs. Barley und Mrs. Cherry in Kreisen von Sezessionisten herumgetrieben, die ein Attentat auf Lincoln planten. Sie hatte einen Mann namens Cipriano Ferrandini ausgemacht, der als Friseur im berühmten Barnum's Hotel von Baltimore arbeitete. Frank und frei hatte er Kate von seinen Plänen berichtet, den zukünftigen Präsidenten, den president-elect, zu töten, sobald er in Baltimore aus dem Zug steigt.

»Ich muss ein wenig schlafen«, sagte Lincoln und ließ sich rücklings auf die Polster gleiten. Er war zu groß für die Koje im Schlafabteil und musste die Beine angewinkelt lassen. »Ich hege die Vermutung, dass es Präparationen in Baltimore gibt, die meine Sicherheit betreffen?«

Kate nickte freundlich und faltete die Hände im Schoß. »Jawohl, Sir, es ist für alles gesorgt.«

Sie wusste von den Pferden, die man in Baltimore vor den Eisenbahnwaggon spannen würde, um das Nachtfahrverbot zu umgehen. Sie wusste von dem Zug, der in der Morgendämmerung bereitstand und Lincolns Schlafwagen nach Washington schleppen würde. Sie wusste von den mörderischen Plänen, die man vereitelt hatte.

»Gut«, seufzte Lincoln und schloss langsam die Augen. Er war erschöpft und rieb sich die Stirn. »Es ist ein schweres Unterfangen, dieses zerrissene Land zu regieren.«

Die Sezessionisten von Cipriano Ferrandini hatten sich der öffentlichen Verlautbarungen bedienen wollen, aus denen hervorging, um welche Stunde Lincoln an welchem Ort auftrat. Sie hatten dem baldigen Präsidenten an der Calvert Street auflauern, ihn bedrängen und töten wollen, sobald er in die offene Kutsche stieg.

Nichts davon würde geschehen.

Die Pinkerton-Agenten, zu denen sich Kate zählen durfte, hatten dafür gesorgt, dass Lincoln seine öffentlichen Auftritte nicht absolvierte. Auf Anraten von Marshal Kane hatte man außerdem verfügt, dass Mrs. Lincoln und deren Kinder schon an der Charles Street den Zug verlassen und im Haus des Demokraten John Gittings unterkommen würden.

Der Zug setzte sich mit einem leisen Rattern in Bewegung.

Er glitt in die schwarze Nacht hinaus, die Kate wachend überstehen würde, um den Mann zu schützen, dessen Leben und Ehre man ihr anvertraut hatte. Sie würde Lincoln nach Baltimore bringen, ohne dass Ferrandini oder andere Sezessionisten die mindeste Gelegenheit erhalten würde, ihm Leid anzutun.

»Sie werden ein guter Präsident«, sagte Kate höflich und blieb aufrecht sitzen. »Ich bleibe an Ihrer Seite, bis wir Baltimore erreichen.«

Eine Viertelstunde darauf schlief Lincoln fest.

Er hielt die Arme über der Brust gekreuzt, als wollte er selbst im Schlaf die Würde des Präsidentenamtes verkörpern. Er war ein guter Mann, und Kate würde ihn schützen, solange es in ihrer Macht stand.

Sie war eine Pinkerton.

Cumberland, Maryland, 1894

Die martialischen Explosionen, der dichte Rauch, der beißende Gestank über den brennenden Schlachtschiffen, die in die Bowery Bay lagen, gingen Lassiter nicht aus dem Sinn. Er saß an einem Ecktisch, rührte in seinem pechschwarzen Kaffee und sann über den Asiaten Tierén, der zweifellos der Drahtzieher und dennoch bloß Marionette des Magnaten Brody Graham war. Er war diesen Männern mit knapper Not entkommen.

»Noch Gebäck?«

Das Serviermädchen des Queen-City-Hotels beugte sich zu Lassiter herunter und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Sie hatte ihm ein üppiges Frühstück gebracht, das aus einigen Scheiben frischen Lachses, einer Scheibe Brot, einer Eidottercreme und verschiedenen eingelegten Früchten bestanden hatte. Der luxuriöse Stil des Hotels hatte sich in allem davon wiedergefunden.

»Miss?«, fragte Lassiter und sah auf. »Ich möchte Ihnen danken. Sie haben meinen Morgen froh und angenehm gemacht.« Er griff in die Tasche und holte einen Vierteldollar hervor. »Ich hoffe inständig, dass Sie damit zufrieden sind. Es ist nicht die Summe, die Sie verdient hätten.«

Das Mädchen steckte die Münze ein, lächelte abermals und lief um den Tisch herum. Es nahm den leeren Teller auf den rechten Arm, griff nach dem schmutzigen Besteck und wollte sich verabschieden. »Sie haben Besuch, Mr. Lassiter. Eine junge Frau hat nach Ihnen gefragt. Ich ließ sie an der Rezeption warten.«

Die Frau war Gill Halmore.

Er hatte sie unzählige Male getroffen, als sein Eid noch der Brigade Sieben gegolten hatte, und Gill hatte ihm damals Informantenberichte geliefert, die mit nützlichen Einzelheiten und Beobachtungen geradezu gespickt gewesen waren. Sie hatte sich um ihren Posten verdient gemacht, der eher schlecht als recht bezahlt gewesen war.

»Lassen Sie Miss Halmore zu mir!«, sagte Lassiter und trank von seinem Kaffee. Er blickte in den Speisesaal, der mit vergnügten Reisenden und betuchten Einheimischen bevölkert war. Keiner der lachenden Hotelgäste ahnte etwas von den ungeheuerlichen Entwicklungen, die New York und Washington erschütterten. »Bringen Sie Ihr einen Drink mit, Miss.«

Das Serviermädchen nickte und schwebte mit leichten Schritten davon, als wollte auch sie nicht in die dunklen Gedankengänge gezogen werden, die Lassiter plagten. Er hatte in jüngster Zeit genug gesehen. Er hatte gegen streikende Arbeiter gekämpft, war im Stahlwerk von Pittsburgh beinahe zu Tode gekommen und hatte Brody Graham gegenübergestanden, dem skrupellosesten aller Börsenspekulanten.

Gill war keinen Tag gealtert.

Sie trat mit ihrer rotblonden Mähne durch die Tür, als gehörte ihr der ganze Saal, und schritt mit abfälligem Lächeln zwischen den Tischen hindurch. Die Blicke sämtlicher Männer folgten ihr, hefteten sich an ihren betörenden Hüftschwung, den Gill einzusetzen wusste wie kaum eine andere Frau. Sie war eine Schönheit, deren Charme sich niemand entziehen konnte.

Lassiter war keine Ausnahme.

Er sprang buchstäblich auf, als sich Gill seinem Tisch näherte, deutete eine höfliche Verbeugung an und rückte seiner Besucherin den Stuhl zurecht. Die übrigen Männer im Speisesaal bedachten ihn mit neidvollen Blicken, die ihre Gemahlinnen erbosten.

»Du bist früh«, sagte Lassiter und betrachtete Gill. Sie hatte weder ihr schmales Gesicht noch ihre aristokratisch hohen Wangenknochen verloren. »Ich hatte dich nicht vor zwölf Uhr erwartet.«

»Soll ich wieder gehen?«, fragte Gill spitz und nahm den Hut vom Kopf. Sie zupfte die Federn daran zurecht und hängte ihn über die Lehne des Nachbarstuhls. »Es gibt ausreichend Gentlemen in diesem Hotel, die sich nicht scheuen würden, mich ein paar Stunden auszuhalten. Ich hatte gehofft, dass dich mein Telegramm in größere Vorfreude versetzt.«

Das Telegramm der früheren Informantin hatte Lassiter noch in New York erhalten, bevor die Schiffe in der Bowery Bay in die Luft geflogen waren. Er hatte der Expressnachricht keine Bedeutung beigemessen und sich erst darauf besonnen, als ihm aufgegangen war, dass er sich von den großen Städten der Ostküste würde vorerst fernhalten müssen.

»Du trinkst Kaffee?«, fragte Gill und wies angewidert auf Lassiters Krug. »Ich hatte einen Mann erwartet, der Bourbon trinkt. Du trankst damals ausschließlich Bourbon.«

»Ich trinke Bourbon«, sagte Lassiter und sah Gill lange an. Er verlor sich in ihren smaragdgrünen Augen. »Aber um diese Stunde muss ich wach werden. Es waren...« Er seufzte. »Es waren anstrengende Tage, Gill.«

An manchen Tagen hatten sie es über Stunden miteinander getrieben, hatten engumschlungen in schäbigen Kammern gelegen, in denen es nach fauligem Holz und feuchter Erde gerochen hatte. Sie waren oftmals in Unterkünften abgestiegen, die weitab der Eisenbahnlinien und Wagenstraßen lagen, und niemand hatte sich um das Paar geschert, das so verliebt und vertraut miteinander umgegangen war.

»Kommst du aus New York?«, fragte Gill und lehnte sich zurück. Sie winkte dem Serviermädchen, das ihr eine Limonade brachte. »Ich habe von einigen Leuten gehört, dass du in der Bowery Bay warst. Es gab diese Schiffe... Und ein gewaltiges Feuer.« Sie lächelte verschlagen. »Ich hatte beinahe Angst um dich, Mr. Lassiter.«

Noch als Informantin hatte Gill in der Tat um Lassiter gefürchtet, hatte ihn vor manchen Aufträgen gewarnt, die ihn mitten in die Höhle der Löwen geführt hatten. Sie war klug genug gewesen, sich nie in seine Angelegenheiten zu mischen, und hatte dennoch die Fäden gezogen, um ihn vor größerem Schaden zu bewahren. Sie hatte sich als gute Gefährtin erwiesen, und manchmal dachte Lassiter, dass er sich in Gill verliebt hatte.

»No. 34«, sagte Gill und schob Lassiter einen Zimmerschlüssel über den Tisch. Sie hatte offensichtlich Freude daran, an alte Rituale anzuknüpfen. Die Brigade Sieben hatte ihnen häufig Kammern gemietet, in denen sie sich hatten unterhalten können. »Ich gehe davon aus, dass du allein und mit Begierde kommst. Ich könnte dich auf der Stelle verschlingen.«

Noch mehr Worte musste Gill nicht machen.

Sie stand auf, schwang den Hintern vor Lassiters Gesicht und verließ den Speisesaal durch eine der Nebentüren. Die Gäste an den Tischen kamen wieder zur Ruhe, unterhielten sich leise über die Fremde, die soeben gegangen war. Sie musterten den großen Mann am Ecktisch verstohlen.

Der Kaffee in Lassiters Krug war kalt.

Von Lincolns Nase troffen die Exkremente einer Taube, die sich wenige Sekunden zuvor auf der Skulptur niedergelassen hatte. Der Vogel hatte sich auf dem Schädel des republikanischen Präsidenten erleichtert und war danach mit ruhigen Flügelschlägen davongeflattert. Die bronzenen Adler auf dem Sockel des Denkmals hatten der Taube ohnmächtig hinterhergestarrt.

Brody Graham verkniff sich ein Lächeln.

Er wollte bei keinem der Flaneure und Spaziergänger, die den East River Drive heraufkamen, den Verdacht nähren, dass ihn das Malheur der Taube amüsiert hatte. Er verachtete Lincoln nicht im Eigentlichen, hatte jedoch wenig für Männer übrig, die sich nach Idealen und Hoffnungen richteten. Er bevorzugte das Gegenwärtige, das Greifbare, die Möglichkeit des Augenblicks.

Außerdem war Graham mit einer Frau verabredet.

Sie kam zügigen Schrittes auf den Grasflecken zugelaufen, auf dem sich das Lincoln-Denkmal erhob, und wechselte einen Blick mit Graham. Als sie auf wenige Schritte heran war, blieb sie stehen und betrachtete ebenfalls die Bronzeskulptur hoch oben auf dem Granitsockel. »Sie wollten mich sprechen, Sir?«

Graham setzte ein zufriedenes Lächeln auf. Er mochte es, sobald eine Sache nach seinem Plan lief. »In der Tat, Miss Warne. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen.« Er schritt um den Sockel herum. »Man hat Ihnen das Honorar bereits mitgeteilt?«

Der Mittelsmann für die junge Frau, die Florence Warne hieß und bis vor einigen Tagen für die Pinkerton Detective Agency gearbeitet hatte, war ein italienischer Schönling gewesen. Er hatte sich an Miss Warnes Fersen geheftet, als die Agentin New York hatte verlassen wollen, und ihr eine Offerte unterbreitet, die ihresgleichen suchte.

»Sie wollen mich als Leibwache?«, fragte Florence und wandte den Blick von Lincoln nicht ab. Sie hatte verstanden, dass man sie in der Öffentlichkeit nicht mit Graham in Verbindung bringen durfte. »Sie wissen nicht genug über mich, um mir eine solche Stellung vorzuschlagen.«

»Ich habe Erkundigungen eingezogen«, widersprach Graham und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Er wagte einen kurzen Blick zu der blondhaarigen Pinkerton-Agentin. »Sie wollen gegen Lassiter vorgehen, der mir ebenfalls die Laune trübt. Ich brauche jemanden als Leibgarde, der die gleichen Feinde hat.« Er wandte sich wieder der Statue zu. »Ich gebe Ihnen diese Gelegenheit kein zweites Mal, Miss Warne.«

Die Frau im schwarzen Kleid schlenderte gemächlich um die Statue herum. Sie behielt die angrenzenden Wiesen im Auge, ebenso die Kutschen, die sich dem Denkmal näherten und davor verlangsamten. »Ich bin Ihrem Angebot nicht abgeneigt. Sie zahlen guten Lohn für wenig Arbeit.«

Das Lohngebot hatte beim dreifachen Betrag jenes Honorars gelegen, das die Pinkerton-Agency ihren Leuten zahlte. Es war eine lächerliche Summe in Grahams Augen, doch sie vermochte möglicherweise eine Frau zu binden, deren Fertigkeiten und Kenntnisse von unschätzbarem Wert waren. »Sie müssen meinen Lohn nicht für ein Almosen halten. Ich brauche Sie in meinen Diensten.«

Eine Kalesche mit vier Ausflüglern rollte heran, die sich über Lincolns sitzende Positur mokierten und laut zu lachen anfingen. Das Gespann fuhr zweimal um das Denkmal herum und stob mit galoppierenden Pferden davon. Miss Warne blieb hinter Graham stehen und sah zu den Dächern von Philadelphia hinüber. »Wie ich bereits sagte, bin ich alles andere als abgeneigt. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen trauen darf, Mr. Graham.« Sie ließ eine längere Pause. »Sie haben ein Schiff der US-Navy in die Luft gesprengt.«

Abermals unterdrückte Graham ein Lächeln. »Sie haben einiges mehr auf dem Kerbholz, Miss Warne. Ich gehe davon aus, dass Sie glauben, ich würde Sie auf Lassiter ansetzen. Vorerst hätte ich jedoch andere Pläne für Sie.«

Sie einigten sich mit wenigen Worten darauf, den Sedgley Drive hinunterzulaufen, der von Platanen und Buchen gesäumt war. Die dichten Baumkronen spendeten Schatten und sorgten zugleich dafür, dass niemand allzu leicht erkannte, mit wem sich Graham traf.

»Welche anderen Pläne?«, fragte Florence und musterte Graham zum ersten Mal. Sie hatte ihn mit der gleichen herausfordernden Miene angeblickt, als er ihr in New York begegnet war. »Ich stelle Ihnen unter Beweis, dass ich Leibgarde tauglich bin.«

»Davon bin ich überzeugt.« Graham lächelte dünn. »Sie müssen einen Mann namens Cipriano Ferrandini für mich finden. Der Kerl soll sich in Maryland aufhalten.« Er wies über die Schulter in Richtung des Denkmals. »Er ist vor knapp dreißig Jahren verdächtigt worden, ein Attentat auf Lincoln vorbereitet zu haben, als dieser vor seiner Vereidigung stand.«

Die junge Frau neben Graham machte ein despektierliches Geräusch. »Sein Plan muss ohne Erfolg geblieben sein. Lincoln starb erst vier Jahre darauf durch einen Attentäter.«