Lassiter 2632 - Kolja van Horn - E-Book

Lassiter 2632 E-Book

Kolja van Horn

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Beschreibung

Als die Horde hinter der Anhöhe aus dem Morgendunst zu wachsen schien, tauchte die aufgehende Sonne die Gestalten in purpurrotes Licht. Corben Byron hielt den Kaffeebecher noch in der Hand - nun stellte er ihn auf dem Geländer der Veranda ab, um nach dem Karabiner zu greifen. Mit dem Gewehr in beiden Händen stieg er die Stufen zum Vorhof hinab und ging den Reitern entgegen.
Es war lange her, doch er erkannte den Anführer sofort. Angst kroch mit kalten Klauen an seiner Wirbelsäule empor.
"Desmond Levane", knurrte Byron, als die Revolvermänner ein paar Schritte vor ihm ihre Pferde zügelten. "Was in drei Teufels Namen willst du hier?"
Levane lächelte. "Was denkst du? Schulden eintreiben natürlich." Demonstrativ blickte er über den Rancher hinweg. "Mit Zins und Zinseszins dürfte dein Besitz dafür wohl so eben ausreichen."


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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Hurricane-Jane

Vorschau

Impressum

Hurricane-Jane

von Kolja van Horn

Als die Horde hinter der Anhöhe aus dem Morgendunst zu wachsen schien, tauchte die aufgehende Sonne die Gestalten in purpurrotes Licht. Corben Byron hielt den Kaffeebecher noch in der Hand – nun stellte er ihn auf dem Geländer der Veranda ab, um nach dem Karabiner zu greifen. Mit dem Gewehr in beiden Händen stieg er die Stufen zum Vorhof hinab und ging den Reitern entgegen.

Es war lange her, doch er erkannte den Anführer sofort. Angst kroch mit kalten Klauen an seiner Wirbelsäule empor.

»Desmond Levane«, knurrte Byron, als die Revolvermänner ein paar Schritte vor ihm ihre Pferde zügelten. »Was in drei Teufels Namen willst du hier?«

Levane lächelte. »Was denkst du? Schulden eintreiben natürlich.« Demonstrativ blickte er über den Rancher hinweg. »Mit Zins und Zinseszins dürfte dein Besitz dafür wohl so eben ausreichen.«

»Ich schulde dir keinen Cent«, erwiderte Byron kalt und packte die Winchester fester – obwohl ihm klar war, dass er allein nicht die geringste Chance gegen Levane und seine zwölf finsteren Begleiter hatte.

Drüben in der Baracke der Cowboys rührte sich noch nichts, und auch seine Tochter und die drei weiteren Personen, die außer ihm im Haus schliefen, würden erst in etwa einer Viertelstunde aus den Federn steigen. Byron war stets der erste auf der Ranch, der im Morgengrauen aufstand und in der Frühe seinen Kaffee allein auf der Veranda trank. Ein Ritual, das er seit Jahren zelebrierte. Jeder auf der X-Ranch wusste, dass ihrem Besitzer diese einsame halbe Stunde wichtig war, daher ließ sich auch keiner vorher blicken.

Levanes Lächeln blieb unverändert, doch in seinen Augen blitzte es unheilvoll auf, während er antwortete: »In Dollar und Cent lässt sich deine Schuld vielleicht nicht bemessen. Wohl aber in Jahren, Corben.« Er stützte die in schwarzem Leder steckenden Hände auf dem Sattelhorn ab und lehnte sich ein wenig seinem Gegenüber entgegen. »Acht Jahre habe ich im Zuchthaus gesessen, Kumpel – und das verdanke ich dir.«

Unwillig schüttelte Byron den Kopf. »Acht Jahre? Dann bist du seit über zehn wieder ein freier Mann. Außerdem wissen wir beide, dass du ganz allein dafür verantwortlich warst. Wenn du mich fragst, bist du noch viel zu gut dabei weggekommen.«

»Das«, erwiderte Levane mit amüsierter Miene und kurzen Seitenblicken in Richtung seiner Kumpane, »ist ganz der Corben Byron, wie man ihn kennt, Messieurs. Selbstgerecht, überheblich, immer auf der Seite der Aufrechten.« Der Revolvermann schnaubte verächtlich. »Als hättest du es damals selbst immer so genau genommen mit Moral und Anstand. Dass ich nicht lache!«

Byron musste all seine Selbstbeherrschung aufwenden, um keinen Selbstmord zu begehen, indem er den Karabiner hochriss und Levane die diabolische Visage wegzuschießen versuchte. Er starrte den Priesterkragen unter dem sorgfältig getrimmten graumelierten Kinnbart seines Kontrahenten an und knurrte zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch: »Was steckt hinter diesem Aufzug? Du willst mir doch nicht weismachen, dass du neuerdings im Auftrag des Herrn unterwegs bist.«

Levane lachte auf. Ein kurzer trockener Laut, fast wie ein Peitschenknall. »Das wohl kaum. Ich würde es eher als modische Extravaganz bezeichnen; so wie dieser Mantel mit dem Pelzkragen, den du damals beim Pokern gewonnen hast, erinnerst du dich?« Er strich sich über den Stehkragen. »Ich nenne ein halbes Dutzend davon mein Eigen. Der Vorbesitzer braucht sie nicht mehr. Er hat das Zeitliche gesegnet, musst du wissen. Eine Meinungsverschiedenheit, die unschön für den Reverend endete.« Levane zwinkerte vertraulich. »Aber wir zwei werden uns doch bestimmt einig werden, hoffe ich jedenfalls.«

Sein Blick ging über Byrons Kopf hinweg zum Ranchhaus, und er atmete tief die Morgenluft ein, als wolle er eine Witterung aufnehmen, bevor er fragte: »Wo ist denn Katja, die Gute? Schläft sie noch? Ich würde ihr gern einen guten Morgen wünschen.«

Aus den Augenwinkeln bemerkte Byron, wie sich die Tür der Cowboybaracke öffnete, einer seiner Männer heraustrat und sofort wie angewurzelt stehenblieb, als er der ungebetenen Besucher gewahr wurde.

Auch Levane und seinen Männern war nicht entgangen, dass sie einen Zuschauer hatten, doch es brachte keinen der Galgenvögel sichtbar aus der Ruhe.

»Byron? Ich habe dich etwas gefragt.« Levane schnippte mit Daumen und Mittelfinger; dabei schwang nur ein Hauch von Schärfe in seiner Stimme mit.

»Katja ist tot. Schon seit vielen Jahren«, antwortete Byron mit versteinerter Miene. »Ich danke Gott dafür, dass ihr so wenigstens erspart bleibt, deine Visage noch einmal sehen zu müssen.«

»Tot? Im Ernst?« Ein Schatten schien sich für einen kurzen Moment auf Levanes markante Züge zu legen. »Wie bedauerlich.«

Byron öffnete den Mund zu einer Erwiderung, doch im selben Augenblick sah er, wie sich Levanes Blick überrascht weitete. Und hörte kurz darauf die Stimme seiner Tochter Jane.

»Dad. Wer sind diese Kerle?«

Byron schloss kurz die Augen, dann öffnete er sie wieder und rief, ohne sich umzudrehen: »Geh zurück ins Haus, Jane. Die Männer werden uns gleich wieder verlassen.«

Diese Worte waren nicht nur für die junge Frau gedacht, sondern auch an Danny Brix, seinen Vormann, gerichtet, ohne dass er es wagte, zur Baracke hinüberzuschauen. Der zog sich immerhin rückwärtsgehend zurück, Jane hingegen musste wie üblich Widerworte geben.

»Brauchst du Hilfe, Dad?«

Levane lachte, und seine Kumpane stimmten mit ein, bevor der Anführer fragte: »Na, Byron? Wie steht's? Braucht Daddy vielleicht Hilfe von der kleinen Lady?«

»Geh ins Haus, Jane! Sofort, hörst du?«

Levane winkte lächelnd in Richtung des Ranchhauses, und kurz darauf vernahm Byron erleichtert das Zuschlagen der Tür. Mit einem kurzen stummen Stoßgebet flehte er den Herrn an, seine Tochter davon abzuhalten, ihrem sprichwörtlichen Temperament nachzugeben, das ihr den Spitznamen Hurricane-Jane eingetragen hatte.

»Scheint ein hübsches Ding zu sein«, stellte Desmond Levane fest und fuhr sich dabei mit der Zungenspitze über Zähne und Lippen. Er sah aus wie ein durstiges Reptil. »Aber nicht so gehorsam, wie es sein sollte, finde ich. Vielleicht müsste man sie mal ordentlich übers Knie legen.«

Wieder lachten die finsteren Gesellen links und rechts ihres Anführers und bedachten Byron dabei mit höhnischen Blicken.

Das Lachen verstummte, als sich die Tür der Baracke links von ihnen wieder öffnete und nacheinander ein knappes Dutzend von Byrons Cowboys zum Vorschein kam. Die meisten hatten ein Gewehr oder einen Revolver in der Hand, der Rest lediglich Vierkanthölzer oder Messer. Elmer Forgrive umklammerte mit seinen riesigen Händen den Stiel einer Mistforke, und alle gaben sich die größte Mühe, finster und bedrohlich dreinzuschauen.

Levanes Begleiter wirkten nicht sonderlich beeindruckt, und ihr Anführer schaute nicht einmal in die Richtung der Cowboys, die sich vor der Baracke in Reih und Glied aufstellten wie das letzte Aufgebot. Stattdessen nahm er Byron in den Blick und hob auffordernd die Augenbrauen.

»Was hast du jetzt vor, Compadre?«, fragte er mit kalter Stimme, so leise wie unheilvoll.

Byron bemühte sich, dem stechenden Blick aus Levanes Wolfsaugen standzuhalten, während er antwortete: »Niemand muss hier heute sein Leben lassen, Desmond. Wendet eure Pferde und verschwindet einfach. Dann lasse ich die Angelegenheit auf sich beruhen und werde den Sheriff von Prior Junction nicht damit behelligen.«

Mit ungläubiger Miene musterte Levane den Rancher und schüttelte dabei leicht den Kopf. »Ist es nicht ein bisschen zu früh bei dir, Altersschwachsinn an den Tag zu legen? Oder hast du ein Problem mit deinen Ohren, alter Freund? Eigentlich dachte ich, mich sehr deutlich ausgedrückt zu haben.« Levane richtete sich auf und breitete die Arme in einer umfassenden Geste aus. »Das alles hier gehört ab heute mir. Capito? Wir werden gleich in das hübsche Haus da drüben gehen und du wirst mir Brief und Siegel darüber geben. Dann lasse ich dich und deine Leute vielleicht ungeschoren davonkommen. War das jetzt klar genug für dich?«

Nun war es an Byron, aufzulachen. »Hast du völlig den Verstand verloren, Desmond? Was glaubst du, wo du bist? Die Zeiten sind vorbei, in denen ehrlose Banditen wie du tun und lassen können, was ihnen beliebt. Es gibt Recht und Gesetz, deshalb rate...«

Ein einziger Schuss krachte und brachte den Rancher abrupt zum Schweigen. Vom Dach des Hauses stieg eine Krähe flatternd in die Lüfte auf, ansonsten schien die Welt für einen Augenblick innezuhalten.

Desmond Levane verzog missbilligend die Lippen, und aus der Mündung seines Sechsschüssers stieg ein Rauchfaden auf. Er hatte ihn schneller gezogen, als das Auge seines Gegenübers in der Lage gewesen war, die Gefahr auch nur im Ansatz wahrzunehmen.

Byrons Blick wirkte überrascht, und über der Nasenwurzel befand sich plötzlich ein dunkles Loch von der Größe einer Dollarmünze. Er neigte den Kopf ein wenig nach vorn, fast, als würde er widerwillig für etwas seine Zustimmung bekunden.

Dann stürzte er zunächst auf die Knie und zwei lange Sekunden später bäuchlings in den Staub.

Jane Byrons Herz setzte für mindestens zwei Schläge aus, als der Schuss die Morgenluft zerriss und ihr Vater in quälender Langsamkeit zusammenbrach. Pilar, die Küchenhilfe, stieß ein ersticktes Schluchzen aus, denn sie stand direkt neben Jane am Fenster und wurde Zeugin des kaltblütigen Mordes.

Der Schock währte nur Sekunden, dann stieg heiße Wut in Jane auf, und ihr erster Impuls war, nach einem der Gewehre zu greifen, die im Regal neben der Tür standen, um die feigen Mörder mit einem Kugelhagel einzudecken.

Doch dann reagierten die Cowboys, die aus der Baracke gekommen und die Auseinandersetzung ihres Chefs mit den Fremden beobachtet hatten. Sie hoben ihre Waffen – waren dabei aber viel zu langsam und zögerlich. Ganz im Gegensatz zu den finsteren Galgenvögeln auf ihren Pferden.

Eine tödliche Salve schoss aus den Läufen der Banditen, und die Cowboys wurden durch die Einschläge Dutzender Geschosse in groteske Tanzbewegungen versetzt, wie Puppen unter den Händen eines wahnsinnigen Marionettenspielers.

Angesichts des grauenhaften Anblicks verdrehte Pilar die Augen und sank besinnungslos zu Boden. Auch Jane war für einen Moment vor Entsetzen wie gelähmt, doch die Stimme von Manolo, dem Stallburschen, riss sie aus der Erstarrung.

»Señorita Jane – qué pasa?«, fragte der Junge mit noch verschlafenem Blick und verstrubbeltem Haar, und sie wandte sich zu ihm um, eilte ihm entgegen und ergriff seine Schultern. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken herum wie eingesperrte Hornissen in einem Einweckglas.

»Böse Männer sind gekommen, Manolito«, sagte sie und hielt dabei seinen Blick so fest wie seine Schultern. »Sie überfallen die Ranch. Deshalb musst du sofort losrennen. Durch die Hintertür nach Prior Junction, hörst du? Ruf den Sheriff zu Hilfe...«

Jane biss sich auf die Unterlippe, als ihr klar wurde, dass Sheriff Bud Shepard mit diesen Halsabschneidern da draußen womöglich überfordert wäre. Dann fiel ihr der Besucher ein, der sie erst vor gut einer Woche verlassen hatte. Nicht ohne ihnen zum Abschied zu verraten, sein nächstes Ziel sei Abilene, wo er eine Weile mit einem neuen Auftrag beschäftigt wäre.

Fieberhaft dachte Jane nach, dann griff sie nach einem Notizheft, in dem sie sonst die Listen für Einkäufe in der sieben Meilen entfernten Stadt niederschrieb.

»Einen Moment noch, Manolito«, murmelte sie und zuckte im nächsten Moment zusammen, als draußen weitere Schüsse krachten und die Schreie der Verletzten lauter wurden.

»Ma'am, ich habe Angst«, wimmerte der Zwölfjährige, und sie nickte, während sie mit zitternder Hand ein paar Worte auf das Papier kritzelte, die Seite herausriss und Manolo in die Hand drückte.

»Ich habe auch Angst. Aber du musst jetzt laufen, hörst du.« Ihre Stimme war beschwörend, und sie sah ihm so lange eindringlich in die Augen, bis er nickte. Dann fuhr sie fort: »Zuerst sagst du Sheriff Shepard Bescheid, dann gehst du zu Mr. Langley in der Wells-Fargo-Station und gibst ihm diesen Zettel. Er soll die Nachricht nach Abilene telegrafieren, okay?«

Wieder nickte der Junge, die Augen so groß wie Kreise. »Was... wollen... die denn von... uns?«, fragte er stockend, und Jane sah, wie aufsteigende Tränen die Augen von Manolo zum Glänzen brachten.

»Ich weiß es nicht«, musste sie eingestehen und zeigte auf die Hintertür. »Jetzt ab mit dir.«

Sekunden später schlug die Tür hinter dem Stallburschen ins Schloss, und Jane, immer noch in der Hocke, wandte sich mit einem Kloß im Hals um.

Keine Schüsse mehr. Es war ihr vorgekommen, als hätte die Kakophonie aus krachenden Waffen und Schmerzensschreien zehn Minuten oder länger gedauert, vermutlich waren es aber weniger als zwei gewesen.

Als sie sich ächzend aufrichtete, musste sie sich dabei mit der linken Hand am Bord unter der Garderobe abstützen, denn ihre Beine fühlten sich an, als bestünden sie aus Gelee statt aus Muskeln.

Pilar lag immer noch reglos unter dem Fenster, und Jane überzeugte sich kurz davon, dass dem Hausmädchen nichts fehlte außer ihrem Bewusstsein, dann warf sie einen bangen Blick hinaus auf den Platz vor dem Ranchhaus.

Zwischen dem leeren Corral und der Baracke der Cowboys standen die Pferde der Outlaws, die meisten von ihnen waren aus den Sätteln gestiegen und näherten sich nun mit vorgehaltenen Waffen den wenigen Männern, die den Schusswechsel überlebt hatten und nun ihre Hände in den Himmel reckten.

Jane erkannte Danny Brix, den Vormann, außerdem den jungen Mexikaner Ramon und die Brüder Dougan. Die anderen, es mussten zehn sein, wenn sich niemand mehr in der Baracke versteckt hielt, lagen reglos zu Füßen der vier überlebenden Cowboys.

So reglos wie ihr Vater, auf den Janes Blick fiel, als sie den Kopf wieder den Pferden der Gesetzlosen zuwandte. Nun sah sie, dass nurmehr ein einziger der Reiter noch in seinem Sattel saß und auf den Leichnam ihres Vaters hinabschaute.

Dann hob er plötzlich den Blick und starrte zum Ranchhaus hinüber. Jane schluckte, denn es schien ihr fast so, als würde der finstere Kerl ihr direkt in die Augen schauen.

»Du dreckiger Bastard«, flüsterte sie. »Ich werde dir dein Herz rausreißen.«

Der Mann stieg vom Rücken seines Rappen und straffte die Schultern. Er trug einen knielangen Mantel, hohe Schaftstiefel, Denims und ein hochgeschlossenes Hemd. Über dem schulterlangen dunklen Haar saß ein Hut mit flacher Krempe. Wie sein Pferd war er ganz in Schwarz gewandet, bis auf den Hemdkragen, der absurderweise aussah wie von einem Priester, sowie der glänzenden Silberschnalle seines Revolvergurts.

Janes Unterlippe zitterte vor hilfloser Wut, als der Mann seinem Hengst beruhigend die Kruppe tätschelte, bevor er gemessenen Schrittes auf das Haus zukam. Wieder ging ihr Blick zum Regal mit den Gewehren, und sie rang mit den Händen, weil Körper und Herz ihr befehlen wollten, Vergeltung zu üben.

Jetzt und sofort!

Dann glaubte sie plötzlich, die Stimme ihres Vaters zu vernehmen, irgendwo weit hinten in ihrem Kopf.

Hüte dich vor deinem Temperament, kleine Hurricane-Jane! Sonst wird dich diese Unbeherrschtheit irgendwann noch einmal den Hals kosten.

Jane biss die Zähne zusammen und atmete tief durch.

Diese Männer hatten ihren Vater und zehn Cowboys niedergemäht, und das schneller, als sie eine Tasse Kaffee leeren konnte. Es wäre lebensmüde, sich solchen Killern allein mit einem Gewehr entgegenzustellen.

Der Schwarzgekleidete hatte den größten Teil des Vorhofes hinter sich gebracht und war nur noch wenige Schritte von der Veranda entfernt. Die obere Hälfte seines Gesichts lag im Schatten der Hutkrempe, doch Jane sah, wie ein sardonisches Grinsen die Lippen des Mörders umspielte, unter denen ein grau melierter Kinnbart wuchs. Seine Körpersprache verriet unerschütterliches Selbstbewusstsein, kampferprobte Geschmeidigkeit und zeigte nicht die Spur von Besorgnis darüber, ob sich ihm jemand widersetzen mochte.

Neben Jane richtete sich Pilar stöhnend auf und schaute hoffnungsvoll zu ihr hoch.

»Madre de dios, Señorita... fue un sueño malo – ein übler Traum, oder nicht?«, brachte die Latina tonlos hervor, doch Jane schüttelte resignierend den Kopf.

Dann ging sie zur Tür, um dem Anführer der Horde entgegenzutreten.

Manolo flitzte über die Wiese mit dem kniehohen Gras und den bunt blühenden Wildblumen hinweg, die Anhöhe hinauf, schneller als er jemals gelaufen war. Er rannte, als wäre der Teufel hinter ihm her, und sein galoppierendes Herz schien ihm zuzuhecheln, dass dieser Verdacht vielleicht gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt war.

Erst als er den Waldrand erreicht hatte, wagte er es, sich zum Anwesen umzuschauen. Und musste schlucken, als er die Männer vor der Cowboybaracke sah, die regungslos am Boden lagen.

Die zwielichtigen Kerle marschierten auf seinen Onkel und die anderen drei Cowboys zu, die die Schießerei überlebt und ihre Waffen fallen gelassen hatten, bevor sie die Hände hochstreckten. Einer der Schurken hob das Gewehr, und für einen entsetzlichen Moment dachte Manolo, dass der Bandit seinem Onkel eine Kugel in den Bauch verpassen würde.

Stattdessen drehte der Mann das Gewehr elegant in den Händen herum und schlug Tío Ramon mit dem Kolben nieder. Danny Brix, der Vormann, wackelte mit den Händen, und der Schläger schien ihm und den anderen etwas zuzubrüllen, worauf sie auf die Knie fielen, die Köpfe senkten und ihre Hände hinter dem Nacken falteten.

Renn, so schnell du kannst!

Miss Janes mahnende Worte und ihr eindringlicher Blick tauchten vor seinem geistigen Auge auf, weshalb Manolo sich umwandte. Mit langen Schritten rannte er durch den Wald und achtete dabei nicht darauf, wie trockene Zweige und dorniges Buschwerk seine Fußsohlen und nackten Waden malträtierten.

Er brauchte kaum fünf Minuten, bis er den Wald durchquert hatte und den Abhang hinunter taumelte auf die Poststraße nach Prior Junction. Während er die Hände auf die Knie stützte und zu Atem zu kommen versuchte, blickte er sich nach links und rechts um, doch auf dem Overlandtrail war weit und breit keine Menschenseele zu entdecken. Kein Wunder, denn die Sonne wagte sich gerade erst zaghaft hinter den Hügeln im Osten hervor.

Drüben im Westen, auf den Weiden der Wellmouth-Ranch, konnte er ein paar einsam grasende Rinder ausmachen, doch er wusste, dass die Wohnhäuser der Nachbarn gut acht Meilen entfernt lagen.

Prior Junction hingegen war nur noch vier Meilen die Straße hinab entfernt, und wenn er schnell rannte, wäre er in nicht mal einer halben Stunde im Büro von Sheriff Crowley.

Schnell rennen war etwas, was Manolo gut konnte.

Also tat er es.