Maddrax 606 - Kolja van Horn - E-Book

Maddrax 606 E-Book

Kolja van Horn

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Beschreibung

Eine Kooperation mit einem Volk intelligenter, mörderischer Ameisen ist nicht unbedingt Matts bevorzugte Partnerschaft - aber ihm bleibt keine Wahl. Mabuta wird von einem gigantischen Organismus bedroht, einem Pilzgeflecht, das unter dem Dschungel wuchert. Zumindest hat Matt einen Plan, und der führt ihn nach Norden, nach Bogotá - eine Fahrt von über zweitausend Kilometern, die PROTO nicht an einem Tag schaffen kann. Begleiten wir ihn also auf seiner gefahrvollen Reise...


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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Tod aus den Wassern

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 schlägt ein gewaltiger Komet auf der Erde ein. Die Druckwelle trifft auch drei Jets, die die Auswirkung beobachten sollten. Der Commander der Staffel, der US-Pilot Matthew Drax, kann in den Alpen notlanden und wird von Barbaren gefunden, die ihn »Maddrax« nennen. Statt einer verwüsteten Erde sieht er sich fremdartigen Lebewesen und Pflanzen in einer veränderten Geografie gegenüber.

Die Druckwelle hat die Jets durch einen Zeitstrahl um 520 Jahre in die Zukunft geschleudert. Dieser Strahl, der vom Mars zur Erde reicht, ermöglichte vor 4,5 Mrd. Jahren den Marsbewohnern, den Hydree, eine Übersiedelung. Der vermeintliche Komet war eine Wesenheit namens »Wandler«, deren Dienerrasse, die Daa'muren, sich die Erde untertan machen will, indem sie Fauna und Flora mutieren und die Menschen verdummen lässt.

Zusammen mit Aruula, einer telepathisch begabten Kriegerin, beginnt Matt Drax seinen Feldzug. Er findet Freunde – unter anderem die Hydriten, die sich aus den Hydree entwickelt haben –, kämpft gegen die Daa'muren und stößt auf Parallelwelt-Areale, die überall auf der Erde aufbrechen. Sie sind das Ergebnis von Zeitreisen, die die Menschen einer fernen Zukunft unternahmen. Matt und seine Verbündeten können alle schließen, wobei ihnen GRÜN, eine Art Pflanzenbewusstsein der Erde, zur Seite steht.

Auch Colonel Aran Kormak stammt aus einer Parallelwelt – zumindest will er Matt dies weismachen. In Wahrheit ist er sein skrupelloser Zwilling aus dieser Welt, von dem Matt glaubt, er wäre tot. Doch Kormak, Befehlshaber einer Elitetruppe namens Dark Force, scheint sich zu besinnen und verbündet sich mit Matt, als eine neue Bedrohung auftaucht. Denn kaum ist das letzte Areal in Afrika versiegelt, wobei GRÜN beinahe vernichtet wird, sehen sich die Gefährten einer kosmischen Bedrohung namens »Streiter« gegenüber, die noch immer den Wandler auf der Erde vermutet, obwohl der längst mit seinen Daa'muren weitergezogen ist. In einem furiosen Endkampf gelingt es Matt, den Streiter zu versteinern.

Doch dann verschwindet Aruula mit dem Gleiter RIVERSIDE. Matt und ein Dark-Force-Trupp folgen ihr bis nach Südamerika. Über Peru stürzen sie wegen plötzlichem Energieverlust ab und finden den havarierten Gleiter. Von Aruula keine Spur! Dafür entdeckt Matt das Wrack eines Flugzeugträgers mitten im Dschungel – und eine blinde Passagierin, die mit nach Amraka kam: Haaley, die verrückte Freundin seines verstorbenen Erzfeindes Jacob Smythe.

Auf der USS Nimitz trifft Matt auf eine feindlich gesinnte Mannschaft und einen gewaltigen roten Diamanten. Inzwischen wird sein Trupp dezimiert. Die letzte Soldatin stirbt beim Kampf gegen einen mutierten Jaguar, kann ihn aber erlegen – ein heiliges Tier, wie Matt und Haaley erfahren, als sie von Eingeborenen überwältigt werden. Zusammen mit einer Frau von der Nimitz warten sie auf den Tod, denn auch die Fremden sind Feinde der Indios, seit sie deren Heiligtümer, zwei rote Diamanten, raubten.

Sie versuchen zu fliehen, doch nur die Fremde entkommt. Matt und Haaley erhalten eine Chance in Form einer Götterprobe. Dazu müssen sie den geheimnisvollen »Spiegel von Pachacámac«, mit dem sich weitere rote Diamanten herstellen lassen, aus einer Todeszone bergen – was ihnen auch gelingt. Sie werden freigelassen und beobachten den Angriff eines Ameisenvolks auf die Nimitz. Bei der Kontaktaufnahme mit einem Indiostamm, der den Schwarm kontrollieren soll, stellen sie fest, dass das Gegenteil der Fall ist: Mabuta, der »vielbeinige Gott«, nimmt sie gefangen. Er wird von einem Pilzgeflecht bedroht, und Matt soll ein Mittel dagegen finden.

Tod aus den Wassern

von Kolja van Horn

Matthew Drax runzelte die Stirn, als er hörte, wie jenseits der Schlucht die Dschungeltrommeln wieder einsetzten, nachdem sie für Stunden geschwiegen hatten.

Er ahnte, was man ihm damit sagen wollte: Mabutas menschliche Sklaven erinnerten ihn an den Pakt, der geschlossen worden war. Und es hatte den Anschein, als wolle der vielbeinige Gott ihm abermals verdeutlichen, dass seine Geduld Grenzen hatte.

Doch noch waren Rhythmus und Intensität der Trommeln gemächlich, also blieb ihm etwas Zeit, ehe er aufbrechen musste. Da‍her konzentrierte der Mann aus der Vergangenheit sich wieder auf den Cockpit-Monitor, auf dem verschiedene Kartenausschnitte zu sehen waren.

Das Datenmaterial in PROTOs Computer stammte aus der Ära vor dem Einschlag des Kometen »Christopher-Floyd«, doch er hoffte, dass die Topographie in Amraka noch in weiten Teilen mit der ursprünglichen übereinstimmte.

Ein Ziel für die erste Etappe seiner Reise nach Norden hatte er bereits ausgemacht: Loja befand sich etwa zweihundertfünfzig Kilometer nordwestlich und war vor Kristofluu ein schmuckes mittelgroßes Städtchen mit über hunderttausend Einwohnern gewesen. Deshalb hoffte er, dort genügend Ressourcen zu finden, damit er nach den ersten zwei Tagen durch den Dschungel seine Vorräte aufstocken konnte.

Bis hinauf nach Kolumbien, in die ehemaligen Metropolen des Kokainhandels, würde er natürlich erheblich länger unterwegs sein. Aber dort – so hatte er es wenigstens Mabuta gegenüber vollmundig behauptet – war die Chance groß, eine chemische Waffe zu finden, mit der sich das Ameisenvolk erfolgreich gegen ihren tödlichen Gegner erwehren konnte. Es handelte sich um ein Pilzgeflecht, das sich unterhalb des Dorfes und wohl auch der ganzen Umgebung ausbreitete und Mabutas Existenz bedrohte.

Zwar konnte Matt sich keineswegs sicher sein, dass diese Mission von Erfolg gekrönt sein würde, aber sie war schlicht das beste Argument gewesen, ihn und Haaley als wertvolle Verbündete statt als verzichtbares Ärgernis dastehen zu lassen. Denn auch sie brauchten Hilfe, um gegen die Gemeinde auf der USS Nimitz zu bestehen – und hoffentlich dort auf eine Spur zu Aruula zu stoßen.

Der havarierte Flugzeugträger der US-Navy befand sich nur ein paar Kilometer entfernt und beherbergte eine Gruppe Überlebender, die im Konflikt mit Mabuta standen. So hatte sich der Pakt zwischen ihm und dem intelligenten Ameisenvolk geradezu aufgedrängt. Obwohl die nonverbale Kommunikation über Haaley hatte laufen müssen – der er nach wie vor nicht über den Weg traute.

Matts Blick wanderte kurz von den Karten zu den Kontrollanzeigen der Energieversorgung, wobei sich seine Miene entspannte. Der Diamantsplitter schien bestens zu funktionieren. Noch ließ sich nicht verlässlich absehen, wie nachhaltig diese neue Energiequelle war, aber in den vergangenen Tagen war PROTO durchaus beansprucht worden, und die Pegelwerte zeigten in Gänze nach wie vor fast volle Kapazitäten an.

Die Trommeln wurden allmählich schneller geschlagen – und klangen lauter, als Matt sich erhoben hatte und zur Luke im Heck des Amphibienpanzers gegangen war. Von draußen wehte ihm die schwüle Dschungelhitze entgegen. Dabei war die Sonne erst vor einer halben Stunde aufgegangen.

Zeit, aufzubrechen! Er schloss die Rampe, warf die Maschine an und steuerte PROTO in das grüne Zwielicht des Dschungels hinein.

»Good Luck«, murmelte er und meinte Haaley damit. Denn es war alles andere als sicher, dass sie sich noch einmal wiedersahen.

In der Nähe von Loja, 2549 – drei Jahre zuvor

Die beiden Wagen, von Mulis gezogen, bewegten sich rasch über die aufwärts führende, bucklige Piste.

Denn die Nachrichten, die man über die Hacienda Yanacocha* weiter oben in den grünen Hängen erhalten hatte, waren ziemlich beunruhigend gewesen, selbst wenn sie nicht gerade aus berufenem Munde stammten. Deshalb ermahnte Dr. Jon Rubío, der die Gruppe aus der Klinik von Loja anführte, die beiden Kutscher immer wieder zur Gelassenheit.

»Es nützt nicht das Geringste, wenn wir uns platte Reifen holen oder jemand vom Wagen stürzt«, sagte er zu seinem Nebenmann auf dem Kutschbock. »Diese Gruselgeschichte stammt von Gaabrel Santaago, und jeder weiß, was von dem Mann zu halten ist.«

Migell Diazz, der die Zügel in Händen hielt, verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln, denn er wusste, worauf der Arzt hinauswollte. Santaago war zwar einer von einem halben Dutzend Lieferanten, die regelmäßig Obst und Gemüse von der Hacienda in die Stadt transportierten, aber nicht unbedingt der Zuverlässigste.

Jeder in Loja wusste: Wenn Santaago die Tour machte, konnten die zwanzig Kilometer hinauf zur Hacienda und wieder zurück auch mal einen halben Tag länger dauern – oder die Lieferung blieb ganz aus, weil der alleinstehende Mann in mittleren Jahren spontan seine Fahrt unterbrochen hatte, um mit einer oder zwei Flaschen Wein in der freien Natur zu kampieren.

»Die Saufnase hat vermutlich nur nach einer Entschuldigung gesucht«, bestätigte Rubío den Gedankengang seines Kutschers, wobei Migell den Eindruck hatte, dass die angespannte Miene des Arztes neben ihm nicht recht zu seinen Worten passen wollte. Ebenso wenig wie die Overalls, Latexhandschuhe und medizinischen Masken, die hinten auf den Ladeflächen ihrer Wagen lagen.

Jenseits der dichten Büsche links des Weges summten Bienen so laut, als wollten sie die Männer auf den beiden Kutschen warnen.

Migell verengte die Augen, während er über die Felder schaute, die sich auf der anderen Seite bis fast zur Stadt erstreckten, über einen Hügel hinweg, dessen Coornpflanzen* vom Sonnenlicht in glühendem Glanz erstrahlten.

Auch in diesem Jahr würde die Gemeinde sich wieder über eine üppige Ernte freuen können. Dank ihrer Agrarforscher im Wissenschaftszentrum von Loja hatten sie die Erträge in der Region binnen weniger Jahre fast verdreifacht. Im vergangenen Herbst konnte auch endlich die Biogasanlage ihren Betrieb aufnehmen, die die Gemeinde nun verlässlich mit Stroom versorgte.

Sie passierten ein bunt bemaltes Schild: Hacienda Yanacocha – 2 kilómetros

Nach wenigen Metern befahl Rubío, anzuhalten, die Overalls anzuziehen und die Schutzmasken überzustreifen.

»Ist das nicht ein wenig übertrieben, Doktor?«, fragte Hu'goo Osamba, der die andere Kutsche lenkte und wie sein Nebenmann Dajvid Peller und Migell Sanitäter war. »Sie sagen es doch selbst: Gaabrel Santaago ist ein Schwätzer. Wahrscheinlich hatte er nur Halluzinationen. Mir ist jedenfalls noch kein rosa Elefant aufgefallen. Aber vielleicht bewacht ja einer die Einfahrt.«

Alle lachten, bis auf Rubío, der bereits vom Kutschbock gesprungen war und in einen der dünnen weißen Schutzanzüge schlüpfte.

»Tut, was ich euch sage«, brummte er unwillig und fügte nach kurzem Zögern hinzu: »Selbst wenn Santaago übertrieben hat, müssen wir vorsichtig sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass Fuentes Giftmischer sich unachtsam selbst verletzt haben.«

Das Lachen verebbte, und Migell griff gehorsam nach einem der Anzüge.

Denn Rubío hatte recht: Die Hacienda war der mit Abstand größte Farmbetrieb in der ganzen Gegend, doch dabei verließ sich deren Besitzer Rodolfo De La Fuente schon seit einer Weile nicht mehr nur auf die althergebrachten Methoden, sondern beschäftigte eigene Fachleute und war bei der Wahl der Mittel zur Ertragssteigerung alles andere als zurückhaltend.

Dreimal waren Farmarbeiter von der Hacienda bereits in die Klinik von Loja eingeliefert worden, weil sie Vergiftungen oder Verätzungen im Umgang mit Pestiziden oder anderen Chemikalien erlitten hatten. Einer dieser Männer war seitdem auf einem Auge blind, weshalb die Hacienda unten im Ort nicht unbedingt den besten Ruf genoss.

Nachdem die Vorsichtsmaßnahmen getroffen waren, ging die Fahrt weiter. Migell bemerkte, dass Rubío sich sogar Latexhandschuhe übergestreift hatte, und tat es dem Arzt gleich, obwohl sich die Dinger bei den nun rasch steigenden Temperaturen alles andere als angenehm auf der Haut anfühlten.

Der Weg, zu beiden Seiten gesäumt von alten Bäumen, die wenigstens Schatten spendeten, beschrieb eine langgezogene Kurve und stieg noch einmal kräftig an. Aber jenseits der Baumkronen konnte Migell bereits die Farmgebäude aufragen sehen. Die roten Dachziegel des Gutshauses schimmerten so hell in der Vormittagssonne, dass er für einen kurzen Moment geblendet die Augen schloss.

Deshalb sah Rubío den Toten, der quer über der Zufahrt auf dem Rücken lag, als erster.

»Madre de Dios!«

Erschrocken riss Migell an den Zügeln und brachte die Kutsche derart abrupt zum Stehen, dass Hu'goo Osamba hinter ihm Mühe hatte, seine Mulis nicht gegen das Heck laufen zu lassen.

»Verflucht, was ist denn los?«, rief er verärgert und rollte die Augen, bis Migell ihm einen mahnenden Blick über die Schulter zuwarf.

»Da liegt eine Leiche, Mann!«, zischte Migell den Kollegen auf der hinteren Kutsche zu, die daraufhin erblassten und die Klappe hielten, während sich Rubío vom Bock schwang.

»Wartet hier«, befahl er, und seine Stimme klang ein wenig belegt unter der Maske. Migell hatte keine Ahnung, ob das vom Stoff herrührte oder vom Anblick des Toten.

Der leblose Körper sah selbst aus der Distanz ungewöhnlich aus. Der Unterarm des Toten ragte steif vom Boden nach oben, die Hand zeigte gen Himmel. Sie wirkte fast skelettiert, so dünn und ausgemergelt waren Finger und Handrücken. Dasselbe galt für das eingefallene Gesicht, über dem sich die graue Haut dünn wie Pergament spannte.

Rubío ging zu der Leiche hinüber und beugte sich vorsichtig hinab, bevor er fragte: »Wann war Sancezz das vorletzte Mal auf der Hacienda?«

»Vor knapp einer Woche, sagte er.«

»Und wissen wir etwas von den anderen Händlern?«

Diesmal antwortete Hu'goo statt Migell: »Dürfte ähnlich lang her sein. Vergangenen Freitag war Markt, also werden sich wohl die meisten am Abend zuvor eingedeckt haben.«

Rubío nickte nachdenklich, und Migell fragte: »Wenn der arme Kerl da seit einer Woche liegt... könnte die Sonne ihn so ausgetrocknet haben?«

Der Arzt richtete sich auf und warf ihm einen scharfen Blick zu, bevor er fast unmerklich den Kopf schüttelte.

»Komm und hilf mir, ihn aus dem Weg zu schaffen, Migell.«

Der Sanitäter schluckte, aber er sprang vom Kutschbock.

Aus der Nähe sah der tote Feldarbeiter sogar noch unheimlicher aus. Wie die alten Fotografien von Mumien im Museum von Loja, die ihn als Kind regelmäßig in Albträumen heimgesucht hatten.

»Du nimmst die Füße, ich die Arme«, forderte Rubío ihn auf. »Na los.«

Migell nickte und bückte sich. Als er die Finger um die Hosensäume legte, wunderte er sich, dass er die Fußknöchel fast vollständig umfassen konnte.

Und noch mehr, als Rubío und er die Leiche anhoben – sie war fast so leicht, als würde es sich um ein kleines Kind handeln.

»Bei Kristian, was ist mit dem armen Mann geschehen, Doktor?«, fragte er, während sie den Körper vorsichtig im Gras am Rand des Weges ablegten.

»Er ist vollständig dehydriert«, antwortete Rubío, ohne ihn dabei anzusehen. Der Arzt sprach so leise, als würde er mit sich selbst reden. »Das Körpergewicht... als sei nahezu jede Flüssigkeit entzogen worden.«

»Aber wie ist so etwas möglich?«, fragte Migell und spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. »Die Sonne, die... kann doch nicht...«

»Nein, Migell.« Rubíos schmales Lächeln trug keinerlei Humor in sich. »Das kann sie nicht. Keinesfalls innerhalb von nur wenigen Tagen.« Er nickte zu den Kutschen. »Fahrt mir hinterher. Ich gehe zu Fuß die Auffahrt hinauf.«

»Ist gut.« Migell hatte weiche Knie, als er zurück auf den Kutschbock kletterte, und eine bebende Stimme in seinem Hinterkopf forderte ihn auf, schleunigst von hier zu verschwinden.

»Was ist mit dir?« Hu'goo starrte ihn forschend an. »Ist doch nicht dein erster Toter, Migell. Hatte er irgendeinen Ausschlag im Gesicht, oder was?« Der neben ihm sitzende Dajvid nickte eifrig und blickte ihn ebenso fragend an. Beide hatten sie die Mundschutze unter das Kinn geklemmt, keiner trug Handschuhe.

»Nein«, antwortete Migell. »Keine Pestbeulen oder etwas in der Art – wenn du darauf hinauswillst. Trotzdem zieht ihr besser die Masken hoch und die Handschuhe an, bevor wir weiterfahren.«

Die beiden tauschten einen kurzen Blick, dann gehorchten sie achselzuckend. Migell beneidete sie fast um ihre Sorglosigkeit, nicht aber um ihre Beschränktheit. Blöd und Blöder hatten die Prüfung zum Sanitäter erst im dritten Anlauf bestanden – und selbst dies wohl lediglich, weil sie die einzigen Bewerber gewesen waren und dringend gebraucht wurden.

Die Zufahrt zur Hacienda war gekiest und lief über sechshundert Meter fast kerzengerade auf einen rechteckigen Vorhof zu, um den sich mehrere Gebäude gruppierten.

Auf dem Weg dorthin fanden sie keinen weiteren Toten, allerdings erkannte Migell bereits auf halbem Weg, dass das nicht für den Hof galt. Dort lagen mehrere leblose Körper herum, deshalb wappnete er sich.

Und noch etwas anderes fiel ihm auf, während die Reifen knirschend über den Kies rollten und Dr. Rubío gute zwanzig Schritte voran marschierte: Kein einziger Vogel war zu hören, nicht einmal von den dicht bewaldeten Hängen im Süden über ihnen.

Es war, als hielten alle Lebewesen in der Umgebung den Atem an. Oder hätten das Weite gesucht.

Rubío stieg bereits die Treppe zur Veranda des Wohnhauses der De La Fuentes hinauf, als sie mit den Wagen auf dem Vorhof ankamen. Der Arzt hatte die vier Toten am Boden nur kurz in Augenschein genommen.

Sie kletterten von den Kutschböcken, während Rubío an die Tür klopfte und rief: »Señor De La Fuentes? Hier ist Dr. Rubío. Por favór, machen Sie auf.«

Migell bemerkte, dass sämtliche Fensterläden an der Hausfront geschlossen waren, und aus dem Inneren antwortete niemand. Ein Kloß wuchs in seinem Hals, der sich nicht herunterschlucken ließ.

»Meine Fresse!«

Migell fuhr herum, als er Hu'goos Stimme hinter sich hörte. Wegen der Maske konnte er nur die Hälfte vom Gesicht seines Kollegen sehen, doch Hu'goos Augen waren geweitet und sein Gesicht blass. »Das... ist echt übel, Hombre«, stöhnte er und zeigte auf die Leiche, die vor einem leeren Wassertrog lag. »Scheiße, der Kerl sieht aus, als hätte man ihn... ich weiß nicht... ausgesaugt?«