Pferdesoldaten 2 - Im Krieg gegen Mexiko - Michael Schenk - E-Book

Pferdesoldaten 2 - Im Krieg gegen Mexiko E-Book

Michael Schenk

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Beschreibung

"Die Pferdesoldaten" bietet spannende Western aus der Zeit der nordamerikanischen Indianerkriege. Die in sich abgeschlossenen Abenteuer stellen die U.S. Reitertruppen in den Jahren zwischen 1833 und 1893 vor. Entgegen der üblichen Western-Klischees bietet der Autor dabei tiefe Einblicke in Ausrüstung, Bewaffnung und Taktiken, die sich im Verlauf der Jahre immer wieder veränderten. Schicke gelbe Halstücher und Kavallerie mit Repetiergewehren wird der Leser hier nicht finden, wohl aber Action mit einem ungewohnten Maß an Authentizität.

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Seitenzahl: 264

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Michael Schenk

Pferdesoldaten 2 - Im Krieg gegen Mexiko

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Die Begegnung

Kapitel 2 Ein Feind von Ehre

Kapitel 3 Die Werber

Kapitel 4 Rückschlag

Kapitel 5 San Gabriel

Kapitel 6 Neue Order

Kapitel 7Die neuen Rekruten

Kapitel 8 Tag der Schande

Kapitel 9 Kommandowechsel

Kapitel 10 Der Mann der Legion

Kapitel 11 Nächtlicher Angriff

Kapitel 12 Von Revolvern und Indianern

Kapitel 13 Bedingungen

Kapitel 14 Kriegsrat

Kapitel 15 Wie Diebe in der Nacht

Kapitel 16 Atacar!

Kapitel 17 Atempause

Kapitel 18 Entscheidungen

Kapitel 19 Ein bitterer Nachgeschmack

Kapitel 20 Ankündigung

Kapitel 21 Historische Anmerkungen:

Impressum neobooks

Kapitel 1 Die Begegnung

Pferdesoldaten 2

Im Krieg gegen Mexiko

Military Western

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2016

Die Kolonne folgte dem Ufer des Rio Grande auf der amerikanischen Seite. Sie war seit Wochen unterwegs und nun würde sie bald die Einmündung des Rio Conchos erreichen, um dort auf die mexikanische Seite zu wechseln. Das Ziel war die Stadt Chihuahua in der gleichnamigen Provinz. Jetzt, im Jahr 1847, war es Feindesland, denn seit über einem Jahr befanden sich die U.S.A. und die Republik Mexiko im Krieg.

Die Kolonne bestand aus fünf Kompanien der First U.S.-Dragoons, einer kleinen berittenen Artillerieabteilung mit vier Sechspfünder-Haubitzen, und dreißig Frachtwagen. Verstärkung und Nachschub für die Truppen des U.S.-Generals John E. Wool, der gegen Chihuahua vorrückte und die Stadt erobern sollte.

Im vergangenen Jahr waren die Mexikaner in der Schlacht von Monterrey durch den U.S.-General Taylor zur Aufgabe der Stadt Monterrey gezwungen worden. General Wool hatte inzwischen in Erfahrung gebracht, dass Chihuahua nicht vom Feind verteidigt wurde, da dieser erst seine Truppen reorganisieren musste. Jetzt marschierte Wool auf die Stadt zu, während sich Taylor in Richtung auf Saltillo bewegte. Ziel der amerikanischen Truppen war es, das Gebiet im unteren Bereich des Rio Grande zu sichern. Bislang waren die meisten Gefechte für die U.S.-Truppen siegreich verlaufen, dennoch gab es Verluste durch die Kämpfe, Erkrankungen und sogar Desertionen.

Major Benjamin Holmes führte nun Verstärkungen heran, die aus den Kompanien A, B, D, F und G der First U.S.-Dragoons, der kleinen Batterie berittener Artillerie und jenen dreißig Wagen bestand, die mit wertvollem Nachschub an Waffen, Munition, Uniformen und Lebensmitteln beladen waren. Drei Kompanien ritten vorne, gefolgt von dem langen Wagenzug und der Nachhut, die aus der vierten Einheit bestand. Die Fünfte stellte den Flankenschutz. Man kam nur langsam voran, denn die Wagen waren schwer beladen. Sie wurden von einem Fahrer gelenkt, dem ein zweiter Mann als Gespannführer zur Seite gestellt war, der neben dem rechten Leittier der Achtergespanne ging.

Die Kolonne war schon vor dem Morgengrauen aufgebrochen. Jetzt stand die Sonne am Himmel, doch der Februar war bitter kalt und die Soldaten hatten sich in die langen himmelblauen Mäntel gehüllt, deren Capes in den gelegentlichen Windböen auswehten. Nun zeigte es sich, dass die überlangen Ärmel der Mäntel durchaus praktisch waren. Gewöhnlich wurden sie als Stulpe zurückgeschlagen, jetzt waren diese nach unten geklappt und bedeckten die Hände bis über die Fingerspitzen. Da es keine Handschuhe gab, waren die Männer froh, ihre Finger auf diese Weise halbwegs warm halten zu können.

Inzwischen lagen die Canyons hinter ihnen, in denen der Rio Grande zwischen steil aufragenden Felswänden floss. Dort war der Weg sehr schmal gewesen und die Kolonne hatte sich weit auseinandergezogen. Immer wieder musste man größere Steine und Felsen räumen, damit die Wagen vorankamen. Jetzt erreichte man breiteres Terrain. Die steilen Wände auf der amerikanischen Seite wichen teilweise kilometerweit zurück. Mexiko präsentierte sich am anderen Ufer mit einer weiten Ebene, die gutes Vorankommen versprach. Während das amerikanische Ufer recht steil wirkte, stieg es auf der mexikanischen Seite sanft an. Mancher Unkundige hätte sich von dem hier langsam fließenden Rio Grande verlocken lassen, eine Durchquerung zu versuchen, doch mit den Fahrzeugen und Geschützen war dies nur an den wenigen Furten möglich.

Auf dem graubraunen Boden wuchsen Gräser, Kakteen und kleine Gruppen von verkrüppelt wirkenden Kiefergewächsen. Texas wirkte hier karg, obwohl es auch sehr fruchtbare Gebiete gab. Vor zwei Tagen hatte man einen Berglöwen gesichtet, doch ansonsten machte sich Großwild rar. Hier, entlang des Trails, war es zu oft von Weißen, Indianern oder Mexikanern gejagt worden. Die Männer lebten nun schon seit Wochen von Armee-Rationen und bedauerten es, kein frisches Fleisch erjagen zu können.

Die Kolonne folgte einem alten Trail, einer Handelsstraße, die schon viele Jahre von Jägern und Händlern genutzt wurde. Sie führte von Santa Fe über El Paso herunter, immer den Rio Grande entlang, bis hin zu dessen Mündung in den Golf von Mexiko. Seit der Rebellion der Texaner, gegen die mexikanische Herrschaft, war der Fluss die Grenze. Allerdings eine Grenze, die seit ihrem Bestehen umstritten war. Mexiko hatte sie nur widerwillig akzeptiert, da es keinen Krieg mit den U.S.A. riskieren wollte, die ihre Sympathien für die Republik Texas offen bekundeten. Nun war Texas ein Teil der Union. Die Differenzen zwischen Mexiko und der nordamerikanischen Staaten-Union waren im vergangenen Jahr eskaliert und beide Seiten bezichtigt sich gegenseitig, dies provoziert zu haben.

Captain Matt Dunhill ritt vor seiner B-Kompanie, die im Augenblick die Spitze der Kolonne innehatte. First-Lieutenant James Clyborn trabte an seiner linken Seite. Der dritte Offizier der Abteilung, Second-Lieutenant George McClure befand sich ungefähr auf Höhe der Mitte der Formation. Die drei Männer kannten sich seit langer Zeit, seitdem das Regiment im Jahr 1833 aufgestellt worden war. In diesen vierzehn Jahren hatten sie vieles gemeinsam erlebt. Lange und eintönige Patrouillen, Eskorten für Siedlertrecks, und Kämpfe gegen Indianer und Banditen. Das Erlebte hatte sie zu einer festen Kameradschaft zusammengeschweißt. Dies galt auch für viele jener Soldaten, die zum „Urgestein“ der B-Kompanie zählten. Mancher Kamerad war gefallen, versetzt worden oder aus anderen Gründen ausgeschieden. Andere füllten die Reihen auf. Die Gesichter mochten wechseln, doch sie alle wurden unter dem Wimpel der B-Kompanie vereint. Ein flatterndes Stück Tuch, achtundsechzig Zentimeter hoch, hundertvier Zentimeter lang und hinten achtunddreißig Zentimeter tief keilförmig eingeschnitten. In der oberen roten Hälfte standen die weißen Buchstaben „U.S.“, gefolgt von dem kleineren Schriftzug „Dragoons“, in der unteren weißen Hälfte der rote Buchstabe „B“. Matt Dunhill und seine Männer erfüllte es mit Stolz, diesen Wimpel zu führen.

Die Dragoner verstanden sich als Teil einer Elitetruppe, denn in der ganzen Armee gab es nur zwei Dragoner-Regimenter. Vor acht Monaten war eine dritte berittene Truppe aufgestellt worden, das „Regiment of Mounted Rifles“, doch die Dragoner betrachteten diese Einheit nicht wirklich als Reiter. Die Rifles ritten zwar zum Schlachtfeld, saßen dort jedoch ab und kämpften als Infanterie. Sie trugen grünen Besatz und grüne Rangabzeichen an den Uniformen und nicht das Orange der Dragoner. Zu Beginn des Krieges gegen Mexiko war zudem eine Reihe von freiwilligen Reiter-Regimentern aufgestellt worden, aber als reguläre Truppe hielten Dunhills Männer nicht viel von den oft undisziplinierten Einheiten der „Volunteers“.

Die Einmündung des Rio Conchos kam näher. Für die meisten Kompanien war dies ein eher unbekanntes Gebiet, doch das galt nicht für Dunhill und seine Kameraden. Rechts von ihnen stiegen die Berge auf, links befand sich der Fluss und ein kleines Stück rechts voraus öffnete sich jene freie Fläche, auf der die Ruinen einer alten spanischen Anlage standen. Ruinen, um die Kompanie B vor Jahren gegen eine überlegene Streitmacht mexikanischer Banditen gekämpft hatte. Viele gute Männer und mancher Freund waren hier gefallen, Seite an Seite mit einer kleinen Gruppe berittener texanischer Jäger und einer Handvoll Siedler. Es war lange her und doch stiegen nun die Erinnerungen in den Reitern auf.

First-Lieutenant James Clyborn räusperte sich. Seine Stimme klang belegt, als er zu den Überresten hinüber deutete. „Siehst du den Hügel, Matt? Da hatten die Kerle damals die Kanone aufgestellt, mit der sie uns beinahe fertig gemacht hätten.“

„Nun, es ist ihnen nicht gelungen“, entgegnete Matt Dunhill wortkarg. Auch wenn die Dragoner hier letztlich siegreich geblieben waren, so war dieser Sieg schmerzlich erkauft worden. Der Tod gehörte zum Leben des Soldaten, aber die Erinnerung nahm dem Captain die Lust, über die damaligen Ereignisse zu sprechen, auch wenn man sie teilte.

Clyborn spürte die Gedankengänge des Freundes. Er lächelte trübsinnig und deutete über den Fluss zum anderen Ufer. „Mexiko, Matt. Wir überqueren gleich die Grenze.“

„Eine Grenze, die Mexiko nur sehr widerwillig anerkannt hat.“ Matt Dunhill wandte sich im Sattel, als er raschen Hufschlag hinter sich hörte. Er lächelte, als er Captain Thomas Deggar erkannte.

Der Befehlshaber der C-Kompanie hatte als First-Lieutenant unter ihm gedient und vor einem Jahr endlich sein eigenes Kommando erhalten. Beförderungen von Mannschaften und Offizieren waren selten. Die „Regiments-Rolle“ schrieb eine bestimmte Anzahl der jeweiligen Dienstgrade vor und man konnte nur aufrücken, wenn der vorherige Inhaber der Position gefallen oder auf andere Weise aus dem Dienst ausgeschieden war. In Deggars Fall war sein Vorgänger vom Pferd gestürzt und hatte sich das Bein gebrochen. Der Bruch war nie richtig verheilt und so war die Stelle des unglücklichen Offiziers vakant geworden. Ein Glücksfall für Deggar.

„Komplimente von Major Holmes“, richtete der junge Captain aus und hob in einer lässigen Geste die Hand an den Schirm der blauen Feldmütze. Die steifen Tschakos waren flachen Mützen mit breitem Schirm und einem tellerförmigen Oberteil gewichen. Der Mützenrand war steif und mit einem schwarzen Kinnriemen versehen. Die meisten Mützen trugen keine besonderen Kennzeichen. Einige Offiziere, so wie Matt Dunhill und Thomas Deggar, hatten gekreuzte Säbel aus Messing an ihrer Kopfbedeckung befestigt, wobei das Metall derartig geprägt worden war, dass es wie Stickerei aussah. Unteroffiziere und Mannschaften befestigten stattdessen den Buchstaben der Kompanie, sofern er verfügbar war. Es war Krieg und sehr viele Dinge waren nicht oder nicht in ausreichender Menge verfügbar.

Dunhill erwiderte den Ehrengruß des Freundes. „Und was ist das Begehr unseres geschätzten Kommandeurs?“

Thomas Deggar warf einen kurzen Blick zu den Ruinen und zuckte dann mit den Schultern. „Wir sollen die Pferde kurz tränken und die Feldflaschen auffüllen. Keine lange Rast. Der Major will möglichst rasch auf Chihuahua vorrücken.“

Dunhill sah zum Rio Grande. Der Fluss war hier sehr breit, aber die Strömung nur schwach. Zahlreiche kleine Wasserwirbel verrieten, wo sich die Furt befand, bei der man eine Durchquerung mit den schweren Frachtwagen wagen konnte. „Rivers und Santiago sind noch nicht zurück.“

„Der Major hat es eilig.“ Deggar stützte die Hände auf den Sattelknauf. „Er will wohl nicht auf die Scouts warten.“

„Das gefällt mir nicht, Thomas. Er sollte den Bericht unserer Kundschafter abwarten. Die Mexikaner wissen, dass Taylor und Wool es auf Chihuahua abgesehen haben, und sie wissen ebenso, dass unsere Truppen Verstärkung und Nachschub benötigen. Die werden sich ausrechnen, dass Verstärkungen nur über diese Furt oder die weiter oben kommen können.“

„Ist auch meine Meinung“, räumte Deggar ein.

„Aber nicht die vom Major“, knurrte Dunhill.

„Wie erwähnt… Er hat es eilig.“

Hinter ihnen tönte das Signal zum Halt. Befehle liefen die Kolonne entlang, die zum Stehen kam. Soldaten saßen ab und führten die Pferde zum Flussufer. Die Frachtwagenfahrer verzichteten darauf, die Pferde auszuspannen. Sie nahmen die faltbaren Segeltucheimer, die zur Ausstattung der Soldaten gehörten, und tränkten die Tiere mit ihrer Hilfe.

Inzwischen wurde es warm und man zog die Mäntel aus, rollte sie zusammen und schnallte sie vorne am Sattel fest. Nun wurde erkennbar, dass die Uniformierung der Dragoner keineswegs einheitlich war. Selbst innerhalb der Kompanien trugen viele die dunkelblauen Winterjacken, andere die dünneren himmelblauen Sommerausführungen. Für die Offiziere und Mannschaften war dies ein Ärgernis, aber die Quartiermeistereien, die für die Uniformen zuständig waren, ließen erst alte auftragen, bevor sie die neuen ausgaben.

Nur an Pferden gab es keinen Mangel und jede der Kompanien ritt Tiere der seit 1837 vorgeschriebenen Farbe. Kompanie A besaß schwarze Pferde, die Kompanien B und F rotbraune, Kompanie C braune und Kompanie G hellgraue, wobei die Farben der Mähnen und Schweife das gleichförmige Bild milderten. Das Lederzeug der Pferde war schwarz. Lediglich die Schnallen, die schmalen Steigbügel und das herzförmige Frontteil des Brustgeschirrs waren aus Messing. In das Messingherz war die Regimentsnummer eingegossen. Die vierfach gefaltete graue Satteldecke zeigte hinten einen breiten orangefarbenen Streifen.

Dem gegenüber war das Lederzeug der Soldaten geweißt. Ein Koppelriemen mit dem rechteckigen Adlerschloss, dazu das breite Bandelier, an dem rechts das einschüssige Musketoon eingehängt war. Bei diesem handelte es sich im Grunde um die kurzläufige Variante einer Infanterie-Muskete. Das Bajonett des Vorgängermodells war verschwunden. Die einzige Blankwaffe war nun der schwere Dragonersäbel, der mit zwei schmalen weißen Lederriemen am Koppel eingehängt wurde. Auch die Sattelholster der Vorjahre waren verschwunden. Die einzelne einschüssige Perkussionspistole wurde rechts in einem Holster am Koppel geführt. Das Regiment wartete sehnsüchtig auf die angekündigten Sechsschüsser, wie sie bereits von den Texas-Rangern und einigen Freiwilligenregimentern genutzt wurden.

Auch Dunhill und Deggar legten ihre Mäntel ab. Im Gegensatz zu Unteroffizieren und Mannschaften trugen sie die langen und schmucklos wirkenden Jacken der Offiziere. Um die Taille war eine rote Schärpe geschlungen, deren lange Quastenenden an der linken Hüfte baumelten. Darüber lag das weiße Koppel. Die goldenen Epauletten auf den Schultern waren verschwunden und durch schmale Schulterstreifen ersetzt worden. Diese „Shoulder Straps“, deren spätere breite Ausführung man „Boxes“ nennen würde, waren dunkelblaue Rechtecke aus Stoff, mit goldener Einfassung, die so an der Schulternaht befestigt wurden, dass man sie gleich gut von vorne und hinten erkennen konnte. Dunhill´s Rang als Captain wurde durch zwei goldene Doppelbalken markiert.

„Wenigstens brauchen wir keinen Wassermangel zu befürchten“, meinte Thomas Deggar. „Der Major will uns entlang des Rio Conchos führen. Zumindest, bis wir nach Westen einschwenken müssen, um Chihuahua zu erreichen.“

„Der einfachste Weg, aber nicht unbedingt der sicherste“, hielt Matt Dunhill dagegen. „Wasser ist überlebenswichtig und das wissen auch die Mexikaner. Zudem werden wir entlang des Flusses auf Siedlungen treffen. Deren Bewohner sind nicht gerade unsere Freunde. Die werden sich beeilen, ihre Armee zu verständigen.“

„Ich denke, du machst dir zu viele Sorgen.“ Deggar grinste breit. „Bislang haben wir die Mexikaner schön zum Laufen gebracht.“

„Ich denke eher, du machst dir zu wenige Sorgen“, hielt sein Freund dagegen.

Eine Gruppe von drei Reitern kam die Kolonne entlang und näherte sich den befreundeten Captains. Ein Sergeant führte die Regimentsstandarte der First U.S.-Dragoons. Die blaue Seide mit dem amerikanischen Adler und der orangegelben Einfassung flatterte im Reitwind. Eigentlich wurde die Standarte beim Regimentskommandeur geführt, doch dieser befand sich wegen einer Erkrankung in Fort Scott und hatte das Feldzeichen an den Major übergeben, der die fünf Kompanien nach Mexiko führte.

John Holmes trug die goldenen Eichenblätter eines Majors in seinen Schulterstreifen. Sie schimmerten so makellos, wie die Uniform des Offiziers geschneidert war. Holmes hatte seine Fähigkeiten schon oft bewiesen, wenn es um die Verwaltung im Regiment ging, doch er besaß nur sehr wenig Felderfahrung. Dieser Feldzug war für ihn eine Bewährungsprobe und das mögliche Sprungbrett für eine weitere Beförderung. Er durfte und wollte sich kein Versagen erlauben. Glücklicherweise war er kein Narr und hörte sich für gewöhnlich die Meinung der im Kampf erfahrenen Captains an.

„Mister Dunhill. Mister Deggar.“ Der Major nickte mit einem freundlichen Lächeln, als seine kleine Gruppe hielt. „Noch knapp vierhundert Kilometer bis Chihuahua.“ Das Lächeln vertiefte sich. „Trotz der schwer beladenen Wagen müssten wir das in acht Tagen schaffen. Ich hoffe, Taylor und Wool warten mit der Schlacht, bis wir eingetroffen sind.“

„Rechnen Sie lieber mit der doppelten Zeit, Sir.“ Matt Dunhill deutete über die Kolonne. „Mit den schweren Wagen…“

„Verdammt, Mister Dunhill, bislang sind wir gut vorangekommen und ich wüsste nicht, warum sich daran etwas ändern sollte.“ Die Verärgerung im Gesicht von Holmes war nicht zu übersehen. „Ich habe sehr exakte Berechnungen angestellt und bin mir sicher, dass wir unser Ziel genau nach Plan erreichen werden.“

Dunhill verzichtete auf eine Erwiderung. Eigentlich war Holmes ein umgänglicher Mensch, aber sobald er sich eine Meinung gebildet hatte, rückte er nur ungern von ihr ab. Dunhill sagte sich, dass die Praxis wohl der beste Lehrmeister für den Major sein würde. Hoffentlich lernte er schnell genug, bevor eine falsche Entscheidungen fatale Folgen hatte.

„Bewegung an der Furt, Sir“, meldete Corporal Kershaw. Er war der diensthabende Trompeter der B-Kompanie und hielt sich, ebenso wie der Wimpelträger, stets in der Nähe seines Captains auf. „Ich glaube, es sind Rivers und Santiago.“

„Ah.“ Holmes sah in die angegebene Richtung, in der zwei Reiter erschienen, die ihre Pferde durch das aufspritzende Wasser trieben.

Die Neuankömmlinge orientierten sich an der Position der Regimentsstandarte und zügelten kurz darauf ihre Pferde.

Sam Rivers war ein schlanker und hochgewachsener Texaner. Sein gebräuntes Gesicht wurde von dichtem Bartwuchs eingerahmt. Rivers trug Lederkleidung, indianische Mokassins und eine Pelzkappe. Seine Bewaffnung bestand aus einem riesigen Jagdmesser, dessen Grundform man Colonel Bowie zuschrieb, einem fünfschüssigen Colt-Revolver und einer Kentucky-Flinte. Rivers war Zivilscout bei den Dragonern und ein Kenner der indianischen Stämme. Seine Erfahrungen mit mexikanischen Banditen prägten sein Bild der Mexikaner und sein Freund Juan Santiago bildete da sicherlich die einzige Ausnahme.

Santiagos Alter war schwer zu schätzen. In jedem Fall hatte der Texaner mit mexikanischen Wurzeln schon auf der Seite von Sam Houston gegen die Truppen von Santa Anna gekämpft. Er trug einen ausgeblichenen und verschlissenen grünen Anzug mit kurzer Jacke, wie er bei den Vaqueros beleibt war, dazu eine braune Schärpe, die er sich um die Hüften geschlungen hatte. In ihr steckten zwei Perkussionspistolen. Das Messer steckte in einer Nackenscheide. Sein breitkrempiger Sombrero war aus bestem Wollstoff, hatte jedoch ebenfalls schon bessere Tage gesehen. Als erfahrener Scout verzichtete Juan auf jeden blinkenden Zierrat, der sonst bei Mexikanern sehr beliebt war.

Die beiden Zivilscouts respektierten Dunhill und Deggar, mit denen sie schon oft ausgeritten waren, behandelten den Major jedoch nur mit einem Mindestmaß an Höflichkeit. Matt Dunhill wusste, dass es zwischen den Männern zu einigen Meinungsverschiedenheiten gekommen war, da Holmes den Rat der Scouts immer wieder in den Wind schlug.

Auch diesmal grüßte Rivers den Major nur mit einem knappen Nicken. „Wir haben ein Stück des mexikanischen Ufers nach Süden und Norden erkundet“, berichtete er. „In Richtung auf die obere Furt gab es Spuren einer Kavalleriepatrouille.“

„Wie stark?“, hakte Holmes sofort nach. „Von denen oder von uns?“

„Sieben Reiter. Den Hinterlassenschaften der Pferde nach handelt es sich um Mexikaner. Das Futter ihrer Gäule unterscheidet sich von unserem. Die nehmen mehr Mais und wir mehr Hafer.“

„Danke für diese wichtige Information“, sagte Holmes und es war nicht zu ergründen, ob er diese Bemerkung wirklich ernst meinte. „Also keine größeren Truppenteile. Das hätte mich auch gewundert.“

„Kann man so nicht sagen“, erwiderte Rivers. „Ist wie bei den Indianern. Man sieht nur einen, wenn überhaupt, und dabei sind die Hügel voll von ihnen.“

„Wir kämpfen hier nicht gegen die Roten, sondern gegen Greaser.“ Der Major benutzte ein Wort für die Mexikaner, welches noch neu im Sprachgebrauch war und immer mehr als Schimpfwort Verwendung fand. Das Wort „Schmierer“ bezog sich dabei auf den typischen Handkarren, der in Mexiko überall Verwendung fand und dessen quietschende Achsen immer wieder gefettet werden mussten.

Matt Dunhill räusperte sich. „Nun, Sir, ich glaube nicht, dass sich eine kleine mexikanische Patrouille ohne Rückendeckung in dieses Gebiet wagen würde. Sie wissen, dass wir in der Nähe sind. Möglicherweise suchen sie nach uns, um eine größere Streitmacht gegen uns zu schicken, sobald sie unsere Position kennen.“

Benjamin Holmes Blicke pendelten zwischen den Scouts und Dunhill, bevor er langsam den Kopf schüttelte. „Die Greaser haben alle Hände voll zu tun, um sich Scott, Taylor, Wool und Kearney entgegen zu stellen. Sie haben mehrfach eine Tracht Prügel bezogen und konzentrieren ihre Kräfte nun im Norden und Süden.“

„An ihrer Stelle würden wir aber sicher versuchen, die Mitte des Landes zurückzuerobern und die Verbindung der Nachschubwege wieder zu sichern“, wandte Thomas Deggar ein.

Holmes schüttelte erneut den Kopf. „Wir Amerikaner sind auch zu kühlem taktischen Denken befähigt“, behauptete er leichthin. „Mexikaner sind da anders. Sie sind… heißblütig, Gentlemen. Ihnen fehlt die Gabe der Vorausplanung.“

Sam Rivers stieß ein bellendes Lachen aus, während sich Dunhill und Deggar kurz anblickten. Die Worte des Vorgesetzten machten sie betroffen. Sie ließen jeden Realitätssinn vermissen. Auch wenn die Mexikaner ein paar Niederlagen erlitten hatten, so kämpften sie doch keineswegs schlecht.

„Sir! Reiter am anderen Ufer!“

Die Worte eines Soldaten ließen die Männer nach Mexiko hinüber blicken.

Dort waren drei Männer schienen, die offensichtlich vom Anblick der Kolonne überrascht waren und ihre Pferde zügelten.

„Das sind Soldaten“, stellte Hornist Kershaw fest. „Unsere.“

Die Reiter zogen ihre Pferde herum, spornten sie an und galoppierten hastig davon.

„Keine Soldaten“, stellte Rivers fest. „Deserteure.“

„Widerliche Feiglinge“, stieß Holmes voller Verachtung hervor.

Während des vergangenen Kriegsjahres hatten die amerikanischen Truppen einige Verluste hinnehmen müssen. Ein Sechstel durch unmittelbare Feindeinwirkung, die meisten jedoch durch Krankheiten oder Desertion. Manchmal verließen gleich Dutzende von Männern ihre Regimenter und versuchten die Heimat zu erreichen. Immer wieder gab es Soldaten, die sogar zum Feind überliefen und für diesen kämpften, da die Mexikaner mit Gold oder Landversprechen lockten. Die Strafen für Desertion waren entsprechend drakonisch.

„Rivers! Santiago! Bringen Sie mir diese Bastarde!“, befahl Holmes und deutete in Richtung der Fliehenden. „Ich will die Kerle hängen sehen!“

„Das lohnt die Mühe nicht“, erwiderte der Texaner. „Die armen Schweine haben einfach die Schnauze voll und wollen nur nach Hause. Wahrscheinlich fallen sie sowieso den Mexikanern in die Hände.“

„Rivers!“ Holmes starrte den Texaner mit zornrotem Gesicht an. „Ich habe Ihnen einen Befehl gegeben.“

Rivers warf einen Blick zu Dunhill, der mit den Schultern zuckte und zögernd nickte. Der Captain hatte kein großes Mitgefühl mit Deserteuren.

„Na schön“, lenkte der Scout ein. „Wir bringen Ihnen die Burschen.

Gemeinsam mit vier Dragonern machten sich die beiden Scouts an die Verfolgung der Flüchtigen.

Matt Dunhill sah ihnen mit zwiespältigen Empfindungen hinterher. Es war der festen Überzeugung, dass die Deserteure Strafe verdienten, aber es gefiel ihm nicht, dass die beiden fähigen Scouts nun hinter diesen her ritten und somit nicht vor der Kolonne erkunden konnten. Der Captain sah sich nicht als Pessimist, aber er hatte ein seltsam ungutes Gefühl, während er nach Mexiko hinüber blickte.

Major Holmes klatschte in die Hände. „Wir werden uns kurz besprechen, Gentlemen. Hornist, Offiziers-Ruf!“

Kershaw blies das Signal, welches die Offiziere beim Kommandeur zusammenrief. Holmes war inzwischen abgestiegen und breitete eine Karte aus, um die sich die Männer versammelten. „Gentlemen, wir haben die Einmündung des Rio Conchos erreicht und werden jetzt den Rio Grande überqueren und somit das Gebiet der Republik Mexiko betreten. Ungefähr dreißig Kilometer in westlicher Richtung liegt die kleine Siedlung Presidio del Norte. In mexikanischen Dörfern gibt es ja immer Hühner und ein paar Rinder. Wir werden dort also unsere Vorräte an Frischfleisch ergänzen.“

„Sofern uns die mexikanischen Truppen nicht zuvorgekommen sind“, wandte Captain Walters ein, der die G-Kompanie führte.

Holmes blickte irritiert auf. „Unsinn. Hier gibt es keine mexikanischen Truppen mehr.“

„Dafür aber Banditen und Indianer“, mahnte Matt Dunhill, den es zunehmend ärgerte, dass der Major sämtliche Einwände einfach zur Seite fegte. „Sir, die Dörfer wurden früher von der Armee geschützt, aber jetzt sind sie leichte Beute.“

Der Major blinzelte und schien zu überlegen. „Mit uns werden sie sich jedenfalls nicht anlegen, Mister Dunhill. Wir haben fünf Kompanien Dragoner und eine Batterie Artillerie. Zusammen mit den Fahrern und Gespannführern der Frachtwagen sind das fast vierhundertfünfzig Mann.“

„Ich meinte auch nur, dass wir uns nicht darauf verlassen können, unsere Vorräte in den Dörfern zu ergänzen.“ Dunhill seufzte vernehmlich. „Wahrscheinlich hat sich dort schon jeder bedient. Die meisten Bewohner dürften ohnehin geflüchtet sein.“

„Nun, mag sein.“ Benjamin Holmes fuhr mit dem Finger die Markierungen auf der Karte entlang. „Wir können dem Rio Conchos fast zweihundert Kilometer weit folgen, immer in Richtung Süden, bis hier, zu dieser Stelle. Dort schwenken wir scharf nach Westen und stoßen auf Chihuahua vor. Wahrscheinlich haben wir schon lange vorher Verbindung mit unseren eigenen Truppen.“ Er richtete sich auf, gab die Karte an seinen Adjutanten, der sie zusammenrollte und in ihren geteerten Köcher schob. „Wir werden die Marschordnung ändern. Lieutenant Brenton übernimmt mit A die Spitze, gefolgt von Lieutenant Forsythe mit Kompanie F. Captain Dunhill mit B und Captain Deggar mit C reiten hinter den Wagen. Captain Walters übernimmt mit G den Flankenschutz der Wagen.“

In Matt Dunhill regte sich Widerspruch. „Sir, ich würde empfehlen, dass B oder C die Spitze übernehmen. Immerhin bewegen wir uns in Feindesland und die Lieutenants haben, bei allem Respekt ihren Fähigkeiten gegenüber, noch nicht unsere Erfahrung.“

Das Regiment hatte einige bewährte Offiziere an andere Truppen abgeben müssen. Etliche Kompanien wurden nun durch Lieutenants befehligt, die ihre „Bestallung“ (Commission) zum Captain noch nicht erhalten hatten.

Holmes lächelte. „Nun, Mister Dunhill, bislang haben wir den Staub Ihrer Kompanie schlucken müssen. Es ist an der Zeit, die Positionen zu wechseln.“

Matt hätte diese Entscheidung klaglos akzeptiert, wenn ein erfahrener Offizier an der Spitze der Kolonne geritten wäre. Der Marsch einer Truppe wirbelte Staub empor, der sich natürlich wieder absenkte. Nicht selten waren die blauen Uniformen der vorderen Abteilung noch gut zu erkennen, während die hinteren unter einer Staubschicht verschwanden. Zudem reizte der aufgewirbelte Schmutz die Atemwege und es gab keine Halstücher, mit denen man diese hätte schützen können. So war es übliche Praxis, dass die Abteilungen ihre Positionen während eines Marsches tauschten.

„Dann wäre es mir eine Ehre, wenn ich meinen Lieutenant Clyborn…“

Major Holmes bemerkte, wie das Gesicht von Lieutenant Brenton ausdruckslos wurde. „Sicher eine freundliche Geste, Mister Dunhill. Die Erfahrungen von Mister Clyborn sind unbenommen, doch ich setze volles Vertrauen in Mister Brenton.“

„Selbstverständlich, Sir.“ Dunhill nickte dem jungen Brenton zu. „Das ging nicht gegen Sie, Maximilian.“

Der Lieutenant schürzte kurz die Lippen, lächelte dann aber. Selbst wenn er den Vorschlag des Captains als Kritik an seinen Fähigkeiten verstand, so wollte er es sich doch nicht mit dem erfahrenen Offizier verderben. Wenn er eines Tages selber Captain werden wollte, so konnte er jeden Fürsprecher brauchen. „Nichts dafür, Sir. Ich könnte durchaus einen zusätzlichen…“

„Jeder Offizier verbleibt bei seiner Kompanie“, entschied Holmes mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Und jetzt begeben Sie sich zu Ihren Abteilungen, Gentlemen. Es wird Zeit für den Aufbruch.“

Kurz darauf ertönte das Aufbruchs-Signal. Die Kolonne formierte sich und die A-Kompanie übernahm die Spitze, gefolgt von F. Die Durchquerung des Rio Grande nahm mehr Zeit in Anspruch, als sich die Männer erhofft hatten. Drei der schweren Frachtwagen blieben stecken und mussten sogar teilweise entladen werden, bevor sie, begleitet von Flüchen und Muskelkraft, von den Gespannen ans andere Ufer gezogen werden konnten.

Brenton und Forsythe ließen ihre Kompanien nicht abwarten, sondern trabten gemächlich nach Mexiko hinein. Als Matt Dunhill den Major darauf hinwies, zeigte der sich belustigt. „Was wollen Sie eigentlich, Mister Dunhill? Statt zweier einsamer Scouts erkunden nun sogar zwei volle Kompanien unseren Weg.“

Matts Meinung über den Major sank auf den absoluten Tiefpunkt. Mit mühsam unterdrücktem Zorn setzte er sich wieder an die Spitze der eigenen Kompanie.

First-Lieutenant Clyborn sah ihn mitfühlend an. „Ich glaube, der Major macht sich einfach Sorgen, dass wir unsere Truppen zu spät erreichen“, versuchte er zu vermitteln.

„Verdammt, James,…“, begann Dunhill, unterließ es dann aber doch, den Major zu kritisieren. Er hatte dies nun schon einige Male, mehr oder weniger offen, getan und ein solches Verhalten widersprach eigentlich seiner Überzeugung. Eine Truppe musste Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Kommandeurs haben. Besaß sie das nicht, und man geriet in eine gefährliche Situation, so konnte das fatale Folgen haben.

Clyborn räusperte sich. “Immerhin haben wir jetzt eine starke Vorhut, Sir.“

„Die uns viel zu weit voraus ist“, ließ sich Matt nun doch zu einer grimmigen Bemerkung hinreißen.

Die dreißig Planwagen und die sechs Artilleriegespanne befanden sich nun alle auf dem festen Boden Mexikos. Dunhills Kompanie war schon oft in der Begleitung von Wagen aufgebrochen, wenn eine sehr lange Patrouille durchgeführt oder ein Fort mit Nachschub versorgt werden musste. Oft waren es zivile Fahrzeuge gewesen, welche die Armee vorübergehend anmietete. In dieser Kolonne befanden sich ausschließlich Fahrzeuge aus regulärem Armeebestand. Die Wagenkästen waren Blau gestrichen, die Räder Rot und die Aufbauten wurden von weißen Planen überspannt. Einige der Planen waren mit dem Schriftzug U.S. versehen. Lafetten und Protze der Geschütze waren in einem hellen graublau gestrichen. Die massigen Messingrohre glänzten, scheinbar immun gegen Staub und Schmutz, in der Sonne. Die Kolonne wurde von den typischen Geräuschen einer marschierenden Truppe begleitet. Man hörte das Pochen der Hufe und das Schnauben der Pferde, das Rumpeln der Räder, dazwischen gelegentlich das Knallen von Peitschen und die anfeuernden Rufe oder Flüche der Gespannführer und Fahrer. Immer wieder unterhielten sich Reiter miteinander, waren die Befehle der Unteroffiziere zu vernehmen, die darauf achteten, dass die Männer die Formation einhielten.

Die Landschaft begann sich langsam zu verändern. Der Boden war mit niedrigem Gras bewachsen, das an die große amerikanische Prairie, die Plains, erinnerte. Bäume waren nicht so häufig anzutreffen, wie Kakteen. Von den großen Feigenkakteen schien es regelrechte Wälder zu geben. Aus der flachen Ebene ragten immer wieder kleinere oder größere Hügel auf. Je näher man dem Gebirgszug der Kordilleren kam, desto steiniger und felsiger würde der Boden sein. Auf eine Weise, die ein Vorankommen mit den Wagen nahezu unmöglich machen musste. Doch so weit würde die Kolonne nicht vorstoßen. Den größten Teil ihres Weges würde sie dem Rio Conchos folgen und dabei eine jener Straßen nutzen, die vielleicht schon zu Zeiten der spanischen Conquistadore existiert hatte.

Am frühen Nachmittag erreichten sie das kleine Dorf Presidio del Norte.

Von hier aus war vor vielen Jahren der mexikanische Bandit El Perdido nach Texas eingefallen, bis es Matt Dunhill und der B-Kompanie gelungen war, die starke Horde zu vernichten. Dies war die erste mexikanische Siedlung, welche die Männer der Kolonne zu Gesicht bekamen. Jeder mochte seine eigenen Gedanken haben, als sie langsam in den Ort einritten.

Es gab eine Reihe kleiner weiß gekalkter Häuser, die in ihrer bescheidenen Größe an Hütten erinnerten. Drei größere Gebäude waren von niedrigen Mauern umgeben und gehörten wahrscheinlich wohlhabenderen Bürgern.

Holmes ließ die Kolonne nur kurz halten, um Mensch und Tier eine kleine Rast zu gönnen und ihnen die Gelegenheit zu geben, ihren Durst zu stillen. Eine Corporalschaft durchsuchte die Häuser, doch sie fand den ersten Eindruck betätigt – Das Dorf war verlassen. Die Bewohner waren vor dem Krieg geflohen und hatten alle ihre bewegliche Habe und die Tiere mitgenommen. Kein Rind und kein Huhn waren zurückgeblieben.

Thomas Deggar deutete auf eines der größeren Häuser. „Siehst du die aufgebrochenen Fensterläden und Türen? Vor uns hat schon jemand nachgesehen, ob hier nicht doch etwas zu holen ist.“

Matt Dunhill nickte. „Ich habe gehört, die mexikanische Armee lässt etliche Siedlungen räumen und alles vernichten, was uns auf dem Vormarsch nützlich sein kann.“

„Ja, die sind nicht dumm. Eine Armee von ein paar Tausend Mann braucht eine Menge Verpflegung. Wenn sie sich nicht aus dem Land versorgen kann, dann werden die Nachschubwege immer länger, je weiter sie vorrückt. Dann braucht man sie nur noch vom Nachschub abzuschneiden und irgendwann muss sie dann kapitulieren.“

Erneut nickte Dunhill. „Ich bin überrascht, wie fruchtbar das Land ist. Ich dachte immer, Mexiko sei eine trockene Einöde.“

„In der Nähe der Flüsse und der Seen lässt sich prima Ackerbau betreiben oder Rinder züchten“, meinte Deggar. „Diese Provinz ist recht fruchtbar. Die reichsten Gebiete sind an der Pazifikküste, jenseits der Kordilleren. Andere, wie Sonora, ähneln eher einer Wüste. Es wundert mich, dass die Mexikaner in solchen Landstrichen überleben können.“

Dunhill lächelte. „Warum wundert dich das? Schließlich überleben ja auch Texaner in Texas.“

Erneut klang das Signal zum Aufbruch über die Kolonne.

Wieder waren es die Kompanien A und F, die an der Spitze ritten, aber Holmes schien mit Brenton und Forsythe gesprochen zu haben, denn die Lieutenants achteten jetzt darauf, dem Rest der Kolonne nicht zu weit voraus zu sein.

Matt Dunhill begann sich um Rivers und Santiago zu sorgen. Die beiden Scouts und die begleitenden Dragoner waren nun schon seit Stunden hinter den Deserteuren her. Eigentlich hätten sie längst zurück sein müssen. Die Pferde der abtrünnigen Soldaten hatten einen erschöpften Eindruck gemacht und konnten einer längeren Verfolgungsjagd nicht standhalten. Die Verfolgergruppe war zudem stark genug, jeden Widerstand der drei Flüchtigen zu brechen. Wo also blieben die Scouts?

Vor ihnen schob sich ein sanfter Hügel dicht an den Fluss heran. Er war flach genug, so dass sich die Mexikaner nicht die Mühe gemacht hatten, die Straße um ihn herum zu führen.