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Über die geschliffenen Zinnen des Mount Tyndale fegte wehender Schnee hinweg, der Harry S. Yount in die Wangen schnitt und ihm den Bart vereiste. Der Sturm hatte die Kälte tief unter dem Nullpunkt gebracht und den Pfad hinauf zum Seward Creek in eine Eispiste verwandelt. Der Schneeharsch unter Younts Stiefeln knirschte wie zermahlene Knochen.
Fast zehn Unzen Gold hatte Yount in der Woche gemacht. Er hatte in seinem Stollen gehockt, die Hände in den Lederfäustlingen, und Schaufel um Schaufel nach draußen geschafft. Die Stoffsäckchen hatten sich rascher gefüllt, als er es sich erhofft hatte. Er wurde nicht reich dabei, doch es genügte ihm.
Plötzlich blieb Yount wie versteinert stehen. Seine Hütte im Creek war in Sicht gekommen, und aus dem Dach schlugen Flammen...
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Kein Engel am Yukon River
Vorschau
Impressum
Kein Engel amYukon River
von Marthy J. Cannary
Über die geschliffenen Zinnen des Mount Tyndale fegte wehender Schnee hinweg, der Harry S. Yount in die Wangen schnitt und ihm den Bart vereiste. Der Sturm hatte die Kälte tief unter den Nullpunkt gebracht und den Pfad hinauf zum Seward Creek in eine Eispiste verwandelt. Der Schneeharsch unter Younts Stiefeln knirschte wie zermahlene Knochen.
Fast zehn Unzen Gold hatte Yount in der Woche gemacht. Er hatte in seinem Stollen gehockt, die Hände in den Lederfäustlingen, und Schaufel um Schaufel nach draußen geschafft. Die Stoffsäckchen hatten sich rascher gefüllt, als er es sich erhofft hatte. Er wurde nicht reich dabei, doch es genügte ihm.
Plötzlich blieb Yount wie versteinert stehen. Seine Hütte im Creek war in Sicht gekommen, und aus dem Dach schlugen Flammen...
Von allen Dingen, die Harry S. Yount in seiner Zeit als Wildhüter gelernt hatte, schätzte er am meisten die Einsicht, dass sich die Natur nicht in die Suppe spucken ließ. Sie verrichtete ihr Werk mit Gleichmut und Ruhe, gleich einem Maler, der Jahre im Voraus wusste, was auf seinen Gemälden zu sehen sein würde. Die Wildnis hatte ihre eigenen Gesetze.
Mit einem glatten Durchschuss holte Yount den Falken vom Himmel.
Der Raubvogel hatte über seiner ausgebrannten Hütte gekreist und sich ab und zu in die Tiefe gestürzt, um im kniehohen Schnee ein Kaninchen oder eine Blattmeise zu erbeuten. Er fiel taumelnd und mit fliegenden Federn vom Himmel, schlug auf einen Felsen und rutschte herunter.
Yount sammelte ihn mit den beiden anderen Falken auf.
Er briet ihn am Abend am Spieß, verzehrte das zarte Fleisch mit Genuss und fühlte sich zugleich als Eindringling in einer Natur, die den Menschen nicht brauchte. Er hatte sich bewusst für Alaska entschieden, für das Land der Stille und des Goldes, in dem man mit harter Arbeit zu Vermögen kam oder gar nicht.
Die Hütte war absichtlich angesteckt worden.
Vor der Tür hatten die Reste eine Teerfackel gelegen, ein Stock, der mit einem Tuch umwickelt worden war. Die Nägel hatten herausgeschaut, mit dem der Stoff befestigt worden war. Das Holz war am unteren Ende verkohlt gewesen; offenbar hatte die Fackel nicht mehr rechtzeitig gebrannt.
Irgendwo hatte sich Yount Feinde gemacht.
Er war selten unten in Eagle, das aus kaum mehr als ein paar Holzhütten bestand und von den Dampfern lebte, die den Yukon heraufkamen. Sie hatten in jüngster Zeit sogar ein Inn gebaut, das Commeau Inn, in dem Handelsreisende abstiegen, die auf dem Weg nach Kanada waren.
»Wem machst du etwas vor?«, flüsterte Yount dem Falken zu, dessen Flügel traurig vom Spieß hingen. Er verzehrte das Fleisch ohne rechte Lust. »Du bist allein, und zum Dank zündet man dir die wenige Habe an, die du noch besitzt.« Er biss ein Stück ab. »Ich muss mir nichts vormachen, mein Freund.«
Einige Meilen nordöstlich lag die Tlingitsiedlung, die Yount häufiger aufsuchte und von der er wusste, dass sie den Bewohnern von Eagle und den anderen Einheimischenstämmen in der Gegend ein Dorn im Auge war. Er kannte die fünf Familien inzwischen gut und hatte ihnen einen Teil seines Goldes überlassen.
Gegen Mitternacht ging Yount schlafen.
Er wickelte sich in das Grizzlyfell, das den Brand weitestgehend überstanden hatte, und lauschte dem Sturm, der behäbig über den Berg zog und abflaute. Er musste an die Gämsen denken, die er im Frühjahr gesehen hatte und die ihm so majestätisch vorgekommen waren.
Erst im Morgengrauen wurde Yount wieder wach.
Er war von einem Blinken in der Sonne geweckt worden, eine Spiegelung auf dem Berggrat, die er zunächst für ein Schneebrett oder eine Eisscholle gehalten hatte. Er war aufgestanden und auf den Hügel hinter der Hütte gestiegen.
Doch das blinkende Licht war keine Eisscholle.
Es kam von der Linse eines Fernrohrs, das ihn und die Hütte beobachtete und eilig verschwand, als Yount in dessen Richtung spähte. Der frühere Wildhüter watete durch den Schnee zu seinem Gewehr, ging hinter der rußschwarzen Giebelwand, die noch zur Hälfte unversehrt war, in Deckung.
»Verschwindet!«, schrie Yount voll Zorn und gab einen Schuss ab. »Verschwindet! Geht fort! Ich knalle euch ab!«
Er hatte derbere Flüche auf der Zunge, schmutzige Worte, die ihm in den Sinn kamen, obwohl er Jahre nicht an sie gedacht hatte. Er wollte die Männer dort oben als Hurensöhne, Bastarde und Hunde verhöhnen, wollte seiner Furcht einen Ausdruck geben, seiner nackten, pulsierenden Angst in den Adern.
Die Fremden schossen nicht.
Sie blieben in respektvollem Abstand zu ihm, schlichen den Grat hinauf und beobachteten ihn abermals mit dem Fernrohr. Yount hielt sie für Goldprospektoren, für Minenleute, die sich für seinen Claim interessierten und ihn deshalb belagerten. Er würde ihnen kein Zollbreit Land verkaufen, mochten sie seine Hütte noch so oft niederbrennen.
Er würde Alaska nicht wieder verlassen.
Seine Anstellung als Ranger im Yellowstone-Park lag vier Jahre zurück, und er hatte den Schluss gezogen, dass es die glücklichste und zermürbendste Zeit seines Lebens zugleich gewesen war. Er hatte in einer Hütte am Lamar River gelebt und das Soda Butte Valley durchstreift, oft ganze Tage und Nächte hindurch.
Er war froh gewesen, sobald ihm in der Dämmerung Hirsche begegnet waren, und hatte zerknirscht vor Seen gekniet, aus denen jeder einzelne Fisch verschwunden war. Er hatte vergeblich Verstärkung angefordert, hatte Briefe über Briefe geschrieben. Gegen die Wilderei hatte er als einzelner Mann nichts ausrichten können.
»Verschwindet!«, brüllte Yount am Mittag erneut und schoss. Er vertrieb die Männer fürs Erste und schnürte sein Bündel. Er wollte die Fallen unten am Ausgang des Creeks leeren. »Verschwindet von meinem Land.«
Später am Nachmittag zog ein weiterer Sturm auf.
Er war milder und weniger garstiger als der erste, doch er genügt, um Schwaden von Schnee über die Berghänge zu treiben, bis zum Yukon River hinunter, dessen Ufer zu frieren begannen. Sie konnten den Fluss noch ein oder zwei Wochen schiffbar halten, bevor sie die Schlitten nehmen mussten.
In einer der Fallen hing ein Hase.
Er war steifgefroren, steckte mit den Ohren im Schnee und war von einem anderen Tier ausgeweidet worden. Der Bügel hatte sich in seinen Bauch geschnitten, und Yount brauchte eine Weile, um ihn freizubekommen. Er sprach dem Hasen im Stillen Dank für dessen Leben aus, wie er es immer tat, wenn er ein Tier töten musste.
Yount schulterte sein Bündel und setzte den Abstieg fort.
✰
Wenige Tage vor Weihnachten war Regen über die Sümpfe von Louisiana hinweggezogen und hatte aus dem ohnehin nassen Land einen morastigen Tümpel gemacht. Zwar waren die Moskitos verschwunden, die jeden in den Wahnsinn trieben, der zum ersten Mal in den Süden kam, dafür hing in eine Feuchte in der Luft, die einem den Atem nahm.
Der Mann am Stadtrand von Bayou Crossing störte sich nicht daran.
Er war breitschultrig, hatte stechend blaue Augen und lehnte mit gekreuzten Beinen am Depot der Southern Louisiana Railroad, mit der er aus Washington D. C. gekommen war. Er trug ein Holster mit einem .38er-Remington darin, darüber einen Gehrock aus feinem Jersey und eine Weste mit einer Uhrenkette daran. Man hätte ihn für einen Handelsreisenden halten können, wären seine wilden Gesichtszüge nicht gewesen, und genau darin bestand die Absicht des Fremden.
»Bayou Crossing?«, sprach ihn der Schaffner der Southern Louisiana an. »Wollten Sie nach Bayou Crossing?«
Fast die ganze Zugfahrt hinunter in den Süden war der Angestellte der Eisenbahngesellschaft um seinen seltsamen Fahrgast herumgeschlichen, der nur einen einzigen Tee geordert und sonst nichts gewollt hatte. Er war bestrebt gewesen, aus dem Passagier im Abteil 22b etwas herauszubekommen, doch dieser hatte stoisch geschwiegen.
»Bayou Crossing«, bekräftigte Lassiter und nickte dem Schaffner zu. »Ich bin am Ziel, Mr. Matthews.«
Der Angesprochene verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung, und als er gegangen war, entschloss sich Lassiter zu einem Gang durch die Stadt. Er war eine ganze Stunde zu früh in Bayou Crossing, jenem Städtchen, das man ihm telegraphisch als Treffpunkt genannt hatte. Er sollte um genau vier Uhr nachmittags – also in einer guten Stunde – zur Kirche der Siedlung gehen.
Der Regen tat dem Mann der Brigade Sieben gut.
Er hatte die letzte Woche im staubtrockenen Nueces County verbracht, in dem über hundert Grad Fahrenheit geherrscht hatten. Die Mexikaner, mit denen er gewohnt hatte, waren in ihren Hütten geblieben, so heiß hatte die Sonne gebrannt. Die Frauen hatten ihm eine Mischung aus Lehm und Ei auf die Haut geschmiert, als er nach Houston aufgebrochen war.
Die Presbyterianerkirche von Bayou Crossing war ein imposanter Ziegelbau, dessen Turm von weißen Zinnen bekrönt war. Sie stand auf einer Anhöhe nördlich der Stadt und war über einen Karrenweg zu erreichen, der von Pappeln gesäumt war. Die Bänke hatten Holzschnitzereien an der Gangseite, und Lassiter betrachtete jede einzelne davon, als hinter ihm jemand die Kirche betrat.
Es war ein Mann von fünfzig oder sechzig Jahren.
Er lief an Lassiter vorbei, leerte den Opferstock vor dem Altarraum aus und kam mit dem Münzen zurück. Er sprach Lassiter in breitem Südstaatenslang an und erkundigte sich, ob es Pelikane an der Bahnstrecke gegeben habe.
Das Schlüsselwort aus dem Telegramm war Pelikan gewesen.
Obgleich Lassiter die mächtigen Vögel mit ihren auffälligen Schnäbeln an einem Weiher gesehen hatte, schüttelte er den Kopf. Er erfüllte dadurch seinen Teil des geheimen Codes, mit dem er sich seinem Mittelsmann Gordon Scott zu erkennen gab. Er lächelte und reichte Scott die Hand. »Lassiter. Einfach nur Lassiter.«
Der Mittelsmann brachte ihn die Sakristei des Gotteshauses, in der es muffig nach feuchtem Holz roch. Er holte ein Kuvert unter dem Mantel hervor, händigte es Lassiter aus und schüttete die Münzen in eine Truhe, die in der Ecke stand. »Sie sollten sich den Brief darin ansehen. Er ist uns vom Justizministerium zugestellt worden und an Sie adressiert.«
Stirnrunzelnd öffnete Lassiter das Kuvert und zog einen Stapel Papiere daraus hervor. Er blätterte die Seiten durch und fand einen Brief, auf dem in ungelenker Handschrift sein Name und eine Straße in Washington standen. Oberhalb der Anschrift war ein Stempel des U. S. Postal Service, den man in Sitka, Alaska, aufgestempelt hatte.
»Alaska«, sagte Lassiter und riss auch den Brief auf. Das Schreiben bestand nur aus wenigen Zeilen. »Wie ist das Justizministerium darauf gestoßen?«
Scott schloss die Truhe ab und setzte sich darauf. Er faltete die Hände und sann eine Weile nach. »Ich bin nicht befugt, Ihnen sämtliche Einzelheiten zu sagen. Der Brief ist an ein altes Verbindungsbüro gegangen, das bis vor zwei Jahren bestanden hat. Der Absender muss Ihnen vor einiger Zeit begegnet sein.«
Der Verfasser des Briefes war ein Mann namens Harry S. Yount, dessen Bekanntschaft Lassiter vor vier Jahren gemacht hatte. Yount war Wildhüter im Yellowstone-Park gewesen. Lassiter war auf ihn gestoßen, als er Ray Lynch, genannt Lupo, gejagt hatte. Yount war Lassiter als tapferer und aufrechter Mann in Erinnerung geblieben, der keine Bettelbriefe schrieb.
Nun bat Yount um Hilfe.
»Alaska hat uns den Brief bestätigt«, sagte Scott und erhob sich von der Truhe. »Der Gouverneur ist der Meinung, dass am Yukon River Claim-Spekulanten aufgetaucht sind. Sie setzen Männer wie Yount unter Druck und nehmen ihnen das Land ab, um die Goldadern darauf auszubeuten.«
Die kargen Zeilen Younts drehten sich um das wenige Gold, dass der Wildhüter aus dem Berg geholt hatte, und um ein Einheimischendorf in der Nähe, dem er hin und wieder Almosen gab. Er behauptete, dass er im letzten Monat zweimal ausgeraubt worden wäre und dringend Hilfe bräuchte.
»Spekulanten?«, fragte Lassiter und sah auch die restlichen Papiere durch. Das Hauptquartier hatte Informantenberichte mitgeschickt, die Younts Aussagen untermauerten. »Soll ich sie festsetzen?«
»Sie sollen ihnen das Handwerk legen«, meinte Scott und nickte. »Der Gouverneur will Frieden am Yukon River. Er ist froh über die Dampfschiffe, die inzwischen verkehren, und will keinen Ärger.« Er lächelte dünn. »Sie könnten Ihrem Freund ein Weihnachtsgeschenk machen.«
Yount war in der Tat ein Freund.
Gemeinsam hatten er und Lassiter um das Leben der Senatorentochter Aubrey Banks gekämpft, die im Yellowstone-Park entführt worden war. Sie hatten den Bannock-Stämmen zu einem würdigeren Dasein verholfen. Durch die Ereignisse war Yount darin bestärkt worden, dass der Park einen Trupp bewaffneter Ranger brauchte. Seine Berichte dazu waren indes auf taube Ohren gestoßen.
»Ich besteige den nächsten Dampfer nach Sitka«, sagte Lassiter und nahm das Kuvert an sich. »Ich telegraphiere Ihnen aus Alaska.«
✰
Unter den qualmenden Schloten der Tully James hatte sich eine buntgemischte Schar Passagiere eingefunden, die offensichtlich nichts lieber tat, als sich zu betrinken und Karten zu spielen. Die Männer und Frauen auf dem Dampfschiff verstanden sich blind, hakten sich unter und grölten bis in die Nacht hinein dieselben irischen Trinklieder. Sie waren nicht das erste Mal an Bord.
Misslaunig blickte Lassiter in den Sternenhimmel hinauf.
Er hätte sich zu anderen Zeiten neben die Fischer, Minenarbeiter, Goldsucher und Pelzhändler gesetzt, doch die Sache mit Harry S. Yount bedrückte ihn. Er hatte über Younts kompromisslose Pflichttreue oft nachgedacht, und dass nun gerade dieser Mann zum Opfer gewissenloser Überfälle wurde, war zutiefst ungerecht. Die Reise hinauf nach Alaska stand unter seltsamen Vorzeichen.
Das Schiff war vor den Graham Islands und nahm an Fahrt auf.
Aus dem Hauptquartier hatten Lassiter per Kurier einige nützliche Schriftstücke erreicht, darunter eine gefälschte Frachtbescheinigung der Alaska Western Trading Co., die ihn als Händler für Lampenöl und Fischtran auswies. Er hatte sich als Thomas Murphy in die Passagierliste der Tully James eingetragen, und der Steward des Dampfers, Mr. Houghton, hatte einen Narren an ihm gefressen.
»Vor Sitka liegt die Tiger King vor Anker«, sprach Houghton Lassiter von hinten an. Er hatte eine höfliche Zeitspanne gewartet, bis er an den Mann der Brigade Sieben herangetreten war. »Sie soll abgewrackt werden. Ich frage mich, ob dieses Schiff für Leute wie Sie von Interesse ist.«
Der Mond stand hell und ruhig über der See, warf einen fahlen Schimmer auf die endlose Wasserfläche. Sie waren an einigen Fischerkähnen vorübergekommen, die ihren Fang in der Nacht einholten. Lassiter wiegte den Kopf und wandte sich zu Houghton um. »Weshalb kümmert es Sie? Ich bin nicht auf der Suche nach Geschäften. Ich muss in den Norden, an den Yukon.«
Das Hauptquartier hatte Lassiter brüsk angewiesen, sich von keinerlei Dingen aufhalten zu lassen und Yount unverzüglich aufzusuchen. Der Gouverneur von Alaska erwartete, dass der Yukon River bis zum Jahresende wieder ein unbescholtener Ort war. Die Gerüchte um die ausufernde Landspekulation hatten das Alaska-Territorium in Unruhe versetzt.
»Zwanzig Tage bis zum Weihnachtsabend«, sagte Houghton und lauschte auf die Passagiere, die auf dem Unterdeck lärmten. Er wies niemanden zurecht, hielt jedoch ebenso wenig mit seiner Meinung hinter dem Berg. »Ich hatte gedacht, dass Sie einem netten Geschäft vor Weihnachten nicht abgeneigt wären. Die Tiger King ist opulent ausgestattet. Sie könnten Wandverkleidungen, Kristallglas, Deckenleuchter zum Spottpreis bekommen.«
Der rußschwarze Rauch des Dampfschiffes drang Lassiter in die Nase. Er wandte sich von der Reling ab und schaute zu Houghton. »Zahlt man Ihnen Provision dafür, Sir? Zahlt man Ihnen Prämien dafür, dass Sie arglosen Passagieren etwas aufschwatzen?«
Halb ertappt, wie er sich nun fühlte, stöhnte Houghton auf. »Sie durchschauen jeden Menschen, Mr. Murphy. Ich muss meine Anteile an der Tiger King loswerden. Sie ist fast zehn Jahre gefahren, hat Gewinne mit ihrem Roulette gemacht. Sie war in Alaska zeitweise der einzige Platz, an dem sich die Annehmlichkeiten unserer Zivilisation erleben ließen.« Er deutete über die Schulter. »Sie haben die Inseln gesehen. Ein karges, unwirtliches, schreckliches Stück Land.«
Die Tully James ändere den Kurs und ließ eine weitere Insel an Backbord zurück. Die Männer brachen zu einem Rundgang über das Deck auf, das Lassiter nach eintägiger Fahrt inzwischen wohlbekannt war. »Ich mache Ihnen keine Vorwürfe, Mr. Houghton. Sie tun nur, was jeder Geschäftsmann in Ihrer Lage tut.« Er lächelte. »Aber ich muss Sie enttäuschen, ich bin nicht interessiert.«
Beinahe traurig klang Houghton daraufhin, als er abermals die Vorzüge der Tiger King anpries. Er hatte unzweifelhaft etwas übrig für dieses Schiff, und als er mit seinen Ausführungen endete, beschloss Lassiter für sich, dass er dem Wrack einen Besuch abstatten würde.
Zehn Stunden darauf bot sich dafür Gelegenheit.
Seine blitzartige entstandene Freundschaft mit Houghton hatte die angenehme Folge, dass im Hafen von Sitka eine Kalesche für ihn bereitstand, die sein Gepäck ins Hotel und ihn zur Tiger King