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Die Flügeltüren schlugen krachend gegen die Paneele der Außenwand, während ein massiger Körper scheinbar schwerelos aus dem Saloon segelte und kurz darauf im Dreck der Straße landete. Der harte Aufprall trieb dem bärtigen Dickwanst die Luft aus den Lungen, und als er mühsam die Augen öffnete, ragte ein Pferd über ihm auf. Dem Mann im Sattel war es gerade noch gelungen, seinen Braunen zu zügeln, und er blickte nun in einer Mischung aus Verärgerung und spöttischem Mitgefühl auf den Bärtigen herab.
"Das wird dich lehren, einer anständigen Frau derart dreist an die Wäsche zu gehen!" Die Besitzerin der ebenso lauten wie rauen Stimme stürmte aus dem Schankraum auf den Sidewalk und stemmte die Fäuste in die ausladenden Hüften. Doch ihre finstere Miene hellte sich augenblicklich auf, als sie den Mann im Sattel erkannte.
"Da hol mich doch der Teufel!", brüllte sie. "Lassiter!"
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Lassiter in der Venusfalle
Vorschau
Impressum
Lassiterin derVenusfalle
von Kolja van Horn
Die Flügeltüren schlugen krachend gegen die Paneele der Außenwand, während ein massiger Körper scheinbar schwerelos aus dem Saloon segelte und kurz darauf im Dreck der Straße landete. Der harte Aufprall trieb dem bärtigen Dickwanst die Luft aus den Lungen, und als er mühsam die Augen öffnete, ragte ein Pferd über ihm auf. Dem Mann im Sattel war es gerade noch gelungen, seinen Braunen zu zügeln, und er blickte nun in einer Mischung aus Verärgerung und spöttischem Mitgefühl auf den Bärtigen herab.
»Das wird dich lehren, einer anständigen Frau derart dreist an die Wäsche zu gehen!« Die Besitzerin der ebenso lauten wie rauen Stimme stürmte aus dem Schankraum auf den Sidewalk und stemmte die Fäuste in die ausladenden Hüften. Doch ihre finstere Miene hellte sich augenblicklich auf, als sie den Mann im Sattel erkannte.
»Da hol mich doch der Teufel!«, brüllte sie. »Lassiter!«
»Misty Maroon...«
Lassiter tippte sich grinsend an die Krempe seines Stetsons, bevor er aus dem Sattel glitt.
Vor seinem Wallach schüttelte der Dicke benommen den Kopf, bevor er wieder auf die Füße kam. Er fletschte angriffslustig ein lückenhaftes Gebiss, doch als Lassiter kurzerhand seinen Remington zog und ihn vor der Nase des Bärtigen hin und her schwenkte, damit er am Tod schnuppern konnte, war kein weiteres Wort mehr nötig, um den Mann davon zu überzeugen, dass die Auseinandersetzung beendet war.
Er bedachte Lassiter und Misty mit wütenden Blicken, doch dann machte er kehrt trollte sich. Lassiter sah ihm einen Moment nach, bevor der Revolver zurück ins Holster wanderte, und als er sich umdrehte, warf sich ihm Misty bereits stürmisch an den Hals.
Der Braune schnaubte erbost, weil Miss Maroons nicht unbeträchtliches Körpergewicht Lassiter ins Taumeln brachte und ihn gegen den Wallach prallen ließ. Er tätschelte der Frau kurz den Rücken und unterdrückte ein Naserümpfen, denn der Geruch, der von ihr ausging, war durchaus herausfordernd.
An Misty Maroons Abneigung gegen Körperhygiene oder allzu häufigen Wechsel der Wäsche hatte sich seit ihrem letzten Treffen nichts geändert, und wie gewohnt umschwärmte ein kleines Geschwader munterer Insekten ihren verfilzten dunkelbraunen Haarschopf, der unter dem verschossenen Hut hervorquoll.
Lassiter ergriff ihre Schultern und brachte eine Armlänge zwischen sich und Misty.
»Freut mich auch, dich zu sehen«, brummte er und meinte es so.
Sie schob sich den Hut in den Nacken und musterte ihn mit fragender Miene. »Was zur Hölle treibst du hier, Romeo? Habe ich etwa etwas verpasst?«
Die Frage war nicht unberechtigt. Denn eine zufällige Begegnung zweier Agenten der Brigade Sieben kam äußerst selten vor in den riesigen Weiten der Vereinigten Staaten. Wenn man sich traf, dann im Allgemeinen, weil eine gemeinsame Mission einen zusammenführte.
Wobei es in Sacramento, der Hauptstadt von Kalifornien, nicht überraschte, auf Misty Maroon zu treffen. Denn die altgediente Agentin hatte sich kürzlich, wie Lassiter wusste, ganz in der Nähe eine kleine Farm gekauft. Und man raunte unter den Agenten, dass MM sich bald zur Ruhe setzen wolle.
Lassiter fiel es schwer, sich die Brigade Sieben ohne Misty Maroon vorzustellen. Zu oft waren sie in den vergangenen Jahren Seite an Seite durchs Feuer gegangen, und es war mehr als ein Dutzend Mal Misty gewesen, die ihm dabei den Hals gerettet hatte.
Als er nun Argwohn in ihren Augen sah – und tiefer darunter auch Verletztheit –, wohl, weil sie glaubte, dass eine Mission an ihr vorbei geplant worden war, schüttelte er rasch den Kopf.
»Nein, nichts dergleichen«, versicherte er. »Ich bin tatsächlich nur auf der Durchreise, Misty. Habe unten in Los Angeles einen Gefangenen abgeliefert, und man versprach mir telegrafisch, mich für vier Wochen in Ruhe zu lassen.«
»Im Ernst?« Misty Maroon zwinkerte verschmitzt, aber Lassiter kannte sie gut genug, um ihr die Erleichterung anzusehen. Es war eine Sache, sich aus freien Stücken von der Front zu verabschieden. Und eine andere, wenn man sich umsah und feststellen musste, auf einem Abstellgleis gelandet zu sein.
Sie schlug ihm mit der Faust gegen die Rippen, heftig genug, um Lassiter scharf die Luft ausstoßen zu lassen.
»Na, dann komm mit rein! Lass uns einen drauf trinken, uns mal wiederzusehen, ohne dass sofort tausend Kugeln links und rechts die Wände löchern!«
Es sprach nichts dagegen, also nickte Lassiter und band den Braunen am Hitchrack fest, bevor er Misty in den Schankraum folgte.
Die Blicke der anderen Gäste bedachten seine Freundin mit der üblichen Mischung aus Abscheu, Argwohn und Faszination, als sie durch die Tischreihen zum Tresen zurückkehrte; diese Erscheinung in ihrer speckigen Waldläuferkluft war in einer großen Stadt wie Sacramento kein gewöhnlicher Anblick, schon gar nicht für eine Frau.
Misty war komplett in dunkles, nur nachlässig gegerbtes Leder gekleidet, und von den Stiefeln über die an den Seiten geschnürten Hosen, dem Hemd, der knielangen, an den Säumen und Ärmeln ausgefransten Jacke, dem Batcave und dem Hexenhut sah alles so aus, als würde ihre Besitzerin die Sachen schon seit sehr vielen Jahren tragen – und nur selten ausziehen.
Mistys grobknochiges, wettergegerbtes Gesicht war vermutlich selbst in der Kindheit nicht anmutig gewesen, aber unter der meist bärbeißigen Miene verbarg sich ein Herz aus Gold, ein grimmiger Sinn für Humor und ein unverdrossener Optimismus, der selbst am Nordpol die Sonne dazu aufgefordert hätte, gefälligst Licht zu liefern, wenn man sich schon hierher bemühte.
Als Misty irgendwann feststellte, angestammten weiblichen Rollenbildern nicht gerecht werden zu können, hatte sie wohl stattdessen ihren eigenen Weg gewählt. Mit Tapferkeit, Intelligenz und eisernem Willen war es ihr gelungen, einen Platz in den Reihen der Brigade Sieben zu erobern, der vor ihr noch keiner Frau zugestanden worden war. Denn außer Misty Maroon waren Agentinnen stets vorwiegend wegen ihrer weiblichen Reize in den Dienst genommen worden.
Als kampferprobte Soldatin stand sie in den Reihen der Brigade allein neben ihren männlichen Kämpfern, doch es gab schon lange niemanden mehr, der ihre Fähigkeiten noch angezweifelt hätte.
Lassiter empfand Respekt, Bewunderung, Vertrauen und nach all den Jahren und gemeinsamen Abenteuern auch eine tiefe Zuneigung für die burschikose Frau – selbst wenn er der Behauptung, der Bursche vorhin sei ihr an die Wäsche gegangen, mit Skepsis begegnete. Denn es gab nun mal wenig an Mistys Äußerem, das einen solchen Übergriff herausgefordert hätte.
Als neben zwei Gläsern Whiskey auch zwei frisch gezapfte Biere vor ihnen standen und sie sich den Schaum des ersten Schlucks von den Lippen gewischt hatten, wurde Mistys Blick auf ihn ein wenig stechender.
»Also, wenn du nicht wegen eines Auftrags hier bist, dann doch wohl aus einem anderen Grund, habe ich recht? Wärst du einfach nur auf der Durchreise, dann wären wir uns nicht über den Weg gelaufen. Ich hätte höchstens eine Staubwolke gesehen, die dein Brauner auf der Mainstreet hinterlässt.«
Lassiter lachte trocken, denn Misty Maroon kannte ihn gut.
Er blieb selten länger als unbedingt nötig in einer so großen Stadt wie Sacramento – oder gar derart monströsen Schwestern von Kaliforniens Hauptstadt wie Chicago, New York oder Washington. Bei so vielen Menschen auf einem Haufen wurde ihm stets die Brust zu eng. All der Lärm und Müll, menschliche Ausscheidungen in physischer wie moralischer Form, künstliches Licht, künstliche Schönheit, eine hysterische Form von Leben, die mehr vortäuschte, als das, von dem sie sich nährte, der Zwang, die Nacht zum Tag zu machen und umgekehrt... nichts davon war geeignet für ihn, sich wohlzufühlen.
Er griff nach dem Bourbon und leerte das Glas zur Hälfte, bevor er antwortete: »Okay, du hast recht. In Los Angeles sagte man mir, dass hier ein Brief für mich hinterlegt wurde.«
Misty hob die Augenbrauen. »Oh. Und von wem?«
»Keine Ahnung. Der Brief liegt noch drüben im Büro von Aldous Locksley. Ich war auf dem Weg, als dein aufdringlicher Bewunderer mir vor die Hufe gefallen ist.«
Misty erlaubte sich ein anzügliches Grinsen, bevor sie erwiderte: »Locksley? Das bedeutet, der Brief stammt von jemandem, dem du als Agent geholfen hast...«
Lassiter nickte, denn bei Locksley, einem angesehenen Notar, der auch für den Gouverneur von Kalifornien arbeitete, handelte es sich um den hiesigen Kontaktmann der Brigade Sieben. »Das dürfte stimmen. Trotzdem weiß ich nicht, worum es geht.«
Hinten neben der nach oben zu den Zimmern führenden Treppe setzte jemand das automatische Piano in Gang, und als eine alte, traurige Melodie erklang, wog Misty für einen Moment versonnen den Kopf hin und her. Ihre Züge entspannten sich, sie griff nach ihrem Bier und nippte daran, bevor sie über den Rand des Kruges hinweg Lassiter musterte und dabei durchaus kokett die schmalen Lippen schürzte.
»Ich vielleicht schon«, brummte sie.
Lassiter runzelte die Stirn und fragte: »Warum das?«
»Ist doch nur ein paar Monate her, dass du Howard Johnson den Hals gerettet hast, oder nicht?«
»Das stimmt. Aber...« Lassiters Blick wurde eindringlicher. »Du warst zu dieser Zeit nicht hier – hattest du nicht oben in Oregon zu tun?«
Misty nickte und kratzte sich an der Schläfe. Dabei schreckte sie ein paar Fliegen auf, die verärgert dem Dickicht des Haarfilzes entflohen und um ihren Kopf kreisten, bevor sie sich an anderer Stelle wieder niederließen.
»Locksley hat mir davon erzählt. Howard Johnson hatte sich mit einer Bande übler Bandoleros angelegt, aber du hast sie in die Flucht geschlagen und ihn nach Sacramento gebracht.«
»Das war ich nicht allein. Die Brigade Sieben hat den Hombre als wertvollen Informanten betrachtet, nur deshalb haben wir ihn da rausgeholt«, erwiderte Lassiter, und der Tonfall seiner Stimme verriet, dass er das Gefühl hatte, sich rechtfertigen zu müssen. »Er behauptete, die Bandilla de los locos hätte ihn grundlos überfallen und sein Bordell angezündet...«
Misty Maroon nickte, obwohl der Ausdruck ihres Gesichts dem widersprach. »Was im Prozess am Gericht von Sacramento bestätigt wurde. Johnson hatte einen guten Anwalt. Zuletzt wurde er freigesprochen und verließ als freier Mann den Gerichtssaal.«
Lassiters Augen verengten sich, als er Misty in den Blick nahm. »Du glaubst also, er ist nicht so unschuldig, wie er sich gab. Stimmt's?«
»Das«, erwiderte Misty achselzuckend, »hast du doch genau so gesehen, oder? Zeugen haben etwas von einer großen Summe Geld erzählt, die die Bandoleros in sein Etablissement investiert haben wollen – ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Zigtausend Dollars waren spurlos verschwunden.«
»Es war ein Auftrag. Unwichtig, was ich darüber dachte.«
Misty verdrehte die Augen und griff nach ihrem Whiskey. »Langsam hörst du dich schon an wie Milton...«
Milton Huxley war Lassiters Mentor gewesen, der ihn zur Brigade Sieben geholt hatte. Die Männer waren sich immer sowohl eng verbunden gewesen, wie auch stets aneinandergeraten, wenn es um Moral und Ehrlichkeit ging.
Lassiter schüttelte entschieden den Kopf. »Sicher nicht. Milton war ein Kettenhund der Brigade – er tat alles, was ihm befohlen wurde, ohne nachzufragen.«
»Wo steckt er eigentlich?«, fragte Misty, während sie die verbliebene Hälfte ihres Drinks im Glas schwenkte und darauf starrte, als würde der winzige Strudel eine interessante Wahrheit offenbaren.
»Montana, glaube ich. Ist mit Philomena dorthin gezogen...«
»Schön für ihn...«
»Kann es sein, dass wir vom Thema abweichen?«
Mistys Lachen klang rasselnd, was Lassiter für einen kurzen Moment sorgenvolle Gedanken bereitete, doch als sie endlich zur Sache kam, war dies rasch wieder verdrängt.
»Okay, zurück zu Howard Johnson. Man hört hier in der Stadt so einiges über ihn. Er hat irgendwo oben in den Bergen einen Palast errichtet.«
»Ein Palast? Was meinst du damit, Misty?« Lassiter schüttelte ungeduldig den Kopf, weil er nicht verstand, worauf ihre Worte hinauslaufen sollten.
»Eine Burg, ein Schloss – nenne es, wie du willst«, erwiderte Misty Maroon, während sie eine Pfeife und einen Tabaksbeutel aus den Tiefen ihrer Manteltaschen hervorholte und auf den Tresen legte. »Niemand weiß, wie es aussieht oder wo genau es sich befindet. Nur, dass es offenbar existiert. Ein Ort der Entspannung, der selbst ausgefallenste Wünsche erfüllt – so hat Johnson selbst es beschrieben, als er vor ein paar Wochen genau hier in diesem Saloon damit angegeben hat.«
Sie stopfte Tabak in den Pfeifenkopf, holte ein Feuerzeug hervor, und kurz darauf blies sie würzigen Rauch aus. Mit der Pfeife im Mundwinkel hatte es den Anschein, als würde Misty sich beruhigen. Was nicht für Lassiter galt.
»Du warst doch bestimmt dabei«, vermutete Lassiter. »Als Johnson hier die Werbetrommel geschlagen hat für seinen Laden, oder nicht?«
Misty nickte, griff nach ihrem Bierkrug und nahm einen kräftigen Schluck. »Er preist die Burg als eine Art Schlaraffenland an, vor allem für männliche Bedürfnisse. Aber Menschen wie du und ich sind nicht eingeladen. Das ist nur etwas für betuchte Kunden, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Und warum kommst du darauf, dass ausgerechnet Johnson mir eine Nachricht schickt? Die Geschichte mit den Mexikanern ist über ein halbes Jahr her.«
»Wen sonst außer mir und Locksley kennst du hier in Sacramento, Lassiter?«, fragte Misty Maroon zurück und hob dabei beide Hände. »Wahrscheinlich will der Bursche dir einfach seine Dankbarkeit erweisen... aber ich an deiner Stelle wäre vorsichtig.«
Lassiter lehnte sich zurück. Das automatische Klavier spielte jetzt eine heitere Weise, und ein paar Männer und Frauen erhoben sich spontan zum Tanz.
Er spürte Misty Maroons forschenden Blick von der Seite, während er nach dem Bierkrug griff und ihn auf einen Zug leerte.
»Jetzt bin ich wirklich neugierig geworden«, gestand er Misty gegenüber ein. »Schätze, ich werde unseren Herrn Notar trotz der späten Stunde noch belästigen müssen.«
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»Wir sind in höchstem Maße erfreut, Sie bei uns begrüßen zu dürfen im Pleasuredome, dem Tempel der tausend Lüste!«
Die enthusiastische Stimme des schlanken Mannes im blütenweißen, weit geschnittenen Frack, begleitet von einer ausholenden Bewegung, ließ Daniel Vega einen halben Schritt zurückweichen und den Blick zur Seite wenden.
»Hat der sie noch alle?«, fragte er seinen Begleiter, Dexter Bane, der nach dem Aussteigen aus der Kutsche routiniert die Hand an den Revolver im Holster gelegt hatte.
Bane sah sich aufmerksam um, bevor er seinen Schützling beruhigte. »Hat er nicht. Aber Gefahr besteht keine, denke ich.«
»Wenn du das sagst, Dex...« Vega entspannte sich nur zögernd und taxierte den weiß livrierten Mann sekundenlang, bevor er den Kopf in den Nacken legte, denn das Gebäude, das sich vor ihnen erhob, schien geradezu in den Himmel zu wachsen.
Es erinnerte ein wenig an die Illustrationen, die Vega in Büchern über europäische Ritterburgen gesehen hatte. Eine Front aus hellem Sandstein, wenige Fenster, in der Mitte ein von mächtigen Säulen gestütztes Tor, über dem Öffnungen so schmal wie Schießscharten dunkel auf den Besucher herabschauten. Zwei massive Eisenketten kamen aus Öffnungen im Mauerwerk und hielten die herabgelassene Brücke, die über einen etwa zwanzig Fuß breiten und gute zehn Fuß tiefen Graben führte.
Das Gebäude war so majestätisch wie wehrhaft, doch die Frontseite gab wenig davon preis, was dahinter zu finden war.
»Mein Name ist Benjamin, meine Herren«, stellte der Mann im weißen Frack sich vor, »Majordomus und zuständig für alle Fragen und Wünsche unserer verehrten Gäste. Scheuen Sie sich nicht, nach mir zu rufen, wenn Ihnen etwas einfällt, das wir noch nicht vorausgesehen haben.«
Er winkte dem Kutscher zu, der ihre Gepäckstücke neben das Fuhrwerk gestellt hatte und nun seinen Pferden die Peitsche gab, um den Rückweg anzutreten. Als Bane Anstalten machte, sich der Koffer anzunehmen, winkte der weiß Gekleidete ab. »Nicht nötig, Sir. Darum kümmert sich das Personal. Ab sofort brauchen Sie nichts mehr zu tun, außer sich den Wonnen zu ergeben, die wir für Sie bereithalten.« Er wackelte auffordernd mit den Augenbrauen, und so blieb ihnen kaum mehr etwas anderes übrig. Sie folgten dem Mann über die Zugbrücke in die Trutzburg hinein.
In der dunklen Durchfahrt, lang genug, um ein sechsspänniges Fuhrwerk aufzunehmen, wurden sie von vier bewaffneten Wächtern beäugt, doch der Weißgekleidete winkte diskret ab, so dass man sie ohne weitere Kontrolle passieren ließ. Das zweite, innere Tor wurde geöffnet, und sofort kamen dienstfertige Kofferträger an ihnen vorbei, während sich die Augen der beiden Ankömmlinge weiteten.
»Donnerwetter«, entfuhr es Danny Vega, und selbst der mürrische Dexter Bane nickte anerkennend.
»Nicht übel«, brummte er angesichts des prächtigen Patios, in dem sich üppiges Grün von Palmen mit leuchtend roten Blüten von Bougainvilleen und kanariengelben Sonnenblumen abwechselte. Im Hintergrund des etwa dreißigmal vierzig Yards messenden Innenhofs standen sogar einige Orangenbäume, die reife Früchte trugen.
Genau in der Mitte des Patios befand sich ein Springbrunnen, und die kleinen Fontänen, die im Zentrum aus einer Marmorstatue plätscherten, waren kristallklar. Vega kicherte, das frivole Detail nämlich, die Wasserstrahlen aus den Brüsten einer wohl proportionierten nackten weiblichen Figur hervorsprudeln zu lassen, war ganz nach seinem Geschmack.
Zwei junge Frauen räkelten sich auf dem breiten Sims, das den Brunnen einfasste, und lächelten den Besuchern entgegen. Sie waren so nackt, wie Gott sie erschaffen hatte, und ihre kurvenreichen Körper makellos. Trotz der frischen Luft und der Schatten, die die Palmen spendeten, brach Vega postwendend der Schweiß aus.
Benjamin, der Majordomus, klatschte affektiert in die Hände. »Was ist denn los, meine Teuren? Wollt ihr unsere Gäste nicht angemessen willkommen heißen?«
Die Frauen gehorchten, erhoben und näherten sich mit tänzelnden Bewegungen. Vega grinste, als die Brünette ganz unverblümt die Arme um seinen Hals legte und ihn ohne zu zögern küsste wie einen lang vermissten Geliebten. Bane neben ihm hingegen schüttelte nur den Kopf und streckte der Blonden abwehrend die linke Hand entgegen, während seine rechte sich auf den Revolvergriff legte.
»Er ist ein bisschen schüchtern«, erklärte Vega nachsichtig und umfasste beherzt die Taille der brünetten Grazie neben sich. Seine Blicke wanderten lüstern über die nackte Haut der Frau, und er leckte sich die fleischigen Lippen. »Habt ein wenig Geduld mit ihm, ihr Hübschen. Wie wäre es erst einmal mit einem Drink?«
»Selbstverständlich.« Benjamin deutete auf eine kleine Bar auf Rädern, ein paar Schritte neben dem Becken des Springbrunnens und beschattet von einem rotweiß gestreiften Sonnenschirm. »Wir haben alles, was das Herz begehrt, natürlich eisgekühlt: französischer Champagner, spanischer Rotwein aus der Rioja, zwanzig Jahre gereifter schottischer Whiskey, Kentucky Bourbon,...«
»Ein kühles Bier würde mir reichen für den Anfang«, knurrte Bane und schob die Blondine, die ihm abermals die Hand auf die Schulter legen wollte, brüsk zurück. Sie zog einen Schmollmund, und der Mann in Weiß wies sie milde zurecht: »Du hast den Gent gehört, Sabrina. Ein kühles Bier, aber hurtig.«
Er wandte sich an Vega: »Und für Sie, Sir?«
»Ich schließe mich dem Wunsch meines Begleiters an«, gab Vega zurück. »Verzeihen Sie, wir sind schlichte Burschen.«
»Sehr wohl. Zwei Bier also.«
Der Weißgekleidete wirkte ein wenig enttäuscht, hob aber dennoch auffordernd die Augenbrauen in Richtung der Dirnen, und Sabrina ging hüftschwingend und sich ihrer Nacktheit offenbar nicht im mindesten schämend zur Bar hinüber, um aus dem kleinen Fass zwei Bierkrüge zu füllen.